Mittwoch, 29. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 2

Nach einem kleinen Qualitätsausrutscher in Sachen Filesharing ist das Amtsgericht Hannover mit Urteil vom 26.06.2015 zum Aktenzeichen 524 C 9788/14 nun wieder zu bewährter Qualität zurückgekehrt und hat eine Klage der TopWare Entertainment GmbH und deren in filesharing-Angelegenheiten betrauten Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte rka aus Hamburg, abgewiesen.

Gegen die Beklagte zu 1. hat das Amtsgericht die Einrede der Verjährung durchgreifen lassen, gegen den Beklagten zu 2. wurde die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Gericht folgte den Hinweisen der Beklagten zu 1., dass sich aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, dass die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig ist, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Mangels Antragstellung in der mündlichen Verhandlung darf nämlich über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden.

Weil das Verfahren zuvor gemäß § 240 ZPO unterbrochen wurde, da mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe (G1 IN 772/14) am 08.09.2014 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die TopWare Entertainment GmbH bestellt wurde, der das Verfahren anschließend fortführen ließ, bleibt zunächst abzuwarten, was aus dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten zu 1. wird. Übrigens konnte die Note 1 für das Urteil nicht vergeben werden, weil die Beklagte zu 1. mehrfach behauptet hatte, nicht als Anschlussinhaberin qualifiziert zu sein, weil sie dargelegt hatte, weder unter der in der Abmahnung genannten Anschrift noch unter ihrer Wohnadresse einen Internetanschluss gehabt zu haben. Insoweit war der Tatbestand des Urteils, wonach die Beklagte behauptet hätte, dass Familienangehörige Zugang zu ihrem Anschluss hatten, schlicht falsch.

Freitag, 24. Juli 2015

NSU-Prozess: Strafanzeige durch die Angeklagte gegen Verteidiger wegen Geheimnisverrats

Der Vorwurf der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB wiegt schwer, denn wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbart, das ihm als Rechtsanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren etc. anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die im NSU-Prozess Angeklagte Beate Zschäpe hat ihre Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer bei der Staatsanwaltschaft in München während deren Tätigkeit als Pflichtverteidiger angezeigt. Vorangegangen war bereits ein Entpflichtungsantrag von Zschäpe gegen Rechtsanwältin Anja Sturm und Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Auch die drei Pflichtverteidiger Sturm, Stahl und Heer hatten zuvor schon den Antrag gestellt, von ihrem Mandat entpflichtet zu werden. Der kurz zuvor neu bestellte Pflichtverteididiger Rechtsanwalt Mathias Grasel soll an der Strafanzeige mindestens mitgewirkt haben.

Aus meiner Sicht wird dem Oberlandesgericht München aus der Gesamtbetrachtung der Umstände wenig anderes übrig bleiben, als die Verteidiger Sturm, Stahl und Heer zu entpflichten, denn ein unwiderruflich gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen (Alt-) Verteidiger und Mandant lässt sich kaum besser ausdrücken, als den in einer Strafanzeige durch den erst jüngst verpflichteten (Neu-) Verteidiger formulierten Vorwurf des Geheimnisverrats gegenüber den (Alt-) Verteidigern. Denn der von der Verfassung verbürgte Anspruch auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren umfasst das Recht des Angeklagten, sich im Strafverfahren (nur) von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

Obwohl in den Fällen der Pflichtverteidigung dieses Recht eingeschränkt wird, als der Angeklagte keinen Anspruch auf Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat, bleibt der Anspruch des Angeklagten auf eine Verteidigung durch einen Anwalt seines Vertrauens unberührt. Im konkreten Fall würde jedenfalls ein Verteidiger des Vertrauens verbleiben. Schließlich gilt es auch zu Gunsten der Angeklagten als Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, einen juristischen Grabenkampf im Verteidigerteam zu vermeiden. Verfahrensökonomische Gründe scheiden in einer solcher Konstellation naturgemäß aus.

Donnerstag, 16. Juli 2015

Amtsgericht Bückeburg: Meinungsfeinde durch Bundesverfassungsgericht gestoppt

Bueckeburg Justiz
Wieder einmal lässt die Justiz in Bückeburg mit einer gegen die Freiheit der Meinungsäußerung gerichteten Entscheidung aufhorchen. Erst das Bundesverfassungsgericht konnte das Amtsgericht Bückeburg mit seinem Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 in seinem durch vorkonstitutionellen Gehorsam und konservativer Ordnungsliebe geprägten Tatendrang stoppen und hob dessen Urteil zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013 im angegriffenen Umfang auf.

Das Amtsgericht Bückeburg - mit dem Grundgesetz nicht verwandt oder verschwägert - hatte das Tragen eines Buttons mit der Aufschrift „FCK CPS“ in der Bückeburger Innenstadt für eine konkrete Kundgabe der Missachtung gegenüber den etwa 25 in Uniform diensttuenden Polizistinnen und Polizisten des Polizeikommissariats Bückeburg gehalten und die Trägerin wegen Beleidigung verurteilt, weil aus dem Sinngehalt der Äußerung deutlich geworden sei, dass eine hinreichend abgrenzbare Gruppe von Polizeibeamten bewusst in deren Ehre im Ergebnis mit dem Slogan „Fuck Cops“ herabgewürdigt werden sollte.

Dieser Ansicht widersprach das Bundesverfassungsgericht, weil das Amtsgericht Bückeburg die verfassungsrechtlichen Maßstäbe jedenfalls dadurch verkannt habe, dass es eine hinreichende Individualisierung eines negativen Werturteils angenommen habe, obwohl keinerlei Feststellungen dazu getroffen wurden, dass sich die Buttonträgerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen.

Es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bilde. Es reiche nicht aus, dass die Kräfte des örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen seien, vielmehr bedürfe es einer personalisierenden Zuordnung, für die es hier keinerlei Anhaltspunkte gäbe. Es könne nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung „FCK CPS“ allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen habe.

Die Sache wurde daher im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Bückeburg zurückverwiesen. Ob das Amtsgericht Bückeburg am 25.08.2015 erneut Klimmzüge zur Verurteilung der widerborstigen Untertanin vornehmen wird oder das Bekanntwerden des verfassungsfeindlichen Treibens zu einem geräuschlosen Freispruch führt, bleibt abzuwarten.

Aus meiner Sicht ist es allerdings übertrieben, sich gleich mit FCK-BBG T-shirts auf die Strassen der ehemaligen Residenzstadt des Fürstentums Schaumburg-Lippe zu begeben, denn sicherlich gibt es selbst in Bückeburg vereinzelt Menschen, die Meinungsfreiheit nicht für ein fürstliches Privileg halten und sich durchaus vorstellen können, dass Justizgrundrechte sogar in Bückeburg auch Andersdenkenden gewährt werden müssen.

Schließlich sollte man auch nicht zu streng sein mit der Bückeburger Justiz als Teil der „besseren Gesellschaft“ einer gemütlichen Kleinstadt, denn wie schon Hermann Löns erkannte, wirkt das Leben in Bückeburg „selbst auf den reichsten Geist und die feurigste Seele bald wie eine Mast- und Liegekur. Sobald ein Mensch ein Jahr in ihr verlebt hat, fühlt er eine wohltätige Abspannung im Gehirne, die ihn mit lächelndem Gleichmute allem gegenüber erfüllt, was irgendwie über die Grenzen des ortsüblichen Auffassungsvermögens hinausgeht“.

