Dienstag, 10. März 2020

Richterschelte mit Zivilcourage

Nach einer Entscheidung des Landgerichts zu Gunsten unseres Mandanten möchte die Gegnerin die Richter mit gütiger Strenge belehren. Offenbar war die telefonische Rüge beim Vorsitzenden auf taube Ohren gestoßen, so dass sich die charakterstarke Opponentin anschließend zu einer schriftlichen Mahnung veranlasst sieht:

"Sehr geehrter Herr (Vorsitzender am Landgericht),
wie ich Ihnen heute am 25.02.2020 um 9:20 Uhr telefonisch mitgeteilt habe, haben auch Sie sich an Recht und Ordnung zu halten!"

Wer die Klaviatur der Richterschelte mit schlafwandlerischer Sicherheit beherrscht, weiß, dass man mit Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung auch Landgerichte sturmreif schießen kann:

"Da es sich um Betrugsdelikte und Hochstapelei der Gegenpartei und dessen Anwälte handelt und sie die Rechtsbeugung § 339 StGB ihrer Kollegin Frau (Vorsitzende am Amtsgericht) decken, zeige ich auch dieses an! Hiermit stelle ich Strafantrag und Strafverfolgung sämtlicher Delikte, sämtlicher rechtlichen Gesichtspunkte gegen die Gegenpartei, dessen Anwälte und die Richter, da sie sich nicht an Recht und Ordnung halten und Rechtsbeugung begehen!"

Der Verweis auf den Amtseid packt jeden Richter bei seiner Ehre und so wird dieser Schachzug geschickt in den Rügekanon eingebaut:

"Auch lasse ich mich nicht von Richtern unter Druck setzen nur weil die sich nicht an Recht und Ordnung halten! Ich erinnere sie, Herr (Vorsitzender am Landgericht) und ihre Kollegin Frau (Vorsitzende am Amtsgericht), dass sie einen Eid als Richter abgelegt haben, ob mit Gottes Hilfe oder ohne! Also halten sie sich auch daran!"

Eine messerscharfe juristische Subsumtion treibt die Richter weiter in die Enge:

"Außerdem lasse ich mich nicht einschüchtern, bedrohen, mundtot machen und wobei die Gerichte dann noch der Gegenpartei helfen und sie in ihren kriminellen Machenschaften unterstützen! Dieses ist auch Beihilfe durch die Richter. Auch wenn Richter unabhängig sind haben sie sich an Recht und Ordnung zu halten und dürfen keine Straftaten begehen!"

Als ob es nicht schon genug wäre, an der Berufsehre der Richter zu kratzen, soll es den gescholtenen Robenträgern nun auch noch an ihren Geldbeutel gehen:

"Auch wäre es meiner Meinung nach eine Nötigung von ihnen, Herr (Vorsitzender am Landgericht), da sie ja gesagt haben, dass ich das Urteil entweder akzeptiere oder mir einen Anwalt nehme! Ich werde diese Urteile niemals akzeptieren, da sie prozessuale Mängel beinhalten und diese von ihnen nicht ausgeräumt wurden! Sie haben als Richter dafür Sorge zu tragen, dass niemand zu Schaden kommt und hier haben sie mit ihren Kollegen mich finanziell und gesundheitlich geschädigt! Dazu bestehe ich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld!"

Nach der Erläuterung strafbaren Verhaltens, dem Appell an die Berufsehre und der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Entscheidungsträger, steht als letzter Punkt des Generalangriffs auch noch die Intelligenz des erkennenden Gerichts zur Debatte:

"Traurig an der Sache ist, dass ich erst den Richtern, die ja intelligente Personen sein wollen, daraufhin aufmerksam machen muss. Aber keine Angst, Herr Vorsitzender, ich war so nett und lasse mich nicht einschüchtern und halte mich an die Gesetze und habe auch das zur Anzeige gebracht! Denn ich besitze ja schließlich Zivilcourage!"

Mit dem Stichwort "Zivilcourage" möchte ich meinen kurzen Bericht über eine Frau schließen, deren sozialer Mut im Alltag beispielhaft ist. Gegen den Strom zu schwimmen, etwas deutlich zu kritisieren und öffentlich zu handeln, auch wenn damit ein persönliches Risiko verbunden ist, dafür stehen in Deutschland nur noch wenige Menschen ein. Respekt.

Freitag, 6. März 2020

Rechtsanwaltszwang

Der sogenannte Rechtsanwaltszwang ist ist entgegen dem ersten Anschein kein ausgeklügeltes Normenkonstrukt, um Rechtsanwälte zu disziplinieren oder zu bestimmten Verhaltensweisen zu zwingen, sondern der Zwang gegenüber den Parteien eines Rechtsstreits, sich vor bestimmten Gerichten von einem Rechtsanwalt vertreten lassen zu müssen.

Ein Rechtsstreit, bei dem ein solcher Zwang nach § 78 ZPO besteht, nennt sich Anwaltsprozess. Der Vertretungszwang vor einem Gericht dient zum einen dem Schutz des Gerichts vor einer Belastung mit Rechtsmitteln, deren Erfolgsaussichten die Beteiligten nach ihrer mangelnden Vorbildung nicht richtig einzuschätzen in der Lage sind und folglich auch nicht richtig und fachkundig zu führen wissen. Der Anwaltszwang soll verhindern, dass sich die davon betroffenen Gerichte mit jeglichem Unsinn auseinandersetzen müssen, den der juristische Laie für Recht hält. Damit sind in der Regel Schriftsätze, die eine Partei vor einem deutschen Landgericht, Oberlandesgericht oder gar dem Bundesgerichtshof einreicht, rechtlich vollkommen unbeachtlich.

Kritische Stimmen halten einen derartigen Vertretungszwang allerdings für unvereinbar mit höherrangigem Recht, insbesondere für einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK. Denn nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren in angemessener Frist verhandelt wird.

Es ist jedoch durch die Rechtsprechung anerkannt, dass der Zugang zum Gericht durch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht absolut gewährleistet wird, sondern internen Beschränkungen unterliegen darf. Dabei muss aber die in Art. 6 EMRK gegebene Garantie in ihrem Wesensgehalt unangetastet bleiben. Die Beschränkungen für den Zugang zu den Gerichten müssen im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich sein, ein berechtigtes Ziel verfolgen und auch verhältnismäßig sein.

Der Anwaltszwang wird zuweilen auch als Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union angesehen, da dieser Artikel bestimmt, dass sich jede Person vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten lassen darf. Nach Ansicht der Rechtsprechung schränkt das Recht des Einzelnen, sich vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten zu dürfen, die Mitgliedsstaaten aber nicht darin ein, aus prozessökonomischen Gründen vor bestimmten Gerichten einen Anwaltszwang vorzuschreiben.

Schließlich verstößt der Zwang, sich in bestimmten Prozessen durch einen Anwalt vertreten lassen zu müssen auch nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, da die Möglichkeit, sich vor einem deutschen Landgericht, Oberlandesgericht oder gar dem Bundesgerichtshof Gehör zu verschaffen durch § 78 ZPO weder unzumutbar noch in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird.

Wer seinem Ärger oder seiner aufgestauten Frustration also durch wildes Geschreibsel vor den genannten Gerichten höchstpersönlich Luft verschaffen will, kann das natürlich gerne tun, darf aber als nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht erwarten, dass die seitenlangen Ausführungen oder gar eingelegte Rechtsbehelfe zu dem gewünschten Ergebnis führen. Immerhin mag es dem ein oder anderen Bürger etwas Erleichterung verschaffen, wenn er seine Leiden selbst zu Papier bringt und das Gefühl hat, wenigstens ein bisschen Beachtung zu finden.

Dienstag, 3. März 2020

Dietmar Hopp im Fadenkreuz

Für Ultras sei SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp "die Fratze des kommerzialisierten Fußballs, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss", berichtet die BILD-Zeitung. Weil Hopp seinen Jugend- und Herzensklub TSG 1899 Hoffenheim von der zweitniedrigsten Klasse mit privaten Mitteln hinauf in die Bundesliga geführt habe, stehe er derzeit mit fernsehgerecht platzierten Bannern im Zentrum der Kritik zahlreicher Fußballfans. Das Gesicht von Dietmar Hopp auf einem großen Plakat hinter einem Fadenkreuz interpretiert die BILD dennoch als "eine eindeutige Morddrohung". Auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Fritz Keller, meint: "Das mit diesem Fadenkreuz ist meines Erachtens eine versteckte Morddrohung."

Das ist natürlich falsch, aber im Kampf um die Hoheit in deutschen Stadien kann eine Kriminalisierung des harten Kerns der Fußballfans durchaus nützlich sein. Öffentlich in Frage gestellt wird diese Interpretation der Fadenkreuz-Plakate nämlich nicht. Das mag auch an den zahlreichen auf Hopp bezogenen Hurensohn-Plakaten liegen, die als simple Schmähungen den differenzierten Blick auf die personalisierten Fadenkreuze für überflüssig erscheinen lassen. Dabei kennt doch jeder die Metapher "im Fadenkreuz stehen" oder "etwas im Fadenkreuz haben" genauso, wie den umgangssprachlichen Ausdruck "jemanden im Visier haben" als Redewendung für eine intensive aber regelmäßig gewaltlose Fokussierung. Ausgenommen von einer strafrechtlich relevanten Drohung sind aber alle Ankündigungen, die nicht als objektiv ernst zunehmende Bedrohung mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Angesprochene sich von den Ankündigungen beeindrucken lässt.

