Dienstag, 31. März 2020

Brief in der Coronakrise an Bundeskanzlerin Merkel zur Systemrelevanz der Anwaltschaft

Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, schreibt einen Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und bittet sie um Solidarität mit der Anwaltschaft, damit diese auch nach der Krise für Bürgerinnen und Bürger den Zugang zum Recht weiter gewährleisten kann.

Auch die Anwaltschaft müsse als eines der tragenden Elemente unseres Rechtsstaates unterstützt werden und dürfe in der Coronakrise nicht schlechter stehen, als andere Unternehmer.

Dies sei aber dann der Fall, wenn faktisch Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Soforthilfe geschaffen werden, die ein Anwalt oder eine Anwältin nicht erfüllen könne oder die Anwaltschaft gar von vornherein ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Maßnahmenpakete ausgeschlossen werde.

Montag, 30. März 2020

Coronapostfach des OLG Celle

Gerade bekomme ich über mein besonderes elektronisches Anwaltspostfach - nach nur einer Fehlermeldung beim Einloggen - die Nachricht, dass das OLG Celle ein Postfach eingerichtet hat, in dem Anregungen, Hinweise, aber auch Beschwerden und Sachfragen, die im Zusammenhang mit der Coronakrise stehen, entgegengenommen und möglichst zeitnah beantwortet werden. Hierdurch soll ein Austausch auch zwischen den verschiedenen Organen der Justiz ermöglicht werden. Zu erreichen sei das Postfach über OLGCE-Poststelle-Corona@justiz.niedersachsen.de.

Schaden kann es wohl nicht und die Einrichtung eines neuen Postfachs ist in wenigen Minuten gemacht. Trotzdem wundere ich mich über die Schaffung eines besonderen Postfachs beim Oberlandesgericht Celle und frage mich, wie der Bedarf für eine solche Maßnahme ermittelt wurde. Denn die Terminierung von Gerichtsverhandlungen ist Teil der richterlichen Unabhängigkeit und ob eine Verhandlung stattfindet, abgesagt oder verschoben wird, entscheidet allein das zuständige Gericht, so das niedersächsische Justizministerium und es weist darauf hin, dass Ladungen zu Gerichtsverhandlungen und Terminen weiterhin Gültigkeit haben und zu befolgen sind. Würden Verhandlung abgesagt oder Fristen verlängert, so informiere das betreffende Gericht alle Verfahrensbeteiligten rechtzeitig darüber. Insoweit scheint ein besonderes Coronapostfach durchaus entbehrlich.

Sonntag, 29. März 2020

Selbstmord

Der hesssische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer hat am gestrigen Samstag Selbstmord begangen. Es handelte sich um einen sogenannten Schienensuizid auf den Bahngleisen der ICE-Strecke Köln-Frankfurt in der Gemarkung Hochheim/Massenheim. Schäfer war 54 Jahre alt, hatte auch Jura studiert und war Rechtsanwalt. Im Gegensatz zu meinem begrenzten beruflichen Wirken konnte er allerdings auf eine beeindruckende politische Karriere in der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) zurückblicken und war seit dem Jahre 2010 Finanzminister mit guter Aussicht, einmal hessischer Ministerpräsident zu werden.

Durch seinen Suizid lässt er eine Frau, zwei Kinder im Alter von 9 und 12 Jahren sowie ein Bundesland in einer der schwersten Krisen der Nachkriegszeit zurück, so dass die Frage gestellt wird, was ihn dazu getrieben hat, sich vor einen Eisenbahnzug zu werfen und wie ein solcher Selbstmord einzuordnen ist.

Im Mittelalter wurde die Selbsttötung noch als Verbrechen geahndet, weil der Selbstmörder in das Recht Gottes eingegriffen habe. Deshalb konnte ihm kein Begräbnis in geweihter Erde gewährt werden. Die christliche Kirche strafte den Selbstmörder, indem sie ihre Teilnahme durch Glockenläuten und Gesang am Begräbnis verweigerte. Der kirchliche Einfluss bestimmte auch den Begräbnisort. Die Kirche verwehrte ein Begräbnis in geweihter Erde, der weltliche Richter gebot das Verscharren unter dem Galgen oder ein Eselsbegräbnis. Als gefährliche Wiedergänger wurden Selbstmörder auch auf Kreuzwegen mit einem Pfahl durch den Leib vergraben.

