Mittwoch, 23. Juni 2021

Deutschland, Fußball, Regenbogen

Ein Gesetzesentwurf der Fidesz-Partei des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán ist am Dienstag vergangener Woche im Parlament verabschiedet worden, der nach Presseberichten ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Medien vorsieht, in denen Kindern und Jugendlichen Inhalte zugänglich gemacht werden, die von einer heterosexuellen Orientierung abweichen. Werbung, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil der Normalität erscheinen, wird demnach verboten. Außerdem soll das Gesetzespaket strengere Strafbestimmungen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie ein „Pädophilen-Register“ vorsehen. Der Gesetzesentwurf soll hier abrufbar sein. 

Leider kann ich kein ungarisch und erspare mir angesichts schlechter Erfahrungen mit Berichterstattungen über juristische Sachverhalte ein vorschnelles Urteil über den Regelungsgehalt des vielfach kritisierten Gesetzes. Eine verlässliche Übersetzung des in Rede stehenden Gesetzes habe ich bislang nämlich nicht gefunden. Die Kritik an der UEFA, welche die Bitte des Münchener Oberbürgermeisters, wegen der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes das Stadion in München beim kommenden Gruppenspiel der UEFA Europameisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben beleuchten zu dürfen, abgelehnt hat, halte ich auch deshalb für falsch.

Die Begründung der UEFA, die bei ihrer Stellungnahme für die ablehnende Entscheidung auf ihre Rolle als politisch und religiös neutrale Organisation verweist, ist angesichts des politischen Kontextes der speziellen Anfrage als Reaktion auf die Entscheidung des ungarischen Parlaments dagegen nachvollziehbar. Sich als neutraler Sportverband grundsätzlich nicht in politische Entscheidungen parlamentarischer Demokratien einzumischen, sollte selbstverständlich sein. Politiker und Parteien, die gerade nicht den Anspruch haben, neutral zu sein, können dagegen auch ohne verlässliche Quellen und Informationen Kampagnen starten, die ihrem Ansehen bei den Wählern nützlich sind. Es ist geradezu ein taktisches Gebot, schnell auf sich bietende Gelegenheiten zur Selbstdarstellung zu reagieren. Ungarisch muss man dafür auch nicht verstehen.

Sonntag, 13. Juni 2021

Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 2

Wenn ich an den ehemaligen Rechtsanwalt denke, der ohne Zulassung ein knappes halbes Jahr weiter prozessierte, bis sein kriminelles Treiben vom Landgericht Frankfurt gestoppt wurde, kommen mir immer seine alten Tricks aus glücklicheren Tagen in den Sinn, die er in den Verfahren abgezogen hatte, in denen wir uns gegenüber standen. Er glänzte in allem, was nicht mit den Rechtsfragen des Prozesses zu tun hatte.

Bis heute ist er der erfolgreichste Terminsverleger, den ich je erlebt habe und ich muss gestehen, dafür bewundere ich ihn immer noch. Einsame Spitze sind unangefochten auch seine Verstöße gegen das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts nach § 12 BORA. Weil die Verletzung des Umgehungsverbots einen wesentlichen Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht darstellt, gehen Streitereien um einzelne anwaltliche Schreiben sogar bis zum Bundesgerichtshof. Derartige Peanuts dürften dem Rechtsbrecher in Robe allenfalls ein müdes Lächeln entlockt haben.

Denn mit über 100 E-Mails an meine Mandantin und über 150 E-Mails an einen anderen Mandanten während zweier laufender Verfahren dürfte der ertappte Titelschwindler noch zu Anwaltszeiten beachtliche Rekorde aufgestellt haben. Über die konkreten Sanktionen in den deswegen von mir initiierten Berufsrechtsbeschwerden habe ich von der zuständigen Rechtsanwaltskammer leider nichts mehr erfahren.

Vor dem Landgericht Rostock hatte ich mich noch erfolgreich gegen Hinweise an meine Mandantin wie "Übrigens kann man Mandate auch kündigen." und "Wenn Sie die Klage nicht ins Netz gestellt haben, dann kann das nur Ihr Anwalt gewesen sein, der sich damit nach § 203 StGB schwer strafbar gemacht hat. Und so einem Anwalt vertrauen Sie?" gewehrt, bevor wir uns dann ein wenig aus den Augen verloren haben.