Im Rahmen der Betrachtung einer Äußerung als denkbare Bedrohung oder Beleidigung ist ihre Interpretation mit der Meinungsfreiheit immer dann unvereinbar, wenn das Strafrecht so weit ausgedehnt wird, dass die Erfordernisse des Ehren- oder Institutionenschutzes überschritten werden und für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr gelassen wird. Desgleichen verbietet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als Schutznorm der Meinungsfreiheit Auslegungen von Äußerungen im Lichte des Strafrechts, von denen ein derart abschreckender Effekt auf den Gebrauch der Meinungsfreiheit ausgeht, dass aus Furcht vor Sanktionen in Zukunft auch zulässige Kritik unterbleibt.

Jedenfalls verstoßen Bestrafungen, die den Sinn einer umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn bei mehrdeutigen Äußerungen lediglich die zur Strafbarkeit führende Bedeutung einer Äußerung zugrundelegt wird, ohne vorher alle anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben. Lassen Formulierung oder Umstände die nicht strafbare Deutung einer Äußerung zu, so verstößt ein Strafurteil, das diese übergangen hat, gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch die BILD-Zeitung dürfte erkannt haben, dass die Fadenkreuzplakate keine Morddrohung sind, sondern nur eine auf den Punkt gebrachte Kritik an der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs, die sich überaus leicht an einem Milliardär festmachen lässt, der seinen Provinz-Club mit eigenem Geld einfach in die Bundesliga geschoben hat.

Freitag, 28. Februar 2020

Amtsrichtertaktik

Die Klägerin möchte sich in eine Facebook-Gruppe einklagen und der Kollege investiert eine 2-seitige Klage. Weil die Klägerin aus Berlin kommt und er selbst aus Köln, bittet er das Amtsgericht Bruchsal um ein schriftliches Verfahren ohne mündliche Verhandlung gem. § 495a ZPO. Der Streitwert liegt bei höchstens EUR 600,-. Zwar kommt die Beklagte aus Bruchsal, aber ich müsste aus Hannover anreisen, so dass auch ich das Gericht um die Durchführung des schriftlichen Verfahrens bitte. Als Anwalt kann man an diesem Prozess EUR 112,50 ohne Postpauschale und Umsatzsteuer verdienen, so dass die Reisekosten die im Prozess anfallenden Gebühren um ein vielfaches übersteigen würden.

Allerdings antworte ich mit einem 35-seitigen Schriftsatz, den das Gericht wohl nicht lesen und erst recht nicht verstehen möchte. Das Amtsgericht terminiert daher umgehend auf Mai 2020 um 09:40 Uhr und sagt: "Das Gericht beabsichtigt nicht die Anordnung des schriftlichen Vefahrens". Bei einer fünftündigen Autofahrt müßte ich entweder um 04:00 Uhr losfahren oder in Bruchsal übernachten, der Kollege aus Köln könnte zwei Stunden länger schlafen. Wenn sich irgendein Rechtswalt aus Bruchsal erbarmt, könnte man ihn darum bitten, für eine Teilung der Gebühren den Termin wahrzunehmen, für die verbleibenden EUR 56,25 würde ich dann auf jeden Fall Lotto spielen. § 495a ZPO bestimmt, dass das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen kann, wenn der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt. Dazu gehört dann wohl auch, nicht ein Wort über das geheim ausgeübte Ermessen zu verlieren, das dazu geführt hat, trotz entgegenstehender Anträge beider Anwälte mündlich zu verhandeln. Ich halte die Terminierung eher für den selbstgefälligen Versuch der Amtsrichterin, eine Klagerücknahme zu erreichen. Nichts Neues unter der juristischen Grasnarbe Deutschlands.

Dienstag, 25. Februar 2020

Post vom Amtsgericht Syke

Noch nie hatte ich etwas mit dem Amtsgericht Syke zu tun und deshalb habe ich von diesem Gericht nun das erste mal gehört. Das besondere am Amtsgericht Syke ist der Umstand, dass es das größte Amtsgericht im Landgerichtsbezirk Verden ist und als Insolvenzgericht die Insolvenzverfahren in den Amtsgerichtsbezirken Syke, Diepholz, Nienburg, Stolzenau und Sulingen bearbeitet. Und wegen eines solchen Insolvenzverfahrens habe ich vor kurzem Post bekommen und mich daraufhin sofort an einen Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Verden gewandt, der sogar über einen Doktortitel verfügt und mir mit seinem Fachwissen im Insolvenzrecht natürlich haushoch überlegen ist.

So soll das auch sein, denn natürlich kann nicht jeder Anwalt in jedem Rechtsgebiet über vertiefte Spezialkenntnisse verfügen. Mittlerweile weiß auch ich etwas mehr über die Facetten des Insolvenzrechts, insbesondere über Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners, die im Insolvenzverfahren bevorzugt behandelt werden. Denn nach § 302 Nr. 1 InsO werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung nicht erfasst, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Kriminellen Schuldnern soll das Insolvenzverfahren nämlich keine Fluchtmöglichkeit bieten.         

Zunächst müssen die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen daher schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden und nach § 174 Abs. 2 InsO sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt. Forderungen gegen einen Schuldner, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammen werden deshalb mit einer Traumquote von 100% bedacht, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte.

Der vorsätzlich unerlaubt handelnde Schuldner wird wegen seiner Vorliebe zum Rechtsbruch auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 286 InsO von seinen Verbindlichkeiten gegenüber dem geschädigten Insolvenzgläubiger befreit. Das Privileg des Gläubigers mit seiner Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung gemäß § 302 Nr. 1 InsO geht sogar soweit, dass der Rechtsgrund des vorsätzlichen Delikts auch für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung noch nachträglich beansprucht und mit einer Änderungsanmeldung gemäß § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO in das Insolvenzverfahren eingeführt werden kann. Den Weg durch das kommende Insolvenzverfahren konnten wir nun hinreichend klären und senden kollegiale Grüße nach Verden.   

Donnerstag, 6. Februar 2020

Macht, Demokratie und Recht

Bei der Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten stimmten 44 Abgeordnete des thüringischen Landtags für den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linkspartei und 45 Abgeordnete für den FDP-Politiker Thomas Kemmerich. Weil im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit reichte, wurde der FDP-Mann mit den Stimmen der Abgeordneten von CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. 24 Stunden nach dieser Wahl erklärte der frisch gewählte Ministerpräsident seinen Rücktritt. "Der Rücktritt war unumgänglich", "Gezwungen hat uns niemand", erklärte der Kurzzeitpräsident. Er wolle Neuwahlen erreichen. Noch heute Vormittag hatte der Ministerpräsident an ihn herangetragene Rücktrittsforderungen und Neuwahlen zurückgewiesen. Alle Demokraten sollten die bevorstehende Aufgabe annehmen und Neuwahlen seien unter Demokraten keine Option.

Nun steht die Familie des frisch zurückgetretenen Ministerpräsidenten unter Polizeischutz, die Landesvorsitzende der Linken warf ihrem Präsidenten schon kurz nach der Vereidigung im Landtag einen Blumenstrauß vor die Füße und Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Wahl als einem unverzeihlichen Vorgang, der rückgängig gemacht werden müsse. Auf die Frage, was in den letzten 24 Stunden in Thüringen passiert sei, gab der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel unumwunden zu: "Ganz offensichtlich hat Macht vor Anstand gesiegt."

Und tatsächlich, die wichtigste Erkenntnis, die sich in diesem Fall unübersehbar aus den Vorgängen in Thüringen gewinnen lässt, ist die Gewissheit, dass Macht auch in einer Demokratie der alles überragende Faktor ist. Wenn eine ordnungsgemäße Wahl demokratisch legitimierter Abgeordneter zu einem unerwünschten Ergebnis führt, lässt sich das Ergebnis dieser Wahl innerhalb kürzester Zeit annulieren. Einem Konsens unter Mächtigen ist auch ein frisch gewählter Ministerpräsident nicht gewachsen.

Der in den Vordergrund geschobene Faktor "AfD" ist bestenfalls zweitrangig. Wichtig ist in erster Linie, dass jedem Bürger in diesem Land für einen kurzen Moment vor Augen geführt wurde, welche Machtverhältnisse in Deutschland herrschen. Dass alle Staatsgewalt gerade nicht vom Volke ausgeht, wie es Art. 20 GG eigentlich vorsieht, sondern von den Hinterzimmern unserer Republik, wurde in der Thüringer Episode erschreckend deutlich. Auch das angeblich richtige Ergebnis der Intervention  aller aufrechten Demokraten vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass eine Demokratie am Konsens der Mächtigen nicht vorbeikommt. Macht steht über Demokratie und Recht.

Es ist kein Zufall, dass sich auch die demokratische Illusion, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden seien, in Art. 20 GG wiederfindet. Was macht eine Richterin auf Probe, wenn der Amtsgerichtsdirektor am Mittagstisch freundlich darauf hinweist, wie die Dinge an seinem Amtsgericht gehandhabt werden? Welche Meinung Vertritt der neue Berichterstatter in einem Senat des Oberlandesgerichts, wenn der Vorsitzende wohlwollend zu erkennen gibt, welcher juristischen Auslegung er den Vorzug gibt? Wie intensiv beschäftigt sich die Kammer eines Landgerichts mit einer Berufung im Hochsommer, wenn diese durch einstimmigen Beschluss kurzfristig ad acta gelegt werden kann?

