Ich muss gestehen, dass Vollstreckungsrecht nicht meine Stärke ist und ich mich noch nie darum gekümmert habe, wie die Eintreibung ausstehender Schulden und Verhaftungen im Zivilrecht konkret organisiert werden. In letzter Zeit hatte ich allerdings mehrfach die Gelegenheit, mich mit Gerichtsvollziehern und Polizisten zu unterhalten, die mir ein wenig in Erinnerung gebracht haben, wie deren Zusammenarbeit geregelt ist und welche Gesetze sie zu beachten haben. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei Verhaftungen zu beachten: "Der Gerichtsvollzieher vermeidet bei der Verhaftung unnötiges Aufsehen und jede durch den Zweck der Vollstreckung nicht gebotene Härte." Das klingt erst einmal ganz beruhigend, allerdings können die Damen und Herren auch anders:
"Bei Widerstand wendet der Gerichtsvollzieher Gewalt an und beachtet dabei die §§ 758 und 759 ZPO. Er befragt den Verhafteten, ob er jemanden von seiner Verhaftung zu benachrichtigen wünsche, und gibt ihm Gelegenheit zur Benachrichtigung seiner Angehörigen und anderer nach Lage des Falles in Betracht kommender Personen, soweit es erforderlich ist und ohne Gefährdung der Inhaftnahme geschehen kann. Der Gerichtsvollzieher, der den Schuldner verhaftet hat, liefert ihn in die nächste zur Aufnahme von Zivilhäftlingen bestimmte Justizvollzugsanstalt ein." Immerhin wird dem Verhafteten ermöglicht, noch einen letzten Hilferuf abzusetzen, bevor er hinter schwedischen Gardinen verschwindet.
Nun waren die Gerichtsvollzieher keine kräftigen Kerle und als ich das Wort "Gewalt" hinterfragt habe, war die Antwort recht einfach und ich erinnerte mich dunkel an Kenntnisse aus meiner Studienzeit. Das Stichwort heißt "Vollzugshilfe" und ist ein Unterfall der Amtshilfe. Die Vollzugshilfe ist in den jeweiligen Polizeigesetzen der Bundesländer geregelt und lautet in Niedersachsen gemäß § 51 Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) wie folgt: "Die Polizei leistet anderen Behörden auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Behörden nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen. Die Polizei ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im Übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend. Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt."
Wenn sich Schwierigkeiten bei Vollstreckungen abzeichnen und der Termin für eine erfolgversprechende Vollstreckung klar ist, fordern die Gerichtsvollzieher rechtzeitig Hilfe bei der örtlichen Polizeibehörde an und überlassen den geschulten Polizisten die Ausübung körperlicher Gewalt, soweit nötig. Weil die Gerichtsvollzieher zum Schutz des Schuldners unnötiges Aufsehen vermeiden sollen, werden Verhaftungen möglichst abseits des Wohnortes vollzogen. Vielfach werden Schuldner daher im Gericht oder bei Behörden verhaftet, wenn sie einer Terminsladung Folge leisten. Wenn dies mehrfach misslingt, verschärft sich allerdings die Gangart der Justiz, wie § 145 Absatz 4 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) deutlich macht:
"Nach wiederholtem fruchtlosen Verhaftungsversuch binnen drei Monaten nach Auftragseingang in einer Wohnung, der mindestens einmal unmittelbar vor Beginn oder nach Beendigung der Nachtzeit erfolgt sein muss, hat der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger anheimzugeben, einen Beschluss des zuständigen Richters bei dem Amtsgericht darüber herbeizuführen, dass die Verhaftung auch an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen sowie zur Nachtzeit in den bezeichneten Wohnungen erfolgen kann." Wenn man sich überlegt, wie viele Straftäter durch milde Urteile mit Geld- oder Bewährungsstrafen einem Gefängnisaufenthalt entgehen, sind die Befugnisse der Gerichtsvollzieher und Polizisten gegenüber Schuldnern, die lediglich Geldforderungen auszugleichen haben, doch sehr beachtlich. Seine Schulden zu begleichen ist also nicht immer eine schlechte Idee.
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Donnerstag, 25. Juli 2019
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