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Freitag, 24. Juli 2015

NSU-Prozess: Strafanzeige durch die Angeklagte gegen Verteidiger wegen Geheimnisverrats

Der Vorwurf der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB wiegt schwer, denn wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbart, das ihm als Rechtsanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren etc. anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die im NSU-Prozess Angeklagte Beate Zschäpe hat ihre Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer bei der Staatsanwaltschaft in München während deren Tätigkeit als Pflichtverteidiger angezeigt. Vorangegangen war bereits ein Entpflichtungsantrag von Zschäpe gegen Rechtsanwältin Anja Sturm und Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Auch die drei Pflichtverteidiger Sturm, Stahl und Heer hatten zuvor schon den Antrag gestellt, von ihrem Mandat entpflichtet zu werden. Der kurz zuvor neu bestellte Pflichtverteididiger Rechtsanwalt Mathias Grasel soll an der Strafanzeige mindestens mitgewirkt haben.

Aus meiner Sicht wird dem Oberlandesgericht München aus der Gesamtbetrachtung der Umstände wenig anderes übrig bleiben, als die Verteidiger Sturm, Stahl und Heer zu entpflichten, denn ein unwiderruflich gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen (Alt-) Verteidiger und Mandant lässt sich kaum besser ausdrücken, als den in einer Strafanzeige durch den erst jüngst verpflichteten (Neu-) Verteidiger formulierten Vorwurf des Geheimnisverrats gegenüber den (Alt-) Verteidigern. Denn der von der Verfassung verbürgte Anspruch auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren umfasst das Recht des Angeklagten, sich im Strafverfahren (nur) von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

Obwohl in den Fällen der Pflichtverteidigung dieses Recht eingeschränkt wird, als der Angeklagte keinen Anspruch auf Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat, bleibt der Anspruch des Angeklagten auf eine Verteidigung durch einen Anwalt seines Vertrauens unberührt. Im konkreten Fall würde jedenfalls ein Verteidiger des Vertrauens verbleiben. Schließlich gilt es auch zu Gunsten der Angeklagten als Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, einen juristischen Grabenkampf im Verteidigerteam zu vermeiden. Verfahrensökonomische Gründe scheiden in einer solcher Konstellation naturgemäß aus.

Dienstag, 25. März 2014

Sex-Chat per Schriftsatz ans Gericht - strafbar?

Ein prominenter Ehebrecher, der die Vorzüge der Informationsgesellschaft durchaus lieb gewonnen hat, möchte die damit einhergehenden Nachteile nicht so recht akzeptieren und den elektronischen Gedankenaustausch zwischen Geliebter und betrogener Ehefrau aus der Kategorie „Soll ich Ihnen alle intimen Korrespondenzen zwischen mir und Ihrem Mann zukommen lassen?" wenigstens in Zukunft verhindern.

Er bedient sich dazu der Hilfe eines fleissigen Anwalts, der per Abmahnung in epischer Breite den Wortlaut der E-Mails der Geliebten wiedergibt, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und Schadensersatz in Höhe von EUR 20.000,- verlangt und einen Zahlungsvergleich zu Bedingungen anbietet, die nur unheilbar kranke Masochisten akzeptieren würden.

Die Ausführungen des Kollegen gipfeln schliesslich in der Behauptung, einem möglichen Prozess gegen die ehemalige Sex-Partnerin gelassen entgegenzusehen - "Denn ein Richter würde aus den genannten Gründen in dieser Sache nicht darüber zu befinden haben, ob Ihre Äußerungen der Wahrheit entsprechen, so dass eventuell von Ihnen vorgelegte Mails gar nicht erst zur Kenntnis genommen würden, da diesen keine rechtliche Relevanz zukommt."

Offensichtlich misst der Kollege seinen vorprozessual geäußerten Worten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage keine allzu grosse Bedeutung mehr bei, denn sein nunmehr mir gegenüber geäußerter Vorwurf, mit der schriftsätzlichen Vorlage der Sex-Chats zwischen den Parteien eine Straftat begangen zu haben, lässt sich nur erklären, wenn er selbst nicht daran glaubt, dass die digitalen Fantasien seines Mandanten bei Gericht gar nicht erst zur Kenntnis genommen würden.

Mit der Weitergabe des sexuelle Einzelheiten enthaltenden E-Mail-Verkehrs an das Gericht hätte ich mich als Anwalt der Abgemahnten des Vergehens der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB strafbar gemacht, indem ich unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbarte, das mir als Rechtsanwalt anvertraut worden ist. Ich soll sogar den Qualifikationstatbestand der Schädigungsabsicht gem. § 203 Abs. 5 Alt.2 StGB erfüllt haben, die sich bereits in meiner Äußerung, dass der Ehebrecher "die Konsequenzen seiner Untreue hinzunehmen" habe, offenbare.

Die Übermittlung der erotischen E-Mails geschah natürlich im Einverständnis mit der nunmehr fallengelassenen Geliebten und ich hatte lediglich darauf verwiesen, dass der Schutz der vertraulichen und auch den Tatsachen entsprechenden Kommunikation zwischen Ehefrau und Gespielin dem Ehebrecher verbiete, darauf im Wege der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs Einfluss zu nehmen. Seine Frau war dankbar über die Kontaktaufnahme und die Übermittelung der aufschlussreichen Informationen. Deshalb habe der Delinquent "die Konsequenzen seiner Untreue hinzunehmen und kann den Austausch darüber zwischen seiner Frau und der Klägerin nicht auf die von ihm angestrebte Art und Weise unterbinden."

Wie sich die Zeiten ändern. Vor dem 1. September 1969 war noch der Ehebruch selbst strafbar, heutzutage muss man als Rechtsanwalt Strafe fürchten, wenn man den Schutz der Kommunikation zwischen betrogener Ehefrau und geschmähter Geliebter verteidigt. Noch vor nicht allzu langer Zeit haben wir für eine andere Frau darum gekämpft, eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz auch ohne Zeugen dem Arbeitgeber mitteilen zu dürfen und zwar auch dann, wenn die Schilderung des anzüglichen Verhaltens nicht nachgewiesen ist und in Bezug auf den Angeschuldigten eine den Ruf beeinträchtigende Wirkung haben kann. Der Glaube, Frauen im Hinblick auf Vorkommnisse mit Bezug zu deren Sexualsphäre den Mund verbieten zu können, weil man die Kundgabe eigener Beteiligung scheut, scheint bei sexuell unterforderten Ehemännern weiter verbreitet zu sein, als gedacht.