Dienstag, 30. Juli 2013

Das Killermandat

Ein Konglomerat aus Gosse, Gutmenschen und unternehmerisch denkenden Kollegen scheint der Verteidigerin von Beate Zschäpe das Berufsleben derartig schwer gemacht zu haben, dass diese Ende Juli 2013 nicht nur ihre bisherige Kanzlei in Berlin verlässt, sondern auch ihren Wohnort nach Köln verlegt. In ihrer Kanzlei in Berlin sei die Sorge um den Ruf bei Mandanten mit türkischen Wurzeln gewachsen und der Druck auf die Partner, sich beruflich und privat für eine im wirtschaftlichen Sinne als "Killermandat" einzuordnende Verteidigung im NSU-Prozess rechtfertigen zu müssen, die man persönlich nicht führe und selbst niemals angenommen hätte, zu gross gewesen. Andere Berliner Kanzleien hielten eine Zusammenarbeit mit Frau Sturm wegen der Verteidigung von Beate Zschäpe ebenfalls für ausgeschlossen.

Eine Randnotiz des NSU-Prozesses, welche die Rolle von Rechtsanwälten vor allem in ihrer Stellung als Strafverteidiger anschaulich beleuchtet. § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung bezeichnet Rechtsanwälte als "unabhängige Organe der Rechtspflege". Dass diese Redewendung in fast allen Bereichen der beruflichen Tätigkeit eines Anwalts nicht viel mehr als eine leere Phrase ist, dürfte selbst Laien klar sein. Das Strampeln von Berufsanfängern um die Beiordnung als Pflichtverteidiger durch Weihnachtsgeschenke an Richter oder stromlinienförmige Kooperation in der Hauptverhandlung, die Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte für bedürftige Kolleginnen und Kollegen oder die Sorge um den eigenen Ruf bei Mandanten sind wirtschaftlichen Umständen geschuldet, welche eine Unabhängigkeit im rechtlichen Sinne wie ein blosse Worthülse erscheinen lassen.

Wie heisst es so schön auf der Website der DATEV unter der Überschrift "Der Anwalt als Unternehmer": "Der zunehmende Konkurrenzdruck im anwaltlichen Geschäft verlangt von Kanzleiinhabern, neben der fachlichen Tätigkeit auch den unternehmerischen Aspekten der Kanzleiführung Priorität einzuräumen. Der beste Weg zu einer stärkeren wirtschaftlichen Ausrichtung der Kanzlei ist eine gezielte Steuerung unter Kosten- und Nutzenaspekten. Stärken und Schwächen lassen sich damit relativ einfach aufspüren - wie auch die wirklich Gewinn bringenden Mandate."

Diese nicht aus der Luft gegriffene Werbung läßt die ehernen Rufe nach Rechtsstaatlichkeit in einer anderen Frequenz wahrnehmen. Für Rechtsstaatlichkeit scheint man sich als Anwalt nicht viel kaufen zu können und das Recht auf ein faires Verfahren für den Angeklagten bedeutet nur in einem kleinen Umfang die Deckung der monatlichen Tilgungsrate des Kredits für ein Reihenendhaus - oder einen Bentley. Andererseits wird sich die Entscheidung, Beate Zschäpe zu verteidigen, langfristig auch über das NSU-Verfahren hinaus wirtschaftlich auszahlen. Wer als Anwalt wegen eines unpopulären Mandats seine Kanzlei verläßt und den Wohnort wechselt, zeigt als Verteidiger und Fachanwalt für Strafrecht auch dann ein herausragendes Profil, wenn er den Druck des wirtschaftlichen Umfelds bei Übernahme des Mandats unterschätzt hat und sich nicht ganz freiwillig auf die Reise macht.

Einen Vorgeschmack auf Gegenwind aus den eigenen Reihen hatte Anja Sturm schon bei der Vorstandswahl der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V im Januar dieses Jahres bekommen, als sie nicht in den Vorstand gewählt worden war. Ein Vereinsmitglied hatte die Wahl gegenüber der taz wie folgt kommentiert: „Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich sie nicht an der Spitze der altehrwürdigen Strafverteidigervereinigung haben“.

