Montag, 23. Mai 2022

Facebook: Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen, § 353d StGB

Seit Facebook den Menschen die Möglichkeit eröffnet hat, ihren Planeten 24 Stunden pro Tag per Text- und Bildnachricht darüber zu informieren, wie langweilig und belanglos das eigene Leben ist, wird davon ausgiebig Gebrauch gemacht. Insbesondere schlicht strukturierte Menschen mit ausgeprägtem Geltungsdrang betteln auf Facebook um Aufmerksamkeit in der Hoffnung, von Menschen beachtet zu werden, denen sie selbst schon lange und intensiv folgen oder gar regelmäßig Bewunderung schenken.

Der Drang, endlich einmal selbst ins Rampenlicht zu gelangen, ist mitunter derart groß, dass ganz bewusst Grenzen überschritten werden, die die Rechtsordnung entweder zum Schutz ihrer Bürger oder gar zum Schutz eigener Prinzipien aufgestellt hat. Ein bundesweit bekanntes Beispiel dafür, dass eine derart verirrte Person mit vollem Vorsatz andere Menschen beleidigt oder falschen Verdächtigungen aussetzt, nur um selbst ins Schlaglicht der Beachtung zu gelangen, sind die grotesken Fälle der Turboquerulantin.

Ein schlichtes Gemüt gepaart mit einer unpfändbaren Erwerbsunfähigkeitsrente ließ den kriminellem Mitteilungsdrang derart reifen, dass das Amtsgericht Nienburg am Ende zahlreicher Prozesse und Ordnungsgeldverfahren entnervt aufgab und die Turboquerulantin so schonend wie möglich behandelte, um sich ihrem rechtsverachtenden Zorn wegen der damit verbundenen Arbeit möglichst dauerhaft zu entziehen.

Nun scheint ein geistiger Tiefflieger aus Niedersachsen den von der Turboquerulantin besetzten Thron umstoßen zu wollen, indem er sich mit umschweifenden Gesten in den Fokus der Justiz drängt. Zivilrechtliche Verurteilungen scheinen dem TQ-Lehrling dabei nicht ausreichend zu sein, denn Bewunderung erlangt man in kriminellen Kreisen bekanntermaßen erst mit strafrechtlich beachtlichem Wirken. Unter Facebook-Quertreibern ist insbesondere ein Verstoß gegen § 353d StGB beliebt, um seinen Mut vor der versammelten Gemeinde zu beweisen.

Eine kleine Kostprobe seines kriminellen Könnens lieferte der TQ-Lehrling daher schon am vergangenen Wochenende, als er den Wortlaut von einem amtlichen Dokument eines bei der Staatsanwaltschaft Hannover noch laufenden Strafverfahrens in wesentlichen Teilen über sein Facebook-Profil öffentlich mitteilte und dabei nicht nur die vollständigen Namen verdächtiger Facebook-Nutzer preisgab, sondern auch den Umstand, dass der Polizei von Facebook bereits gespeicherte IP- Adressen übermittelt wurden. Schließlich wurde die verbotene Mitteilung gar von der Preisgabe einer verdächtigen E-Mail-Adresse gekrönt.

Anders als es die gesetzliche Bezeichnung des Straftatbestands "Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen" auf den ersten Anschein vermuten lässt, werden von der Tatvariante nach § 353d Nr. 3 StGB Dokumente aus dem gesamten Verlauf des Strafverfahrens geschützt, mithin auch aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, also dem Stadium vor der Entscheidung der Staatsanwaltschaft darüber, ob letztlich eine Anklage erhoben werden soll.

Denn nach herrschender Meinung dient § 353d Nr. 3 StGB zwei unterschiedlichen Schutzzwecken. Einerseits soll die Unbefangenheit der an dem Verfahren Beteiligten geschützt werden, andererseits sollen die vom Verfahren betroffenen Personen davor geschützt werden, durch die Veröffentlichungen an den Pranger gestellt zu werden, noch bevor eine gerichtliche Überprüfung erfolgt ist. Wegen dieser doppelten Schutzrichtung kann die Tat auch durch die vom Verfahren selbst betroffene Person begangen werden.

Selbstverständlich habe ich wegen dieser verbotenen Veröffentlichung umgehend Strafanzeige gegen den TQ-Lehrling bei der Staatsanwaltschaft Hannover gestellt, denn es ist für mich als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht hinnehmbar, dass durch eine vorweggenommene öffentliche Diskussion amtlichen Prozessmaterials, verbunden mit einseitigen Stellungnahmen, eine Voreingenommenheit bei den Justizbehörden entsteht, welche die bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bestehende Unschuldsvermutung der angeprangerten Facebook-Nutzer gefährdet.

Donnerstag, 5. Mai 2022

Mord und Totschlag im SPIEGEL

Nach wie vor scheint es keine studierten Juristen in der Redaktion des SPIEGEL zu geben, die bereit sind, Artikel über juristische Themen wenigstens zu überfliegen, um die gröbsten Patzer zu vermeiden.

Für einen Mord wegen Totschlags verurteilt zu werden, wäre jedenfalls nach deutschem Rechtsverständnis ein kleiner Justizskandal, da sich die Tötungsdelikte Mord und Totschlag grundlegend unterscheiden, wenn auch beiden Verbrechen das gewaltsame Ableben eines Menschen gemein ist.

Man muss allerdings nicht nur im SPIEGEL vorsichtig mit der ungeprüften Übernahme von juristischen Darstellungen sein, da unwissende Schreiberlinge in zahlreichen Medien ihr Unwesen treiben, der Leserschaft ihr Halbwissen unterjubeln und dafür bisweilen auch noch gefeiert werden.