Dienstag, 14. Juli 2015

Amtsgericht Hannover: Filesharing-Urteil Note 6

Eine wichtige Folge der Unabhängigkeit jeden Richters ist sicherlich dessen Gewissheit, auch im Falle völligen Versagens nicht um seinen Arbeitsplatz bangen zu müssen. Allerdings schützt die richterliche Unabhängigkeit nicht davor, sich bisweilen von der nächst höheren Instanz eine Art Leistungsbeurteilung aufschreiben lassen zu müssen, die sich ein Student oder Rechtsreferendar als Kommentar zu einer völlig unbrauchbaren juristischen Leistung hätte einrahmen können.

Beim Streit um die Kosten einer Abmahnung gegen einen Arbeitgeber aus dem Bereich des Filesharings hat das Landgericht Hannover nun auf ein Urteil des Amtsgerichts Hannover mit einem Beschluss reagiert, dessen Deutlichkeit die Anhänger der juristischen Krähentheorie Lügen straft:

"Die Parteien werden auf folgendes hingewiesen:

1. Das Verfahren 1. Instanz dürfte schwerwiegende Verfahrensmängel aufweisen. Daher ist die Aufhebung und Zurückverweisung beabsichtigt. Das Amtsgericht hat vollständig darauf verzichtet, aufzuklären ob hier Dritte als Nutzer in Betracht kommen bzw. verantwortlich für das Filesharing Angebot sind, obwohl beide Parteien hierzu Beweis angeboten haben (vgl. Ss d. Kl. v. 22.1.2015 Bl. 127 d.A. bzw. Ss. d. Bekl. v.13.2.2015, Bl.183 ff d.A.).

2. Die Entscheidungsgründe tragen inhaltlich die Entscheidung nicht. Zutreffend wird zwar auf die für Betriebe geltende Verweisung in § 99 UrhG auf den Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG verwiesen. Es wird aber weder ausgeführt, ob, noch warum sich diese Verweisung auf die in § 97 Abs. 2 UrhG normierten Schadensersatz-/Lizenzansprüche erstrecken soll, die hier streitig sind.

3. Darüber hinaus werden in den Urteilsgründen mit einer derartigen Häufigkeit Kläger und Beklagte verwechselt, dass die Kammer letztlich nicht sicher ist, ob das Amtsgericht bei der Abfassung tatsächlich die zutreffenden Parteirollen zugrunde gelegt hat."

Wer sich das amtsgerichtliche Urteil genauer ansieht, wird recht schnell erkennen, dass die vom Amtsgericht Hannover ausnahmslos unterstellte Haftung des Arbeitgebers für das Handeln seiner Mitarbeiter von der Rechtsprechung tatsächlich nur eingeschränkt gewährt wird.

Das Recht des Inhabers eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs, wonach dieser auch gegen einen Unternehmer vorgehen kann, wenn in dessen Unternehmen ein geschütztes Recht von einem Mitarbeiter verletzt worden ist, setzt voraus, dass der Arbeitnehmer oder Beauftragte die Rechtsverletzung im Rahmen des Tätigkeitsbereichs des Unternehmens begangen hat. Bei Handlungen, die nicht dem Unternehmen, sondern allein dem Handelnden zu Gute kommen, scheidet eine Zurechnung aus. Beim Filesharing von Filmen oder Musikstücken über Tauschbörsen durch Arbeitnehmer mit Hilfe des Internetanschlusses des Arbeitgebers kommt die Anwendung des § 99 UrhG daher regelmäßig nicht in Betracht.

Dienstag, 30. Juni 2015

Schloss Bückeburg in den Klauen des Burgfräuleins

Eine juristisch eher uninteressante Geschichte, dafür aber eine mit vorzüglichem Trash-Faktor meldet die Hauspostille des Fürstentums Schaumburg-Lippe. Die Zutaten der Schaumburg-Lippischen Landeszeitung erinnern ein wenig an den dritten Teil der Tanz-der-Teufel-Trilogie, "Armee der Finsternis": Ein Burgfräulein, ein Fürst, ein altes Handy und drei durchtriebene Angeklagte, denen das Wohlergehen des ohnehin von mangelndem Respekt gebeutelten deutschen "Hochadels" nicht so sehr am Herzen liegt, wie es bei guten Untertanen eigentlich sein sollte.

Im Zentrum des Dämonenthrillers um ein Handy mit möglicherweise intimen Inhalten steht auf der Seite des Guten der aus Funk und Fernsehen bekannte "Fürst" Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe, der wieder einmal heldenhaft gegen Besudler des von ihm mit harter aber gerechter Hand geführten Fürstenhauses Schaumburg-Lippe ankämpft.

Auf der Seite des Bösen drei Angeklagte, denen der Hang zu vorkonstitutionellem Deutschtum nachgesagt wird und die sich der Anklageschrift nach im Besitz eines Handys befanden, auf dem 1000 SMS gespeichert sein sollen, welche eine mehr als zehn Jahre zurückliegende Liebesbeziehung eines „Burgfräuleins“ mit seiner Durchlaucht "Fürst" Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe in schamesröteüberstrahlenden Farben illustrieren könnten.

Kern des Vorwurfs: Das jedenfalls bitterböse und eventuell rechtsradikale Trio soll es gewagt haben, den in Bückeburg auf seinem Schloss residierenden "Fürsten" um 235.000,- Euro zu bitten, damit er höchstselbst das Schicksal seiner persönlichen Botschaften bestimmen könne und diese nicht etwa in die Hände der nach wollüstigen Geschichten geifernden Boulevardpresse gelängen. Selbstredend ging der hochwohlgeborene Edelmann aus Bückeburg nicht auf das niederträchtige Angebot ein, sondern verständigte die fürstlichen Reitertruppen, im Volksmund "Staatsanwaltschaft" genannt.

Diese wollen den Spitzbuben nun vor dem Landgericht Paderborn das Handwerk legen und haben sich dazu die Vorschriften zur Sühne einer versuchten Erpressung ganz genau angeschaut.

Mittwoch, 17. Juni 2015

Hurensöhne

Am vergangenen Donnerstag wurde im Amtsgericht Hannover eine Gefangenenbefreiung im Gerichtssaal im Anschluss an eine öffentliche Strafverhandlung durch den Einsatz der anwesenden Justizwachtmeister verhindert. Ob sich ein zweiter Versuch anschließt, wird man im Fortsetzungstermin am 24.06.2015 erfahren können, wenn die Verhandlung weitergeht.

Aus der folgenden Pressemitteilung des Amtsgerichts Hannover lässt sich die sorgfältige Wortwahl erkennen, in welcher sich schon der kommende Prozess gegen die erfolglosen Gefangenenbefreier abzeichnet und die Handlungen der beteiligten Wachtmeister mit Bedacht beschrieben werden.Und es schwingt natürlich ein bisschen Stolz mit, dass die Justiz wohl fehlerlos reagiert hat:

In einem nichtöffentlichen Jugendverfahren gegen vier Jugendliche musste sich u.a. ein, in Untersuchungshaft befindlicher, 17-jähriger, wegen eines versuchten Einbruchsdiebstahls in ein Laatzener Eiscafé am 18.1.2015 vor dem Jugendrichter Detlef Süßenbach verantworten. Nach Beendigung der Sitzung wurde die Sitzungssaaltür geöffnet und mehrere, dem Umfeld der Angeklagten zuzurechnende Personen betraten den Saal. Als ein Wachtmeister dem 17-jährigen Angeklagten Handfesseln anlegen wollte und bereits die rechte Handfessel angelegt hatte, schlug der Angeklagte den Wachtmeister mit dem linken Unterarm gegen den Kehlkopf und drückte ihn über eine Stuhllehne. Der Wachtmeister bekam im weiteren Verlauf noch zwei Schläge gegen die linke Schläfe und musste den Angeklagten loslassen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Personen aus dem Umfeld des Angeklagten herangetreten und bedrängten den Wachtmeister, so dass nicht sicher ist, wer die weiteren Schläge ausgeführt hat.