Donnerstag, 25. Juli 2013

Filesharing - kein fliegender Gerichtsstand

Das Amtsgericht Frankfurt am Main folgt in einem Filesharing-Fall mittels Hinweisbeschluss zum Az.: 30 C 906/13 (25) jener Rechtsauffassung nicht, wonach allein eine Abrufbarkeit eine örtliche Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO begründet, weil dieses dem Bild des gesetzlichen Richters widersprechen würde. Es sei eine Einschränkung erforderlich, wonach über die generelle Abrufbarkeit hinaus ein weitergehender Bezug zu dem angerufenen Gericht erforderlich ist. Selbst wenn man eine Wahlmöglichkeit der Klägerin über den „fliegenden Gerichtsstand“ als grundsätzlich für möglich erachten würde, so wäre die Klage vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main trotzdem unzulässig, weil die Klägerin der Verpflichtung, ihrer Wahl nach Treu und Glauben auszuüben, nicht nachkommen würde, weil die Klägerin ihren Sitz in Bad Marienberg, die Rechtsanwälte ihren Sitz in Hamburg und der Beklagte seinen Wohnsitz in Wolfsburg hätten.

Ferner hat das Gericht Zweifel, dass die eingeklagten Kosten der Abmahnung nach dem RVG unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr zu berechnen seien, weil die Klägerin außergerichtlich eine vergleichsweise Beilegung gegen Zahlung von EUR 1.498,00 angeboten hätte. Wäre der Klägerin tatsächlich ein Schaden hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 859,80 entstanden, so würde die Klägerin, die den Schadensersatzanspruch im Rahmen des Vergleichs mit 1000,- EUR beziffert, ein erhebliches Verlustgeschäft betreiben, was als fernliegend anzusehen sei.

Mittwoch, 24. Juli 2013

JW Handelssysteme GmbH - "Todesurteil" durch Amtsgericht Mönchengladbach

Das Amtsgericht Mönchengladbach hat durch Urteil vom 16.07.2013 zum Az.: 4 C 476/12 entschieden, dass der JW Handelssysteme GmbH gegenüber einem Verbraucher keine auf eine Mitgliedschaft bei "mega-einkaufsquellen.de" zu gründende Forderung zustehe. Die Anmeldung bei der JW Handelssysteme GmbH sei weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen und bei natürlichen Personen bestehe grundsätzlich die Annahme, dass es sich um einen Verbraucher handele. Bei verbleibenden Zweifeln sei zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden.

Mit der unterbliebenen Angabe im Feld „Firma“ habe der Kläger außerdem zum Ausdruck gebracht, dass er keine Firma habe. Auch sonst hätte der Kläger keine Angaben gemacht, aus denen die JW Handelssysteme GmbH als Beklagte hätte schließen können, dass der Kläger Unternehmer sei. Außerdem habe die gemäß § 312g Abs. 3 Satz 2 BGB erforderliche gut lesbare Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ oder eine entsprechende eindeutige Formulierung auf der Schaltfläche nicht vorgelegen. Die Schaltfläche der Beklagten enthielt lediglich die Formulierung „Jetzt anmelden“.

Selbst unter Zugrundelegung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Klägers sei ein Zahlungsanspruch der Beklagten zu verneinen, da die Entgeltlichkeitsklausel der Beklagten nach Auffassung des Gerichts als überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden sei.

Ein Verbraucher hatte sich durch eine negative Feststellungsklage gegen eine Zahlungsaufforderung der JW Handelssysteme GmbH gewehrt. Nach der Auffassung des Amtsgerichts Mönchengladbach, das sich auf insgesamt 8 Seiten die Mühe gemacht hatte, sich intensiv mit den Rechtsfragen zu einer Anmeldung auf der Plattform "mega-einkaufsquellen.de" auseinanderzusetzen, hätte nach dem Stand der Dinge zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sogar für einen Unternehmer keine Zahlungspflicht bestanden. Ein Urteil, dass man im übertragenen Sinne für tödlich aus der Sicht der umstrittenen Ex-Melango.de GmbH halten kann.