Ich weiß es und seit heute wissen es noch ein paar Leute mehr.

Turboquerulantin geisteskrank?

In den Schreibstuben am Amtsgericht Nienburg hat es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass ein medizinisches Sachverständigengutachten darüber erstellt werden soll, ob sich die Turboquerulantin hinsichtlich des Bereichs der Führung von Rechtsstreitigkeiten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Nun ist nicht jeder Prozesshansel, der es fertig bringt, mindestens drei Rechtschreibfehler in jedem zu Papier gebrachten Satz unterzubringen, geistesgestört. Auch zehn aufeinander folgende Ordnungsgelder wegen stets neuer Verstösse gegen ein einziges Unterlassungsurteil bedeuten nicht zwingend einen krankhaften Hang zum Rechtsbruch, sondern können möglicherweise auch nur das Resultat der zutreffenden Überlegung sein, dass das Amtsgericht Nienburg die gebotenen Vollstreckungsmaßnahmen am Ende ohnehin im Sande verlaufen lässt, weil die örtliche Ziviljustiz aus unbekannten Gründen einen nicht unerheblichen Schutzreflex zu Gunsten meiner Lieblingskriminellen entwickelt hat.

Auch die Bearbeitung der oben abgebildeten Grafik durch unser Türbchen höchstselbst lässt eher den Schluss zu, dass sie trotz all ihrem querulatorischen Wirken immer noch die Möglichkeit hat, Rechtsbrüche strategisch vorzubereiten. Wer den Text des abfotografierten Schriftsatzes liest, wird an Hand des geschwärzten Teils erkennen, dass der dort befindliche Teil den Lesern des Twitter-Kanals der TQ bewusst vorenthalten werden soll, um an ihrem Eingangsstatement keinerlei Zweifel aufkommen zu lassen. Tatsächlich wird im fotografierten Schriftsatz nämlich ausdrücklich klar gestellt, dass RA Möbius mit dem abgebildeten Facebook-Sticker nichts zu tun hat, wie sich dem am Ende abgebildeten ungeschwärzten Vortrag entnehmen lässt. Die Aussage "Solche Straftaten : Cybermobbing, Hetze, Beleidigungen, Prozessbetrug, Datenmissbrauch usw tätigt der RA R. Möbius und unterstellt vorher der Gegenpartei diese Karikaturen hergestellt zu haben, nachdem er zugeben musste, dass er es selber war." ist damit - abseits ihres kriminellen Gehalts - auch nachweislich falsch.
               
Man darf also gespannt sein, ob der vom Amtsgericht Nienburg bemühte Nervenarzt in seinem Gutachten ausführen wird, dass man in den Handlungen der Turboquerulantin eine psychopathologische Qualität sehen kann, die den Anschein hat, dass sich ihr querulatorisches Tun verselbständigt hat und es nicht nur um die Abwehr eines bestimmten Anspruchs geht. Das Oberlandesgericht Hamm beschreibt dies in seinem Beschluss vom 10.06.2014 zum Az.: 11 SchH 27/12 in Bezug auf den dort begutachteten Querulanten wie folgt: "Außerdem sei es beim Antragsteller offenbar bereits zu einer wahnhaft zu nennenden Gewissheit gekommen, "man" – oder sogar das gesamte Rechtssystem – habe sich gegen ihn verschworen, so dass von einem Querulantenwahn auszugehen sei. Aus gutachterlicher Sicht sei dieses querulatorische Bemühen vergleichbar mit den Auswirkungen einer psychotisch begründeten krankhaften seelischen Störung der zufolge der Antragsteller (höchstens) in deutlich vermindertem Umfang in der Lage sei, in dem betroffenen Lebensbereich von außen kommende Reize oder von innen andrängende Impulse kognitiv zu bewerten, ihnen die Anforderungen der Realität entgegenzusetzen oder gar Alternativverhalten zu entwickeln. Dies seien deutliche Hinweise darauf, dass der Antragsteller in seinem überdauernden Wahn so “erstarrt” sei, dass ihm jede Möglichkeit fehle, in dem betroffenen Lebensbereich der Führung von Rechtsstreitigkeiten sein Denken und Handeln steuern zu können."

Ich selber neige nicht zuletzt wegen der oben dargelegten Unterstellungen zu meiner Person dazu, dass unser Türbchen zwar über ein bloß unterdurchschnittliches intellektuelles Leistungsvermögen verfügt, aber sich noch nicht in einem Zustand befindet, in welchem man von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit und einer daraus resultierenden Prozessunfähigkeit reden kann. Sie ist zweifelsohne nicht die hellste Kerze unter der Sonne, aber ihr Verstand ist noch nicht so verdunkelt, dass sie für ihr kriminelles Handeln nicht einstehen müsste. Und um nicht immer nur einseitig über die schützende Hand der Nienburger Ziviljustiz über ihren einzigen Justiz-Pop-Star berichten zu müssen, habe ich mir nun mal erlaubt, die Strafverfolgungsbehörden über den oben abgebildeten Twitter-Post zu meinem Nachteil zu unterrichten. Von dem zu erwartenden Schutzreflex der ermittelnden Staatsanwaltschaft zu Gunsten der Turboquerulantin werde ich dann zu einem späteren Zeitpunkt berichten.

Montag, 27. Januar 2020

beA - unerwarteter Fehler

Meine aktuellen Erfahrungen mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) muss ich leider als katastrophal bewerten. Seit mindestens zwei Wochen scheint es ein echtes Glücksspiel zu sein, das eigene Postfach öffnen zu können. Nach der ersten PIN-Eingabe kommt regelmäßig die Aufforderung, die PIN zum zweiten Mal einzugeben und anschließend die Meldung "Fehler Der Server ist nicht erreichbar." Wenn man dieses Spielchen mit viel Geduld sieben oder zehn Mal wiederholt, kann es passieren, dass man nach der zweiten PIN-Eingabe in seinem Postfach landet. Das muss aber nicht so sein und es ist natürlich unzumutbar, 10 bis 15 Minuten zu versuchen, sein Postfach zu öffnen. Manchmal glaubt man, es geschafft zu haben und es erscheint: "Fehler Falscher Schlüssel ausgewählt. Bitte versuchen Sie es erneut."

Das Problem geht auch nicht vom Lesegerät, der Internetverbindung oder gar dem jeweiligen Computer aus. Diese Komponenten sind technisch in Ordnung, denn auch bei Wechsel der Hardware bleibt das Problem bestehen. Da ich über zwei Karten verfüge und das Problem bei beiden Karten gleichsam auftritt, ist auch ein Defekt an den Karten auszuschließen. Immerhin gelingt es ja ab und an, den Zugriff auf das beA zu bekommen und wegen der Aufforderung und Eingabe der ersten PIN ist der Server auch nicht grundsätzlich unerreichbar. In der vergangenen Woche konnte der Server an mehreren Tagen teilweise gar nicht erreicht werden und es erfolgte keinerlei Kommunikation zwischen Lesegerät und Computer sowie dem Postfach. Am Montag den 20.01.2020 gelang es mir noch, nach etwa 15 Versuchen mein Postfach zu erreichen und es erschien dann die für mich ganz neue Meldung "unerwarteter Fehler".

Eine ehrliche Einschätzung. Ich hatte erwartet, die üblichen Fehlermeldungen zu bekommen. Im Postfach dann nicht navigieren zu können, war tatsächlich ein "unerwarteter Fehler". Derzeit ist es jedenfalls Standard, mehrfach erfolgreich die erste PIN einzugeben und nach Eingabe der zweiten PIN immer wieder zu scheitern. Mit Glück kann es im Laufe des Tages gelingen, eine Verbindung zu bekommen. Dass ich nun zwischen erwarteten Fehlern und unerwarteten Fehlern unterscheiden darf und die Nichterreichbarkeit des beA keine Überraschung mehr ist, bewerte ich als Trauerspiel.           

Donnerstag, 23. Januar 2020

Das beidbeinig amputierte Sicherheitsrisiko

Im Moment beschäftige ich mich ein wenig damit, unter welchen Umständen ein Geisteskranker hinter Gitter gebracht werden kann und bin in diesem Rahmen auf § 455 Abs. 4 StPO gestoßen, wonach die Vollstreckung unterbrochen werden kann, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt, wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder wenn der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann und zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird.

Es gibt also für Geistesgestörte nicht nur die Möglichkeit, wegen ihrer Krankheit in den Knast zu gelangen, sondern auch die Chance, wegen dieser oder einer anderen Krankheit wieder herauszukommen. Das ist doch mal ein schöner Hinweis, der für den einen oder anderen Knacki eine echte Perspektive bietet. Bei einer Einweisung oder Verurteilung gibt es also noch die Möglichkeit, der Justiz durch das Hintertürchen "Krankheit" zu entwischen. Bei der heutzutage oft als Kuscheljustiz belächelten Judikative sollte es daher für besonders pfiffige Rechtsbrecher immer eine Möglichkeit geben, dem Knast lebewohl zu sagen. Weltfremde Gutmenschen in Robe sind bisweilen bereit, die Anliegen von Rechtsbrechern besonders wohlwollend zu betrachten, wenn man die Rechtsprechung einiger Gerichte aufmerksam verfolgt. Insbesondere Amtsrichter scheinen Angst vor Verantwortung zu haben und vermeiden daher oft konsequente Entscheidungen. 

