Mittwoch, 31. Oktober 2018

Migrationspakt

Im Moment ist der sogenannte Migrationspakt in aller Munde, der derzeit als Entwurf des Ergebnisdokuments der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, Marrakesch (Marokko) am 10. und 11. Dezember 2018 existiert. Mit anderen Worten ein Vertragsentwurf, der auf jener Konferenz so oder anders unterzeichnet werden könnte. In deutschen Zeitungen ist zu lesen, dass Deutschland keinerlei Verpflichtung mit der Unterzeichnung des Paktes eingehen würde, denn "Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar, der auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben."

Nun ist ja ein Pakt ist nichts anderes als ein Vertrag und da komme ich als Rechtsanwalt in die Versuchung, mitreden zu wollen. Wenn mich also ein Mandant fragen würde, ob er diesen "rechtlich nicht bindenden" Pakt unterzeichnen solle, würde ich ihm zunächst antworten, dass ich ihn im Wortlaut lesen müsste. Das ist recht einfach zu machen, denn der Migrationspakt ist nicht zu lang. Nun habe ich ihn im Volltext gelesen und den "rechtlich nicht bindenden" Migrationspakt zunächst einmal im Hinblick auf etwaige Verpflichtungen untersucht. Allein die Textanalyse ergibt für das Wort "Verpflichtung" 28 Treffer und für das Wort "verpflichten" gar 46 Treffer. Als guter Anwalt wird man da schon misstrauisch, denn wer sich in einem Vertrag über 70 Mal explizit verpflichtet etwas zu tun, könnte es schwer haben, sich anschließend auf eine einzige allgemeine Klausel zu berufen, die lediglich von einem Kooperationsrahmen spricht. Man könnte das nämlich so verstehen, dass die kooperierenden Länder untereinander keine rechtlich bindenden Verpflichtungen eingehen, wie und wann die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Allerdings könnte das schon ganz anders denjenigen gegenüber aussehen, zu dessen Gunsten man sich im Migrationspakt ausdrücklich verpflichtet hat. 

Möglicherweise könnte Frankreich Deutschland nicht zu einer nationalen Umsetzung der Verpflichtung zwingen, zu gewährleisten, dass Migranten nicht strafrechtlich dafür verfolgt werden können, dass sie Gegenstand der Schleusung waren. Ein Migrant könnte dagegen möglicherweise mit Erfolg versuchen, eigene Rechte aus dieser Verpflichtung herzuleiten. Ich würde ihm als Anwalt jedenfalls dazu raten.

Angesichts des ungleichmäßigen Bevölkerungswachstums in dieser Welt dürften auch unterschiedliche Interessen für eine Unterzeichnung bestehen. Geht man davon aus, dass bis zum Jahre 2100 allein in Nigeria 750 Millionen Menschen mehr leben werden und in Deutschland 25 Millionen Menschen weniger, würde ich einem Waschmaschinenhersteller raten, den Migrationspakt auf jeden Fall zu unterzeichnen. Was nützt es denn einem Waschmaschinenhersteller, wenn er im Jahre 2100 nur noch 60 Millionen potentielle Kunden in Deutschland hat, von denen sich jeder 10 Waschmaschinen kaufen kann, aber nur eine braucht? In Nigeria gibt es dagegen bis zum Jahre 2100 etwa eine Milliarde potentieller Kunden, von denen sich jeder bestenfalls eine halbe Waschmaschine leisten kann, weil die Entwicklungsstufe seines Landes kein höheres Pro-Kopf-Einkommen ermöglicht. Da ist ein Migrationspakt mit einer moderaten Umverteilung der Ressourcen zwischen allen Ländern doch eine hervorragende Lösung. Der Deutsche kann sich danach nur noch 7 Waschmaschinen kaufen, der eingewanderte Nigerianer zwei Waschmaschinen und der daheimgebliebene und von Deutschland unterstützte Nigerianer immerhin noch eine Waschmaschine. Eine fantastische Lösung für den Waschmaschinenhersteller, der statt lediglich 60 Millionen potentieller Kunden in Deutschland im Jahre 2100 deutlich mehr als eine Milliarde Menschen in beiden Ländern beglücken kann.

