Montag, 30. Juni 2014

Das Mitsingen der Nationalhymne durch die Nationalmannschaft

Zu jeder Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft im Fußball wird die Diskussion eröffnet, ob die Spieler der Nationalmannschaft die Nationalhymne mitsingen müssten. Genauer: Ob es eine Pflicht zum Mitsingen geben sollte und welche Gründe dafür sprechen würden. Denn dass es diese Pflicht derzeit nicht gibt, darüber besteht Einigkeit. Ob es derartige Diskussionen auch anlässlich von Meisterschaften anderer Sportarten gibt, weiss ich nicht. Fußball ist jedenfalls die populärste Sportart, die alle sozialen Schichten in Deutschland berührt und wichtige Fußballturniere sind daher jedenfalls ein Anlaß für einschlägige Meinungsäußerungen.

Zunächst einmal sollte klar sein, was als Nationalhymne gilt. Es ist die dritte Strophe des folgenden von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 gedichteten Deutschlandlieds zu einer Melodie aus dem Lied "Gott erhalte Franz, den Kaiser", welches Joseph Haydn zu Ehren des römisch-deutschen Kaisers Franz II. um 1796 komponierte:

Deutschland, Deutschland über alles,
über alles in der Welt, 
wenn es stets zu Schutz und Trutze 
brüderlich zusammen hält. 
Von der Maas bis an die Memel,
von der Etsch bis an den Belt. 
Deutschland, Deutschland über alles, 
über alles in der Welt.

Deutsche Frauen, deutsche Treue, 
deutscher Wein und deutscher Sang, 
sollen in der Welt behalten ihren alten 
schönen Klang. 
Uns zu edler Tat begeistern unser ganzes 
Leben lang. 
Deutsche Frauen, deutsche Treue, 
deutscher Wein und deutscher Sang.

Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland, 
danach laßt uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand. 
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand. 
Blüh' im Glanze dieses Glückes,
blühe deutsches Vaterland!

Anders als die Bundesflagge, die in Artikel 22 Grundgesetz ausdrücklich auf schwarz-rot-gold festgeschrieben wurde, ist die Nationalhymne nicht in der Verfassung geregelt. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker schrieb dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl in einem Brief vom 19. August 1991, daß die 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn die Nationalhymne für das deutsche Volk sei und dieser stimmte dem mit Schreiben vom 23. August 1991 im Namen der Bundesregierung zu.   

Der ganz im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes des Artikel 3 unseres Grundgesetzes aufgewachsene Bundesbürger, der seine Mami genauso lieb hat wie seinen Papi und sein Schwesterchen schon immer ganz besonders beschützt hat, musste beim Schmettern der Nationalhymne stets gegen sein schlechtes Gewissen ansingen, wenn in der Nationahymne nur vom Vaterland und brüderlichem Streben die Rede war.

In einem Deutschland der Gleichberechtigung mit Frauenquoten, geschlechtergerechter Sprache, Gleichstellungsbeauftragten und Bundesgleichstellungsgesetz wird am gesellschaftlichen Minimalkonsens vorbei bedenkenlos ein uraltes Liedchen geträllert, das vor über 170 Jahren getextet wurde, als das bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 erstmals für ganz Deutschland eingeführte Frauenwahlrecht noch in weiter Ferne lag.   

Da wird eher die deutsche Sprache vergleichsweise anlasslos reformiert, als dass sich das bundesdeutsche Parlament mal daran macht, für eine Nationalhymne zu sorgen, welche die Entwicklung Deutschlands seit 1841 hinreichend reflektiert. Sicherlich muss man dem Ampelmännchen nicht das Ampelfrauchen zur Seite stellen, um gleichberechtigt die Kreuzung überqueren zu können und auch das Vaterland darf man ohne Rücksicht auf das weibliche Geschlecht besingen, aber nicht als Nationalhymne mit dem Anspruch einer Repräsentation des gesamten Staatsvolks.

Mit einem neuen Text hätten es auch die Jungs aus der Nationalmannschaft mit Migrationshintergrund, von denen der Pöbel ganz besonders das Mitsingen fordert, etwas leichter. Das Land ihrer Väter dürfte nämlich in der Regel nicht Deutschland sein. Mindestens bis zur Abwahl der Hymne alter Männer erübrigt sich daher die gesamte Mitsingdiskussion.

13 Kommentare:

  1. Welche ,,Entwicklung Deutschlands seit 1841 " soll denn ,,hinreichend reflektiert" werden und warum in der Nationalhymne?

    Außerdem ist ,,Vaterland" nicht das Land der Väter sondern eher: ,,Vaterland ist die Bezeichnung für das Land, aus dem man selbst bzw.[sic] die Vorfahren stammen und in dem sich ein Mensch verwurzelt fühlt, in dem meistens verwandtschaftliche Beziehungen bestehen und häufig emotionale Erfahrungen in der individuellen Entwicklung gemacht wurden, welche mit diesem Land verbunden werden."

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    1. Die Sprache zumindest, oder haben SIe schon mal den Begriff "Unterpfand" gebraucht?