Doch es geht auch anders, insbesondere, wenn Staatsanwaltschaften das Sagen haben. Sogar wenn die Haftanstalt selbst um die Entlassung eines Gefangenen bittet, muss die Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde nicht unbedingt mitspielen, wenn sich der Entlassungskandidat im Vorfeld über Jahre hin als unbelehrbar und justizresistent erwiesen hat. Als hartgesottener Querulant scheint ein ehemaliger Kollege Entscheidungsträger in Deutschland dermaßen gegen sich aufgebracht zu haben, dass man ihn im wahrsten Sinne des Wortes lieber im Knast verfaulen lässt, als dem Antrag auf Unterbrechung der Strafvollstreckung durch die Justizvollzugsanstalt Brandenburg und des Politquerulanten trotz drohender Lebensgefahr nachzukommen. Ein Unterschenkel hatte bereits amputiert werden müssen, der zweite Fuß faulte vor sich hin. Der Ablehungsbescheid der Staatsanwaltschaft München II könnte dem Drehbuch eines Film noir ohne Altersfreigabe entstammen:         

"Mit Schreiben vom 6. November 2018 beantragte die JustizvollzugsanstaH Brandenburg die Unterbrechung der Haft gemäß § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO wegen Vollzugsuntauglichkeit. Bei dem Verurteilten lagen "multimorbide Krankheiten" vor, die aufgrund des hohen Alters des Verurteilten sowie der vorliegenden akuten Erkrankung und des zu erwartenden Verlaufs eben dieser jederzeit zu akuten Komplikationen würden führen können, die in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt nicht behandelbar wären und durchaus lebensbedrohlich werden könnten. Auszuschließen sei auch nicht die Amputation des zweiten Unterschenkels, wobei die daraus resultierende Pflege nur in einem Krankenhaus außerhalb der Anstalt möglich wäre. Aus medizinischer Sicht sei der Verurteilte nicht mehr haftfähig.

Diesem Antrag der Vollzugsanstalt hat sich der Verurteilte mit Schreiben seines Verteidigers vom 5. November 2018 angeschlossen. Der Verurteilte befindet sich seit dem 25. Oktober 2018 auf der externen Bettenstation B1 am Städtischen Klinikum in Brandenburg an der Havel, wo zunächst eine bakterielle Lungenentzündung diagnostiziert und in der Folge antibiotisch behandelt wurde. Hierdurch konnte zunächst eine Stabilisierung des Verurteilten erreicht werden. Problematischer gestaltet sich die Behandlung der fortschreitenden Durchblutungsstörung im rechten Fuß. Insoweit haben sich hier weitere Nekrosen gebildet, die in letzter Konsequenz die Amputation des Unterschenkels erforderlich machen, die von dem Verurteilten jedoch verweigert wird. In den letzten Tagen hat sich der Gesundheitszustand des Verurteilten drastisch verschlechtert Der Verurteilte ist derzeit nicht mehr In der Lage aufzustehen, ist schläfrig und bekommt Morphin gegen die Schmerzen. Gleichwohl kommt eine Unterbrechung der Haft nicht in Betracht." Staatsanwaltschaft München II, Az.: 11 VRs 42142/17, Bescheid vom 22. November 2018.

Da der Gefangene zum Zeitpunkt des Antrags bereits 83 Jahre alt war, befasste sich die Staatsanwaltschaft sogar mit einer palliativen Betreuung in der letzten Lebensphase des Häftlings. Es sei nicht ersichtlich, dass die weitere Behandlung des Verurteilten in medizinischer Hinsicht hinter der Behandlung zurückbleiben müsse, die er außerhalb des Strafvollzuges erhalten würde. Dass die Bettenstation der Justizvollzugsanstalt von ihrer Anlage her nicht auf eine palliative Betreuung ausgerichtet sei und daher eine Verlegung in ein Hospiz oder die häusliche Umgebung aus Sicht der Anstalt wünschenswert wäre, rechtfertige keine Unterbrechung der Strafvollstreckung. Von einer Kuscheljustiz kann wohl nicht die Rede sein, wenn bei einem (mittlerweile) beidbeinig amputierten Greis die Unterbrechung der Vollstreckung wegen eines überwiegenden öffentlichen Sicherheitsinteresses abgelehnt wird. Da sich der gefährliche Delinquent nicht durch Gewalttaten ausgezeichnet hat, sondern durch verbotene Äußerungen, ist die Begründung der Staatsanwaltschaft juristisch nachvollziehbar. Horst Mahler würde seine verbotenen Ansichten in Freiheit wohl bis zum letzten Atemzug verbreiten.

Mittwoch, 22. Januar 2020

Schuldunfähigkeit

Nach dem Gesetz handelt ohne Schuld, "wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln."

Ob ein Delinquent bei seinen Taten schuldunfähig war, lässt sich in der Regel mit einem psychiatrischen oder forensisch-psychologischen Gutachten belegen. Zunächst wird auf Anweisung eines Gerichts von einem spezialisierten Gutachter untersucht, ob der Betroffene an einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, Schwachsinnigkeit oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit leidet. Es gibt neben dem Schwachsinn also durchaus auch andere seelische Abartigkeiten, allerdings lässt sich das Merkmal des Schwachsinns etwas genauer eingrenzen, weil es dabei um die Intelligenz des Täters geht. Als Schwachsinn werden Abstufungen angeborener Intelligenzschwäche ohne nachweisbare Ursache bezeichnet während Intelligenzschwächen, die im Zuge einer Krankheit entstehen, dem Kriterium der krankhaften seelischen Störung zugeordnet werden.

Für die Feststellung einer geistigen Behinderung wird auf den Intelligenzquotienten (IQ) abgestellt. Der Intelligenzquotient (IQ) ist eine entscheidende Größe zur Bewertung des allgemeinen intellektuellen Leistungsvermögens einer Person, wobei der durchschnittliche IQ der Bevölkerung auf 100 festgelegt wurde. Bei Gutachten zur Ermittlung eines unterdurchschnittlichen intellektuellen Leistungsvermögens wird zwischen leichter geistiger Behinderung (IQ 50 bis 69), einer mäßigen geistigen Behinderung (IQ von 35 bis 49), einer schweren geistigen Behinderung (IQ 20 bis 34) und einer schwersten geistigen Behinderung (IQ unter 20) unterschieden. So liegen durchschnittliche IQ-Werte von Menschen mit Down-Syndrom im Bereich zwischen 40 und 70. Wer also von einem Gutachter mit einem Intelligenzquotienten von 75 bedacht wurde, darf gerade soeben nicht mehr als schwachsinnig bezeichnet werden, sondern lediglich als nicht besonders schlau.

Hat nun ein Gutachter festgestellt, dass ein Täter an einer Geistesgestörtheit leidet, muss außerdem geprüft werden, ob er infolge seines Schwachsinns bei Begehung der Tat unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Wenn ein Proband nach Ansicht des Gutachters nicht in der Lage ist, das Unrecht seines Verhaltens zu erkennen, ist er nicht einsichtsfähig. Der Täter kann aufgrund seiner Geistesstörung die äußeren Umstände seines Verhaltens oder die Strafwürdigkeit seines Verhaltens nicht erkennen. Die Steuerungsunfähigkeit fehlt dagegen bei einer Geistesschwäche, wenn ein Täter mögliche Vor- und Nachteile der Tat nicht gegeneinander abwägen kann und sich deshalb nicht für ein normgemäßes Verhalten entscheiden kann. Die Frage der Steuerungsfähigkeit stellt sich allerdings nicht mehr, wenn schon der Mangel der Einsichtsfähigkeit gutachterlich festgestellt wurde.

Erforderlich ist schließlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Geistesstörung und der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit, um zu einer Schuldunfähigkeit zu kommen. Mit einfachen Worten und um beim Beispiel des schwachsinnigen Täters zu bleiben, reicht es nicht aus, vollkommen bescheuert zu sein, sondern die Blödheit des Delinquenten muss auch die Ursache dafür sein, dass er nicht erkennen konnte, rechtswidrig zu handeln. Je nach Tatvorwurf muss ein Gutachter daher genau untersuchen, ob eine Geistesstörung für die jeweilige Tat ursächlich war. So wird eine leichte geistige Behinderung in der Regel keine Ursache dafür sein, dass Unrecht im Rahmen eines Tötungsdelikts nicht erkennen zu können, wohl aber für den Vorwurf einer Beleidigung, wenn der Täter wegen seiner geistigen Behinderung nicht erkennen konnte, dass seine Äußerung eine schlichte persönliche Herabsetzung ohne den Ansatz einer gerechtfertigten und nachvollziehbaren Kritik war.

Mittwoch, 15. Januar 2020

Knast oder Klapse

"Kriminelle haben Kohle und Irre sind meist pleite", bestätigt mir ein Mandant, den ich seit zwanzig Jahren auf seinem Lebensweg begleite. Er hat Erfahrung, denn er kennt die Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie & Psychotherapie der medizinischen Hochschule Hannover als auch die Justizvollzugsanstalt Hannover in der Schulenburger Landstraße 145 von innen und außen. Das unfreundliche Ambiente im Knast spüre man schon beim Einzug. Persönliche Dokumente müssten bei der Anstaltsdirektion abgegeben werden, alle persönlichen Gegenstände würden kontrolliert. Nur was zum persönlichen Gebrauch gehöre wie Schreibzeug und Bücher dürften die Häftlinge behalten. Die Gefangenen erhielten Kleider, Wäsche und Schuhe und es werde ihnen eine Kontrollnummer zugeteilt. Anschließend geht es in eine Zelle. Zu den Regeln im Knast gehöre aber auch, dass schon am ersten Tag feststünde, wann man wieder frei ist.

