Dienstag, 16. Dezember 2014

Religionsfreiheit

Man liest ja in diesen Tagen sehr viel. Viele Deutsche haben Angst vor der Islamisierung des Abendlandes und demonstrieren ihre Furcht auf der Strasse unter dem Kürzel "PEGIDA", was nichts anderes heißt als "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Justizminister Heiko Maas dagegen hat Angst vor einer "Schande für Deutschland" durch die Proteste der islamkritischen Bewegung "PEGIDA". Bundeskanzlerin Merkel erinnert sich zwar an das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit, sieht aber keinen Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.

Nun haben aber viele Leute Angst vor Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen und sich zum Islam bekennen. Denn es gibt in Deutschland nicht nur das in Artikel 16a Grundgesetz garantierte Asylrecht, sondern auch den Schutz der Religionsfreiheit in Art. 4 Absatz 1 und 2 Grundgesetz:

„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

Die Religionsfreiheit ist aber nicht nur ein Grundrecht, sondern sogar ein Menschenrecht und wird in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO wie folgt formuliert:

"Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden."

Grundsätzlich werden insoweit die positive und die negative Religionsfreiheit unterschieden. Nämlich die Freiheit, religiöse Überzeugungen zu vertreten oder aber keiner Religon anzugehören als auch die Freiheit, seine Überzeugung beliebig zu wechseln.

Damit ist klar, das auch der muslimische Glauben in Deutschland durch das Grundgesetz und die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen geschützt ist. Der Islam als in Deutschland geschützte Religion gewährt selbst allerdings keine negative Religionsfreiheit für Muslime. Die Freiheit, sich für eine andere Religion als den Islam zu entscheiden oder Atheist zu werden, gibt es für einen Muslim und dessen Kinder grundsätzlich nicht. Im islamischen Recht wird der Glaubensabfall zuweilen sogar mit dem Tod bestraft.

Unter dem Aspekt der negativen Religionsfreiheit ist der Islam daher durchaus kritisch zu würdigen und ob der Ausdruck bürgerlichen Unbehagens in Form von Demonstrationen angesichts der von islamischem Fanatismus geprägten Nachrichtenlage deshalb das Prädikat "Schande für Deutschland" verdient, wage ich zu bezweifeln.

8 Kommentare:

  1. Ich schätze Ihren klugen pointierten Blog im Übrigen sehr, aber hier springen Sie glaube ich zu kurz oder drücken sich zumindest mißverständlich aus. Die negative Religionsfreiheit der Muslime auf deutschem Boden wird von deutschem Recht durchaus geschützt. Ein wegen Glaubensabfälligkeit begangenes Tötungsdelikt in Deutschland würde mit Sicherheit verfolgt werden, sofern es nicht durch internationale Abkommen der Zuständigkeit deutscher Justiz entzogen ist. Im Übrigen hat das kanonische Recht auch einige Kröten zu bieten, über die sich weder die Islamkritiker noch eine andere nennenswert laute Gruppe öffentlich Gedanken macht ...

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    1. Danke. Es geht mir darum, zu beleuchten, dass es Teil des Islam selbst ist, eine Abkehr vom Glauben zu sanktionieren. Eine solche glaubensimmanente Schranke kenne ich bei anderen Religionen nicht. Erst strafrechtlicher Schutz vermag insoweit die negative Religionsfreiheit zu behüten und schränkt damit die Regeln des Islam ein. Eine Religion, deren Teil es ist, ihren Mitgliedern das Grundrecht der negativen Religionsfreiheit abzusprechen, ist systematisch anders zu beurteilen, als eine Religion, deren interne Regeln Anlass zur Kritik geben können, denen man aber gefahrlos durch eine Gesamtabkehr entkommen kann, weil diese Abkehr jedenfalls nicht strafbewehrt ist.

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    2. Ich finde es schwierig, in diesem Zusammenhang von "dem Islam" zu sprechen. In der Türkei oder anderen moderaten muslimischen Staaten können Sie durchaus als Muslim Atheist werden, ohne dass ihnen reale Konsequenzen drohen. Umgekehrt sind in der Geschichte nicht wengie christliche Abweichler wegen Ketzerei hingerichtet worden.