Dem Angeklagten gelang die Flucht aus dem Sitzungssaal im zweiten Stock, der Wachtmeister nahm sofort die Verfolgung auf, bekam von einem Unbekannten einen Tritt gegen das rechte Bein, woraufhin er stürzte. Nunmehr kamen vier Personen auf den Wachtmeister zu. Dieser Angriff konnte durch den Wachtmeister durch - zuvor angedrohten - Reizsprayeinsatz unterbunden werden. Da im Saal sofort ein Fluchtalarm ausgelöst worden war, konnte der Angeklagte im ersten Stock von zwei Wachtmeistern gestellt und zu Boden gebracht werden. Dem Angeklagten wurden Handfesseln auf dem Rücken angelegt. Als nunmehr erneut Personen aus dem Umfeld des Angeklagten in bedrohlicher Art und Weise auf die beiden Wachtmeister zukamen, drohten diese den Einsatz von Reizspray an, woraufhin die Angreifer zurückwichen und die Wachtmeister u.a. als „Hurensöhne" beleidigten. Der Angeklagte konnte nunmehr in die Haftzelle zurück gebracht werden. Der Einsatz im Gerichtsgebäude wurde in bewährter Übung durch die Wachtmeisterkollegen der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Hannover gut und professionell unterstützt. Vor dem Gebäude des Amtsgerichts übernahm die Polizei Hannover die Sicherung des Geschehens. Das Amtsgericht Hannover ist auf derartige Vorkommnisse vorbereitet, die Notfallpläne wurden erfolgreich umgesetzt.

Mittwoch, 10. Juni 2015

Fachanwalt für Verzögerungsrecht - Teil 3

Es wird wieder Freitag und wieder steht ein Gerichtstermin am Landgericht Hamburg an, der vorher bereits mehrfach verlegt wurde. Ein unbegründeter Verlegungsantrag führte zu einem Versäumnisurteil und angeblich hatte ich am Mittwoch vor dem letzten Freitagstermin im März 2015 einen grob rechtswidrigen Artikel voller Unwahrheiten über den Gegner beim Bauer-Verlag lanciert, weshalb der gegnerische Kollege mit dem Entwurf einer einstweiligen Verfügung überlastet gewesen sei und deshalb beantragt hatte, "den morgigen Termin ein letztes Mal verlegen zu lassen". So geschah es dann auch Ende März mit einer gnädigen Geste des Gerichts und der eloquente Anwalt aus dem Süden unserer Republik hatte sich nicht erst damit zum ungekrönten Herrscher der Fachanwälte für Verzögerungsrecht aufgeschwungen.

Mittlerweile habe ich noch eine weitere Kostprobe seines fachspezifischen Könnens genießen können, als ein Termin im April vor einem anderen Landgericht "wegen Verhinderung" aufgehoben wurde und nun zunächst über seinen Antrag verhandelt werden soll, ob der Haupttermin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss. Ich habe mich mittlerweile schon daran gewöhnt, dass die Termine mit dem Verzögerungsspezialisten regelmäßig verlegt werden und kann mir gar nicht mehr vorstellen, eines Tages ohne das verbindende Element unserer gemeinsamen Prozesse den beruflichen Alltag durchstehen zu können.

Zwischenzeitlich ist er mir nämlich nicht nur durch seine virtuose und äußerst souveräne Art, den Gerichten ausschließlich seine Terminsplanung zum Maßstab der Verhandlungen aufzuoktroyieren, ans Herz gewachsen. Denn mit der Selbstsicherheit eines genialen Taktikers wischte er auch die anwaltliche Berufsordnung derart lässig vom Tisch, dass er wohl zum unumstrittenen Rockstar der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer wurde. Er hat sich einfach aus dem steifen Korsett des gewöhnlichen Anwaltsdaseins gelöst, ist in seiner Prozessführung stets fantasievoll und versüßt mir in der Folge durch unsere gemeinsamen Prozesse das Berufsleben als Rechtsanwalt ungemein. Ich hoffe daher inständig, dass er auch den kommenden Freitagstermin wieder verlegen lässt und unsere prozessuale Verbundenheit noch lange andauert.

Dienstag, 9. Juni 2015

Schnauze voll vom "Adel"?

Die meisten Leser werden abwinken und der Meinung sein, dass ihnen der Adelszauber in den Medien gleichgültig ist, weil das Ganze ohnehin belanglos sei, denn wer liest schon BUNTE, BILD oder DAS NEUE BLATT? Kann sein, sicher gibt es auch wichtigere Themen. Aber seit ich mich beruflich mit einem Bückeburger Bürger befassen muss, der sich der restlichen Welt permanent als „Fürst“ verkaufen möchte und mit seiner diesbezüglichen Kampagne durchaus erfolgreich ist, habe ich einen Blick hinter die Kulissen geworfen und festgestellt, dass es nicht um bloße Eitelkeit geht, sondern um handfeste Vorteile. Seit sich das Landgericht Bückeburg weigerte, im Rubrum den bürgerlichen Namen „seiner Durchlaucht“ zu verwenden und trotz eindeutiger Auskunft des Standesamtes auf dem Adelsprädikat „Fürst“ beharrte, weiß ich, dass ein neutrales Urteil gegen den „Hauschef“ in Bückeburg nicht zu erwarten ist und die Schaumburg-Lipper Adelskampagne in Niedersachsen längst metastasiert. Erst gestern machte mich eine Mandantin auf eine Nachricht beim NDR unter dem Titel „Meyer fordert höhere EU-Mittel für Kleinbauern“ aufmerksam, in dem auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Titel „Fürst“ - diesmal in der kuriosen Variante „Fürst Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe“ - verliehen wurde.

Ich erinnere mich noch an einen Fernsehbeitrag in „DAS!“ vom November 2013, in welchem „Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe“ Gast gewesen war und die im Interview insoweit intellektuell überforderte Moderatorin Inka Schneider den Gast aus dem Schloss der 250 Zimmer mit den ehrfürchtig glänzenden Augen eines Schulmädchens fragte: „Prinz Harry, kennen sie sich, kennt man sich so in Adelskreisen?“ Och Inka, Du kleines Dummerchen, natürlich nicht. Herr Prinz zu Schaumburg-Lippe ist doch gar nicht adelig und sein Gefasel vom Auftrag, das Schaumburger Land nach außen zu vertreten, kann man doch nicht ernst nehmen.

Allerdings geht nicht nur der NDR „seiner hochfürstlichen Durchlaucht“ andauernd auf den Leim, sondern auch RTL oder SAT1 und die gedruckte Presse. Und längst nicht nur dem Bückeburger, denn das Land ist voll von Ewiggestrigen, denen von unfähigen Journalisten der hochwohlgeborene Pöter gepudert wird. Lange Rede kurzer Sinn: Wer nun von der Dummheit der freien Presse die Schnauze voll hat oder des Huldigens feudaler Strukturen überdrüssig ist, kann dem deutschen Presserat ab jetzt mit einem gegen das Adelsgewinsel der bundesdeutschen Presse gerichteten Beschwerdeformular (Muster) auf das mangelnde Demokratieverständnis der Medienlandschaft hinweisen und vielleicht so das Bewusstsein in den Redaktionen dafür schärfen, was korrekte Berichterstattung getreu der Maßstäbe des Pressekodex im Hinblick auf den in Deutschland längst abgeschafften Adel bedeutet.

