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Freitag, 12. Juli 2019

"Du Arschloch"

Seit Mitte 2018 werden ankommende Asylbewerber in sogenannten Ankerzentren untergebracht. Das Wort "Anker" steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Zur Abwicklung der Asylverfahren sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter sowie Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eng zusammenarbeiten. Im Ankerzentrum Donauwörth, das bis Ende Dezember 2019 geschlossen wird, gab es in der Vergangenheit immer wieder Konflikte zwischen Bewohnern und Sicherheitspersonal sowie der Polizei. Vorgestern eskalierte ein Konflikt gar derart, dass eine Mitarbeiterin des Ankerzentrums Donauwörth einen 19-jährigen Asylbewerber aus Nigeria vor anderen Mitarbeitern laut und deutlich hörbar mit den Worten "Du Arschloch" beschimpfte.

Ohne Zweifel ist die Äußerung eines Mitarbeiters in einem Ankerzentrum "Du Arschloch" gegenüber einem Asylbwerber eine Beleidigung, die an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB zu rechtfertigen. Dabei kann der Mitarbeiterin nicht zu Gute gehalten werden, dass das Opfer im vorliegenden Fall die im Innern des Gebäudes ausgesprochene Beleidigung nicht hören konnte, weil eine verbale Herabsetzung einer Person unabhängig von der Kenntnisnahme des Beleidigten strafbar ist. Eine Beleidigung nach § 185 StGB kann nämlich auch in Abwesenheit des Betroffenen gegenüber Dritten erfolgen.

Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung im Rahmen einer Kündigung kommt es allerdings sowohl auf den Vorlauf des Konflikts, der zu der Äußerung führte, als auch auf das weitere Geschehen an. Fraglich ist daher, ob die Beleidigung einen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB darstellt. Nach § 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Beleidigungen gegenüber Asylbwerbern in einem Ankerzentrum kommen als wichtiger Grund durchaus in Betracht.

Die Prüfung des Vorliegens eines "wichtigen Grundes" erfolgt grundsätzlich in zwei Schritten. Zunächst ist festzustellen, ob ein Verhalten vorliegt, das "an sich", also ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten des Einzelfalles, geeignet ist, einen wichtigen Grund zur Kündigung darzustellen. Ist dies wie hier der Fall, muss in einem zweiten gedanklichen Schritt geprüft werden, ob es dem Arbeitgeber anlässlich des Vorfalles und aller seiner relevanten Einzelheiten sowie unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen tatsächlich unzumutbar ist, an dem Arbeitsverhältnis weiter festzuhalten.

Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung der Mitarbeiterin des Ankerzentrums vorliegen. Zwar ist die Äußerung "Du Arschloch" an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB zu rechtfertigen, denn mit dieser Äußerung wurde der nigerianische Asylbewerber beleidigt. Die Verwendung des "A-Wortes" ist grundsätzlich beleidigend, weil sie den Betroffenen herabwürdigt. Das gilt hier selbst dann, wenn man zu Gunsten der Mitarbeiterin unterstellt, dass dieses Wort zum üblichen Wortschatz der Angestellten im Ankerzentrum gehört und dort immer wieder verwendet wird.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird regelmäßig betont, dass aus dem Kreis der denkbaren Beleidigungen nur die groben Beleidigungen eine Kündigung rechtfertigen können. Grob ist eine Beleidigung, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen darstellt. Auch dies dürfte hier zu bejahen sein. Im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung wird vorliegend jedoch entscheidend sein, dass der Beleidigte objektiv im Begriff war, eine fortgesetzte Sachbeschädigung zu begehen und sich die Angestellte angesichts des wahrgenommenen Geschehens bei ihrer grundsätzlich strafbaren Beleidigung in einem Ausnahmezustand befand, auch weil die beschädigten Autos den Angestellten des Ankerzentrums gehörten.

Da die Kündigung aber die schwerwiegendste arbeitsrechtliche Maßnahme ist, kommt sie nur in Betracht, wenn ein milderes Mittel nicht zumutbar erscheint. Bei Vertragspflichtverletzungen, die ihren Ursprung im Verhalten des Arbeitnehmers haben, ist daher zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten ändern und sich in Zukunft vertragsgemäß auch gegenüber Dritten verhalten kann. Deshalb dürfte in vorliegendem Fall der im Ankerzentrum Beschäftigten erst einmal die Chance zu geben sein, ihr Verhalten zukünftig zu ändern und an Stelle einer Kündigung zuerst eine Abmahnung ihr gegenüber auszusprechen.

Weil zur strafrechtlichen Verfolgung der Beleidigung als Antragsdelikt nach § 194 StGB der Antrag des betroffenen Asylbewerbers erforderlich wäre, der die Beleidigung im vorliegenden Fall nicht gehört haben wird, dürfte die Angestellte des Ankerzentrums voraussichtlich noch einmal mit einem "blauen Auge" davon kommen und sollte sich zukünftig davor hüten, an ihrem Arbeitsplatz Beleidigungen gegenüber Menschen auszusprechen, welche die Dienste ihrer Behörde in Anspruch nehmen möchten. 