      Es würde mich nicht wundern, wenn auch die Bibel für Ketzerei die Todesstrafe vorsieht, finde jetzt aber auf die Schnelle keine entsprechende Bibelstelle. Schließlich hat Moses sie hundertfach vollstrecken lassen, als er vom Mt. Sinai stieg und sein Volk um das goldene Kalb tanzte.

      Will sagen: Nur weil konservative Strömungen des Islam keine negative Glaubensfreiheit gewähren sollte man dies nicht allen Muslimen unterstellen.

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    3. Ich denke nicht, dass ich allen Muslimen eine extreme Auslegung des Koran unterstelle. Aber die Neigung in der Politik, diejenigen abzuqualifizieren, die sich - wie auch wir beide - nicht mit wissenschaftlicher Tiefe in ein Thema einarbeiten und sich dennoch eine Meinung bilden und es wagen, diese in einer Demonstration zu artikulieren, gefällt mir nicht. Man darf auch gegen Kernkraftwerke demonstrieren, obwohl die Dinger recht selten explodieren.

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  2. Nun, wenn man http://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenaustritt#Katholische_Kirche glauben darf, lässt die katholische Kirche ihre Mitglieder auch offiziell-theologisch nicht "gehen", sondern belegt sie für die Austrittserklärung mit einer Kirchenstrafe...

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  4. Ich weiß nicht...

    Religionsfreiheit ist ein politisches Grundrecht, ein Recht des Einzelnen gegenüber dem Staat. Von einer Religionsgemeinschaft Religionsfreiheit zu verlangen, erscheint mir absurd, so als ob ich von einem Kaninchenzüchterverein verlange, auch Mitglieder aufzunehmen, die mit der Kaninchenzucht nichts am Hut haben.
    Wenn ich, wie es in Religionen üblich ist, daran glaube, dass es einen gottgegebenen "richtigen Weg" gibt, dann ist logischerweise jeder andere auf dem "falschen Weg" und wird spätestens im Jenseits dafür bestraft. Ob man diese "Sünder" auch schon im Diesseits bestrafen sollte und in welcher Weise, ist eigentlich keine religiöse, sondern eine politische Frage.


    Ich sehe aber auch keine Überlegenheit etwa des christlichen Glaubens in dieser Hinsicht, im Gegenteil:
    Dass vom Glauben abgefallene Christen und andere Ungläubige heute nicht mehr ins Gefängnis geworfen oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden,liegt nicht daran, dass das Christentum die "bessere" Religion ist, sondern das haben wir der Aufklärung im 18. Jahrhundert zu verdanken. (Übrigens hat z. B. die katholische Kirche dann noch einmal rund 200 Jahre, bis zum II. Vaticanum, gebraucht, um die Werte der Aufklärung in ihr eigenes Wertesystem zu integrieren.)
    Der Islam hat andererseits, anders als das Christentum, von Anfang ein gewisses Mass an Religionsfreiheit vertreten und nicht nicht versucht, Christen und Juden in den von ihm eroberten Gebieten zwangszubekehren. Fragen Sie sich einmal, warum es in vielen arabischen Staaten christliche Minderheiten gibt, die dort seit Jahrhunderten leben und überleben, während es in Spanien, das jahrhunderlang unter arabischer Herrschaft gab und in dem Millionen Muslime gelebt haben, heute keinen einzigen Muslim mehr gibt (außer denen, die in den letzten Jahren zugezogen sind).

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    1. Mir geht es nicht darum, von einem Kaninchenzüchterverein zu verlangen, auch Mitglieder aufzunehmen, die mit der Kaninchenzucht nichts am Hut haben, sondern darum, von einem Kaninchenzüchterverein zu verlangen, Mitglieder austreten zu lassen, die mit der Kaninchenzucht nichts mehr am Hut haben.

      Natürlich leidet auch der christliche Glauben am Grundübel jeder Religion, nämlich der Zuwendung zum Erdachten mit allen Konsequenzen. Man darf auch ruhig Angst haben vor den Begleiterscheinungen der christlichen Kirche und dagegen demonstrieren, ohne dass dies eine Schande wäre: http://fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com/2013/04/mehr-sicherheit-videoueberwachung-fur.html

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