Montag, 29. August 2016

Abmahnung als Bumerang für den Verwaltungs-Verlag

Wer nach den Stichworten "Verwaltungs-Verlag" und "Abmahnung" bei Google sucht, erhält mehr als 9000 Treffer. Schon seit langem möchte die Verwaltungs-Verlag GmbH wegen der angeblich widerrechtlichen Verwendung von Landkarten und Stadtplänen, die auch auf www.stadtplan.net veröffentlicht werden, Geld sehen.  Den Empfängern der Abmahnungen wird vorgehalten, Ausschnitte von Stadtplänen oder Landkarten in ihre Webseite eingestellt zu haben, ohne entsprechende Lizenzgebühren an den Verwaltungs-Verlag gezahlt zu haben. Der Verwaltungs-Verlag behauptet dabei immer, die Nutzungsrechte an den jeweiligen Kartenausschnitten inne zu haben. Bei den Gerichten herrscht stets eine gediegene Gutgläubigkeit in Bezug auf diese Behauptung. Es gilt im allgemeinen als sinnlos, teuer und geradezu postpubertär, die Inhaberschaft von Nutzungsrechten bei bekannten Abmahngrößen anzugreifen.

Auf eine Abmahnung des Verwaltungs-Verlags wegen des oben abgebildeten Fotos, die gar zu dreist erschien, wurde schließlich eine negative Feststellungsklage erhoben, da für die Anfertigung des streitgegenständlichen Fotos, welches in die Website der Abmahnungsempfängerin eingebunden wurde, der Fotograf einen Kartenausschnitt auf hochglänzendem Glossy-Fotopapier gedruckt hatte, damit die später auf dem Kartenausschnitt anzuordnenden Schilder auf dem Papier leicht widerscheinen, ohne jedoch komplett gespiegelt zu werden. Dieses ist auf den Stielen der vorderen Schilder zu gut zu erkennen. Die Karte wurde auf einen dicken Karton geleimt, damit die eingestochenen Zahnstocher der Schilder sicher sitzen. Die Schilder wurden vom Fotografen handschriftlich beschrieben und auf die Zahnstocher geklebt. Die Namen und Zeitangaben symbolisieren die Einsatzplanung eines Fahrdienstes, also den ausgedachten Namen eines Ziels und der ebenfalls für die Bildgestaltung ausgewählte Zeitpunkt, an dem es angesteuert werden sollte.

Der Beschnitt des Bildes, mittig durch zwei Schilder, sollte das Motiv etwas dynamischer erscheinen lassen. Die Szenerie wurde von zwei gesofteten Blitzen rechts und links ausgeleuchtet. Damit wurde eine Schattenbildung und eine nach hinten weisende Abdunklung vermieden, wie sie bei einem frontalen Blitzeinssatz auftreten würde. Die Aufnahme selbst entstand durch eine hochwertige Spiegelreflexkamera mit einer lichtstarken Festbrennweite, um den Unschärfeeffekt zu erzielen. Der Bildwinkel wurde schräg gewählt, um die Tiefenwirkung zu verstärken. Das Bild wurde für die Illustration eines Artikels angefertigt, de Fotograf und Urheber des Bildes war ausgebildeter Redakteur. Er hatte die Nutzungsrechte für die Verwendung des Bildes an die Abmahnungsempfängerin und spätere Klägerin übertragen, was den Verwaltungs-Verlag natürlich nicht hinderte, eigene Rechte an dem erstellten Bild zu behaupten.

Im Prozess wurde für den Fall, dass es dem Verwaltungs-Verlag gelingen sollte, darzulegen, dass der Kartenausschnitt, den der Fotograf seinerzeit auf Glossy-Fotopapier ausgedruckt hatte, aus dem Bestand der Abmahnerin stammt, darauf hingewiesen, dass zu den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützten Werken der Wissenschaft, Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen auch Stadtpläne und Landkarten gehören können, sofern es sich dabei um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Jedoch besagt § 24 UrhG, dass Werke, die in freier Benutzung eines anderen Werkes geschaffen worden sind, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden dürfen. Die Entscheidung darüber, ob die Verwendung zulässig war, richtete sich daher nach den Begriffen der „Bearbeitung“ und der „freien Benutzung“. Ist ein Original lediglich als Anregung zu einem neuen Werk verwendet worden, so kann von einer freien Benutzung gesprochen werden. Die Veröffentlichung und Verwertung ist dann ohne Zustimmung des Urhebers des Originals zulässig. Erforderlich ist dabei, dass das Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbesondere ein Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist.