In Richtung Migrationsoptimierung ist mir der Text des "unverbindlichen" Pakts fast schon ein wenig zu ehrlich, denn er liest sich wie eine Gebrauchsanweisung für Migrationsfetischisten: "Wir müssen sicherstellen, dass gegenwärtige und potenzielle Migranten vollständig über ihre Rechte und Pflichten und die Möglichkeiten für eine sichere, geordnete und reguläre Migration informiert sind und sich der mit irregulärer Migration verbundenen Risiken bewusst sind. Wir müssen außerdem allen unseren Bürgerinnen und Bürgern objektive, faktengestützte und klare Informationen über die Vorteile und Herausforderungen der Migration vermitteln, um irreführende Narrative, die zu einer negativen Wahrnehmung von Migranten führen, auszuräumen." Der Bürger könnte sich doch tatsächlich fragen, warum eine Informationsvermittlung über etwaige Nachteile keine Rolle spielen soll.

Man muss den Migrationspakt einfach lesen und wird feststellen, dass die Wege für Migranten geebnet werden sollen, die Bedingungen für sie in den Zielländern optimiert werden müssen und gleichzeitig die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern sind, wie sich folgenden Verpflichtungen unzweifelhaft entnehmen lässt:

"Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen und ihre persönlichen Ambitionen verwirklichen können, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie nicht dazu veranlassen, durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen."

"Wir verpflichten uns, auf die Bedürfnisse von Migranten einzugehen, die sich aufgrund der Bedingungen, unter denen sie unterwegs sind oder mit denen sie im Herkunfts-, Transit- oder Zielland konfrontiert sind, in prekären Situationen befinden können, und sie zu diesem Zweck im Einklang mit unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen und ihre Menschenrechte zu schützen. Wir verpflichten uns ferner, in Situationen, in denen Kinder betroffen sind, jederzeit das Wohl des Kindes als vorrangigen Gesichtspunkt zu wahren und im Umgang mit prekären Situationen einen geschlechtersensiblen Ansatz anzuwenden, einschließlich bei Antwortmaßnahmen auf gemischte Flucht- und Migrationsbewegungen."

"Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können. Wir verpflichten uns ferner zur Stärkung von Leistungserbringungssystemen, die Migranten einschließen, ungeachtet dessen, dass Staatsangehörige und reguläre Migranten möglicherweise Anspruch auf umfassendere Leistungen haben; dabei ist sicherzustellen, dass jede unterschiedliche Behandlung auf dem Gesetz beruht, verhältnismäßig ist und einen rechtmäßigen Zweck verfolgt, im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen."

Bislang sind nur Österreich, Ungarn und die USA nicht bereit, den Migrationspakt zu unterzeichnen.

Montag, 29. Oktober 2018

Veröffentlichung privater Nachricht auf Instagram unzulässig

Innerhalb gesellschaftlicher Randgruppen wird Andersdenkenden oft nicht die Toleranz entgegengebracht, welche die Randgruppe selbst von der Gesellschaft einfordert. Aus diesem Grund musste sich das Landgericht Hamburg mit einer via Instagram und Facebook veröffentlichten Privatnachricht eines homosexuellen Mannes befassen, die mittels dieser Social-Media-Dienste entgegen dem Willen des Versenders veröffentlicht und so für eine Mobbing-Kampagne genutzt wurde.

Die persönliche Nachricht "Hoffentlich ist das ein Sonderzug. Die armen Fahrgäste könnten einem sonst leid tun bei all den Kaputten. Wäre ja Horror, wenn die normal zahlenden Gäste durch solche Clowns belästigt werden. Wieso können homosexuelle Männer sich nicht einfach benehmen wie jeder normale andere Mensch auch? Sind das Männer oder Trullas mit Penis? Alle reden von Gleichstellung, benehmen sich aber wie Crystal Meth Britneys nur saufen, ficken, Drogen... schade eigentlich, dass das auf uns normale homosexuelle Männer immer so abfärbt - obwohl man mit all dem 0 am Hut hat." über die Anreise zu einer Pride erboste den Empfänger derart, dass er glaubte, die nur für ihn bestimmte Mitteilung auf Instagram veröffentlichen zu dürfen.

Ein Irrtum, wie jetzt das Landgericht Hamburg entschied. Denn wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 25. Mai 1954 ausgeführt hatte, sei jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers, woraus folge, dass ihm grundsätzlich allein die Befugnis zustehe, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, denn jeder unter Namensnennung erfolgenden Veröffentlichung von Aufzeichnungen eines noch lebenden Menschen werde von der Allgemeinheit eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen. Die Fassung der Aufzeichnungen und die Art ihrer Bekanntgabe unterliege der Kritik und Wertung der öffentlichen Meinung, die aus diesen Umständen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers ziehe. Eine ungenehmigte Veröffentlichung oder ungenehmigte Weiterleitung einer privaten Nachricht zur Veröffentlichung sei insoweit ein unzulässiger Eingriff in die für jeden Menschen geschützte Geheimsphäre.

