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Freitag, 20. September 2019

Das verbotene Video mit dem schlagenden Sänger

Wenn man das Video mit einem bekannten deutschen Sänger sieht, wie er zunächst einen Mann mit körperlicher Gewalt am Filmen hindern will und anschließend ohne ersichtlichen Grund einige Schritte weiter auf einen anderen Mann zugeht, um dann mit einer Umhängetasche auf ihn einzuschlagen, wundert man sich nicht nur über die devote Haltung des Geprügelten, sondern auch über die unverhohlene Aggressivität des angreifenden Künstlers.

Wie einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 09. März 2017 zum Az.: 15 U 46/16 zu entnehmen ist, hatte die Staatsanwaltschaft Köln das anschließende Ermittlungsverfahren gegen den Sänger wegen des Verdachts der (gefährlichen) Körperverletzung und Nötigung am 30.6.2016 allerdings eingestellt und das Landgericht Köln die Veröffentlichung des Videos in der konkreten Form sogar verboten, weil es nur die Situation der körperlichen Auseinandersetzung zeige, aber keine Informationen zu der Situation im Vorfeld vermittele, in welcher die Angegriffenen angefangen hätten, den Sänger und seine beiden Begleiter gegen deren ausdrücklich erklärten Willen zu fotografieren.

Die Veröffentlichung der Aufnahmen wurde im folgenden Zivilprozess damit verteidigt, dass der prominente Musiker nicht nur versucht habe, "die Fotografen körperlich wegzudrängen", sondern dass er sie vielmehr geschlagen habe und zwar mit einem gefährlichen Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nämlich der mindestens 2,3 Kilogramm schweren Ledertasche mit Schultergurt, die einem Opfer mit Wucht gegen den Kopf geschleudert wurde. Der Rechtsanwalt des Prominenten hatte das aggressive Verhalten seines Mandanten nämlich öffentlich unter Hinweis auf das geltende Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt, weil es auch Prominente in Deutschland nicht dulden müssten, "dass Fotos aus ihrem Privatleben oder im privaten Alltag veröffentlicht und verbreitet werden". Allein um diesem vorzubeugen habe der Künstler "sodann selber versucht, die Fotografen körperlich wegzudrängen, um sie vom weiteren Fotografieren abzuhalten".

Das Oberlandesgericht Köln ordnete den Künstler als prominente Person mit Leitbild- und Kontrastfunktionen ein, die dem Rezipienten Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten könne und bejahte deshalb in Kombination mit der verbalen und zum Teil auch tätlichen Aggressivität ein erhebliches Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit am veröffentlichten Geschehen. Und obwohl auch das Oberlandesgericht Köln in der zweiten Instanz zu dem Schluss kam, dass einiges dafür sprechen könnte, dass jedenfalls das Schleudern der Tasche keine erforderliche Notwehrhandlung gewesen sei, um einen gegenwärtigen Angriff auf das Recht am eigenen Bild abzuwehren und die Tasche wegen ihrer Größe und ihres Gewichts in ihrer konkreten Flugbahn kaum zu berechnen war, weshalb die erkennbare und nahe liegende Gefahr bestand, das Prügelopfer zu verletzen, mochte das Oberlandesgericht das erstinstanzlich ausgesprochene Verbot der Videoveröffentlichung nicht kippen.

Weil es nahe liege, aus den lediglich zusammengefügten Bildsequenzen den falschen Schluss zu ziehen, allein das Vorhandenseins einer Kamera habe den Künstler übermäßig aggressiv werden lassen, sei das Persönlichkeitsrecht des Sängers rechtswidrig beeinträchtigt. Vor dem Hintergrund dessen, dass der in der konkret untersagten Bildsequenz dreimal zu sehende Schlag mit der Tasche gleichsam den Höhepunkt der Auseinandersetzung darstelle, liege in dieser konkreten Darstellung eine unter den vorliegenden Umständen nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechte des Künstlers. Das betreffende Videomaterial wäre so zusammengefügt worden, dass die Version mit der den Sänger in der Öffentlichkeit besonders stark beeinträchtigenden Szene des Schlages mit der Tasche nicht nur – entgegen der zutreffenden chronologischen Reihenfolge der Ereignisse – gleichsam als „Aufmacher“ direkt zu Beginn der Berichterstattung zeige, sondern darüber hinaus noch zweimal wiederholt werde, einmal davon in Zeitlupe, eine nicht hinnehmbare Anprangerung sei.

