Montag, 16. August 2021

Kabul

Rechtzeitig zur Bundestagswahl im September 2021 haben die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen und damit ein weiteres Kapitel der Fremdherrschaft in dem islamischen Land beendet. Der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begonnene Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Jahre 2002 endete im Juni 2021 mit über 12 Milliarden Euro Kosten und 59 toten deutsche Soldaten. Wie man angesichts der kriegerischen Gesichte von Afghanistan in Deutschland darauf kommen konnte, in dem 5000 Kilometer entfernten Land der Paschtunen irgendetwas militärisch ausrichten zu können, nachdem dort bereits die Engländer und Russen in den vergangenen Jahrhunderten empfindliche Niederlagen hinnehmen mussten, bleibt unklar.

Andererseits sind Machtgeilheit und Profilierungssucht von Politikern ein internationales Phänomen, dass die Bevölkerung bezahlt und Staatsbedienstete ausbaden müssen, so dass nicht einzusehen wäre, warum ausgerechnet Deutschland nicht davon betroffen sein sollte. Die solidarische Geste gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Vorwand der Verteidigung der deutschen Freiheit am Hindukusch endete mit der erfolgreichen Aufrüstung der Taliban, die sich durch die Übernahme Afghanistans mit modernsten Waffen im Werte von mehreren Milliarden Euro auf Dauer dort werden etablieren können.

Da der Islam bekanntlich zu Deutschland gehört, sollte man auch der strengen Auslegung des Korans in Afghanistan durch die Taliban nicht mit einer grundsätzlichen Abwehrhaltung gegenübertreten, sondern der Neuordnung der Machtverhältnisse in Afghanistan positiv gegenüberstehen. Die überhebliche Haltung westlicher Demokratien, Staaten mit vollkommen anderen historischen und kulturellen Hintergründen die Vorzüge einer tatsächlich vorwiegend an materiellen Werten ausgerichteten Gesellschaft nahebringen zu wollen, musste insbesondere in Afghanistan scheitern.

Schließlich ist laut der afghanischen Verfassung der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Artikel 2 der Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan vom Januar 2004 legt die "heilige Religion des Islam" als Religion Afghanistans fest. Gemäß Artikel 3 dieser Verfassung darf kein Gesetz in Widerspruch zu den Lehren und Vorschriften des Islam stehen. Das sollte auch hier als unproblematisch erkannt werden, denn wie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. richtungsweisend ausführt, ist es Ziel des Islam, "den Menschen ein Leben in Frieden und Eintracht zu bescheren, wozu er die Menschen gemahnt, den Frieden und die Gerechtigkeit auf Erden zu etablieren. Auch seiner Wortbedeutung nach ist und bringt der Islam “Frieden” und “Sicherheit”. Ein “Muslim” ist demnach jemand, der Frieden und Sicherheit erlangt hat und dieses zum Ziel hat."

Auch ohne die Herrschaft der Taliban war bei Männern die Abkehr vom Islam mit Enthauptung und bei Frauen mit lebenslanger Haft zu bestrafen, sofern die Betroffenen keine Reue zeigen. Das Strafrecht der Scharia sieht nämlich grundsätzlich die Todesstrafe für erwachsene zurechnungsfähige Männer vor, die den Islam freiwillig verlassen haben und weil diese Rechtsauffassung seit langem für die schiitisch-dschafaritische als auch für die in Afghanistan dominierende sunnitisch-hanafitische Rechtsschule gilt, sollte man nicht so tun, als ob sich durch die Machtergreifung der Taliban Grundsätzliches ändern würde, was für die politischen Führungen der westlichen Welt tatsächlich von Interesse wäre.

Angesichts der kampflosen Übergabe auch der Hauptstadt Kabul, sollte klar sein, dass es auch für die weit überwiegende Mehrheit der Soldaten der geflohenen Regierung keine nachvollziehbaren Gründe gab, irgendetwas zu verteidigen. Die Taliban haben den lang andauernden Krieg beendet und werden einen Staat errichten, dessen Existenz für Deutschland nur dann eine Bedrohung darstellt, wenn man das in Deutschland geltende Recht und die damit verbundenen Werte nicht ähnlich engagiert verteidigt, wie es die Taliban in Afghanistan mit der Durchsetzung ihrer Auslegung des Koran vormachen. Der deutsche Wähler hat es nun in der Hand, die Quittung für einen vollkommen sinnlosen Bundeswehreinsatz auszustellen und damit im Bundestag für eine Korrektur der Verfehlungen der vergangenen Jahre zu sorgen.

