Posts mit dem Label Landgericht Mannheim werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Landgericht Mannheim werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 6. Mai 2013

Tatbestandsquetsche

Es ist ja noch nicht lange her und ich war fest davon überzeugt, dass das Landgericht Mannheim mit seiner lieblos kurzen und falschen Begründung für lange Zeit seinen Spitzenplatz in meiner Hitliste schlechter Urteile verteidigen würde. Ich erinnere mich noch genau an meine empörte Reaktion beim Lesen des Mannheimer Urteils, die dann zu einer ehrlichen Überschrift beim Schreiben geführt hatte.

Diesmal war es anders - das Landgericht Lüneburg hat mich zum Lachen gebracht. In einem Prozess um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall hatten wir nach unechtem Versäumnisurteil und gerichtlichem Hinweisbeschluss bezüglich der Aktivlegitimation erst in der zweiten mündlichen Verhandlung eine am Vortag von Zedent und Zessionar unterzeichnete und datierte Abtretungserklärung eingereicht. Verspätung hätte insoweit keine Rolle spielen dürfen - dachte ich.

Die klassische Sachverhaltsquetsche des unbedarften Rechtsreferendars kultiviert das Landgericht Lüneburg nun in Form der Tabestandsquetsche als Grundlage für eine schlanke Klageabweisung:

"Im Termin vom 16.04.2012 überreichte der Kläger eine  - undatierte - Abtretungserklärung" und ferner "Selbst wenn man die erst im Einspruchstermin vorgelegte Abtretungserklärung als „Angriffsmittel“ bzw. als Erfüllung der Auflage gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 12.12.2012 ansehen würde, ist dieses nicht zuzulassen, denn die Zulassung würde den Rechtsstreit verzögern. Es müssten nämlich in einem neuen Termin Zeugen vernommen werden, die ansonsten bereits zum Termin am 16.04.2013 geladen worden wären. Eine Entschuldigung für seine Verspätung hat der Kläger auch nicht vorgebracht, so dass das Versäumnisurteil vom 19.02.2013 aufrechtzuerhalten ist."

Und ich hatte dem Mandanten gesagt, dass es nach Vorlage der datierten Abtretungserklärung nur einen Beweisbeschluss geben könne ....
       

Donnerstag, 31. Januar 2013

Scheißurteil - Das Husarenstück des Geschäftsführers

Es gibt immer wieder Prozesse, in denen die Beklagten mit steinerner Miene Erläuterungen zum Sachverhalt abgeben, obwohl die zum Besten gegebene Erklärung eigentlich nur ein Scherz sein kann und Heiterkeit verbreiten müßte - auch bei ihnen selbst. In der Regel tragen allerdings Richter und Rechtsanwälte in ihren Roben neben der nüchternen Ausstattung des Gerichtssaals dazu bei, dass es den Beklagten gelingt, ihr inneres Lachen hinter einem ernsten Gesicht zu verbergen.

Dennoch halte ich es für eine beachtliche Leistung des persönlich verklagten Geschäftsführers der Werbeagentur XXXX aus Freiburg, vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit kontrolliertem Gesichtsausdruck eine derart hanebüchene Stellungnahme abzugeben, warum im Kundenauftrag registrierte Domains grundsätzlich (!) nicht auf die Kunden bei der DENIC registriert werden. Das Husarenstück des Geschäftsführers, auf dessen Namen die Kundendomain am Ende registriert wurde, möchte ich der interessierten Leserschaft nicht vorenthalten:           

"Ich habe ferner gesagt, dass ich die Domain über die Firma XXXX reservieren lasse und einen Mitarbeiter als Inhaber eintragen lasse. Der Grund hierfür war, dass wir Zugriff auf die Domain haben wollten für den Fall, dass beispielsweise kleinere Änderungen notwendig werden. Ich kann dies wie folgt erläutern: Die Domain wurde über eine Firma Hosteurope registriert. Es war deshalb erforderlich, dass ein Mitarbeiter der GmbH als Domaininhaber registriert wird. Anderenfalls hätte es zu Schwierigkeiten und Interessenkonflikten kommen können, wenn etwa der Kunde die für die Domain anfallenden Kosten nicht bezahlt; ich wäre dann nicht in der Lage gewesen, die Domain von mir aus zu kündigen."