Hinter Gittern herrschen knastinterne Gesetze und die Gefangenenhierarchie folgt bekannten Regeln. Im Gefängnis stehen die Sexualstraftäter ganz unten. Wer draußen wegen seines Geldes angesehen war, logiert auch im Gefängnis ganz oben. Wer kein Geld hat und keine Beziehungen nach draußen, bekommt nichts auf dem knastinternen Schwarzmarkt und wer Drogen auf Pump kauft und seine Schulden nicht begleichen kann, lebt gefährlich. Das ist in der geschlossenen Abteilung der Klapse anders. Morgens und abends gibt es eine Schlange vor der Medikamenteneinnahme und jeder muss die für ihn bestimmten Drogen einnehmen. Ganz ohne Geld. Wenn man das aber nicht macht, wird man von der Anstaltsleitung bestraft und nicht von seinen Mitinsassen. Die meisten Bewohner der geschlossenen Abteilung leben schon seit Jahren von Sozialhilfe und Geld spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das Klima in der Klapse scheint freundlicher.

Die ungefährlichen Irren laufen innerhalb der Station frei herum, wenn sie nicht gerade wegen eines psychotischen Schubs am Bett fixiert sind. Mit manchen könne man sich unterhalten, mit manchen nicht, aber durch die vielfach verabreichten Psychopharmaka herrsche ein gedämpft friedliches Klima, erzählt der Mandant. Man könnte fast sagen freundlich. Natürlich sind auch hier persönliche Gegenstände erlaubt und die Patienten tragen sogar ihre private Kleidung. Zu den Regeln in der Klapse gehört allerdings auch, dass man nicht immer ganz genau weiß, wann man wieder rauskommt. Es geht zwar nicht wie im Massregelvollzug um grundsätzlich unbefristete Aufenhalte, aber der Patient ist in einem hohen Masse von der Einschätzung des behandelnden Arztes abhängig. Wer unkooperativ ist und die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, wird sie bald wieder ausspucken.

Wie im Massregelvollzug steigt der Anteil von Patienten, die wegen Bagatelldelikten oder Geisteskrankheit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht sind, bundesweit kontinuierlich an. Allerdings werden proportional viel mehr Personen in den Massregelvollzug eingewiesen, die wegen schwerer Delikte wie Mord verurteilt wurden. Die Tatsache, dass die Zahl der Insassen in psychiatrischen Abteilungen insgesamt kontinuierlich steigt, liegt am gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft und an den steigenden Anforderungen einer Kosnumgesellschaft. Seit den neunziger Jahren hat das Sicherheitsbedürfnis in de Bevölkerung zugenommen und die Richterschaft in ihren Entscheidungen beeinflusst, verhaltensauffällige Täter einzuweisen. Auch der Bau neuer Psychiatrien folgt dem Trend, immer mehr Menschen in Gefängnissen oder Psychiatrien wegzuschließen.

Vor der Beurteilung durch einen Psychiater hat unser Mandant mittlerweile Angst, weil die Gerichte den Ausführungen eines Gutachters immer folgen würden. Die Unterwerfung des Menschen unter eine rein willkürliche Herrschaft von Richtern, Gutachtern und Ärzten lehne er ab, sagt er. Zugedröhnt in einer Klapse herumwanken sei eine Herabsetzung seiner Würde und wenn er die Wahl hätte, würde er lieber auf die Zwangsmedikation verzichten und bei vollem Verstand bleiben. Außerdem käme man leichter in den Knast als in die Klapse, aber auch leichter wieder heraus. Wenn erstmal ein Gutachten angefordert sei und sogar eine vorläufige Unterbringung oder eine Unterbringung zur Beobachtung im Raum stehe, werde man den Ruf als Psycho nicht mehr los, klagt mein Mandant. Viele Freunde würden sich abwenden und oftmals blieben nur noch die Bekanntschaften aus der Psychiatrie mit ähnlichen Problemen - ein Teufelskreislauf. Dann schon lieber Knast.

Freitag, 10. Januar 2020

beA - Ein Fehler ist aufgetreten.

Heute habe ich mein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) mal an die Grenze seiner Kapazitäten gebracht und bei der Versendung von vier Nachrichten ‭an vier Gerichte mit je 56.183 KB offensichtlich ein Limit erreicht, das mir eine Mitteilung beschert hat, die ich noch nicht kannte:

"Ein Fehler ist aufgetreten.
Informationen für den Servicedesk
User-Id: Möbius, LL.M., Ralf (30880 Laatzen)
Server Time: 2020-01-09T21:26:40.398+0100
Session: aacbe9ece8d7ba04517668f6396cd8739e757513b0f0e25c691 e27760c5b4e15.node08
Bitte kontaktieren Sie den Servicedesk mit diesen Informationen."

Die Wartezeiten für die einzelnen Versendungen waren enorm und so sass ich noch nach 22:00 Uhr an der Versendung der Nachrichten. Ich hatte mich allerdings schon im Vorfeld auf einen problematischen Versand eingestellt, weil höchstens 100 Anhänge pro Nachricht mit insgesamt maximal 60 MB versandt werden können und es in letzter Zeit überhaupt für mich schwieriger geworden ist, sich erfolgreich einzuloggen und eine Verbindung mit dem Server zu erreichen. Die Wartezeit für die Versendung der vier Nachrichten habe ich dann unter anderem mit diesem Blog-Beitrag verbracht und befürchte immer mehr, dass die Verlässlichkeit des Systems mit steigenden Nutzer-Zahlen weiter abnehmen wird.

Natürlich kann ich mich irren, aber an Hand der wenigen Schriftsätze, die ich über das beA erhalte, meine ich ablesen zu können, dass derzeit nur wenige Kollegen und Gerichte den elektronischen Service nutzen und der Gebrauch nur deshalb für die Kollegen, die das beA regelmäßig nutzen, einigermaßen erträglich ist. Wenn die Nutzung des beA einmal generell verpflichtend ist, dürften sich massive Probleme einstellen, wenn an der Infrastruktur nicht erhebliche Änderungen vorgenommen werden. Schön wäre es, wenn ich mich irre.

Donnerstag, 9. Januar 2020

TWOO und digitale Eifersucht

Digitale Eifersucht ist mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen und führt nicht selten zu Wutausbrüchen oder Gewalt. Immer und überall gibt es die Möglichkeit, per Handy ins Internet zu gelangen und durch zahlreiche soziale Netzwerke wie Facebook, Whatsapp, Instagram oder Twitter sowie zahlreiche Partner- und Sex-Portale bieten sich unbegrenzte Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen.

Diese unbegrenzte Verfügbarkeit menschlicher Kontakte bietet natürlich eine ebenso unbegrenzte Möglichkeit für Eifersuchtsdramen. Wenn dann ein Partner den E-Mail-Account des anderen - einverständlich oder unerlaubt - durchsucht und auf eindeutige Botschaften aus Dating-Portalen trifft, steht das Scheitern der Beziehung im Raum. Die Ausrede unverlangt zugesandter Nachrichten zieht nur in den seltensten Fällen und mindestens der Verdacht, sich in einem Portal angemeldet zu haben, lässt sich kaum ausräumen.

Umso härter kann es Menschen treffen, die tatsächlich unverlangt zugesandte E-Mails von Dating-Sites bekommen, die vorgaukeln, es bestünde bereits ein Kontakt oder eine Mitgliedsanfrage sei lediglich bestätigt worden. In einem solchen Moment kann eine langjährige Freundschaft bereits beendet sein, ohne dass der scheinbar auf der Suche nach sexuellen Abenteuern Ertappte jemals die Möglichkeit erhält, sich zu verteidigen. Innerhalb von Beziehungen wird der Grundsatz rechtlichen Gehörs nämlich nicht immer gewahrt. Wer zum Gefahrentest einmal sein eigenes E-Mail-Konto nach dem Stichwort "TWOO" durchsucht, hat gute Chancen, einen Treffer zu landen, denn die sogenannte Social-Discovery-Plattform TWOO, die 2011 von der Massive Media Match NV gestartet wurde, schickt durchaus unverlangte Werbe-E-Mails, die einen ehrlichen Partner in Bedrängnis bringen können.

Auf unsere Abmahnung im Namen eines unserer Mandanten, der ohne vorherigen Kontakt eine SPAM-E-Mail von TWOO bekommen hatte, reagierte die Massive Media Match NV aus Gent in Belgien jedenfalls nicht, so dass das Amtsgericht Hannover um Hilfe gebeten wurde und schließlich mit Datum vom 24.09.2019 ein Urteil zum Az.: 550 C 8252/19 erließ, mit welchem die Massive Media verurteilt wurde, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, an die vom Kläger unterhaltene E-Mail-Adresse elektronische Post zu Werbezwecken zuzusenden oder zusenden zu lassen. Ob unser Mandant mit diesem Urteil in der Hand seine Beziehung retten konnte, bleibt allerdings geheim.