Donnerstag, 28. Mai 2015

Piss-Mannschaft

Schon vor über 15 Jahren sorgte das Lied  der Toten Hosen "Bayern", dessen Message lautete: "Ich würde nie zum FC Bayern München gehen. Was für Eltern muss man haben, um so verdorben zu sein, einen Vertrag zu unterschreiben, bei diesem Scheißverein?" für Furore. Uli Hoeneß war schon damals außer sich: "Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird". Später wäre unser Uli fast selbst erstickt, aber eher, weil er den Hals nicht voll genug kriegen konnte. Jetzt machte Dieter Schatzschneider, dessen erfolgreiche Fußballzeit bei Hannover 96 Ewigkeiten zurückliegt, ähnliche Schlagzeilen. „Bayern ist eine Piss-Mannschaft", so äußerte er sich gegenüber der bekanntesten Boulevardzeitung Deutschlands, die mit Sicherheit auch die Häftlinge Deutschlands erreicht. Dass unter Fußballern das Sprichwort „erst denken, dann reden“ keine Gültigkeit besitzt, ist ja allseits bekannt. Doch welche juristischen Konsequenzen haben solche Äußerungen, muss sich Schatzschneider abducken?

Der Beleidigungstatbestand gemäß § 185 StGB erfordert die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung in Form einer Äußerung  mit ehrverletzendem Charakter. Betroffen sein kann der sittliche, personale oder soziale Geltungswert einer Person. Wird dieser durch das Zuschreiben negativer Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen, kann eine ehrverletzende Äußerung vorliegen (BGH v. 15. 3. 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145 ff. = NJW 1989, 3028 f.). Auch Kollektivbeleidigungen und Beleidigungen unter einer Kollektivbezeichnung sind in der Rechtsprechung anerkannt.

Die herrschende Meinung bejaht die Möglichkeit der Beleidigung von Personengemeinschaften, indem sie sich auf die Regelungen des § 194 III, IV StGB stützt. Diese Vorschrift zeigt, dass zumindest Behörden und politische Körperschaften beleidigungsfähig sein müssen, denn andernfalls wäre die Regelung bezüglich des Strafantrags sinnlos. Eine Kollektivbeleidigung, also eine Beleidigung, die sich gegen die Personengesamtheit der FC-Bayern-Fußballmannschaft richtet, kommt dann in Betracht, wenn die FC-Bayern-Fußballmannschaft als Personengemeinschaft selbstständig beleidigungsfähig ist.

Der Gedanke, dass durch die Vorschrift des § 194 III, IV StGB Ämtern und anderen Stellen öffentlicher Verwaltung die Beleidigungsfähigkeit zuerkannt wird,  wird generell auf Personengesamtheiten unter der Voraussetzung übertragen, dass sie eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können. Im vorliegenden Fall ist die Ehre des Kollektivs selbst maßgeblich und nicht etwa die von Einzelpersonen. Es dürfte eher abzulehnen sein, dass die Fußballmannschaft des FC Bayern eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllt, da die Mannschaftsmitglieder mit ihrer Tätigkeit zunächst eigenen wirtschaftlichen Interessen nachgehen. Ob die Fußballmannschaft eine rechtlich anerkannte soziale Funktion hat, kann aber im Ergebnis auch offen bleiben, wenn die einzelnen Fußballmannschaftsmitglieder jedenfalls unter der Kollektivbezeichnung beleidigt wurden.

Eine Mehrheit von Personen, welche durch einen Kollektivnamen bezeichnet wird, kann beleidigt werden, wenn der Beleidiger diesen Kollektivnamen mit dem Vorsatz auswählt, sämtliche Personen zu treffen, welche unter den Kollektivbegriff fallen. Die Verurteilung wegen Beleidung unter einer Kollektivbezeichnung  setzt aber voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, da ansonsten der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt erscheint. Herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf eine Mannschaft beinhalten in der Regel eine Beleidigung der einzelnen Mannschaftsmitglieder unter einer Kollektivbezeichnung. Unter einer Fußballmannschaft versteht man eine Mannschaft, die den Fußballsport ausübt. Eine Fußballmannschaft besteht auf dem Platz aus einem Torwart und zehn Feldspielern (elf Spieler insgesamt).

Durch Auslegung ist der objektive Sinngehalt der Äußerung zu ermitteln. Maßgebend dafür ist, wie ein verständiger Dritter unter Beachtung der Begleitumstände und des Gesamtzusammenhangs sie versteht (BVerfG v. 25. 3. 2008 – 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907 (2908); BGH v. 18. 2. 1964 – 1 StR 572/63, BGHSt 19, 235 (237) = NJW 1964, 1148 f.). Die Begleitumstände werden charakterisiert durch die Anschauungen der beteiligten Kreise, die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene (OLG Düsseldorf v. 4. 3. 1998 – 5 Ss 47/98–25/98 II, NJW 1998, 3214 (3215)). Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs bezog sich die Aussage des Dieter Schatzschneider auf die Einstellung der FC-Bayern-Fußballspieler im letzten Spiel gegen den SC Freiburg.  Aus dieser Auslegung ergeben sich die Spieler des FC Bayern, die an diesem Tag auf dem Platz standen, sodass der betroffene Personenkreis klar abgrenzbar und zahlenmäßig überschaubar ist.

Allerdings lässt sich bei herabsetzenden Äußerungen unter einer Sammelbezeichnung die Grenze zwischen einem Angriff auf die persönliche Ehre, die Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG schützt und die nach Art. 5 II GG Beschränkungen der Meinungsfreiheit rechtfertigt, und einer Kritik an sozialen Phänomenen, staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen oder sozialen Rollen und Rollenerwartungen, für die Art. 5 I S. 1 GG gerade einen Freiraum gewährleisten will, nicht scharf ziehen. Einer Bestrafung wegen derartiger Äußerungen wohnt deswegen stets die Gefahr überschießender Beschränkungen der Meinungsfreiheit inne. Verschiedene ausländische Rechtsordnungen, namentlich des angelsächsischen Rechtskreises, kennen daher die Sammelbeleidigung gar nicht und bestrafen nur die ausdrücklich oder erkennbar auf einzelne bezogene Ehrverletzung (vgl. etwa Robertson/Nicol, Media Law, 3. Aufl. (1992), S. 57).
Die gefestigte Rechtsprechung wägt in diesen Fällen zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des Äußernden ab, wenn nicht allein die Schmähung des Betroffenen im Vordergrund steht (BVerfG v. 28. 8. 2005 – 1 BvR 1917/04, NJW 2005, 3274; BVerfG v. 5. 12. 2008 – 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749 f. (Rn 12)). Bei der Schmähkritik steht nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund (BVerfG v. 29. 7. 2003 – 1 BvR 2145/02, NJW 2003, 3760; BVerfG v. 5. 12. 2008 – 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749 (750, Rn 12); BVerfG. v. 7. 12. 2011 – 1BvR 2678/10, BeckRS 2012, 46347, Rn 40). Merkmal der Schmähung ist also die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

Solange eine Äußerung nicht jeder sachlichen Grundlage entbehrt und nicht überwiegend böswillig sowie gehässig ist, liegt keine Schmähkritik vor (OLG Nürnberg v. 14. 10. 2009 – 1 St OLG Ss 41/09, OLGSt 6/2010 § 185 Nr. 31 = Juris oder BeckRS 2010, 01748). Wegen des Verdrängungseffekts gegenüber der Meinungsfreiheit ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen (BVerfG v. 29. 7. 2003 – 1 BvR 2145/02, NJW 2003, 3760). Die in Art. 5 GG verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet (vgl. zuletzt BVerfGE 90, 241 (247ff.) = NJW 1994, 1779 = NVwZ 1994, 892 L).