      Und die Anzahl der Worte, die Sie benötigen, um "Vaterland" zu definieren findet vielleicht nicht jeder Migrant, der zu Hause zuerst eine andere Sprache gelernt hat.

      Da ist Vaterland eben Land des Vaters.

      Eine Hymne, deren Text man erst einmal lang ausschweifend interpretieren muss, um sie zu verstehen, verfehlt ihren Zweck.

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    2. Schöne Definition, die sie hier geben. Sie zeigt perfekt, dass Menschen "mit Migrationshintergrund" eben mehr als ein Heimatland haben können.

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  2. In Österreich haben die Grünen or ein paar Jahren in Die Bundeshymne zu "unsrer Söhne" auch noch ein "und Töchter" reinquetschen lassen. Die allgemeine Bevölkerung aber ist darüber sehr verärgert.

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  3. Hier kann man ja noch relativ leicht korregieren, wenn man das wollen würde, ohne das Lied kaputt zu machen. Aus Vaterland wird Heimatland aus brüdlich wird einträchtig.
    Die Frage ist nur, ob man das will, da das Lied der Deutschen ja auch eine Tradition hat und sicherlich die gesamte wechselhafte Geschichte Deutschlands an diesem Lied erkennbar ist.

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  4. Die Russen haben es vorgemacht. Der alten Sowjethymne wurde ein neuer Text eingehaucht, der das neue Russland wiederspiegeln soll. Warum nicht auch in Deutschland?

    Den Bedarf einer Reform haben uebrigens viele Lander: Uruguay singt "Vaterland oder Grab" und "Freiheit oder glorreich sterben" - kein Wunder, dass Suarez da bis zum Extremen geht.

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  5. Diese ganze Mitsingdebatte ist einfach überflüssig. Eigentlich geht es auch um etwas anders. Ein Teil der Bevölkerung kann es einfach nicht vertragen, dass Menschen mit "ausländischen Namen und Ausehen" für D spielen und Titel gewinnen wollen. Da kann ein Özil soviel singen wie er will, für viele wird er nie ein Deutscher sein, weil seine Eltern kein "deutsches Blut" haben. Traurug aber wahr.

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    1. Fakt ist aber, er grenzt sich doch selber aus. Er singt doch nicht die deutsche Hymne.

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  6. Österreicht hat bereits reformiert: statt "Heimat bist du großer Söhne" heißt es jetzt offiziell "Heimat großer Töchter und Söhne" und aus Brüderchören wurden Jubelchöre ... Dem Volk ist es einigermaßen egal.

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  7. Wer in Deutschland sein Geld verdient ( sehr gutes Geld ) und das
    deutsche Trikot trägt, der sollte auch die deutsche Nationalhymne
    singen.Auch aus Respekt zu den deutschen Fans! Löw sollte alle Spieler
    dazu verpflichten. Ansonsten sollte man für das Land spielen zu dem man
    steht. Özil also für die Türkei.Aber dort verdient man ja nicht genug.
    Ich würde mich schämen!
    Außerdem hat das auch einen psychologischen Hintergrund. Die Spieler
    singen ja nicht grundlos die Hymne NICHT mit. Also, wenn sie nicht 100 %
    zu Deutschland stehen, warum sollten sie denn ALLES dafür spielerisch
    tun, dass die deutsche Mannschaft gewinnt? So etwas passiert unbewußt.
    Deshalb sollte Löw alle Spieler dazu verpflichten, damit ein eindeutiges
    Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht!

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    1. Was ich auch ausdrücken wollte, ist der Umstand, dass es Gründe geben könnte, genau diese Nationalhymne nicht mitzusingen, selbst wenn man grundsätzlich bereit wäre, eine deutsche Nationalhymne zu singen.

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    2. Ich gebe Ihnen Recht und verstehe was Sie meinen. Die Hymne und gewisse Textzeilen könnten etwas zeitgemäßer sein. Grundsätzlich bin ich aber dafür, dass jeder Spieler seine Hymne mtsingen sollte, aus diversen Gründen, die ich oben dargestellt habe.

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  8. Mit Verlaub, auf dem Platz stehen nicht die Jungs, für die Fußball die populärste Sportart ist, die alle sozialen Schichten berührt. Das kann man von den Brasilianern und Ivorern behaupten, die inbrünstig und voller Leidenschaft mitsingen und sehr stolz auf ihr Land sind, auf ihre Mannschaft, darauf, dass sie hier ihr Fußballland und ihre Fans repräsentieren.

    Manch anderer Nationalspieler steht aber aufm Platz, weil es sein Job ist, weil er einen Vertrag hat, weil er seine Arbeitsleistung bringen muss. In den meisten Arbeitsverträgen mit den Vereinen ist die Verpflichtung enthalten, auf Verlangen des DFB als Nationalspieler tätig zu werden. Da steht nichts vom Singen der Hymne drin.

    Man muss nicht singen. Man muss kicken, pöhlen, bolzen, bäbbeln, tschutten. Von mir aus - Fußball spielen. Zu singen ist man nicht verpflichtet. Kann man auch nicht. Geht nicht. Das muss von Herzen kommen...

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