Die "Wissenschaftliche-praktische Beurtheilung des Selbstmordes nach allen seinen Beziehungen als Lebensspiegel für unsere Zeit" von Ferdinand Friedrich Zyro aus dem Jahre 1837 kommt immerhin noch zu folgendem Schluss:

"Es sträubt sich aber nicht minder auch das menschliche, und noch viel mehr das christliche Gefühl und Bewußtsein dagegen; denn, wer sich mordet, hat an der Menschlichkeit selbst sich vergriffen, und seine Bestimmung als Mensch und Christ nicht erfüllt. Es ist ein Hohn der Menschlichkeit, der im Selbstmord liegt, freilich ein solcher, den wir nicht verdammen, nur bedauern können, aber immerhin ein Hohn. Der Selbstmörder zertritt seine Krone, die er empfangen aus der Hand des Schöpfers, und vernichtet empörerisch seinen Adelsbrief. Daher das Entsetzen, das durch nichts beseitigt werden kann - es ist ein horror naturalis. Ein feierliches Leichenbegräbnis steht mit diesem Entsetzen im Widerspruch, und kann nie erbaulich, immer nur niederschlagend, ja vernichtend sein. Wäre es dieses nicht, so läge eine mehr oder minder offene Billigung des Selbstmordes darin."

Selbstverständlich wird es aktuell trotz der Parteizugehörigkeit Schäfers kaum jemand wagen, Kritik am Suizid des verstorbenen Finanzministers zu äußern, insbesondere deshalb, weil er sich gegen die Vorwürfe eines Fehlverhaltens weder verteidigen noch Besserung geloben kann. Es muss allerdings erlaubt sein, jemanden als Fehlbesetzung in einem Ministeramt zu bezeichnen, der sich seiner politischen und menschlichen Verantwortung durch Selbsttötung gerade in dem Moment entzogen hat, als Kompetenz und ein hohes Durchhaltevermögen gefordert waren, um durch die professionelle Steuerung des Finanzministeriums der Wirtschaft und Bevölkerung Hessens ein Debakel zu ersparen. Nicht umsonst sagt ein Sprichwort: "Erst in der Krise beweist sich der Charakter."

Im politischen Leben macht es allerdings kaum Sinn, die unabänderliche Vergangenheit zu bewerten, da die Gegenwart Handlungen erfordert, welche die Gestaltung der zukünftigen Politik nicht behindern. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier würdigte Dr. Thomas Schäfer daher als einen Mann, der sich höchste Verdienste erworben habe und mit dem das Land eine herausragende Persönlichkeit verliere. Auch verneige er sich "in allerhöchstem Respekt und in tiefer Dankbarkeit."

Freitag, 27. März 2020

Turboquerulantin stärker als Corona

Unbeeindruckt von den Schwächlingen in Politik, Wirtschaft und Justiz setzt die Turboquerulantin auch in der Corona-Krise ihren Feldzug für Wahrheit und Gerechtigkeit fort. Mit unerschütterlicher Zuversicht walzt unser gegen Gerichte und andere Seuchen immuner Richterschreck die in der Pandemie strauchelnden Feinde nieder.

Wieder einmal hat es einen französischen Adeligen erwischt, der seine Herkunft nicht verleugnen möchte und ausdauernd um das Recht kämpft, nicht stets aufs neue von seiner unermüdlichen Widersacherin beleidigt zu werden. Nun ist dem Comte de Montfort in seinem Kampf um das Ansehen der französischen Adels-Dynastie das Amtsgericht Gelsenkirchen mit Urteil vom 06.03.2020 zum Az.: 405 C 78/20 zu Hilfe geeilt und hat der Turboquerulantin verboten, über Twitter die Behauptung zu veröffentlichen, der Spross aus hohem Hause tätige Straftaten wie üble Nachrede und Verleumdung, obwohl er dies gar nicht getan hat.

Angeblich hat der pandemieresistente Justizpanzer aber schon Beweismittel für seine ungeheuerlichen Behauptungen an die zuständige Staatsanwaltschaft übergeben und das angeblich strafbare Verhalten des blaublütigen Grafen ohne zu zögern angezeigt. Weil die in Rede stehenden Beweismittel wahrscheinlich gerade von der Staatsanwaltschaft ausgewertet werden, hat es die Turboquerulantin zunächst unterlassen, sich in Gelsenkrichen adäquat zu verteidigen. Wir sind daher ganz gespannt, ob unserem Türbchen in Kürze der Turnaround gelingt oder ob der wackere Graf mit Residenz in Hagen eine neue Kerbe in seinen schon beeindruckend geriffelten Knüppel schnitzen kann.