Ein weiterer Grund für die Registrierung der Domain auf eine bei unserer GmbH tätige Person ist, dass es anderenfalls zu datenschutzrechtlichen Problemen hätte kommen können. Wenn die Domain auf den Kunden selbst registriert würde, könnte dieser die Zugriffsdaten verlangen. Er hätte dann über unseren Firmenaccount Zugriff auf Internetpräsenzen und Daten auch unserer anderen Kunden. Dies ist, wie gesagt, aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Hierüber habe ich mit Herrn (Kläger) explizit gesprochen. Er war deshalb auch ausdrücklich einverstanden, dass die Domain auf meinen Namen registriert wird. Ich mache das mit jedem Kunden so; anderenfalls würde ich gegen Interessen der Kunden und der Mitgesellschafter verstoßen."


Auf weitere Frage des Gerichts:

Als Domaininhaber ist zunächst ein Mitarbeiter der von mir geführten GmbH eingetragen worden. Als absehbar wurde, dass Herr (Kläger) nicht mehr mit uns zusammenarbeiten will und die Domain nach Ablauf des Vertrages an ihn übertragen werden musste, haben wir das geändert. Ich bin dann anstelle dieses Mitarbeiters als Domaininhaber registriert worden. Dies war aus meiner Sicht erforderlich, um die Domain bei Ablauf des Vertrages freigeben zu können."


Auf weitere Nachfrage des Gerichts:

"Es ist richtig, dass die Frage, wer Inhaber der Domain ist, nicht zwingend etwas zu tun haben muss mit der Frage, wer an den Inhalten der Homepage Änderungen vornehmen kann. Es war aber so, dass derjenige, für den die Domain registriert war, weitergehende Befugnisse zum Zugriff auf unser System hatte. Deshalb war es aus meiner Sicht nicht möglich, Herrn (Kläger) die Domaininhaberschaft zu überlassen während der Laufzeit des Vertrages."


Wie bereits in einem anderen Beitrag angedeutet, wären die Erklärung, der dahinter stehende Sachvortrag und im Grunde das gesamte Verfahren nicht nur für den Kläger, der die Inhaberschaft der seiner Einzelfirma entsprechenden Domain anstrebt, zum Lachen, wenn das Landgericht Mannheim in erster Instanz nicht dem Unfug des Beklagten in Form eines denkwürdigen Urteils gefolgt wäre. (s. Oberlandesgericht Karslruhe, Urteil vom 13. März 2013 zum Az.: 6 U 49/12)

Dienstag, 17. Juli 2012

Scheißurteil

Ich habe kurz überlegt, mich aber nach anfänglichem Zögern bei der Überschrift doch für die Wiedergabe meines ersten Gedankens nach dem Lesen eines Urteils des Landgerichts Mannheim in einem Domainrechtsstreit entschieden. Es gibt immer wieder Urteile, die ich für falsch halte. Dabei kommt es durchaus vor, dass ein Amtsgericht meint, nur Kaufleute könnten Verträge mit einer bestimmten Firma schliessen und deshalb die Zahlungsanspflicht eines Verbrauchers verneint, während ein anderes Amtsgericht der Auffassung ist, trotz des Mangels der Kaufmannseigenschaft müßte ein Verbraucher an eben diese Firma zahlen.

Mit ähnlicher Leichtigkeit kann ein und derselbe Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt die Domain flugplatz-korbach.de für unterscheidungskräftig halten und die Domain flugplatz-speyer.de als lediglich allgemein beschreibend definieren - mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen für die jeweiligen Flugplatzbetreiber. Dass viele Gerichte nichts hören, wenig sehen und häufig mit anderen Dingen beschäftigt sind, ist leider kein Einzelfall (Bild oben).