Bei der Aussage „Bayern ist eine Piss-Mannschaft“ handelt es sich um eine Meinung, weil sie eine persönliche Stellungnahme darstellt. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (vgl. BVerfGE 30, 336 (347) = NJW 1971, 1555; BVerfGE33, 1 (14) = NJW 1972, 811; BVerfGE 61, 1 (7) = NJW 1983, 1415). Nach Art. 5 II GG findet das Grundrecht seine Schranken an den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört auch § 185 StGB. Um eine Beleidigung annehmen zu können, muss die Norm in verfassungsmäßiger Weise ausgelegt und angewandt werden (vgl.BVerfGE 7, 198 (208f.) = NJW 1958, 257; st. Rspr.).

In der Aussage „Bayern ist eine Piss-Mannschaft“ wird deshalb keine Schmähkritik zu sehen sein. Zum einen ist der Begriff „Schmähkritik“ wegen der Meinungsfreiheit, die schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Ordnung ist (vgl. BVerfGE 7, 198 (208) = NJW 1958, 257), eng auszulegen, zum anderen geht mit der Aussage keine überwiegende Böswilligkeit oder Gehässigkeit einher. Der erforderliche sachliche Bezug zu dem letzten Bundesligaspiel ergibt sich mittels Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang und den Begleitumständen. Auch liegt Schmähkritik bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (BVerfG v. 7. 12. 2011 – 1 BvR 2678/10, BeckRS 2012, 46347, Rn 40).

Die Aussage stammt aus dem Zusammenhang mit der Niederlage des Deutschen Meisters FC Bayern gegen den SC Freiburg auf dem letzten Nichtabstiegsplatz (vor Hannover 96), was zumindest im fußballbegeisterten Deutschland zu den die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen gehört.
Die Äußerung lässt sich weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, sodass es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt.

Anders als bei Tatsachenbehauptungen ist es unerheblich, ob die Kritik berechtigt oder das Werturteil "richtig" ist (vgl. BVerfGE 66, 116 (151); BVerfGE 68, 226 (232)). Eine Äußerung, die lediglich unhöflich oder taktlos ist, begründet grundsätzlich noch keine Ehrverletzung (LG Regensburg v. 6. 10. 2005 – 3 Ns 134 Js 97458/04, NJW 2006, 629). Es ist auch nicht jede flapsige, spöttische Bemerkung schon als  Beleidigung anzusehen (AG Berlin-Tiergarten v. 26. 5. 2008 – (412 Ds) 2 JuJs 186-08 (74/08), NJW 2008, 3233). Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist und ihre Grundlage im Verhalten des Betroffenen hat, wie es hier der Fall ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 54, 129 (138f.) = NJW 1980, 2069; BVerfGE 61, 1 (7f.) = NJW 1983, 1415).

Erschwerend ins Gewicht fällt, ob von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (BVerfGE 7, 198 (208, 212) = NJW 1958, 257; BVerfGE 61, 1 (11) = NJW 1983, 1415); BVerfGE 93, 266 (294); BVerfGE 93, 266 (295)). Abweichungen davon bedürfen folglich einer Begründung, die der konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie, in der die Vermutungsregel wurzelt, Rechnung trägt.

Das von der Aussage betroffene Bundesligaspiel gehört zu den die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen. Bundesligaspieler bewegen sich bewusst in der Öffentlichkeit, sodass sie als diejenigen, die die Öffentlichkeit suchen, deren Meinung auch ertragen müssen, selbst wenn es mal nicht Lob regnet. Dies gilt auch und erst Recht für die erfolgsverwöhnten FC-Bayern-Spieler als
„Piss-Mannschaft“.

Donnerstag, 21. Mai 2015

So stelle ich mir einen CSU-Bürgermeister vor

Der ehemalige Bürgermeister von Zapfendorf wurde in Fußfesseln vor das Schöffengericht in Hof geführt, weil er knapp 280.000,- Euro aus der Gemeindekasse für eigene Zwecke verwandt haben soll. Mit zarten 37 Jahren gestand der CSU-Mann nicht nur ein, die Gemeinde beklaut zu haben, weil er für den imaginären Aufbau einer Zigarrenfabrik in der Dominikanischen Republik 160.000,- Euro seines Privatvermögens verschleudert hatte, sondern auch, dass er seit seiner Geburt bei seinen Eltern das gleiche Zimmer bewohnt. Mami hat ihren Jungen dann auch aus dem Gerichtssaal abgeholt, denn für die Unterschlagung des Geldes gab es nur zwei Jahre Haft auf Bewährung und 250 Stunden gemeinnützige Arbeit. Da kann Mami dann mit anpacken und vielleicht wird aus dem tapferen Sohnemann irgendwann doch noch einmal ein echter CSU-Finanzminister. Er wäre ja nicht das erste bayerische Stehaufmännchen.

Dienstag, 5. Mai 2015

Nachtwölfe

Nicht ganz meine Linie, aber wenigsten eine unterhaltsame Gegenposition zu der Nachtwölfe-Phobie die ganz allgemein in den Zeitungen Verbreitung findet. Es scheint eine inoffizielle Doktrin von Verwaltung, Politik und Polizei zu sein, das geplante Treffen des sogenannten Kreml-nahen Motorradclubs Nachtwölfe und deren Sympathisanten am 9. Mai 2015 in Berlin zu behindern oder gar zu verhindern - jedenfalls so klein wie möglich zu halten. Ich orientiere mich ja ganz gerne abseits von Moral und Gewissen an Recht und Gesetz und da kann ich auf den ersten Blick nichts erkennen, was gegen ein solches Treffen und die Anreise russischer Motorradtouristen zu diesem Treffen spricht und ich werde das Gefühl nicht los, dass es den Leuten, denen das Treffen nicht gefällt, ähnlich geht.

Die russischen Motorradfreunde auf ihren Harleys und Hondas einfach an den geltenden Normen zu messen, sich an der Grundidee der Freizügigkeit und der Meinungsfreiheit zu orientieren und damit einen deutlich sichtbaren Abstand zu angeblich längst überwundenen Strukturen zu demonstrieren, wäre eine souveräne Geste anlässlich einer Feier am 9. Mai in Berlin zum Gedenken an den Tag des russischen Sieges über Hitlerdeutschland.

Dienstag, 21. April 2015

Schalke 04 - erst Vertragsstrafe verlangt, dann selbst zur Vertragsstrafe verpflichtet

Die Abmahnung von Schalke 04 endet nach Erhebung einer negativen Feststellungsklage des Abgemahnten vor  dem Amtsgericht Hamburg-Harburg in einem Debakel für die Königsblauen. Man einigte sich am Ende darauf, dass Schalke 04 die Abgabe der mit der Abmahnung übersendeten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht weiter verlangen wird und dass bestrittene Vertragsstrafenansprüche aufgrund der Abmahnung weder bei der SCHUFA Holding AG gemeldet werden noch weiter mit einer solchen Meldung gedroht wird. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtungen würde Schalke eine Vertragsstrafe in Höhe von 500,00 € zahlen. Schließlich wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und beide Parteien beantragen, Schalke 04 die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Ich bin ja grundsätzlich vergleichsfeindlich, aber das Angebot der Kollegen auszuschlagen hätte ich dem Mandanten schlecht vermitteln können, denn wir haben auch ohne ein Urteil alles bekommen, was wir wollten.

Mittwoch, 8. April 2015

Fachanwalt für Verzögerungsrecht - Teil 2

Es war wieder Freitag und es stand ein Gerichtstermin an, der vorher bereits mehrfach verlegt wurde und in dem schließlich ein Versäumnisurteil erlassen wurde. Weil das Gericht zukünftigen Verlegungsanträgen die Hürde der Glaubhaftmachung des Verlegungsgrundes entgegensetzte, hatte ich dem Kollegen im vorangegangenen Blogartikel versprochen, nicht mehr über ihn zu berichten, wenn er es erneut schaffen würde, den angesetzten Termin verlegen zu lassen.