Dienstag, 10. Juni 2014

Liebesschlossterror

Wer sich dem digitalen Exhibitionismus auf Facebook aussetzt, hat selbst Schuld. Niemand wird gezwungen, sich dem sozialen Netzwerk anzuschliessen, um von den banalen Ereignissen seiner virtuellen Freunde bedrängt zu werden und deren Beziehungsstatus zur Kenntnis zu nehmen. Leider hat der digitale Exhibitionismus ein physisches Vorbild in der Unsitte, der Welt die persönliche Liebesbeziehung mittels eines sogenannten Liebesschlosses aufzudrängen. Keiner will es wissen, aber alle müssen es sehen. Zugegeben, nicht alle, aber all´ diejenigen, die ahnungslos eine Brücke passieren oder an einem Geländer vorbeigehen und sich damit einhergehend dem optischen Terror der Liebenden ausgesetzt sehen, die ihre Gefühle nicht für sich behalten können und glauben, jeden Passanten mit einem Liebesschloss belästigen zu dürfen, auf dem ihre Namen eingraviert sind. Insbesondere historische Perspektiven werden von Liebesschlössern versaubeutelt und die unter den Brücken liegenden Gewässer von den Schlüsseln der metallischen Datenträger verschmutzt.

Mittlerweile müssen sich auch angehende Juristen mit dem Liebesschloss herumplagen, da sich das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 10.08.2012, Az. 526 Ds 395/12, offensichtlich zu Ausbildungszwwecken nutzen läßt. Ein vorbestrafter Drogenkonsument kam auf die Idee, die Welt von der Last der Schlösser mittels eines Bolzenschneiders zu befreien. Allerdings verpasste der Delinquent die einmalige Möglichkeit, als Held der Belästigten in die Geschichte einzugehen, weil er nur auf Eigennutz bedacht das leichter durchzuschneidende Brückengeländer beschädigte und die auf diese Weise entfernten Liebesschlösser zum Altmetallhändler brachte.

Wer darauf hofft, die Welt von der Last der Liebesschlösser ohne strafrechtliche Verurteilung befreien zu können, sollte tunlichst die Schlösser selbst durchkneifen und in der Hoffnung auf spätere Vollendung der Befreiung durch unbeteiligte Dritte hängen lassen. Damit sollte der Diebstahlsvorwurf mangels Zueignungsabsicht entfallen und auf den Mangel des für die Verfolgung einer Sachbeschädigung notwendigen Strafantrags darf gehofft werden, denn nur der durch die Tat Verletzte kann den Antrag stellen. Da deutsche Strafverfolgungsbehörden allerdings chronisch unausgelastet sind, droht auch dem vorsichtigsten mit Bolzenschneider bewehrten Liebesschlossgegner durch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen. Dass der am vergangenen Wochenende unter der Last der Liebesschlösser erfolgte Zusammenbruch des Geländers des Pont des Arts in Paris ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bei der Entfernung von Liebesschlössern in Deutschland entfallen läßt, dürfte nur eine trügerische Hoffnung sein.

       

Montag, 11. Juni 2012

"Liebe Autofahrerin, lieber Autofahrer. Ich habe Ihre Nationalfahne entfernt."

So beginnt der Text eines Flugblattes unter der Überschrift „Sag Nein zu Deutschland“, das an Stelle einer erbeuteten Deutschland-Fahne auf abgebrochene Fahnenstöcke aufgespießt oder einfach unter die Scheibenwischer eines derart entnationalsierten Autos geklemmt werden kann.

Wenngleich sich die offene politische Gruppe aus Berlin Neukölln in ihrem Blog Cosmonautilus von derartigen Akten antinationaler Selbstjustiz nachdrücklich distanziert, weil es sich beim Fahnenklau unübersehbar um Sachbeschädigung und Diebstahl handele, werden Begründung und Erklärung zur Befreiung des öffentlichen Raums von einem der "dominantesten nationalen Symbole" während der Fussball-Europameisterschaft 2012 mitgeliefert:   

"Egal aus welcher Motivation Sie diese Fahne angebracht haben, sie produziert in jedem Fall Nationalismus. Diese Fahne steht nicht für Fußball oder irgendein Team, sondern für deutsche Identität. Mit nationalen Symbolen wie diesem Autofähnchen wird eine „nationale Gemeinschaft“ konstruiert, also die eigene Identität betont und damit Nationalismus erzeugt. Und Nationalismus hat für viele Menschen fatale Konsequenzen:
  • Nationalismus grenzt aus: durch Diskriminierung in Behörden, in der Schule und am Arbeitsplatz, durch Abschiebungen und Arbeitsverbot und Massenunterkünfte für MigrantInnen.
  • Nationalismus verblendet: durch Massen-Mobilisierung für völlig beliebige politische Ziele durch die Vorgabe des „nationalen Interesses“.
  • Nationalismus beherrscht: durch Konformitätszwang, die Bildung von Stereotypen und durch die Verschleierung von realen gesellschaftlichen Konflikten.
  • Nationalismus tötet: durch rassistische Gewalt, staatliche Verfolgung, brutale Abschottungspolitik an den europäischen Grenzen und Abschiebungen in Krisengebiete."
Mit dieser Begründung bleibt für die Anhängerinnen und Anhänger einer Welt ohne Nationalismus auch in fussballarmen Zeiten noch ein ausreichend grosses Betätigungsfeld an fremden Fahrzeugen: Die Entfernung der Eurobanderolen mit dem Länderkürzel am vorderen Teil eines jeden Kennzeichenschildes.