Dennoch nimmt das jüngste Urteil aus Mannheim einen besonderen Platz in meiner Kuriositätensammlung ein. Dazu muss man wissen, dass dem Landgericht Mannheim nach der Verordnung des Justizministeriums von Baden- Württemberg über Zuständigkeiten in der Justiz (§ 140 Abs. 2 MarkenG iVm § 13 Abs. 1 ZuVOJu) vom 20. November 1998 die Kennzeichen-, Gemeinschaftsmarken- und Geschmacksmuster- und Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsachen für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe zugewiesen wurden und man ruhig erwarten darf, in derartigen Streitsachen bei der zuständigen Kammer auch auf einen überdurchschnittlichen Sachverstand zu treffen. Schliesslich betonte das Landgericht Mannheim schon im geschichtsträchtigen Urteil vom 8. März 1996 zum Aktenzeichen 7 O 60/96 in der bekannten Entscheidung zur Domain heidelberg.de (NJW 1996, 2736), dass die Unterscheidung einer bestimmten Person von anderen Personen die klassische Funktion des Namens ist.

Der dem hier in allen Belangen ungenügenden Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt ist schnell erklärt: Der Geschäftsführer des Internetproviders C. XXXX GmbH registriert die Domain eines mittelständischen Autohauses nach dem Muster "autohaus-meinname.de" auf sich selbst als Inhaber und weigert sich gegen Ende des Vertragsverhältnisses mit der C. XXXX GmbH auch nach mehrfacher Aufforderung, die Domain auf das Autohaus als Kunden zu übertragen oder zu löschen.

Ein schlichter Klassiker der Kundenerpressung bei drohendem Vertragsende, der in dieser Konstellation schon als ausgestorben gilt, weil auch die schimmeligste Internetbude mitbekommen hat, dass das Namensrecht eines Kunden bei der Registrierung einer Domain zu beachten ist und die Domain deshalb stets auf den Kunden zu registrieren ist. Im Grunde für jeden Rechtsanwalt unter dem Gesichtspunkt eines nicht gar zu niedrigen Streitwertes ganz erfreulich, noch einmal ein einfaches Fällchen aus der Rumpelkiste "Domaingrabbing" vor die Flinte zu bekommen und gar vor Gericht abdrücken zu können. Aus gebührentechnischer Sicht eigentlich noch erfreulicher, wenn dann in Mannheim eine Kammer zusammenhockt, die auch gegen eherne Zitate der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollständig immun ist:

"Grundsätzlich liegt bereits in der durch einen Nichtberechtigten vorgenommenen Registrierung eines Zeichens als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der ein identisches Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt, (BGH; Urteil vom 09.09.2004 - 1 ZR 65/02 -).

Eine Beeinträchtigung berechtigter geschäftlicher Interessen ist im Allgemeinen dann gegeben, wenn ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" benutzt und sich damit unbefugt ein Recht an diesem Namen anmaßt. Ein solcher unbefugter Namensgebrauch liegt grundsätzlich schon in der Registrierung, weil bereits damit die den berechtigten Namensträger ausschließende Wirkung einsetzt (BGHZ 149, 191, 199 - shell.de). Daher kann derjenige, dem an dieser Bezeichnung ein eigenes Namensrecht zusteht, im allgemeinen bereits gegen die Registrierung eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten vorgehen (BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de).

Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden, die - weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr - nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (BGH; Urteil vom 09.09.2004 - 1 ZR 65/02 - www.mho.de)."