Donnerstag, 26. März 2020

adidas - Glücksfall für die Anwaltschaft

Gegenüber der BILD-Zeitung soll eine Unternehmenssprecherin von adidas erklärt haben: "Es ist richtig, dass adidas, wie viele andere Unternehmen auch, vorsorglich Mietzahlungen temporär aussetzt wo unsere Läden geschlossen sind. Wir sind dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch." Der Entschluss gelte für Geschäfte in Europa und allen Ländern, in denen die adidas-shops wegen der Corona-Krise geschlossen bleiben müssen.

Leicht verdientes Geld für von der Corona-Krise gebeutelte Rechtsanwälte, die von den Vermietern der von adidas angemieteten Läden beauftragt werden, die verspäteten Mietzahlungen zunächst außergerichtlich einzufordern. Sollte adidas nach anwaltlicher Aufforderung die nicht gezahlte Miete weiter schuldig bleiben, dürfte weiteren Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren nichts entgegenstehen. Gültige Mietverträge gelten trotz Corona-Krise.

Im Geschäftsjahr 2019 steigerte sich der adidas-Gewinn aus fortgeführten Geschäftsbereichen um 12 % auf 1,918 Milliarden EUR. Damit dürften trotz Corona-Krise genug liquide Mittel bei dem börsennotierten Unternehmen vorhanden sein, um den Vermietern der Läden rückständige Mieten und anfallende Rechtsanwaltskosten erstatten zu können. Ein starkes Signal zu richtigen Zeit am einbrechenden Markt für Rechtsdienstleistungen

Freitag, 20. März 2020

AUSGANGSSPERRE

Auch der Coronavirus-Ausbruch kommt nicht ohne Juristen aus. Aktuell werden in den Parlamenten des Bundes und der Länder die Rechtsgrundlagen diskutiert, um bundesweit oder landesweit eine Ausgangssperre verhängen zu können.

Es besteht weitgehend Einigkeit, dass das Infektionsschutzgesetz keine Möglichkeit vorsieht, außerhalb von Verdachtslagen oder Erkrankungen eine Quarantäne oder gar Ausgangssperre zu verhängen, da damit immer die durch Artikel 11 Grundgesetz garantierte Freizügigkeit betroffen ist. Wen das Thema Ausgangssperre und Coronavirus interessiert, sollte sich den Aufsatz von Anika Klafki durchlesen, der für den herkömmlichen Gebrauch insoweit alle Fragen beantwortet.

Donnerstag, 19. März 2020

beA - ungültige Empfänger

Wer als Rechtsanwalt mit Abneigung gegen sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus den Gang zur Post vermeiden wollte und daher nun doch endlich auf das beA zurückgreifen wollte, konnte in den letzten Tagen nicht nur von der Fehlermeldung "Server nicht erreichbar" ausgebremst werden, sondern auch von dem [Fehler: 03-022], der auf ungültige Empfänger verweist. Weder aus der eigenen Favoritenliste noch über den Button "Empfänger hinzufügen" konnte an das Amtsgericht Hannover ein Schriftsatz versendet werden.

Das ist natürlich insbesondere dann schade, wenn man nach 5 oder 6 vergeblichen Versuchen endlich den Server erreicht hat und dann quasi auf der Zielgeraden gestoppt wird. Mittlerweile lasse ich mich von solchen Meldungen aber nicht mehr aus der Ruhe bringen, denn mein beA lügt mich regelmäßig an. Als häufiger Home-Office-User verlege ich den Versand über das beA häufig in die Abend- und Nachtstunden, denn das hat sich bewährt. So gegen 01:00 Uhr war dann auch das Amtsgericht Hannover wieder erreichbar, auch über meine Favoritenliste. Wie gesagt, grundsätzlich ist das beA äußerst nützlich aber leider auch äußerst unzuverlässig. 

Donnerstag, 12. März 2020

CORONAVIRUS - IT-Recht-Dezernat geschlossen

Liebe Mandanten, nachdem es nun auch in Hannover-Isernhagen die erste bestätigte Infektion mit dem Corona-Virus gegeben hat, werden im Dezernat IT-Recht ab sofort vorsorglich  keine persönlichen Besprechungstermine mehr vereinbart und bereits vergebene Termine werden abgesagt.

Ich bitte darum, wie es im Dezernat IT-Recht ohnehin überwiegend üblich ist, auf telefonische Besprechungen, Skype-Konferenzen und E-Mail-Verkehr zurückzugreifen. Sämtliche Fristen im Schriftverkehr bleiben bestehen und werden gewahrt.