Durch die ursprüngliche Veröffentlichung der persönlichen Nachricht des Antragstellers auf Instagram und dem späteren Teilen der von einem Dritten weiter veröffentlichten Nachricht auf Facebook hatte sich der Antragsgegner die rechtswidrige Veröffentlichung des Dritten zusätzlich zu Eigen gemacht. Er wusste, dass es sich um eine private Nachricht an ihn handelte und er hatte durch das weitere Teilen als Vertiefung der Rechtsverletzung sein Einverständnis mit der folgenden Veröffentlichung der nur an ihn gerichteten Nachricht kundgetan. Zweifelsohne war schon die erste Veröffentlichung der persönlichen Nachricht des Antragstellers auf Instagram eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die später nur noch vertieft wurde und als Auslöser ein nicht hinwegzudenkendes Ereignis für die Hetzkampagne gegen den Antragsteller war.

Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte bereits das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Beschluss vom 04. Februar 2013 zum Az.: 7 W 5/13 fortgeführt und bestätigt, dass die Veröffentlichung einer privaten Mitteilung in sozialen Medien grundsätzlich unzulässig sei. Das gilt natürlich auch für die Veröffentlichung einer Privatnachricht mittels Instagram, wie nunmehr das Landgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 21.08.2018 zum Az.: 324 O 372/18 festgestellt hat. Der als einstweilige Verfügung erlassene Beschluss wurde mittlerweile durch die Abgabe einer Abschlusserklärung als Entscheidung in der Hauptsache anerkannt und ist insoweit auch rechtskräftig.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Wir schaffen das

Mittlerweile habe ich mich an die anrüchige Atmosphäre der Willkür in Zivilprozessen vor den Amtsgerichten gewöhnt. Ich will nicht sagen, dass ich diese Atmosphäre mag, aber natürlich ist der ‚Film noir‘ immer interessanter als eine Folge "Wetten, dass..?". Eine der letzten düsteren Szenen möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten und schicke deshalb die Aufklärung über eine kleine Passage aus der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus. § 121 ZPO bestimmt, dass wenn eine Vertretung im Prozess durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet wird, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Nun saßen an einem kleinen Amtsgericht irgendwo in Deutschland ein sportlicher Amtsrichter der schutzbedürftigen Klägerin und ihrer nicht ganz so schutzbedürftigen Anwältin gegenüber und warteten auf den bösen Beklagten, dessen schamloses Treiben es zu stoppen galt. Beide Parteien hatten einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und da der Beklagte nicht erschien, hätte dem Erlass eines schlanken Versäumnisurteils nur der Umstand im Wege gestanden, dass für den Beklagten die Bewilligung für Prozesskostenhilfe in Betracht gekommen wäre, wenn die Klägerin anwaltlich vertreten gewesen wäre. In diesem Fall hätte die Klage dann natürlich zunächst noch dem beizuordnenden Anwalt der Wahl des Klägers zugestellt und neu terminiert werden müssen.

Ich denke nicht, dass sich die im Termin anwesenden Volljuristen lange zuzwinkern mussten, um den Termin zur Zufriedenheit der Erschienen gestalten zu können. Klare Worte, großzügige Gesten oder was auch immer der Anlass war, dass die Rechtsanwältin der schutzbedürftigen Klägerin mit einem Sprung gekonnt auf die Zuschauerbänke hechtete um von dort aus völlig unbeteiligt und mit treuherzigem Augenaufschlag der Verhandlungsführung des wohlwollenden Amtsrichters zu lauschen, führten jedenfalls dazu, dass die Klägerin plötzlich nicht mehr durch ihre Rechtsanwältin vertreten war. Und siehe da, weil nun die Klägerin gar nicht anwaltlich vertreten war, musste dem bösen Beklagten auch kein Anwalt beigeordnet werden und das gewünschte Versäumnisurteil wurde erlassen.