Montag, 6. Januar 2020

Prozessunfähigkeit

In den vergangenen Jahren musste ich mir zahlreiche Kommentare von verschiedenen Mandanten im Zusammenhang mit fremden Schriftsätzen wie "total bescheuert", "für immer wegsperren", "geisteskrank" oder "Bekloppten-TÜV" anhören, weil die Ausführungen in den gegnerischen Schreiben zum Teil wirklich wahnhafte Züge annahmen. Tatsächlich bekommt man als Anwalt immer wieder Schriftsätze von anwaltlich nicht vertretenen Parteien zu lesen, über die man lachen könnte, wenn deren Inhalt nicht auf eine krankhafte Uneinsichtigkeit schließen ließe. Nun sind nach gerichtlicher Erfahrung Störungen der Geistestätigkeit von Prozessparteien Ausnahmeerscheinungen, so dass im Allgemeinen von der Prozessfähigkeit der Partei auszugehen und anderes nur dann anzunehmen ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine sogenannte Prozessunfähigkeit vorliegen könnte. Ob jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln, entscheidet dabei stets das Gericht.

Solche hinreichenden Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit könnten zum Beispiel dann gegeben sein, wenn sich eine Partei im Hinblick auf den Streitgegenstand überhaupt nicht äußert, absurde Rechtfertigungen für rechtswidrige Taten konstruiert und sogar eigene wahnhaftige Darstellungen in Abrede stellt. Wenn sich daraus eine völlige Uneinsichtigkeit ableiten lässt und die Partei von sich aus beginnt, von einer schweren Krankheit zu sprechen und die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung hinzutritt, wonach es der anderen Partei nur darum gehe, die für eine Prozessunfähigkeit in Betracht kommende Partei wegsperren zu lassen, damit sie der Justiz keine weiteren Beweismittel vorlegen könne, wird es für ein Gericht zur Pflicht, durch einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik untersuchen zu lassen, ob bei der sich krankhaft verhaltenden Partei eine wahnhafte Entwicklung im Sinne eines sogenannten Querulantenwahns vorliegt. 
   
Das Landesarbeitsgericht Hamburg hält einen ausgeprägten Querulantenwahn dann für gegeben, wenn die Vorstellungen einer Partei von einer eindeutigen Beeinträchtigung eigener Rechte sich stets intensivieren und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der eigenen Position nicht mehr zugelassen werden, absolute Uneinsichtigkeit und Selbstgerechtigkeit sich mit einer Ausweitung des Kampfes vom ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und Instanzen verbindet und eine Partei nicht mehr in der Lage ist, die verfahrensmäßige Behandlung ihrer Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen. Wer den Gerichten bzw. den Richterinnen und Richtern ständig willkürliches bzw. rechtswidriges Verhalten unterstellt, sobald ein Antrag abschlägig beschieden oder der Rechtsauffassung nicht gefolgt werde und die mit den Verfahren befassten Richter häufig als Gegner ansehe und ihnen Böswilligkeit, Schädigungsabsicht und Lügen vorwerfe, den Willen zur Rechtsbeugung unterstelle und die Befähigung zur Ausübung des Richteramtes abspreche, verdiene nach der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamburg die fachärztliche Einordnung als Querulant.

Um es mit den Worten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dessen Urteil vom 07.08.2015, Az.: 26 K 4946/15 zu sagen: „Die Prozessfähigkeit fehlt mithin demjenigen, der sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (§ 104 Nr. 2 BGB). Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum gibt es nach § 104 Nr. 2 BGB eine partielle Geschäftsunfähigkeit und damit gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch eine partielle, nur für bestimmte Bereiche zu bejahende Prozessunfähigkeit, wie z. B. bei krankhafter Querulanz." Eine solche krankhafte Querulanz im Sinne einer Prozessunfähigkeit liege vor, wenn die über eine Verbohrtheit hinausgehende psychotische Uneinsichtigkeit und die Vielzahl von gerichtlichen Verfahren als auch die wahnhafte Art und Weise der Prozessführung einen krankhaften Zustand von solchem Gewicht und von solcher Dauerhaftigkeit belegen, dass diese zur Annahme einer massiven Störung der Geistestätigkeit führen muss.

Da die Prozessfähigkeit eine zwingende Prozessvoraussetzung ist und das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist, kann ein Richter bei hinreichenden Anhaltspunkten jederzeit einen Gutachter hinzuziehen, um die Partei wegen einer möglich erscheinenden Geisteskrankheit untersuchen zu lassen. Belegt das historische Krankheitsbild einer Partei durch Traumata in der Jugendzeit, ausgelöst durch sexuellen Missbrauch oder Misshandlungen durch Eltern oder Pflegeeltern, dass diese auf Grund einer dauerhaften psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, kommt sogar eine betreuungsrechtliche Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 und 2 BGB als Zwangseinweisung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht, wenn dies zum Wohl der Partei erforderlich wäre, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann.

Montag, 23. Dezember 2019

Turboquerulantin - Ordnungsgeld Nummer 10, WELTREKORD

Kurz vor Ende des Jahres erreichte uns der Beschluss des Landgerichts Verden vom 06.12.2019 zum Az.: 6 T 166/19, der den zehnten Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Nienburg vom 21.10.2019 in der Sache 6 C 409/16 gegen die Turboquerulantin bestätigte. Ich bin mir sicher, dass nicht nur in unserer Kanzlei die Sektkorken knallten, sondern auch im Amtsgericht Nienburg, denn gemeinsam haben wir es geschafft, in der Kategorie "Ordnungsgeld" einen Weltrekord aufzustellen, der wohl auch für die nächsten hundert Jahre noch Bestand haben wird.

Noch nie konnte ein deutsches Gericht zehn Ordnungsgelder gegen einen Schuldner wegen zehnmaliger Verletzung eines einzigen Unterlassungsurteils festsetzen. Ich muss ehrlicher Weise zugeben, dass eine derartige Weltklasseleistung nur im perfekten Zusammenspiel aller Beteiligten erreicht werden konnte. Man braucht zu allererst eine echte Widerstandskämpferin, die nicht nur das Justizsystem zutiefst verachtet, sondern auch bereit ist, für höherrangige Ideale die bürgerliche Existenz zu opfern. Dann braucht man einen Richter, der mit sicherer Hand die Ordnungsgelder stets in einer Höhe festsetzt, die es gerade noch verhindert, dass die Schuldnerin zur Besinnung kommt und ihren Rachefeldzug gegen die Justiz aus wirtschaftlichen Gründen beendet.

Schließlich bedarf es auch eines Gläubigers, der trotz des Verlusts seines Vertrauens in die Justiz bereit ist, an einem Weltrekordversuch mitzuwirken, obwohl er weiß, dass mit der ausdauernden Verfolgung dieses gemeinsamen Projekts regelmäßig weitere Rechtsverletzungen zu seinen Lasten einher gehen werden. Am Ende hat es sich aber für alle Teilnehmer gelohnt, denn wer kann als Jurist oder Naturalpartei schon von sich behaupten, an einem einmaligen juristischen Weltrekord mitgewirkt zu haben, der aller Voraussicht nach auch im nächsten Jahrhundert noch als Maßstab in der Juristerei gelten wird. Ich persönlich habe ja auch lange nicht verstanden, weshalb das Amtsgericht Nienburg die Höhe der Ordnungsgelder nach dem sechsten Beschluss drastisch gesenkt hat und erst viel später wurde mir klar, dass die magische Grenze von 10 Ordnungsgeldern in dieser Sache durch eine fortlaufende Erhöhung der Strafe stark hätte gefährdet werden können.

Erst durch das eindeutige Signal niedriger werdender Ordnungsgelder an die Turboquerulantin konnte sicher gestellt werden, dass sie ihrer Linie stets treu blieb und der Justizrekord am Ende problemlos geknackt wurde. Natürlich waren auch die Fans mit ihren Anfeuerungskommentaren ein wichtiger Bestandteil für die erfolgreichen Gerichtsverfahren und so haben wir uns entschlossen, als kleines Dankeschön an die Fangemeinde anlässlich dieses denkwürdigen Rekords einen Sonderdruck herauszugeben, der im pdf-Format oder als jpg-Datei heruntergeladen werden kann und sich sicherlich in einem rahmenlosen Glasbilderhalter im Format DIN A-4 für alle TQ-Fans als besonderes Weihnachtsgeschenk eignen wird. In diesen Sinne wünschen wir ein frohes Fest und versprechen, im neuen Jahr ausführlich über Ordnungsgeldantrag Nummer 11 zu berichten.

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Tag der Deutschen - Teil 3

An dem Tag, als ein großer Teil der deutschen Presse und der politischen Führung auf die Taten eines deutschen Busfahrers im Inland und eines deutschen Sachbeschädigers in der Schweiz mit Abscheu und Entsetzen reagierte, gab zumindest die Entlassung eines deutschen Doppelmörders aus dem US-amerikanischen Strafvollzug bei einer beachtlichen Anzahl gewählter Volksvertreter Anlass zu öffentlichen Freudensprüngen.

Während der deutschtümelnde Busfahrer und der eigentumsverachtende Autofeind als Nationalhelden zunächst eine eher trübe Zukunftsperspektive haben dürften, kann der prominente Doppelmörder nach 33 Jahren Auslandsknast in eine vergleichsweise freundliche Zukunft blicken. Weil im Bereich des deutschen Strafrechts das Verbot der Doppelbestrafung gilt, das durch Artikel 103 Absatz 3 Grundgesetz mit Verfassungsrang ausgestattet wurde, muss der Killer die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht mehr fürchten: "Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden."

Bereits im Sommer 2014 hatten sich über 160 Abgeordnete des Deutschen Bundestages in einem Brief an den Gouverneur von Virginia für seine Entlassung ausgesprochen und im Oktober 2017 reisten sogar der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff mit dem deutschen Botschafter Peter Wittig zu einer Anhörung des Bewährungsausschusses nach Virginia, um die Freilassung des nun auf Bewährung entlassenen Killers zu erreichen.