Dass sich ein ausgebuffter Fachanwalt für Verzögerungsrecht die Gelegenheit nicht entgehen läßt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, hätte ich natürlich wissen müssen. Um es vorwegzunehmen: Der einschlägig spezialisierte Kollege schaffte es abermals, dem anberaumten Termin mit der bereits misstrauischen Kammer kurzfristig von der Schippe zu springen und hat dem Landgericht Hamburg zur Glaubhaftmachung des Verlegungsgrundes unter anderem meinen Blogartikel „Fachanwalt für Verzögerungsrecht“ vorgelegt und dabei mit unnachahmlicher Kombinationsgabe dargelegt, dass nur er mit dem Artikel gemeint sein könne.

Kern des Verlegungsgrundes.war jedoch meine angebliche Strategie, zwei Tage vorm Termin „einen grob rechtswidrigen Artikel voller Unwahrheiten“ zu Lasten seines Mandanten in einer vom Bauer-Verlag herausgegebenen Wochenzeitschrift erscheinen zu lassen, damit ihm die Hände dabei gebunden seien, eine einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung des rechtswidrigen Artikels zu beantragen, wenn er den anberaumten Freitagstermin wahrnehmen müsse. Ja, liebe Leser, wenn Sie von mir vertreten werden, kann es schon sein, dass ich bundesdeutsche Zeitungsverlage anweise, rechtsverletzende Artikel zum Nachteil Ihrer Gegner zu publizieren, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Die Verlage sind mir dabei so ergeben, dass sie das Risiko von Prozesskosten und Schadensersatzansprüchen zum eigenen Nachteil ohne weiteres in Kauf nehmen. Ich habe gar unglaubliche Beziehungen zur Boulevardpresse und deshalb fast schon Respekt vor mir selbst.

Dass trotz meines Verspechens einer unbegrenzten Schonfrist für den fantasiebegabten Kollegen auch in Zukunft Kostproben seiner Glanzparaden zu lesen sein werden, liegt nicht etwa daran, dass ich mein Versprechen nicht ernst nehmen würde, sondern ist damit zu erklären, dass ich eine anschliessende Beleidigung des Verzögerungsexperten zum Anlass genommen habe, mich von meiner Verpflichtung ihm gegenüber zu lösen.

Montag, 30. März 2015

Bizarre Unterwerfungsrituale am Landgericht Bückeburg

Sie denken an Lack & Leder in Schreibstuben, sexuellen Fetischismus in Beratungszimmern oder strenge Züchtigungen im Sitzungssaal? Kostümfeste in Uniformen und Roben, Sex mit Wachtmeistern in Handschellen? Leider gibt es für derartige Praktiken am Landgericht Bückeburg nicht die geringsten Anzeichen, obwohl konservative Kulissen oft die verschrobensten Akteure beherbergen.

Unterwerfungsrituale am Landgericht Bückeburg haben trotzdem Tradition, bestenfalls jedoch mit homoerotischem Charakter. Wenn ein Landgerichtspräsident aus Bückeburg in seiner Anrede winselt "Durchlauchtigster Fürst! Gnädigst regierender Fürst und Herr!“ hat das natürlich etwas groteskes. Die Krone der Unterwürfigkeit muss man dem studierten Juristen allerdings für die Schlussformel des gleichen Schreibens überreichen: „Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht unterthänigster treugehorsamster Freiherr von Bülow, Landgerichtspräsident.“ Nun muss man dem ersten schaumburg-lippischen Landgerichtspräsidenten zu Gute halten, dass im Jahre 1894 exzessives Buckeln gegenüber herrschenden Häusern auch in der rechtsprechenden Gewalt an der Tagesordnung war.

Bis heute hat sich die Tradition des Devotismus im beschaulichen Bückeburg trotz Abschaffung des Adels jedoch erhalten, wie man dem Beschluss des Landgerichts Bückeburg vom 04.03.2015 entnehmen kann, mit dem der Vorsitzende der 1. Zivilkammer dem Größenwahn eines Nachkommens der Fürsten auch im Zeitalter unserer demokratischen Grundordnung unterwürfig huldigt. Anstatt nach Vorlage der aktuellen Auskunft des Standesamts Bückeburg das Rubrum nach § 319 ZPO antragsgemäß auf den richtigen Namen des Klägers zu berichtigen, zog der Vorsitzende Richter die Ergänzung des Rubrums um das Geburtsdatum des Klägers vor und liess das offenkundig unrichtige Rubrum mit dem falschen Nachnamen „Fürst zu Schaumburg-Lippe“ - ganz auf der Linie treugehorsamster Bückeburger Richter - bestehen. Eine wirklich kuriose Vorgehensweise des findigen Fürstenfreunds in Richterrobe. Anstatt den falschen Nachnamen durch den richtigen Nachnamen zu ersetzen einfach das Geburtsdatum zusätzlich ins Rubrum aufzunehmen.

Warum er den richtigen Nachnamen des Klägers ignoriert, ist allerdings kaum ein Rätsel. Zwar ist bekannt, dass die meisten devot veranlagten Männer gehobenen Schichten angehören, welche in ihrem Berufsalltag gewohnt sind, über Mitbürger zu bestimmen und gegenüber Untergebenen Macht auszuüben und als kompensatorischen Schuldreflex gern die Position des Erniedrigten einnehmen. Im vorliegenden Fall dürfte jedoch entscheidend sein, dass ein Vorsitzender Richter am Landgericht Bückeburg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des Prozessrechts dabei mitwirken möchte, die Illusion eines fürstlichen Hauses in Schaumburg-Lippe aufrechtzuerhalten und Herrn Prinz zu Schaumburg-Lippe bei seinem Bestreben, auch in einer parlamentarischen Demokratie als Fürst zu erscheinen, behilflich sein will.

Es scheint, dass eine langfristige Strategie streng konservativer Kräfte immer mehr um sich greift und längst auch vor Gerichten nicht mehr halt macht. Aus meiner Sicht war es vom Vorsitzenden Richter allerdings taktisch unklug, sich die Maske der Unbefangenheit durch einen schlichten Rubrumsberichtigungsantrag vom Gesicht reißen zu lassen und die Fratze der Parteilichkeit zu offenbaren. Geräuschlose Parteinahme geht anders. Es darf daher spekuliert werden, mit welch fadenscheinigen Argumenten der Befangenheitsantrag gegen den fürstentreuen Vorsitzenden von einem anderen Richter des gleichen Gerichts zurückgewiesen werden wird. Man will sich ja in Bückeburg am Mittagstisch zukünftig noch in die Augen sehen können. Mahlzeit!

Mittwoch, 25. März 2015

Fälsche Deine Promotion

Nun hat es auch der ehemalige FDP-Mann Georgios „Jorgo“ Chatzimarkakis geschafft, sich in der deutschen Rechtsprechung mit dem rechtskräftigen Entzug seiner Doktorwürde ein dauerhaftes Denkmal für Charakterschwäche zu setzen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 24. März 2015 zum Aktenzeichen: 19 A 1111/12 den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln 6 K 621/11 abgelehnt. Das Urteil im kölner Verfahren ist damit rechtskräftig, in welchem sich Chatzimarkakis gegen die Entziehung seines Doktorgrades gewehrt hat.