Da sich der Fotograf mit seinem Lichtbildwerk schon durch das Hinzufügen der schrägen Perspektive und erst recht durch die Anfertigung und Positionierung der kleinen Schildchen nebst individuell ausgewählter Tiefenschärfe des Motivs nahezu vollständig vom Stadtplan gelöst hatte - dessen Sinn es ja im Gegensatz zum streitgegenständlichen Foto ist, in vollständiger Draufsicht möglichst als maßstabsgetreues Abbild der Wirklichkeit wahrgenommen zu werden und dessen technische Qualität und Zweck schon in dem Moment wegfällt, wo er lediglich perspektivisch und unscharf wiedergegeben wird -, konnten keine Zweifel daran bestehen, dass der abgemahnten Klägerin ein völlig neues und eigenständiges Werk zur Verwertung überlassen wurde und damit die vom Verwaltungs-Verlag behaupteten Ansprüche nicht bestanden.

Außerdem hatte der BGH mit Urteil vom 13. November 2013 zum Az. I ZR 143/12 (Geburtstagszug) ausgeführt, dass bei einer Darstellung technischer Art allein die Form der Darstellung urheberrechtlichen Schutz genießt, nicht dagegen deren Inhalt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gewährt Schutz allein gegen die Verwertung der Darstellung, nicht aber gegen die Verwertung des Dargestellten. Als perspektivisch verzerrter Hintergrund einer damit natürlich nicht mehr maßstabsgetreuen Straßenlandschaft mit der dargelegten Gestaltung des Bildes war daher nicht nur ein eigenes Lichtbildwerk entstanden, sondern gleichzeitig auch die Funktion und Schutzfähigkeit der ehemals technischen Darstellung entfallen. Damit konnte es von vornherein nicht den geringsten Zweifel daran geben, dass das vom Fotografen sorgfältig arrangierte Lichtbild ein geschütztes Werk im Sinne des Urheberrechts ist, während der als Untergrund verwendete Kartenausschnitt gar nicht mehr in seiner konkret geschützten Form als informationsvermittelnde Darstellung eines maßstabsgetreuen Stadtplans erschien.

Weil die Auseinandersetzung mit dieser Rechtsauffassung dem Amtsgericht Hannover wohl etwas zu komplex war, wurde tatsächlich zunächst ein Zeuge angehört, der als Karetograph die streitgegenständliche Karte für den Verwaltungs-Verlag erstellt haben sollte. Dass sich durch dessen Aussage die Behauptung des Verwaltungs-Verlags, nämlich die Rechte am Kartenausschnitt inne zu haben, als freche Lüge entpuppte, war dann doch eine kleine Überraschung. Der vom Verwaltungs-Verlag als Zeuge benannte Kartograph hatte die Karte gar nicht erstellt und konnte daher auch keine Nutzungsrechte übertragen haben. Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde die Klärung der Rechtsfrage, ob bei der fotografischen Verwendung des streitgegenständlichen Kartenausschnitts ein neues Werk entstanden war, leider hinfällig. Andererseits belegt das Urteil des Amtsgerichts Hannover, dass richterliches Unverständnis nicht immer dem Berechtigten zur Last fallen muss und damit gleichzeitig auch das freche Vorgehen der Urheberrechtsabmahner transparent werden kann.

11 Kommentare:

  1. Ihnen kann man es als Richter auch nicht recht machen.

    Am Anfang ihres Textes beklagen Sie sich über die Gutgläubigkeit der Gerichte, bezüglich der Inhaberschaft an Nutzungsrechten.

    Am Ende des Textes beklagen Sie die Klärung der Frage und führen sie auf "richterliches Unverständnis" zurück.

    Seien Sie doch froh, dass sie über die Rechtsfrage nicht in drei Instanzen streiten mussten.