Da ist es kein Wunder, dass sich auch der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), zur Landung des Delinquenten zum Flughafen Frankfurt begab, um den von den USA abgeschobenen Messermörder zu umarmen. Es ist eine überaus beruhigende Botschaft unserer Politiker an die deutschen Staatsbürger, dass sich auch im Ausland rechtskräftig verurteilte Mörder wegen ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volk auf die uneingeschränkte Solidarität ihrer Regierung verlassen können.
   
Wie Presseberichten zu entnehmen ist, möchte sich der auf Bewährung entlassene Mörder in Kürze auf eine Deutschlandreise begeben, um das Land, welches er über drei Jahrzehnte nicht gesehen hat, kennen zu lernen und Freunde zu treffen. Vielleicht trifft der gefeierte Verbrecher in einer der kommenden Talkshows ja auf den in Ungnade gefallenen Busfahrer aus Dresden, der wohl mangels Strafbarkeit seines ungebührlichen Verhaltens auf überschwängliche Solidaritätsbekundungen aus der Politik bisher verzichten musste.

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Tag der Deutschen - Teil 2

Kurz nachdem ich die Schlagzeile "Deutscher demoliert 74 Autos mit Defibrillator" in der BILD.de-Zeitung gelesen hatte und mich gedanklich mit der Bedeutung der Erwähnung der Nationalität eines Verdächtigen befasste, fiel mir eine andere Schlagzeile in derselben Zeitung auf, die ebenfalls mit der Nennung der Nationalität zu tun hatte: "Diesen Bus steuert ein Deutscher Fahrer -  Busfahrer präsentiert abstruse Ausrede".

In diesem Artikel ging es nicht darum, dass die Nationalität eines Straftäters in der Presse genannt wurde, sondern darum, dass ein Busfahrer durch ein entsprechendes Schild hinter dem Fahrersitz selbst auf seine Nationalität hingewiesen hatte. Man wird davon ausgehen können, dass es sich bei dieser Botschaft nicht um eine Lüge oder gar um eine Straftat handelt, sondern um eine recht banale Aussage, die wohl auf tausende Busfahrer zutrifft.

Nun ist die Plakatierung der eigenen Nationalität des Fahrers in dem Bus den er selbst steuert im Gegensatz zum Bekenntnis der ewigen Treue zu einem Fußballverein eher ungewöhnlich, aber doch nicht so aufregend, dass sie der öffentlichen Erwähnung wert wäre. Diese Auffassung scheinen allerdings eine beachtliche Anzahl von Menschen und insbesondere die Presse nicht zu teilen.

Ohne den zahlungspflichtigen Artikel der BILD gelesen zu haben, dürfte schon der Überschrift zu entnehmen sein, dass der sendungsbewußte Busfahrer durch das öffentliche Bekenntnis zur eigenen Nationalität am Arbeitsplatz in ernsthafte Schwierigkeiten geraten ist. Offenbar sah er sich gar zu einer "Ausrede" genötigt und die Berliner Morgenpost weiß auch warum: "Und doch ist die Botschaft klar: Ausländer sind offenbar nicht willkommen."

Eine etwas überraschende Interpretation, über die ich demnächst mit meinem Döner-Mann sprechen werde, in dessen Laden zahlreiche türkische Fähnchen hängen und der sein Geschäft überdies auch noch nach seiner türkischen Geburtsstadt benannt hat. Allerdings ist es sein eigenes Geschäft und wenn potentielle Kunden dem Bekenntnis zur Türkei die Botschaft entnehmen, Nichttürken seien unerwünscht, muss er natürlich selbst die finanziellen Verluste tragen.

Wohl deshalb weiß der Nordkurier zu berichten: "Arbeitsverbot für rechtsradikalen Busfahrer" und der Sprecher der betroffenen Verkehrsgesellschaft teilt die Empörung der deutschen Presselandschaft. "Das schadet unserer Reputation. Wir sind weltoffen." und "Dieser Fahrer wird nicht auf unseren Linien fahren". Die Sprecherin des beauftragten Busunternehmens selbst ist der Auffassung, es handele sich um eine politische Meinungsäußerung, die so nicht geteilt werden könne.

Auch die Frankfurter Neue Presse spricht von einem "passiv-rassistischen Schild" und titelt: "Busfahrer provoziert mit eindeutiger Botschaft und Ausrede: Arbeitgeber reagiert gnadenlos". t-online.de wirbt mit der Überschrift "Dresdener Busfahrer sorgt für Entsetzen – und wird ausgeschlossen" und auch in Österreich bei heute.at gibt es keinen Zweifel an der verachtenswerten Ausrichtung des beanstandeten Schilds: "In Dresden (Deutschland) sorgte ein Busfahrer mit einem fremdenfeindlichen Schild für Entsetzen und einen Shitstorm in den sozialen Medien."

Angesichts dieser doch so eindeutigen Interpretation des Inhalts des vom Busfahrer angebrachten Schilds in der Öffentlichkeit möchte ich meine Mandanten und solche die es noch werden könnten untertänigst darauf hinweisen, dass ich meine Zulassung als Anwalt in der Bundesrepublik Deutschland auf meiner Homepage nicht wegen einer rechtsradikalen Gesinnung erwähnt habe, sondern weil ich nach § 5 Absatz 1 Nr. 5 b) Telemediengesetz dazu verpflichtet bin, die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat zu nennen, der mir diese verliehen hat.

Tag der Deutschen - Teil 1

Seit der Ablehnung einer Markeneintragung für eine Abbildung, die einem aus dem 10. Jahrhundert stammenden Thorhammer nachempfunden war, weil diese Abbildung angeblich die Zahl "88" wiedergeben würde, was gleichbedeutend mit den Buchstaben "HH" sei und diese wiederum "Heil Hitler" bedeuten würden, bin ich sehr empfänglich für fragwürdige Botschaften der geplagten deutschen Volksseele.       

Ein Ausfluss der Hypersensibilität im Umgang mit nationalen Identitäten ist die Richtlinie 12.1 des deutschen Pressekodex für die Berichterstattung über Straftaten, die bestimmt, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten in der Regel nicht erwähnt werden soll, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.

Daher zuckte ich gestern förmlich zusammen, als die BILD.de-Zeitung schon in der Überschrift die Nationalität des einer Straftat in einem Schweizer Parkhaus Verdächtigen nannte: "Deutscher demoliert 74 Autos mit Defibrillator". Nun wird der vorsichtige Journalist nicht mit Nr. 12.1 der Richtlinie des deutschen Pressekodex alleine gelassen, denn es gibt noch einen besonderen Leitfaden für diese Regel, um auch das entfernteste Fettnäpfchen noch aus sicherer Distanz erkennen zu können. Die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit soll danach wenigstens dann ethisch vertretbar sein, wenn ein begründetes öffentliches Interesse für deren Nennung erkennbar sei.

Nun sind 74 beschädigte Autos eine wahrhaft bemerkenswerte Zahl und auch das Tatwerkzeug eines Defibrillators ist durchaus etwas besonderes. Dass die Zugehörigkeit des Verdächtigen zu der in der Schweiz lebenden Minderheit der Deutschen eine besondere Bedeutung für die Straftat hat, konnte ich jedoch nicht erkennen. Vielleicht verstehe ich die Vorschrift des Presserats auch falsch und es geht bei der Berichterstattung deutscher Medien nur um den Schutz von Minderheiten in Deutschland. Zu einer Minderheit im eigenen Land gehört der Deutsche ja nicht.

Doch ist der Deutsche in der Schweiz in Unterzahl und ein Blick über die Grenze zeigt, dass die gleiche Zeitungsmeldung auch in unserem Nachbarland eine sehr ähnliche Überschrift hat: "Deutscher (37) demoliert 74 Autos mit Defibrillator". Die Schweiz war in beiden Weltkriegen neutral, leidet daher nicht an einem nationalen Trauma und muss sich mit einer Minderheit von etwa 300.000 eingewanderten Deutschen arrangieren. Die Vermutung liegt also nah, dass der Schweizer Journalist grundsätzlich ein wenig freier in seiner Berichterstattung ist.

Tatsächlich legt die Richtlinie 8.2 des Schweizer Journalistenkodex die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung oder der Hautfarbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit schlicht in die Hände der Journalisten, ohne ausdrücklich zu bestimmen, dass die Erwähnung der Gruppenzugehörigkeit eines Täters grundsätzlich zu unterbleiben hat.

Im vorliegenden Fall hat die Redaktion der Blick.ch-Zeitung wohl nach einer Abwägung entschieden, die Nationalität des Autohassers zu veröffentlichen, obwohl man unterstellen kann, dass sich der durchschnittliche Deutsche in der Schweiz weder durch überproportionalen Autohass noch den rechtswidrigen Gebrauch von Defibrillatoren hervortut. Man könnte insoweit also durchaus von der Gefahr einer Diskrimination einer Minderheit durch die Nennung der Nationalität des Verdächtigen sprechen.

Doch was richtet diese Form der Berichterstattung mit Angabe der deutschen Staatsbürgerschaft des verdächtigen Sachbeschädigers beim Leser der Online-Ausgabe der Schweizer Boulevardzeitung tatsächlich an? Ein Blick auf die Kommentarspalte des Artikels erhellt die Reaktion der erschütterten Öffentlichkeit, wobei ich mir die Freiheit nehme, nur solche Kommentare wiederzugeben, die auf die genannte Nationalität eingehen:

"Wie den meisten deutschen Kriminellen hierzulande, wird diesem Idioten auch nicht viel passieren!"