Im üblichen Geschäftsablauf hat sich sonst nichts geändert. Über Verlegungen von Gerichtsterminen angesichts der derzeitigen Gefahrensituation werden wir unsere Mandanten per Telefon und E-Mail persönlich unterrichten. Bislang hat sich für keinen der anstehenden Gerichtstermine eine Änderung ergeben.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Ralf Möbius LL.M.
Rechtsinformatik
Fachanwalt für IT-Recht
Informationstechnologierecht

Mittwoch, 11. März 2020

Xavier Naidoo - Meinungsfreiheitstest

https://www.bitchute.com/video/TBai4Lv8DJnJ/
Jeden Tag gibt es in der Öffentlichkeit kleine Übungsfälle zum Erlernen der Abgrenzung von Äußerungen, die der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit unterfallen, von solchen, die verbotener Schmäkritik oder gar strafrechtlich relevantem Verhalten zuzuordnen sind. Mittlerweile fühlt sich ganz Deutschland kompetent genug und deshalb dazu berufen, diese schwierige Abgrenzung mit wenigen Worten für in die Kritik geratene Äußerungen vorzunehmen. Was berufserfahrenen Richtern oftmals nicht gelingt und dann bisweilen vom Bundesverfasungsgericht zu Gunsten des Äußernden korrigiert wird, glauben Journalisten mit Hilfe von moralischen Mustern wie "Unverschämtheit", "Hetze" oder "Rassismus" leisten zu können und ersetzen notwendige juristische Abwägungen durch verkürzte Wertungen, die angesichts des weitreichenden Schutzes der Meinungsfreiheit oftmals zu falschen Ergebnissen führen.

Der aktuelle Übungsfall betrifft das oben eingebundene Video des Künstlers Xavier Naidoo, das äußerst geringe Anforderungen an den juristischen Sachverstand eines jeden Zuhörers stellt, um herauszufinden, ob die dort gesungenen Worte von der Meinungsfreiheit gedeckt sind oder nicht. Angesichts der am kommenden Samstag anstehenden DSDS-Liveshow mit Xavier Naidoo bei RTL, darf man gespannt sein, welche Konsequenzen dessen gesungene Worte nach sich ziehen werden. Denn auch von der Meinungsfreiheit geschützte Texte führen oftmals zu Konsequenzen, die aus rechtlicher Perspektive nur für eindeutig rechtswidrige Äußerungen angemessen wären.

Dienstag, 10. März 2020

Richterschelte mit Zivilcourage

Nach einer Entscheidung des Landgerichts zu Gunsten unseres Mandanten möchte die Gegnerin die Richter mit gütiger Strenge belehren. Offenbar war die telefonische Rüge beim Vorsitzenden auf taube Ohren gestoßen, so dass sich die charakterstarke Opponentin anschließend zu einer schriftlichen Mahnung veranlasst sieht:

"Sehr geehrter Herr (Vorsitzender am Landgericht),
wie ich Ihnen heute am 25.02.2020 um 9:20 Uhr telefonisch mitgeteilt habe, haben auch Sie sich an Recht und Ordnung zu halten!"

Wer die Klaviatur der Richterschelte mit schlafwandlerischer Sicherheit beherrscht, weiß, dass man mit Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung auch Landgerichte sturmreif schießen kann:

"Da es sich um Betrugsdelikte und Hochstapelei der Gegenpartei und dessen Anwälte handelt und sie die Rechtsbeugung § 339 StGB ihrer Kollegin Frau (Vorsitzende am Amtsgericht) decken, zeige ich auch dieses an! Hiermit stelle ich Strafantrag und Strafverfolgung sämtlicher Delikte, sämtlicher rechtlichen Gesichtspunkte gegen die Gegenpartei, dessen Anwälte und die Richter, da sie sich nicht an Recht und Ordnung halten und Rechtsbeugung begehen!"

Der Verweis auf den Amtseid packt jeden Richter bei seiner Ehre und so wird dieser Schachzug geschickt in den Rügekanon eingebaut:

"Auch lasse ich mich nicht von Richtern unter Druck setzen nur weil die sich nicht an Recht und Ordnung halten! Ich erinnere sie, Herr (Vorsitzender am Landgericht) und ihre Kollegin Frau (Vorsitzende am Amtsgericht), dass sie einen Eid als Richter abgelegt haben, ob mit Gottes Hilfe oder ohne! Also halten sie sich auch daran!"

