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Freitag, 31. Juli 2015

Schwulenparade als Gottes Probe

So jedenfalls interpretierte der ultraorthodoxe Jude Yishai Shlissel die gestern in Jerusalem abgehaltene "Gay Pride Parade" und wertete seinen Messerangriff auf sechs Teilnehmer dieser Veranstaltung als Beweis für die uneigennützige Hingabe an Gott. Denn Gott wolle sehen wie fromm wir seien und ob die Herabwürdigung seines Namens uns berührt oder wir nur an uns selbst denken.

Abgesehen davon, dass die Freiheit der Religionsausübung natürlich auch in Israel seine Grenzen hat, wäre es ja doch interessant zu wissen, ob Gott die Schwulen denn wirklich so wenig mag, dass er mit dem Kunstgriff einer öffentlichen Parade gläubige Messermänner auf sie hetzen würde. Nun wissen wir zwar alle, dass Moses die 10 Gebote direkt von Gott empfangen hat, doch über Homosexualität war auf den Steinplatten leider nichts zu lesen. Aber schon Gott kannte den Trick mit dem Kleingedruckten, das man in der Regel gerne überliest.

Dazu gehört der im Deutschen als das 3. Buch Mose oder auch Levitikus bezeichnete Text, welcher im Original in hebräischer Sprache geschrieben und Teil der jüdischen Tora und des Alten Testaments ist. Im Buch Levitikus handelt das Kapitel 20 über todeswürdige Verbrechen und so führt Lev 20,13 folgendes aus: "Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen." Gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern ist demnach jedenfalls eine Todsünde. Während Lev 20,15 und Lev 20,16 jeweils ausdrücklich die körperliche Liebe durch Mann oder Frau mit Tieren sanktionieren, wird die weibliche Homosexualität im Talmud in Lev 18,3 nur indirekt unter Hinweis auf die praktizierte „Sittenlosigkeit" in Ägypten und Kanaan, zu der auch die lesbische Liebe gehörte, verboten. Aber sie wurde nicht als todeswürdiges Verbrechen eingeordnet.

Nach diesem kurzen Quellenstudium kann man um den heißen Brei kaum länger herumreden und muss Yishai Shlissel zugestehen, dass seine Interpretation des gestrigen Geschehens als die eines ultraorthodoxen Juden durchaus eine Berechtigung hat aber natürlich auch zu der Frage führt, ob denn die unbedingte Hingabe an die Tora als maßgebendes Wort Gottes zeitgemäß sein kann. Er selbst wird die Antwort für sich schon gefunden haben, denn wer nach einer zwölfjährigen Haftstrafe wegen einer ähnlichen Attacke im Jahre 2005 schon drei Wochen nach der vorzeitigen Freilassung unbeirrt auf dem gleichen Pfad wandelt, wird auch in Zukunft keine Zweifel am Wert der Tora haben.