Wenn man das aggressive Geschehen auf dem Flughafen auch heute noch im Internet zu sehen bekommt, wird dies wohl daran liegen, dass nur das Zeigen der konkret zusammengeschnittenen Filmsequenz verboten wurde und ein zivilrechtliches Verbot natürlich nur von demjenigen zu beachten ist, demgegenüber dieses im Urteil ausgesprochen wurde. Insbesondere der Schlag mit der Umhängetasche beinhaltet angesichts des Umstands, dass sich der Künstler zur erfolgreichen Ausführung dieses Angriffs noch auf das Opfer zubewegen musste, einen deutlichen Bestrafungscharakter, für den das Oberlandsgericht Köln zurückhaltend den Begriff "Notwehrexzess" ins Spiel gebracht hatte. In einem anderen Kontext und in zutreffender chronologischer Reihenfolge präsentiert, dürfte das Videomaterial über den prominenten Sänger daher auch heute noch für das Publikum von Interesse und eine Veröffentlichung deshalb durchaus zulässig sein.

Samstag, 29. Juni 2013

"Messer weg, Messer weg", dann ein Schuss ...

Das Amateurvideo auf YouTube zeigt die Situation in ausreichender Qualität und regt die Betrachter zu einer Diskussion auf Basis des im Video gezeigten Geschehens an. Zwischen den Positionen "Der Bulle ist ein Mörder" und "Es war richtig zu schießen" sind wohl sämtliche denkbaren Positionen vertreten.

Ein nackter Mann mit einem Messer war gestern im Berliner Neptunbrunnen auf einen Polizisten zugegangen und hatte weder auf die gezogene Schusswaffe noch auf die gleichzeitigen Rufe "Messer weg, Messer weg" reagiert. Erst der unmittelbar auf die Rufe folgende Schuss ließ den Angreifer inne halten, zurückweichen und schließlich zu Boden gehen. Um den Brunnen stehende Polizisten stiegen in den Brunnen und erneut ertönte der Ruf "Messer weg". Es ist zu sehen, wie der am Boden liegende Angreifer immer noch Abwehrbewegungen macht. Der Mann starb wenig später im Rettungswagen.

Die Diskussion um die Notwehrsituation für die Polizei in Berlin ist die eine Seite des Geschehens. Die andere Seite ist die sofort aufkeimende Diskussion um die Veröffentlichung derartiger Videos. Der CDU-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag Michael Kretschmer soll folgendes geäußert haben: „So etwas darf nicht gepostet werden. Wenn es etwas gibt, wo Facebook sofort reagieren muss, damit die Bilder aus dem Netz genommen werden, dann sind das solche Fälle.“ Derartige Bilder seien „menschenverachtend“.

Aus meiner Sicht ist weder die Dokumentation derartigen Geschehens noch die Publikation der Dokumentation menschenverachtend. Allenfalls kann das gezeigte Geschehen eine Menschenverachtung dokumentieren. Der Staat wird sich an die Transparenz der Gegenwart durch die für jedermann verfügbare Technik gewöhnen müssen.

Donnerstag, 23. August 2012

Staatsanwaltschaft Hannover: Gewaltverherrlichender Film einer Nachbarschaftsinitiative?


Die unheilige Sehnsucht nach der Sperrung von missliebigen Inhalten im Internet hat nun auch die kommunalverfassungsrechtlichen Niederungen der Landeshauptstadt Hannover erreicht. Ein von Zwischenrufen besorgter Eltern aufgeschreckter Bezirksbürgermeister bat die Staatsanwaltschaft Hannover einen Film, der von der Nachbarschaftsinitiative Linden-Nord auf youtube hochgeladen wurde, so schnell wie möglich zu sperren, weil sich entsetzte Eltern über die Darstellung und klare "Verharmlosung von Gewalt“ des Films beschwert hätten.

Hintergrund für das Video „Party in Hannover Linden-Nord“ ist der als lästig empfundene Umstand, dass das alkoholaffine Freizeitangebot in diesem Stadteil nicht nur zu nächtlicher Stunde eine beträchtliche Anzahl von sozialromantisch geprägten Oberschülern und feierwütigen Studienabbrechern anzieht, welche den verbliebenen bodenständigen Teil der Einwohner des beschaulichen Viertels durch eine bisweilen als ausufernd zu bezeichnende Freizeitgestaltung um seinen wohlverdienten Erholungsschlaf bringt.

Für die Staatsanwaltschaft Hannover war eine strafrechtliche Relevanz des Kurzfilms jedoch nicht erkennbar, so dass der verstörende Streifen auch zukünftig die labilen Gemüter jugendlicher Betrachter aus dem Gleichgewicht bringen wird, denn es ist nicht zu erwarten, dass die niedersächsische Landesmedienanstalt den an sie weitergeleiteten Ruf nach Zensur des wackeren Ortsvorstehers erhören wird.