Ihm war im Jahre 2000 von der beklagten Hochschule, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der Grad eines Dr. phil. für seine Dissertation mit dem Titel "Informationeller Globalismus. Kooperationsmodell globaler Ordnungspolitik am Beispiel des elektronischen Geschäftsverkehrs" mit "cum laude" verliehen worden. Nachdem auf der Internet-Plattform "Vroni-Plag" Plagiatsvorwürfe bezüglich seiner Dissertation erhoben worden waren, bat der Kläger die Beklagte im Mai 2011 um eine Überprüfung, die schließlich im Oktober 2011 zur Entziehuzng des Doktorgrads führte. Die dagegen gerichtet Klage wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 22. März 2012 ab.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil scheiterte, weil  Chatzimarkakis von Beginn an eingeräumt habe, einen erheblichen Teil der umfangreichen wörtlichen Textübernahmen – teils einschließlich der darin enthaltenen Fußnoten – lediglich durch Fußnoten gekennzeichnet zu haben. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Vorsatz seien nicht zu beanstanden. Für eine Täuschungsabsicht spreche auch der Um­stand, dass nur eine geringer Teil seiner Fremdtextübernahmen durch An- und Abführungszeichen oder kursive Schreibweise als solche gekennzeichnet wurden, der überwiegende Teil jedoch nicht. Dies lasse darauf schließen, dass Chatzimarkakis den Umfang der wörtlichen Übernahmen habe verschleiern wollen.

Leider ist Posten des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl als Ruheposten schon besetzt und auch an der Seite des bekanntesten Plagiators Deutschlands, Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg scheint derzeit kein Ruheraum zu sein. Auch in den Landesparlamentten werden Schummler immer weniger geduldet. Irgendein gut dotierter Posten wird sich in der Welt der konservativen Mogelbuben schon finden lassen.

Dienstag, 24. März 2015

Fachanwalt für Verzögerungsrecht

Bald ist wieder Freitag und es steht ein Gerichtstermin an, der vorher bereits mehrfach verlegt wurde und am Ende in einem Versäumnisurteil mündete, weil das Gericht den Verlegungsanträgen des gegnerischen Anwalts nicht mehr folgen mochte. An einem anderen Gericht wird dem Kollegen nur noch mit Postzustellungsurkunde zugestellt, weil die Empfangsbekenntnisse nicht zurück kommen. Sozusagen ein Fachanwalt für Verzögerungsrecht. Eine Kostprobe der Fantasie des Kollegen, die beim Landgericht Hamburg nicht auf fruchtbaren Boden fiel, möchte ich der Leserschaft nicht vorenthalten:

"Viel schwerer wiegt aber, daß der Unterfertigte seiner 93-jährigen demenzkranken Großmutter einen dingend notwendigem Besuch versprochen hat. Die Umkehr wäre für sie, die mittlerweile verwitwet alleine in der Schweiz lebt nicht tragbar. Ein anderer Besuchstermin ist in naher Zukunft wegen Taufe meiner Tochter und Hochzeiten nicht denkbar. Auch wurde für den. Freitag Abend ein Termin mit dem Verwalter der Vermögensachen meiner Großmutter vereinbart."

Natürlich hat der Kollege Einspruch eingelegt, diesen nicht fristgerecht begründet, es aber geschafft, den darauf folgenden Termin wegen Krankheit erneut verlegen zu lassen. Bei der neuen Terminsladung hat das Gericht nun darauf hingewiesen, dass eine abermalige Verlegung grundsätzlich nicht in Betracht käme. Nun ist immer noch keine Begründung für den Einspruch eingegangen und damit sind vier Schriftsätze von uns unbeantwortet geblieben. Ich bin gespannt, was dem Kollegen für den kommenden Freitag einfällt, Wenn er es erneut schafft, den Termin zu verschieben, verkünde ich nur noch seinen Verlegungserfolg und lasse ihn in meinem Blog zukünftig in Ruhe. Versprochen.

Samstag, 7. März 2015

Hannover 96 gegen Bayern München

Wenn es schon im Stadion nicht läuft, sollte wenigstens außerhalb der Arena für Stimmung unter den Fans gesorgt werden. Deshalb wurden wohl auch gegen Inhaber von Karten für das Spiel Hannover 96 gegen Bayern München Abmahnungen durch die Anwaltskanzlei Becker & Haumann aus Dortmund gegen Fans ausgesprochen, die ihre Tickets auf ebay angeboten haben.  

Vor dem schweren Spiel gegen die Bayern hat es aber auch andere Post gegeben, allerdings von der Klubführung selbst. In einem offenen Brief von Hannover 96 an seine Fans heißt es dort: "Wir haben verstanden!" An dieser Behauptung bestehen Zweifel, insbesondere von Leuten, die in letzter Zeit durch die Rechtsanwaltskanzlei Becker & Haumann abgemahnt wurden. Sie hätten sich statt einer Abmahnung durch einen Rechtsanwalt vielmehr folgendes Schreiben von Hannover 96 gewünscht:

Liebe Fans und Freunde von Hannover 96,
wir haben verstanden!

Wir haben uns durch Abmahnungen an private ebay-Verkäufer ein Stück weit vom Wesentlichen abbringen lassen. Von unserem Weg, von unseren Zielen, von unserer Leidenschaft.

Und auch das ist eben so: Wir haben die Situation, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat und die ganz sicher niemand so haben wollte, unterschätzt und uns vom Recht des Stärkeren treiben lassen. Wir als Klub hätten uns eher zu Wort melden müssen - und nicht durch Abmahnungen von Rechtsanwälten. Ohne Wenn und Aber. Aus purer Überzeugung haben wir strafbewehrte Unterlassungserklärungen verlangen lassen. So geht es nicht weiter.

Es sollte nicht mehr um Abmahnungen aus der Vergangenheit gehen. Auch nicht um die Honorarinteressen einzelner Anwälte. Wir alle sollten einmal tief Luft holen und uns überlegen, worum es geht: Um das Gefühl der Fans. Um Arbeitnehmer, die Bundesligakarten kaufen um einen Klub zu sehen, der kurz vor der Insolvenz gestanden hat und dann von der Regionalliga bis in die Bundesliga aufgestiegen ist. Um Familien, um Gruppen, um Einzelne, um Freundeskreise, die Karten kaufen und diese manchmal auch ohne Unrechtsbewusstsein mit geringem Gewinn oder auch mit Verlust verkaufen. Auch sie wollen sich nach mehr als zehn Jahren in Zukunft auf das Wochenende und Hannover 96 in der 1. Bundesliga freuen und sich nicht während der Woche mit Anwaltsschreiben auseinandersetzen.

Wir sind nicht blauäugig. Klar, die Stimmung wird sich nicht kurzfristig ändern, nur weil wir das Abmahnen von Fans durch Anwälte sein lassen - aber es geht um mehr als das. Wir sind sicher, dass dieser Klub, diese Stadt und diese Mannschaft so viel wert sind, dass auch private Ticketverkäufe über ebay die Stimmung der Fans in der HDI Arena nicht trüben können. Denn was sind schon einige private Ticketverkäufe im Gegensatz zum gewerblichen Tickethandel?

Von Abmahnungen gegen unsere Anhänger werden wir in Zukunft absehen und diese wieder unterstützen. Hand drauf! Zudem freuen wir uns tatsächlich auf das Spiel gegen Bayern München. Wir wissen auch, dass viele unserer Fans in Sorge sind, was das Ergebnis am Samstag angeht - aber es gibt wirklich Schlimmeres, als sich mit dem besten Verein der Welt vor ausverkauftem Haus in einem Punktspiel messen zu dürfen.