Eine messerscharfe juristische Subsumtion treibt die Richter weiter in die Enge:

"Außerdem lasse ich mich nicht einschüchtern, bedrohen, mundtot machen und wobei die Gerichte dann noch der Gegenpartei helfen und sie in ihren kriminellen Machenschaften unterstützen! Dieses ist auch Beihilfe durch die Richter. Auch wenn Richter unabhängig sind haben sie sich an Recht und Ordnung zu halten und dürfen keine Straftaten begehen!"

Als ob es nicht schon genug wäre, an der Berufsehre der Richter zu kratzen, soll es den gescholtenen Robenträgern nun auch noch an ihren Geldbeutel gehen:

"Auch wäre es meiner Meinung nach eine Nötigung von ihnen, Herr (Vorsitzender am Landgericht), da sie ja gesagt haben, dass ich das Urteil entweder akzeptiere oder mir einen Anwalt nehme! Ich werde diese Urteile niemals akzeptieren, da sie prozessuale Mängel beinhalten und diese von ihnen nicht ausgeräumt wurden! Sie haben als Richter dafür Sorge zu tragen, dass niemand zu Schaden kommt und hier haben sie mit ihren Kollegen mich finanziell und gesundheitlich geschädigt! Dazu bestehe ich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld!"

Nach der Erläuterung strafbaren Verhaltens, dem Appell an die Berufsehre und der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Entscheidungsträger, steht als letzter Punkt des Generalangriffs auch noch die Intelligenz des erkennenden Gerichts zur Debatte:

"Traurig an der Sache ist, dass ich erst den Richtern, die ja intelligente Personen sein wollen, daraufhin aufmerksam machen muss. Aber keine Angst, Herr Vorsitzender, ich war so nett und lasse mich nicht einschüchtern und halte mich an die Gesetze und habe auch das zur Anzeige gebracht! Denn ich besitze ja schließlich Zivilcourage!"

Mit dem Stichwort "Zivilcourage" möchte ich meinen kurzen Bericht über eine Frau schließen, deren sozialer Mut im Alltag beispielhaft ist. Gegen den Strom zu schwimmen, etwas deutlich zu kritisieren und öffentlich zu handeln, auch wenn damit ein persönliches Risiko verbunden ist, dafür stehen in Deutschland nur noch wenige Menschen ein. Respekt.

Freitag, 6. März 2020

Rechtsanwaltszwang

Der sogenannte Rechtsanwaltszwang ist ist entgegen dem ersten Anschein kein ausgeklügeltes Normenkonstrukt, um Rechtsanwälte zu disziplinieren oder zu bestimmten Verhaltensweisen zu zwingen, sondern der Zwang gegenüber den Parteien eines Rechtsstreits, sich vor bestimmten Gerichten von einem Rechtsanwalt vertreten lassen zu müssen.

Ein Rechtsstreit, bei dem ein solcher Zwang nach § 78 ZPO besteht, nennt sich Anwaltsprozess. Der Vertretungszwang vor einem Gericht dient zum einen dem Schutz des Gerichts vor einer Belastung mit Rechtsmitteln, deren Erfolgsaussichten die Beteiligten nach ihrer mangelnden Vorbildung nicht richtig einzuschätzen in der Lage sind und folglich auch nicht richtig und fachkundig zu führen wissen. Der Anwaltszwang soll verhindern, dass sich die davon betroffenen Gerichte mit jeglichem Unsinn auseinandersetzen müssen, den der juristische Laie für Recht hält. Damit sind in der Regel Schriftsätze, die eine Partei vor einem deutschen Landgericht, Oberlandesgericht oder gar dem Bundesgerichtshof einreicht, rechtlich vollkommen unbeachtlich.

Kritische Stimmen halten einen derartigen Vertretungszwang allerdings für unvereinbar mit höherrangigem Recht, insbesondere für einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK. Denn nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren in angemessener Frist verhandelt wird.

Es ist jedoch durch die Rechtsprechung anerkannt, dass der Zugang zum Gericht durch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht absolut gewährleistet wird, sondern internen Beschränkungen unterliegen darf. Dabei muss aber die in Art. 6 EMRK gegebene Garantie in ihrem Wesensgehalt unangetastet bleiben. Die Beschränkungen für den Zugang zu den Gerichten müssen im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich sein, ein berechtigtes Ziel verfolgen und auch verhältnismäßig sein.

Der Anwaltszwang wird zuweilen auch als Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union angesehen, da dieser Artikel bestimmt, dass sich jede Person vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten lassen darf. Nach Ansicht der Rechtsprechung schränkt das Recht des Einzelnen, sich vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten zu dürfen, die Mitgliedsstaaten aber nicht darin ein, aus prozessökonomischen Gründen vor bestimmten Gerichten einen Anwaltszwang vorzuschreiben.