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    1. Aus meiner Sicht war wegen des Vorhandenseins eines "neuen Werks" die Beweisaufnahme überflüssig. Selbst wenn der Kartenausschnitt für den Verwaltungs-Verlag angefertigt worden war, hätte er keine Rechte an dem Foto gehabt. In den meisten anderen Fällen von urheberrechtlichen Abmahnungen geht es dagegen nicht um die freie Benutzung eines anderen Werks, sondern um Fragen der Zurechenbarkeit einer Rechtsverletzung etwa durch die Störerhaftung, ohne dass das Vorhandensein von Verwertungsrechten ernsthaft überprüft wird. Ich möchte mit meiner Kritik auf den Umstand hinweisen, dass dort, wo es nicht auf die Inhaberschaft von Rechten des Abmahnenden ankommt, diese Inhaberschaft überprüft wird und dort, wo es auf die Inhaberschaft von Nutzungsrechten ankommt, die Inhaberschaft in der Regel nicht überprüft wird.

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  2. https://agenturastrata.wordpress.com/2016/08/04/frank-engelen-detektei-astrata-klaert-auf-frank-engelen-internethetze-mobbingverstoss-gegen-das-urheberrecht-wer-ist-frank-engelen

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  10. Von der o.g. Firma werden kostenlos (werbefinanziert) Faltpläne an Stadtverwaltungen ausgegeben. Scannt ein Nichtsahnender nun diesen Plan ein und stellt ihn als Wegbeschreibung in das Internet, reibt der Verlag sich schon die Hände.
    Grundsätzlich wird behauptet, das Material stamme von der Internetseite, wo natürlich auch die utopischen Lizenzgebühren aufgelistet sind. Hier wird vorsätzliches Handeln ein Thema, was sofort eine Unterlassung mit sich bringt. Praktisch, dass der Streitwert der Unterlassung mit über 6.000€ die Lizenzgebühr von 850€ weit aussticht. Auch praktisch, dass man eine Unterlassung aussprechen darf, obwohl nicht einmal nachgewiesen werden kann, dass man des angelasteten Vergehens schuldig ist. Noch praktischer ist, dass Anwälte sich prozentual nach dem Streitwert bezahlen lassen und bei höherem Streitwert die Motivation steigt, sich auf solche Machenschaften einzulassen.
    Ein armer Teufel scannt also das Faltplänchen ein und läd es ins Internet als Wegbeschreibung. Dann Jahre später wird eine ganz andere Person mit der Neugestaltung eines Internetauftritts beschäftigt und dieses ohnehin veröffentlichte Bild wird modifiziert in einem Entwurf verwendet. Der Entwurf wird in den Tiefen des Servers vergraben. Der Verlag findet (wie auch immer) den bezugsfrei benannten Kartenschnipsel und startet sogleich seine Urheberrechtsprozedur.
    Der ursprüngliche "Schuldige" bleibt dabei unbehelligt, denn es war ein kleiner Verein, bei dem wohl weniger zu holen ist. Ok Urheberrecht verletzt. Man muss sich also immer informieren, egal wie lange ein Bild im Internet veröffentlicht war und der ursprüngliche Veröffentlicher den Anspruch anmeldet genau dieses Bild zu verwenden, anstatt eine dynamische kostenlose Googlekarte nebst Routenplaner einzusetzen, wie empfohlen. Gut, andere Verlage bieten denselben Ausschnitt für eine Lizenzgebühr von 70-150€ an. Die Annahme, dass eine solche Lizenzgebühr geflossen ist und deshalb auf der Verwendung des Bildes bestanden wurde, ist ja nicht ganz unlogisch.
    Alle Erklärungen helfen nicht. Der Verlag zieht die Klage durch und bringt sogar noch Zinsgebühren an, für den von ihm selbst gewählten Zeitraum, der zwischen dem letzten Schreiben und der Klageschrift liegt. Im letzten Schreiben hatte es so ausgesehen, das die sofortige Entfernung und Beteuerung, dass es sich um einen Entwurf handelte und die Wegbeschreibung nur Beiwerk sei ausreichend schien, um das Thema zu begraben.
    Nun ja, eben nicht. Auch ein Gericht beschäftigt sich nicht mit lästigen Details. Urheberrecht verletzt - passt - alles klar. Der Verlag bekommt Recht und Kosten für 2 Anwälte, das Gericht und natürlich die Lizenzgebühren nebst Zinsen belaufen sich zwischen 3 bis 4 tausend Euro für einen kostenlosen Faltplan, der von dritten eingescannt im Internet herumgeflogen war.
    Mich wundert es, dass es den Verlag noch gibt. Wer braucht denn heute noch einen Faltplan? Wird vielleicht der Grund sein, sich Gelder auf seltsamen Wegen zu beschaffen. So lange es auch immer wieder funktioniert… Schön, dass es hier mal nicht geklappt hat.

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