Mit welchem Selbstverständnis der Ex-Anwalt später eine Straftat nach der anderen beging, dürfte sich aus einer der vielen E-Mails ergeben, die er damals unter Verletzung seiner Berufspflicht an meinen Mandanten schrieb: "Nicht auch als Anwalt, sondern gerade als Anwalt sollte man ein Gewissen haben! Das unterscheidet mich von gewissen anderen Anwälten." Sich selbst noch im Moment des Begehens des Rechtsbruchs einen Heiligenschein anzudichten, ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Donnerstag, 10. Juni 2021

Entzug des Doktorgrads wegen Täuschung - mal wieder

Die Freie Universität Berlin entzieht Franziska Giffey den Doktorgrad. Ihre Arbeit, "Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft", genüge nicht den Anforderungen an die Gute Wissenschaftliche Praxis. Seit dem Jahr Jahr 2010 durfte sich die ehemalige Familienministerin mit dem akademischen Grad einer Doktorin der Politikwissenschaft (Dr. rer. pol.) schmücken, bis dieser nun wegen der Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung entzogen wird. Bereits im Vorfeld des Prüfungsverfahrens hatte Giffey Angela Merkel erfolgreich um die Entlassung aus dem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebeten.

Da kommt bei unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel bald Routine auf, denn auch der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan wurde der Doktorgrad vom Fakultätsrat der Universität Düsseldorf wegen vorsätzlichen Täuschungen entzogen und der frühere Verteidigungsminister Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg wurde durch die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth von der Last seines Doktortitels befreit, weil er die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei ebenfalls vorsätzlich getäuscht hatte.

Das sind alles keine großen Überraschungen und wer sich entsetzt über das Ausmaß der Korruption in den oberen Reihen der Bundespolitik zeigt, hat immer noch nicht begriffen, dass es der Mehrzahl der Berufspolitiker eher um einen Platz an den üppigen Versorgungstöpfen der Republik geht, als um die ehrliche Interessenvertretung der Bundesbürger. Wer sich im Parteiklüngel hochbuckelt, hat das Lügen als unverzichtbares Mittel zum Weiterkommen verinnerlicht und nur ein wenig Pech, wenn sich sein unübersehbares Fehlverhalten schließlich nicht mehr unter den Teppich kehren lässt.

Mittwoch, 9. Juni 2021

Die Rückkehr des Wutrichters

Vor einiger Zeit noch hatte ich den Wutrichter weggebloggt, aber wie man es aus amerikanischen Filmreihen um den Scherzkeks mit dem rot-grün gestreiften Pullover oder dem Unhold mit der Eishockeymaske kennt, sind Bösewichter unsterblich und begeistern das Publikum stets aufs Neue.

Wie in jeder guten Forstsetzung geht es in der Besetzung weiter, die schon vorher erfolgreich war und so sind neben dem Wutrichter des Amtsgerichts Hagen auch wieder der Comte de Montfort und seine Gegenspielerin aus dem Lager der Turboquerulantin als auch meine Wenigkeit dabei.

Los geht es diesmal mit einem lustigen Beschluss vom 5. Mai 2021, in welchem der Komödiant mit der Richterrobe seine Abneigung gegen bürgerliche Freiheiten in eine rechtsmittelfähige Entscheidung gießt, die Mobberherzen höher schlagen lässt.

Etwas fantasielos ist natürlich die Einleitung des Beschlusses, wonach unklar sei, wer durch die streitgegenständlichen Beleidigungen gemeint sei, aber dafür entschädigen die kreativen Ausführungen über die "Subkultur der modernen Kommunikationsmedien".

Abfällige Bezeichnungen wie Schwachkopf, Hampelmann, Trottel oder Spasti seien in sozialen Netzwerken eher als humorvolles oder albernes, feierabendliches Unterhaltungsgerede denn als ernst gemeinte Äußerung der Missachtung zu verstehen. Schließlich gibt der Wutrichter dem Mobbingopfer quasi einen Leitsatz mit auf den Weg:

Wer im Internet unter einer zulässigen Bezeichnung mit dem Wissen auftritt, dass die von ihm gewählte Bezeichnung in bestimmten Personengruppen unerwünscht ist, muss die über ihn aus diesen Personengruppen heraus geäußerten Beleidigungen hinnehmen.

Das erinnert mich ein wenig an "Indianer kennt keinen Schmerz" und ist natürlich Schwachsinn. Was mir an dem Beschluss gefällt, ist die Hemmungslosigkeit des Rechtsbruchs unter der Flagge richterlicher Unabhängigkeit. Einfacher kann man deren Missbrauch kaum entlarven.