"Ob der auch Unschuldsfähig gesprochen wird, wie der Messerstecher und der andere Täter in Frankfurt? Ach ist ja nur ein Deutscher."

"Wegen den horrenden Parkgebühren ist wohl der Deutsche ausgerastet. Ein Schweizer macht da nur die Faust im Sack."

"Er ist Deutscher und er hat kein Auto in die Wand gesetzt. Sobald er die Schweiz verlässt und in Deutschland ankommt muss er nichts mehr bezahlen, so einfach ist das. Andere Länder, andere Sitten."

"Wichtiger Fachmann in Sachen Medizin aus EU, die wir so dringend brauchen. Komisch nur: Höre ganzen Tag SWR Radio und die haben Personalmangel in allen Kliniken. Klar, die sind alle hier. Aktuell Eglisau und Rafz, neue Ärzte aus D. Ist ja ok, aber die sollten nicht jammern sondern im Gesundheitssystem anständige Löhne zahlen!"

"Verstehe leider diesen Kommentar nicht. Wer jammert denn? Deutsche Ärzte die in der Schweiz sind? Oder Deutsche Krankenhäuser die denen die Ärzte fehlen? Und was hat das mit dem Artikel zu tun?"

"An Hans G.: Sie brauchen sich nicht zu wundern. Herr F. schreibt immer solche Kommentare. Egal was passiert, für ihn sind die EU, Ausländer, Linke und Grüne in jedem Fall und ohne die lästige Angabe von Beweisen schuld."

Tatsächlich scheint die Erwähnung der Staatsbürgerschaft des Verdächtigen bei einigen Lesern dazu zu führen, dessen individuelles Fehlverhalten für eine diskriminierende Verallgemeinerung zu Lasten anderer in der Schweiz lebender Deutscher zu nutzen. Gleichzeitig gibt es aber auch Stimmen, welche den vermeintlichen Unterschied der Mentalität beider Nationalitäten thematisieren oder verallgemeinernde Kommentare kritisch deuten.

Jedenfalls ist auch an diesem kleinen Beispiel die Notwendigkeit einer vorbeugenden Informationssperre im Hinblick auf die Nennung der Nationalität eines Täters nicht zu erkennen, denn zu einer möglichst umfassenden Meinungsbildung tragen auch solche Informationen bei, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Verfehlung stehen. Erst die möglichst umfassende Berichterstattung über eine Straftat, in der alle kennzeichnenden Attribute eines Täters genannt werden, ermöglicht die Entkräftung des Vorwurfs manipulativer Berichterstattung.

Es ist auch nicht die Aufgabe der Presse, Informationen nach eigenem Dafürhalten zu unterdrücken, um die freie Meinungsbildung schon im Vorfeld zu steuern und die zu einer Nachricht grundsätzlich mögliche Meinungsbildung schon von vornherein zu beschränken. Denn wenn jeder frei sagen darf, was er denkt, muss er auch in Lage versetzt werden, sich möglichst vollständig zu informieren.

Weil der Schutz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit umfassend ist und es unerheblich ist, ob sich die auf Grund der Presseberichterstattung gebildete Meinung "wertvoll" oder "wertlos", "richtig" oder "falsch", emotional oder rational begründet ist, darf die Presse durch die Selektion von Informationen nicht von vornherein versuchen, die Meinungsbildung in eine Richtung zu steuern, die sich nur im Sinne der Verantwortlichen als wertvoll darstellt und sich erst Recht nicht eine Selbstverpflichtung auferlegen, die ein solches Handeln gar zur Prämisse macht.

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Geklaute Fotos und Texte auf Facebook

In manch finsteren Gegenden scheint es sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, dass das Internet und natürlich auch das soziale Netzwerk Facebook kein rechtsfreier Raum ist. Immer wieder werden fremde Bilder und Texte auf Facebook in persönlichen Profilen veröffentlicht, ohne die Rechte der Urheber zu beachten. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, denn § 97 UrhG bestimmt, dass ein Bilder- oder Textpirat vom Urheber bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

Die durch die begangene Rechtsverletzung begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann dabei regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden, vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2013 - I ZR 55/12. Wer also fremde Bilder oder Texte auf Facebook veröffentlicht, sollte nicht überrascht sein, wenn er vom Autor oder Fotografen abgemahnt wird, denn wer will schon seine Werke auf der kommerziellen Werbeplattform Facebook kostenfrei um die Welt geschleudert sehen?

Wer Mark Zuckerbergs Werberegal mit Inhalten zur Generierung von Werbeeinnahmen füllen will, mag dies mit eigenen Fotos oder Gedichten tun, sollte aber die Hände und insbesondere auch die Maustaste von fremden Werken lassen. Wie in Deutschland mittlerweile üblich, tun sich auch im Urheberrecht ertappte Rechtsverletzer gerne selber leid, ohne in der Lage zu sein, ein angemessenes Unrechtsbewusstsein zu entwickeln. Oftmals wird dabei auch über die durch das rechtswidrige Treiben entstandenen Abmahnkosten gejammert, obwohl das Urheberrechtsgesetz durch § 97a Absatz 3 Satz 1 UrhG mit verständlichen Worten bestimmt, dass vom Urheber der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung verlangt werden kann.

Schließlich eröffnet die Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG ein weiteres Feld für die Steigerung des Selbstmitleids, wenn es der Verletzte wagt, vom Klauer als Schadensersatz den Betrag zu verlangen, den der Pirat als angemessene Vergütung hatte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dass dieser Schadensersatz danach berechnet wird, was bei vertraglicher Einräumung der Nutzungsrechte ein vernünftiger Lizenzgeber verlangt und ein vernünftiger Unternehmer gewährt hätte, ist wenigstens für die nach § 105 UrhG von den Landesregierungen bestimmten Gerichte für Urheberrechtsstreitsachen eine Selbstverständlichkeit und man kann sich als Urheber insoweit auf weitaus mehr Sachverstand verlassen, als dies an Gerichten ohne Spezialzuständigkeit üblich ist.

Freitag, 22. November 2019

Ordnungsgeld für Anfänger

Ich habe ja in meinem Blog schon oft über die Königin aller Ordnungsgelder berichtet, die einsam und souverän im Himmel aller Querulanten thront und gar nicht daran denkt, ihre Spitzenstellung als Ordnungsgeldkönigin abzugeben und sich in Zukunft ein wenig zu bremsen.

Man sollte sich als Nachwuchsquerulant dennoch nicht durch die Spitzenstellung der Turboquerulantin abschrecken lassen und sich zu Anfang einer ordentlichen Querulantenkarriere ganz behutsam dem ergiebigen Themenkomplex "Ordnungsgeld" annähern. Wer als Anfängerquerulant nicht auf einen abgeschlossenen Prozess und ein darauf aufbauendes Ordnungsgeldverfahren im Rahmen des § 890 ZPO warten möchte, kann sich seine ersten Lorbeeren schon während des Rechtsstreits verdienen und ein schnelles Ordnungsgeld im Rahmen des § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO erobern, ohne darauf warten zu müssen, erst später gegen einen Unterlassungstitel verstoßen zu können.

Mit einem solchen Ordnungsgeld kann allerdings nur der Querulant ausgezeichnet werden, demgegenüber die Anordnung des persönlichen Erscheinens von Seiten des Gerichts ausgesprochen wurde und dessen Ladung zum Termin den gemäß § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO erforderlichen Hinweis auf die Folgen seines Ausbleibens enthalten hatte. Wenn diese Hürde übersprungen ist, darf man als geladener Querulant keinen Vertreter in die mündliche Verhandlung entsenden, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen ermächtigt ist, bleibt dann der mündlichen Verhandlung fern und kann anschließend beten, durch das Gericht in den ehrwürdigen Kreis der Ordnungsgeldzahler aufgenommen zu werden.

Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gestattet nämlich die Festsetzung eines Ordnungsgelds schon dann, wenn eine nach § 141 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß geladene Partei im Termin trotz richterlicher Anordnung nicht erscheint. Zweck der Vorschrift ist allerdings nicht, eine Missachtung des Gerichts zu sanktionieren, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. Erst wenn durch das unentschuldigte Ausbleiben des Anfängerquerulanten die Sachaufklärung erschwert wurde, kann nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ein Ordnungsgeld nach dem Ermessen des Gerichts zuerkannt werden.

Ein solcher Einstieg in die Querulantenszene ist zwar nicht besonders spektakulär und erst Recht nicht dazu geeignet, Verfahrensrekorde aufzustellen, weil man einem Prozess als geladene Partei selten mehr als einmal fernbleiben kann. Aber immerhin kann man erste Erfahrungen im Umgang mit gerichtlichen Anordnungen sammeln und ganz behutsam austesten, wie weit man mit Richtern gehen kann. Wer möchte, kann durch Mitteilungen wie "Wenn sie etwas wissen wollen, können sie mich ja anrufen" oder "Der Prozess ist unwichtig, da bleibe ich lieber zu Hause" die Bereitschaft ein Ordnungsgeld zu verhängen ein wenig fördern, denn der Weg an die Spitze der Querulantenbewegung ist lang und die Gerichte verteilen Ordnungsgelder für Parteien wegen Ausbleibens trotz persönlicher Ladung in der Regel eher zurückhaltend.