Das Landgericht Mannheim hat diese Rechtsprechung an sich abperlen lassen und unter dem Az.: 7 O 522/11 mit Urteil vom 11.05.2012 allen Ernstes behauptet, dass das Autohaus gegen den Geschäftsführer des Providers  - der persönlich keinen Vertrag mit dem Autohaus hat - keinen Anspruch darauf habe, dass dieser gegenüber der DENIC die Löschung der Domain „autohaus-meinname.de" erklärt. Denn unter kennzeichenrechtlichen Aspekten schieden Ansprüche schon deshalb aus, weil der Kläger die Homepage durch die C. XXXX GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte ist, erstellen ließ und auf der Homepage ausschließlich die wirtschaftliche Tätigkeit des Klägers dargestellt werde. Dadurch würde auch nicht in das Namensrecht des Klägers eingegriffen.

In Kürze: Der Anspruch auf Löschung einer Domain gegenüber einem Domaininhaber als Nichtnamensträger besteht für den Namensträger dann nicht, wenn Dritte die unter der Domain abrufbaren Inhalte vertragsgemäß erstellt haben und diese zutreffend die wirtschaftliche Tätigkeit des Namensträgers darstellen. Schlicht falsch oder wie eingangs erwähnt: Scheißurteil (nicht rechtskräftig). (s. Oberlandesgericht Karslruhe, Urteil vom 13. März 2013 zum Az.: 6 U 49/12)

Montag, 30. Mai 2011

Kachelmann! - Grillfest?

Nun auch von mir der erstinstanzliche Abschlußsenf, bevor das Mannheimer Landgericht über das Schicksal von Jörg Kachelmann richten wird. In jedem Fall werden Tausende prozesshungriger Betrachter mit ihrer Prognose daneben liegen. In der von mir eröffneten Umfrage darüber, ob der Wettermann in 1. Instanz vor dem Landgericht Mannheim wegen Vergewaltigung verurteilt wird, haben sich kurz vor Prozessende 44,62% für einen Schuldspruch entschieden. Immerhin knapp 20% der Befragten sehen Kachelmann auch nach der zweiten Instanz hinter Gittern. Auch sogenannte Experten oder zu solchen von der Medienlandschaft erkorene Kollegen geben höchst unterschiedliche Prognosen ab.

Am Ende kann es die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim nur etwa der Hälfte des Volkes recht machen. Einen erheblichen Anteil an der zu erwartenden Konfusion hat die journalistische Laienspielschar, die zum grossen Teil auch einen Tag vor Ende der ersten Instanz nicht begriffen hat (s.o.), dass die Aussage des potentiellen Opfers einen klassischen Beweis im Sinne der deutschen Strafprozessordnung darstellt. Vom Anfang bis zum Ende des Prozesses wird an das interessierte Publikum die Botschaft herangetragen, dass in dem Verfahren Aussage gegen Aussage stehe und es daher keinen Beweis für die Täterschaft Kachelmanns gäbe. Verständlich, wenn daraufhin ein Großteil des irregeführten Publikums mangels Vorliegen eines Beweises den Freispruch fordert und für den Fall einer Verurteilung einen handfesten Jusitizskandal wittern würde.

Da aber durch die Zeugenaussage des potentiellen Opfers ein Beweis vorliegt, demzufolge eine Vergewaltigung stattgefunden hat, eröffnet sich nur die Frage nach dem Wert des Beweises und damit der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage ist das Kernproblem des Prozesses. Wer heute immer noch schreibt, es gäbe keine Beweise, hat das Grundproblem des Prozesses bis dato nicht erkannt. Weil die mehrfache Vernehmung durch Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung die einzige Zeugin nicht ins Wanken bringen konnte und kein Gutachter deren Beweiswert zweifelsfrei erschüttern konnte, ist nach dem Urteilsspruch jedenfalls Zurückhaltung angebracht. Denn im Gegensatz zu den schreibenden Laien und deren lesenden Gefolge kennt das Gericht die maßgeblichen Umstände des über entscheidende Strecken nichtöffentlichen Prozesses und wird die Bedeutung der einzigen Zeugenaussage besser einschätzen können als jeder Teilzeitbeobachter aus der dritten Reihe.