Freitag, 13. August 2021

Sinnlose Strafanzeige gegen deutsche Olympiateilnehmer

Wer das Drama bei den den Olympischen Spielen in Tokio gesehen hat, als die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu und Bundestrainerin Kim Raisner in der letzten Disziplin beim Reitwettbewerb an dem zugelosten Pferd „Saint Boy“ scheiterten, weil das Pferd einfach nicht das machen wollte, was Reiterin Annika Schleu vorhatte, nämlich einen Springparcours abreiten, wird sich gedacht haben: "Was soll der Scheiß?" Entweder, weil Tiere bei den olympischen Spielen generell nichts zu suchen haben oder weil die Zulosung von Pferden im Modernen Fünfkampf problematischer ist, als die Nutzung eines eigenen Pferdes. Vielleicht auch, weil geritten werden grundsätzlich kein natürliches Bedürfnis von Tieren ist.

Zur Ausrüstung bei diesem olympischen Wettbewerb gehört auch ein Schlaginstrument namens Reitgerte, die zum Antreiben und Lenken eines Reitpferdes dient. Diese Reitgerte hatte Annika Schleu benutzt. Nicht exzessiv, aber natürlich öfter, als dies bei einem gefügigen Pferd üblich ist. Ihre Trainerin hatte gerufen "Hau mal richtig drauf" und sich auch zu einem Faustschlag gegen das Pferd hinreißen lassen, den das Pferd kaum gespürt haben dürfte.

Ein komplettes Desaster, aber natürlich nicht strafwürdig. Denn nach § 17 Tierschutzgesetz wird nur bestraft, wer ein Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Auch der Präsident des Deutscher Tierschutzbund e.V. weiß natürlich, dass die gegen Annika Schleu und Kim Raisner erstattete Strafanzeige seines Vereins nicht einmal zu einem Ermittlungsverfahren führen wird. Immerhin kann man so eine öffentliche Diskussion befeuern.

Wer sich oder ein ihn interessierendes Thema in den Fokus der Öffentlichkeit schieben möchte, sollte auch zu einer spektakulären Strafanzeige greifen. Bisweilen springen die Medien darauf an und berichten darüber, als ob es wirklich spannend wäre und tatsächlich ein Strafverfahren eingeleitet werden würde. Die vom Tierschutzbund initiierte Anzeige dürfte hier nicht einmal dazu führen, dass der Pferdesport, wenn man ihn so nennen möchte, aus dem olympischen Programm genommen wird.

Donnerstag, 12. August 2021

Die singende Moorleiche

Der erschreckende Umgang von Facebook-Nutzern untereinander bringt immer wieder Rechtsfragen mit sich, die geklärt werden müssen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die rechtliche Einordnung der öffentlichen Bezeichnung einer Rentnerin auf Facebook als "singende Moorleiche" und damit die Bewertung, ob dies eine ehrverletzende Missachtung der so bezeichneten Person und damit eine strafbare Beleidigung darstellt, oder ob die Äußerung in der Subkultur der modernen Kommunikationsmedien eher als humorvolle Äußerung verstanden wird, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Eine interessante Frage, deren Beantwortung angesichts des unbestimmten Tatbestands des § 185 StGB, der da lautet "Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.", nicht ganz einfach zu beantworten ist.

Denn das Gesetz hilft schlicht nicht weiter. Was eine Beleidigung ist, hat der Gesetzgeber gar nicht definiert. Die Beurteilung, ob eine ehrbeeinträchtigende Äußerung rechtswidrig und strafbar ist, verlangt daher jedenfalls eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen, die zunächst eine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen der Äußerung und ihrer Bedeutung erfordert. Sinnvoll ist es daher, sich zunächst dem Begriff "Moorleiche" zuzuwenden. Eine Moorleiche ist ein Leichenfund, der durch die Weichteilkonservierung im sauren Milieu eines Hochmoores unter Sauerstoffabschluss und der Wirkung von Huminsäure gut erhalten blieb. Der Begriff Moorleiche für die Fundgattung menschlicher Leichen und Leichenteile aus Mooren wurde 1871 von der holsteinischen Wissenschaftlerin Johanna Mestorf geprägt.

Die meisten Moorleichenfunde stammen aus der Eisenzeit. Eine weibliche Moorleiche ist damit nicht nur eine tote Frau, sondern eine schon sehr lange tote Frau und damit liegt die Vermutung nah, dass die Bezeichnung einer Rentnerin als Moorleiche einen deutlich herabsetzenden Charakter hat. Keine Frau wird es mögen, wenn man sie öffentlich für älter hält, als sie ist und erst recht nicht, wenn man sie als zwar noch recht gut erhalten, aber dennoch als vor sehr langer Zeit gestorben bezeichnet. Allerdings darf man angesichts der gewichtigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wonach die konkrete Situation der Äußerung erfasst und unter Berücksichtigung ihrer kontextbezogenen Bedeutung hinreichend gewürdigt werden muss, nicht übersehen, dass die in Rede stehende Rentnerin nicht nur als überdurchschnittlich alter Leichenfund, sondern gar als singende Tote tituliert wurde.