Schließlich verstößt der Zwang, sich in bestimmten Prozessen durch einen Anwalt vertreten lassen zu müssen auch nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, da die Möglichkeit, sich vor einem deutschen Landgericht, Oberlandesgericht oder gar dem Bundesgerichtshof Gehör zu verschaffen durch § 78 ZPO weder unzumutbar noch in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird.

Wer seinem Ärger oder seiner aufgestauten Frustration also durch wildes Geschreibsel vor den genannten Gerichten höchstpersönlich Luft verschaffen will, kann das natürlich gerne tun, darf aber als nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht erwarten, dass die seitenlangen Ausführungen oder gar eingelegte Rechtsbehelfe zu dem gewünschten Ergebnis führen. Immerhin mag es dem ein oder anderen Bürger etwas Erleichterung verschaffen, wenn er seine Leiden selbst zu Papier bringt und das Gefühl hat, wenigstens ein bisschen Beachtung zu finden.

Dienstag, 3. März 2020

Dietmar Hopp im Fadenkreuz

Für Ultras sei SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp "die Fratze des kommerzialisierten Fußballs, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss", berichtet die BILD-Zeitung. Weil Hopp seinen Jugend- und Herzensklub TSG 1899 Hoffenheim von der zweitniedrigsten Klasse mit privaten Mitteln hinauf in die Bundesliga geführt habe, stehe er derzeit mit fernsehgerecht platzierten Bannern im Zentrum der Kritik zahlreicher Fußballfans. Das Gesicht von Dietmar Hopp auf einem großen Plakat hinter einem Fadenkreuz interpretiert die BILD dennoch als "eine eindeutige Morddrohung". Auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Fritz Keller, meint: "Das mit diesem Fadenkreuz ist meines Erachtens eine versteckte Morddrohung."

Das ist natürlich falsch, aber im Kampf um die Hoheit in deutschen Stadien kann eine Kriminalisierung des harten Kerns der Fußballfans durchaus nützlich sein. Öffentlich in Frage gestellt wird diese Interpretation der Fadenkreuz-Plakate nämlich nicht. Das mag auch an den zahlreichen auf Hopp bezogenen Hurensohn-Plakaten liegen, die als simple Schmähungen den differenzierten Blick auf die personalisierten Fadenkreuze für überflüssig erscheinen lassen. Dabei kennt doch jeder die Metapher "im Fadenkreuz stehen" oder "etwas im Fadenkreuz haben" genauso, wie den umgangssprachlichen Ausdruck "jemanden im Visier haben" als Redewendung für eine intensive aber regelmäßig gewaltlose Fokussierung. Ausgenommen von einer strafrechtlich relevanten Drohung sind aber alle Ankündigungen, die nicht als objektiv ernst zunehmende Bedrohung mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Angesprochene sich von den Ankündigungen beeindrucken lässt.

Im Rahmen der Betrachtung einer Äußerung als denkbare Bedrohung oder Beleidigung ist ihre Interpretation mit der Meinungsfreiheit immer dann unvereinbar, wenn das Strafrecht so weit ausgedehnt wird, dass die Erfordernisse des Ehren- oder Institutionenschutzes überschritten werden und für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr gelassen wird. Desgleichen verbietet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als Schutznorm der Meinungsfreiheit Auslegungen von Äußerungen im Lichte des Strafrechts, von denen ein derart abschreckender Effekt auf den Gebrauch der Meinungsfreiheit ausgeht, dass aus Furcht vor Sanktionen in Zukunft auch zulässige Kritik unterbleibt.

Jedenfalls verstoßen Bestrafungen, die den Sinn einer umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn bei mehrdeutigen Äußerungen lediglich die zur Strafbarkeit führende Bedeutung einer Äußerung zugrundelegt wird, ohne vorher alle anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben. Lassen Formulierung oder Umstände die nicht strafbare Deutung einer Äußerung zu, so verstößt ein Strafurteil, das diese übergangen hat, gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch die BILD-Zeitung dürfte erkannt haben, dass die Fadenkreuzplakate keine Morddrohung sind, sondern nur eine auf den Punkt gebrachte Kritik an der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs, die sich überaus leicht an einem Milliardär festmachen lässt, der seinen Provinz-Club mit eigenem Geld einfach in die Bundesliga geschoben hat.