Alter Indianertrick, denke ich. Scheißdreck, dachte sich der Beklagte als er das Terminsprotokoll las und stellte einen Antrag auf Protokollberichtigung, weil er mittlerweile erfahren hatte, dass die Kollegin im Termin mit der Klägerin zwar anwesend war, im Protokoll aber nicht erwähnt wurde. Die Antwort des fürsorglichen Amtsrichters lässt sich der obigen Grafik entnehmen und spricht für sich. Ich persönlich finde die vorgenommenen Unterstreichungen toll, mit denen augenscheinlich die gewitzte Taktik des pfiffigen Richters besonders hervorgehoben werden sollte. Selbstredend schloss sich dem erfolglosen Protokollberichtigungsantrag ein ebenso erfolgloser Befangenheitsantrag an, auf welchen sich der hilfreiche Amtsrichter wie folgt dienstlich äußerte: 

"Soweit der Beklagte seinen Antrag auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2018 in der Sache 405 C 171/18 stützt, wird der Inhalt der mündlichen Verhandlung durch dieses Protokoll völlig zutreffend wiedergegeben. Der Klägerin wurde erläutert, wie der Verfahrensablauf (Trennung der Anträge) war, des Weiteren wurden erforderliche Hinweise zur Zuständigkeit erteilt und nach Hinweis der Klägerin, dass sie selbst auch einen Gewaltsschutzantrag gestellt habe, auf die fehlende Eilbedürftigkeit für dieses Verfahren hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausführlich erläutert, aus welchem Grunde das Gericht keine Erfolgsaussicht für das Verfahren sieht. Sie wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass aus Sicht des Gerichts die Eilbedürftigkeit fehlt, weil sie entsprechende Anträge auch bei unterstellter Richtigkeit ihres Vortrags viel früher stellen können. Andererseits wurde die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass im Hauptsacheverfahren schlüssig vorgetragen wurde und ggf. nach Ablauf der Stellungnahmefristen zu Gunsten des Beklagten kurzfristig terminiert werden kann. Eine Rechtsberatung hat in keiner Weise stattgefunden."

Fehlt eigentlich nur noch der Zusatz "und die Rechtsanwältin der Klägerin hat während der ausführlichen Verhandlung vergeblich versucht, ihren zwischen zwei Zuschauerbänken eingeklemmten Fuß zu befreien, um doch noch neben der Klägerin Platz nehmen zu können. Deshalb hat auch eine anwaltliche Vertretung in keiner Weise stattgefunden."

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Die Turboquerulantin und das freundliche Gericht

Eine hervorragende Gelegenheit, den Münchener Fans der Turboquerulantin eine kleine Kostprobe ihres Könnens verabreichen zu können, scheint derzeit ungenutzt verstreichen zu müssen. Denn wie bereits erwähnt ist das derzeitige Tourmanagement der Turboquerulantin wegen der zahlreichen Tourneedaten etwas unter Zeitdruck geraten und hat versäumt, rechtzeitig den großen Saal des Landgerichts München II zu buchen, um die Ausführungen des Amtsgerichts Dachau aus dem erstinstanzlichen Urteil vom 19.06.2018 zum Az.: 2 C 1091/17 mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in Grund und Boden zu stampfen.

Mit wohlwollendem Hinweis durch das Landgericht München II zum Az.: 8 S 2810/18 weist der Vorsitzende Richter deshalb darauf hin, dass man den großen Auftritt ganz einfach absagen könne, um die ohne ausdrückliche Stornierung des Münchener Auftritts anfallenden Kosten sparen zu können. Dieser freundliche Wink des Richters könnte dazu führen, das die in Bayern ersparten Aufwendungen einfach für das nächste Ordnungsgeld in Niedersachsen verwendet werden können, dass Gerüchten zufolge in der Beschwerdeinstanz bereits durch das Landgericht Verden abgesegnet wurde.

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Böses Erwachen mit WACHTTURM und Erwachet!

Ein bayerischer Schlauberger aus Germannsdorf bei Hauzenberg im Landkreis Passau hatte sich so sehr über das fromme Streben der Zeugen Jehovas an seiner Eingangspforte geärgert, dass er beschloss, seinen kurzen Unmut zu einem finanziellen Fehlschlag auszuweiten, indem er sich die Marken "Erwachet!" und "WACHTTURM" in den Klassen 41, 16, 35 und 45 als Marke zu den Aktenzeichen 3020172142460 und 3020172142401 beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen ließ.