Man wird also auch abwägen müssen, welchen Charakter die der Moorleiche zugeschriebene Fähigkeit zum Gesang hat. Sollte die Zuordnung der Gesangskunst auf Facebook erfolgt sein, um die Betroffene dem Publikum gegenüber identifizierbar zu machen, also etwa um eine alternde Schlagersängerin dadurch erkennbar bei ihren Fans herabzuwürdigen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des unflätigen Lästermauls hoch, denn nach herrschender Meinung ist für eine Strafbarkeit erforderlich, dass der beleidigende Gehalt der Äußerung erkannt wird und der von der Beleidigung Betroffene identifizierbar ist. Es ist dabei unerheblich, ob der Beleidigte auch Adressat der Äußerung ist, so lange ein Dritter erkennen kann, wer mit der herablassenden Äußerung gemeint ist.

Weil die konkrete Äußerung öffentlich einsehbar auf Facebook gepostet wurde, liegt der Verdacht nah, dass die als Beleidigung einzustufende Herabsetzung gar als sogenanntes Cybermobbing zu identifizieren ist, weil sie mehrfach erfolgte. Denn beim Cybermobbing werden technische Kommunikationsmittel wie die von Facebook verwendet, die, das Mobbing einmal in Gang gesetzt, mit einfachen Mitteln von weiteren Personen ausgenutzt werden können. Cybermobbing ist die gezielte, wiederholte und damit anhaltende negative Ausgrenzung eines Einzelnen durch Dritte mittels Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie, welche die Lebensgestaltung des Opfers nachhaltig beeinträchtigt. Dies wird im vorliegenden Fall spätestens dann der Fall sein, wenn sich der persönlichkeitsrechtsverletzende Spitzname "singende Moorleiche" durch mehrfache Wiederholungen in den sozialen Netzwerken erst einmal herumgesprochen hat.

Leider ist es jedoch bei einem gezielten und strategisch gut vorbereiteten Cybermobbing schwierig, einen Verursacher ausfindig zu machen, der nach §§ 1004 analog, 823 Abs.1 BGB zur Unterlassung der beleidigenden Äußerung herangezogen werden könnte, weil erfahrene Mobber die Infrastruktur des Internets gut kennen und wissen, dass nicht nur die Intims- und Privatsphäre des Opfers geschützt ist, sondern das Recht auf Anonymität als Ausprägung der grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 GG auch für den Täter gilt und ihm auf diese Art und Weise die informationelle Selbstbestimmung zu Gute kommt, die jedem das Recht gibt, zu bestimmen, was er der Öffentlichkeit Preis gibt und was nicht. Damit bleibt für die als singende Moorleiche diffamierte Rentnerin nur die Hoffnung, dass der Verantwortliche einen Fehler macht, der ihn namentlich erkennbar werden lässt, wie es schon so manchem unvorsichtigen Mobber auf Facebook passiert ist.

Freitag, 6. August 2021

Turboquerulantin - Amtsgericht Gelsenkirchen spricht Machtwort


Das unbestechliche und mit dem mittlerweile in Deutschland nicht mehr selbstverständlichen Blick für Opfer von Rechtsverletzungen ausgestattete Amtsgericht Gelsenkirchen hat das bösartige Treiben von Niedersachsens berühmtester Rechtsbrecherin, gemeinhin unter dem Namen Turboquerulantin bekannt, mit einem Beschluss über ein zu zahlenden Ordnungsgeld in Höhe von EUR 2.000,- quittiert.

Weil sich unser krimineller Einfaltspinsel nicht an das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 22.07.2020 zum Az.: 409 C 169/20 gehalten hatte, wurde ein Ordnungsgeld festgesetzt, dessen Höhe sicherlich auch damit zu tun hat, dass die Turboquerulantin vorher schon zweimal ein Verfügungsurteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 06.03.2020 zum Az.: 405 C 78/20 mit gleichem Tenor ignoriert hatte und dafür per Beschluss vom 14.04.2020 zunächst mit einem Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,- und schließlich durch Beschluss vom 21.08.2020 mit einem weiteren Ordnungsgeld in Höhe von EUR 1.000,- bestraft wurde.

Weil die Turboquerulantin vor kurzem durch das Amtsgericht Nienburg mittels eines Betreuers an die Kette gelegt wurde und es ihr damit ohne dessen Zustimmung verwehrt ist, ihren als Rechtsmittel getarnten Schwachsinn mit rechtlich beachtlicher Wirkung über die Gerichte auszuschütten, werden sich die Tore der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta in Zukunft etwas eher für das Türbchen öffnen als bisher. Wenn es die TQ dagegen schafft, ihren noch unverbrauchten Betreuer in den ihr eigenen Kosmos des Stumpfsinns hineinzuziehen, mag es ihr gelingen, der gerechten Strafe noch ein wenig zu entfliehen.