Viele Traditionsvereine die in der Bundesliga spielen, mahnen private Ticketverkäufe ab, obwohl die Sicherheit in den Stadien durch solche Verkäufe gar nicht berührt wird. Viele würden gerne mit uns tauschen und in Zukunft nicht die eigenen Fans abmahnen. Denn wir sind in Zukunft nicht mehr dabei. Und wir werden uns in Zukunft gegen den gewerblichen Tickethandel stellen. Niemals allein. Wir gehen Hand in Hand!

Los jetzt - packen wir es alle gemeinsam an!

Donnerstag, 5. März 2015

Landgericht Bückeburg - Fürstentreu!

Wir befinden uns im Jahre 2015 nach Christi. Ganz Niedersachsen wird von Demokraten geführt. Ganz Niedersachsen? Nein! Ein von unbeugsamen Vasallen bevölkerter Landstrich hört nicht auf, der bürgerlich-demokratischen Freiheitsbewegung Widerstand zu leisten. Zentrum der politischen Restauration ist die Residenzstadt Bückeburg mit dem fürstlichen Landgericht, das die juristischen Geschicke Schaumburg-Lippes leitet. Ein fürstentreues Volk, vom Schutzmann bis zum Richter.

Und einer dieser Richter schreibt allen Ernstes: „Nicht dem Kläger ist in diesem Verfahren nach der Zivilprozessordnung die Befugnis zur Führung des Namensbestandteiles Fürst abzuerkennen, sondern dem Beklagten in diesem Verfahren sein darauf gerichtetes Begehren.“

Anlass für das offene Bekenntnis eines niedersächsischen Richters zu vorkonstitutionellen Herrschaftsverhältnissen ist ein Rechtsstreit, den ich als Beklagter vor dem Landgericht Bückeburg gegen Herrn Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe führe. Weil dieser sich gegenüber dem Landgericht Bückeburg als Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe ausgab und im Rubrum eines Beschlusses auch so geführt wird, beantragte ich aus meiner naiven bürgerlich-rechtlichen Perspektive eine Rubrumsberichtigung gem. § 319 ZPO auf den tatsächlichen Namen des Klägers.

Daraufhin unterstellte mir der fürstentreue Richter sogar die hoheitliche Stellung des Klägers anzuerkennen, weil ich angeblich - wie er schreibt - meine „der Kläger dürfe den Namenszusatz „Fürst“ nicht führen, sich nicht als Fürst bezeichnen, denn er sei kein Fürst, schon sein Großvater habe den Titel nicht führen dürfen. Darauf habe die Landesregierung Schaumburg Lippe mit Schreiben vom 14. April 1936 den Reichsminister des Innern hingewiesen. Der Kläger sei lediglich ein Prinz.“

Nein, werter Herr Vorsitzender. Ich meine nicht, der Kläger sei lediglich ein Prinz. Er ist weder ein Prinz noch ein Fürst und ich meine nur, der Kläger müsse mit seinem bürgerlichen Nachnamen „Prinz zu Schaumburg-Lippe“ im Rubrum geführt werden. Doch das Landgericht Bückeburg schlägt die Hacken zusammen und lehnt die Rubrumsberichtigung ab. Schloss Bückeburg ist groß, das Städtchen ist klein und bei den 9 Richtern des Landgerichts dürfte es auch recht familiär zugehen.

Eine Gerichtsposse um einen rückwärts gewandten Kläger, die vielleicht mit der Geisteshaltung „seines Völkchens“ zu erklären ist. Denn noch am 19. Januar 1975 stimmten die Schaumburg-Lipper mittels Volksentscheid für die Wiederherstellung des Landes Schaumburg-Lippe. Weil die Bundesrepublik Deutschland daraufhin mit dem "Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes" bestimmte, dass beide Gebiete bei Niedersachsen verbleiben müssen, endete der Traum eines eigenen Landes mit Bückeburg als Hauptstadt.

Bis heute scheinen viele Zwangsniedersachsen aus der Region Bückeburg dem Fürstentum und der verpassten Separation nachzutrauen und huldigen deshalb den Nachkommen der Fürsten zu Schaumburg-Lippe - im Zweifel auch als Richter und gegen geltendes Recht.

Dienstag, 3. März 2015

5000 Euro Geldauflage will der Kinderschutzbund nicht haben

Das Landgericht Verden hatte das Verfahren wegen des Erwerbs und Besitzes kinderpornografischer Schriften gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy gegen Zahlung von EUR 5000,- als Auflage gem. § 153a StPO an den Kinderschutzbund Niedersachsen eingestellt. Der Kinderschutzbund will dieses Geld nun aber nicht annehmen. Er äußert sich wie folgt:

"In der Sache ist schon gestern von uns kritisiert worden, dass mit der Einstellung des Verfahrens ein fatales Signal gesendet worden ist, als sei mit 5.000,- € ein „Freikauf“ möglich.Auch aufgrund persönlich und öffentlich an uns herangetragener Resonanz hat der Vorstand des Niedersächsischen Kinderschutzbundes nach reiflicher Überlegung entschieden, diesen moralischen Widerspruch für sich nicht lösen zu können. Wenngleich für unsere Arbeit Spenden und Bußgelder eine überaus wichtige Quelle sind, haben wir das Landgericht Verden gebeten, einen anderen Empfänger für die Geldauflage zu bestimmen."

Auf ein Interview in der ZEIT, in welchem es um die Position des gemeinnützigen Vereins in Bezug auf die Annahme des Geldes ging, hatten zahlreiche Facebook-Nutzer ihre Kommentare auf der Facebook-Seite des Vereins eingestellt und eigene Spenden für den Fall der Nichtannahme in Aussicht gestellt. Die Kommentare reichten von  "Bitte nehmen Sie das Geld nicht an." bis "Machen Sie sich nicht zum Teil dieses "Deals". Es ist "schmutziges " Geld. Sage schon mal 50 € für diesen Fall von mir zu."

Montag, 2. März 2015

"5000 Euro Geldstrafe muss er zahlen"

schreibt Julia Jüttner im SPIEGEL über Sebastian Edathy und springt dabei lässig in die Fußstapfen von Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen, die immer mal wieder bewiesen hat, dass ein Studium der Geschichte, Politikwissenschaft oder Germanistik eine Juristenausbildung nicht ersetzen kann.

Allerdings hat Friedrichsen für die Veröffentlichung gekonnt verpackten Unwissens sogar den Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins erhalten, was natürlich ein Ansporn für die anhaltende Verbreitung von Halbwissen durch Nachwuchsreporter sein könnte. Es handelte sich tatsächlich um eine Auflage nach § 153a StPO, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.

Recht hat Julia allerdings mit der Deutung, dass gegen Edathy schon vor dem Prozess eine Strafe verhängt wurde, die nicht im Strafgesetzbuch vorgesehen ist. Dieser öffentliche Bann ist wohl auch Indiskretionen geschuldet aber zu allererst Edathy´s vormaliger Stellung als Volksvertreter im Deutschen Bundestag, dem seinerzeitigen Vorsitz des Innenausschusses, der ehemaligen Mitgliedschaft im Rechtsausschuss und der Leitung des Untersuchungsausschusses zur terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund".

Eine herausragende Stellung in der Öffentlichkeit rechtfertigt natürlich keinen Rechtsbruch zu Lasten prominenter Personen, erklärt aber das Motiv für derartige Vorgehensweisen. Ohne die Prominenz eines Angeklagten machen weder eine flächendeckende Berichterstattung noch unzulässige Veröffentlichungen Sinn. Die Höhe der gesellschaftlichen Stellung bedingt wie so oft auch die Fallhöhe bei Fehltritten von Personen, die im Rampenlicht stehen. Der unbekannte Sexualstraftäter zahlt seine Auflagen daher in der Regel unbemerkt.