Bekanntlich sind ja die Heftreihen "Erwachet!" und "Der WACHTTURM" (nicht Wachturm) von den Zeugen Jehovas vertriebene Druckschriften, mit denen sie für ihr religiöses Engagement werben. So lag es dann für den im Markenrecht nur mangelhaft bewanderten Bayern nahe, sich die beiden Marken für "Allgemeine Magazine; Druckereierzeugnisse; Gedruckte Broschüren; Periodisch erscheinende Magazine; Periodische Publikationen; Zeitschriften [Magazine], Beratung in Bezug auf Werbung; Entwicklung von Marken [Werbung und Verkaufsförderung]; Marketing, Verkaufsförderung und Werbung; Online-Werbung für Computernetze und Websites; Verbreitung von gedrucktem Werbematerial; Verbreitung von Werbematerial; Verbreitung von Werbung; Vermittlung von Werbung; Versand und Verteilung von Werbematerialien [Faltblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben]; Verteilung von Broschüren zu Werbezwecken; Verteilung von Handzetteln, Broschüren, Drucksachen und Warenproben zu Werbezwecken; Verteilung von Prospekten zu Werbezwecken; Verteilung von Werbematerial [Faltblätter, Broschüren und Druckereierzeugnisse]; Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Werbung für Unternehmen; Werbung und Marketing; Werbung und Öffentlichkeitsarbeit; Werbung, Marketing oder Verkaufsförderung; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung, Herausgabe und Publikation von Druckereierzeugnissen; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form im Internet; Herausgabe von Druckereierzeugnissen und gedruckten Veröffentlichungen; Multimediale Publikation von Magazinen; Multimediale Publikation von Zeitschriften; Multimediale Publikation von Zeitungen; Publikation von Zeitungen, Zeitschriften, Katalogen und Broschüren; Veröffentlichung von Broschüren; Veröffentlichung von Büchern, Magazinen, Almanachen und Zeitschriften; Veröffentlichung von Druckerzeugnissen; Veröffentlichung von elektronischen Büchern und Magazinen im Internet; Veröffentlichung von Magazinen; Veröffentlichung von Web-Magazinen, fachliche Beratung bezüglich der Lizenzierung von Urheberrechten; Lizenzierung eingetragener Muster; Lizenzierung von Druckereierzeugnissen [juristische Dienstleistungen]; Lizenzierung von gewerblichen Schutzrechten und Lizenzierungsdienste" eintragen zu lassen.

Im September 2018 sind beim Deutschen Patent- und Markenamt dann auch Löschanträge für beide Marken eingegangen, die sich auf § 50 Markengesetz stützen, wonach unter anderem solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen sind, die bösgläubig angemeldet wurden. Im gleichen Monat hat nun auch die Wachtturm Bibel- und Traktat - Gesellschaft der Zeugen Jehovas e.V. die Marken Erwachet! und WACHTTURM zu den Aktenzeichen 3020180218012 und 3020180218004 in den Klassen 16, 9 und 38 angemeldet. Das ganz große wirtschaftliche Desaster hat der bayerische Unternehmer mittlerweile dadurch ausgeschlossen, dass er die zunächst auf ihn persönlich registrierten Marken noch im Frühjahr 2018 auf die haftungsbeschränkte TRES Marketing Unternehmergesellschaft überschrieben hat und diese sich nun mit einem finanziell limitierten Risiko im Markenrecht tummeln darf.

Dass die eingetragenen Marken "Erwachet!" und "WACHTTURM" für den umtriebigen Bayern von vornherein wertlos waren, da ein Markenschutz nicht nur durch die formelle Eintragung einer Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt entstehen kann, sondern auch durch die Nutzung als Werktitel gem. § 5 MarkenG für den Namen von Druckschriften, dürfte ihm - wenn überhaupt - erst wesentlich später klar geworden sein. Weil im Markenrecht die Priorität von maßgeblicher Bedeutung ist, waren die Zeichenfolgen "Erwachet!" und "WACHTTURM" schon längst durch deren jahrzehntelange Benutzung als Titel der gleichnamigen Heftreihen durch das deutsche Markenrecht geschützt, so dass wegen dem Titelschutz zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit bestand, den Zeugen Jehovas die Nutzung ihrer Titel durch die wesentlich später eingetragenen Marken zu untersagen.

Montag, 15. Oktober 2018

Die Turboquerulantin erobert Bremen

Nach dem Siegeszug der Turboquerulantin in Bayern und Schleswig-Holstein war es nun für sie an der Zeit, auch dem Bundesland Bremen ihre Aufwartung zu machen. Wie gemeinhin üblich, hatte Niedersachsens prominenteste Journalistin wieder einmal unseriösen Quellen vertraut und in einem aufsehenerregenden Bericht schwerwiegende Diebstahlsvorwürfe geäußert und nicht belastbare Hintergrundinformationen zu einer versuchten Kindesentführung veröffentlicht.

Auch das Landgericht Bremen ließ sich nicht durch den Promi-Bonus der Turboquerulantin blenden und verurteilte sie antragsgemäß zur Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung. In seinem Urteil vom 06.09.2018 zum Az.: 7 O 715/17 wies das Gericht darauf hin, dass ein Unterlassungsanspruch (anders als ein etwaiger Schadensersatzanspruch) kein Verschulden voraussetze und es nicht darauf ankomme, was die Klägerin der Turboquerulantin gegenüber geäußert habe. Entscheidend sei lediglich, ob die Beklagte beweisen könne, dass die Klägerin tatsächlich gestohlen habe und mit dem Verdacht der Kindesentführung aufgegriffen worden sei, wofür sie keinen Beweis angeboten habe.

Auch der Streitpunkt der Wiederholungsgefahr wurde vom Landgericht Bremen überzeugend dargestellt: "Für das Bestehen der Wiederholungsgefahr ist unerheblich, ob es die „Bianca xxxxxxx Mitteilungsgruppe“ bei Facebook noch gibt. Denn die Klägerin macht weder Beseitigung noch Widerruf geltend, sondern Unterlassung der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Behauptungen im Internet. Da die Beklagte sich geweigert hat, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, besteht grundsätzlich Wiederholungsgefahr. Denn die Beklagte könnte die getätigten Äußerungen in anderen Mitteilungsplattformen bei Facebook wiederholen."

Trotz den überzeugenden Kritiken für ihre Darbietungen in Dachau und Pinneberg sowie dem gefeierten Debut in Bremen steht die Fortsetzung der "Deutschland ich komme-Tournee" der Turboquerulantin derzeit noch in den Sternen, denn nach Differenzen mit dem aktuellen Tourmanagement ist sogar der Wiederholungsauftritt in Bayern gefährdet, der nach der grandiosen Performance am Amtsgericht Dachau vor einem noch größeren Publikum beim Landgericht München fest gebucht war.

Freitag, 12. Oktober 2018

Todesstrafe für Handyblick

Gestern ist in Hannover ein Mann im Krankenhaus verstorben, der am Montag von einem Fahrradfahrer zusammengeschlagen wurde, nachdem letzterer dem auf´s Handy blickenden Fußgänger auf der Limmerstraße ausweichen musste. Der Sachverhalt ist sicherlich etwas komplexer und wird Gegenstand der Hauptverhandlung wegen eines Tötungsdelikts sein. Insbesondere der Umstand, dass eine erste Konfrontation ohne größere Folgen blieb und der anschließende tödliche Streit mit einem kurzen zeitlichen und räumlichen Abstand von dem nacheilenden Fahrradfahrer initiiert worden sein soll, dürfte im Strafprozess eine entscheidende Rolle spielen. Örtlichen Presseberichten zufolge soll der Täter zudem Kampfsporterfahrung haben.

Fest steht dagegen schon jetzt, dass diese Straftat eine Zäsur in dem auf der Website der Stadt Hannover als "quirligen Multikulti-Stadtteil Linden im nahen Westen der City" angepriesenen Ort bedeutet. Die für Autos gesperrte Limmerstraße ist eine Hauptader von Linden, denn, wie es die Landeshauptstadt beschreibt, lässt sich der Charakter des Stadtteils nirgendwo "besser erleben als auf und an der Limmerstraße, wo sich von jeher bei schönem Wetter die Lindener Nachbarschaft gern zum "Limmern" trifft – also zum Klönen, etwas Essen und Trinken, manchmal sogar gemeinsam musizieren und für eine Weile gesellig den Tag genießen." Auch als orthodoxer Fahrradfahrer und überzeugter Nichthandynutzer habe ich die Limmerstraße bisher immer als eine Zone besonderer Rücksichtnahme empfunden, in welcher niemand auf die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung pocht oder vermeintliche Rechte gar mit Gewalt durchsetzt. Diesen Charakter gilt es zu bewahren und ich hoffe, dass die Stadt Hannover jetzt nicht übereilt mit Maßnahmen reagiert, die das bisher jedenfalls vorhandene Gleichgewicht der Verkehrsteilnehmer ins Wanken bringt.