Montag, 15. Juli 2013

Elfmeter für Bushido, BILD im Tor!

Väterchen Volkszorn Franz Josef Wagner lässt es krachen. Über meine heimliche Liebe zur Rubrik "Post von Wagner" bei der BILD-Zeitung hatte ich an anderer Stelle bereits berichtet und auch heute lohnt sich ein Blick in das Schatzkästchen von Wagner. Während sich der Fachanwalt für IT-Recht mit einer sachlichen Reaktion auf das Video „Stress ohne Grund“ begnügt, kann der Träger des Journalisten-Preises Goldene Feder dem Träger des Bambi-Integrationspreises unter dem Titel "Böser Bushido" mühelos auf gleichem Niveau begegnen:
  • "Was für ein Idiot Mensch sind Sie?"
  • "Was soll ich einem Mann sagen, der so ein Video dreht. Arschloch. Idiot."
  • "Wie wäre es, wenn wir alle liebevoller, fürsorglicher miteinander umgehen. So ein Arsch wie Bushido hätte in unserer Gesellschaft nichts mehr zu suchen.
  • Bushido, du bist eine dumme Wurst.".
BILD und Bushido bald auf Promotion-Tour vor Gericht?

Sonntag, 14. Juli 2013

Bushido, Wowereit und Analverkehr

Der deutsche Berufsmusiker und Bambi-Integrationspreisträger Anis Mohamed Youssef Ferchichi, unter Musikfreunden besser bekannt unter dem Künstlernamen "Bushido", hat zusammen mit Michael Schindler alias "Shindy" mit einem Lied des Titels "Stress ohne Grund" bundesweit für erhebliche Empörung gesorgt. Grund für die öffentliche Kritik an den beiden Sprechgesangskünstlern mit Migrationshintergrund sind folgende Zeilen aus der Kategorie Gangster-Rap, in welchen Herr Ferchichi sich über in der Öffentlichkeit bekannte Personen wie folgt äußert:
  • "Halt die Fresse, fick die Presse, Kay Du Bastard bist jetzt vogelfrei Du wirst in Berlin in Deinen Arsch gefickt wie Wowereit"
  • "Ich verkloppe blonde Opfer so wie Oli Pocher"
  • "Ich mach´ Schlagzeilen, fick deine Partei und ich will das Serkan Törun jetzt ins Gras beisst" (es folgen zwei Schüsse)
  • "Ich schiess´ auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz"
Keine nackten Frauen, unspektakuläre Kulisse, mangelnder Wortwitz und die zwanghafte Aneinanderreihung von Kraftausdrücken kennzeichnen den musikalisch wenig einprägsamen Hilferuf der beiden Randgruppenvertrteter. In der Presse wird dem Durchschnittsmachwerk dennoch die kalkulierte Aufmerksamkeit gewidmet und es war zu lesen, dass jedenfalls der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der integrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, Strafanzeige erstatten wollen. Wieder einmal stellt sich deshalb die Frage, was darf Kunst. Handelt es sich bei der sprachlich eher primitiven Wortfolge des in Rede stehenden Textes überhaupt um Kunst?

Unabhängig von der vom Bundesverfassungsgericht wiederholt hervorgehobenen Schwierigkeit, den Begriff der Kunst abschließend zu definieren, stellt das Lied "Stress ohne Grund" jedenfalls ein Kunstwerk dar, welches in freier schöpferischer Gestaltung die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse der beiden durch das in bildungsfernen Bevölkerungskreisen einschlägige Streben nach Erfolg und materiellem Wohlstand geprägten Künstler mittels einer bestimmten Musikform zur Anschauung bringt. Und wie gemeinhin bekannt, ist das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht mit einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt versehen. Dennoch ist die Kunstfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet ihre Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen.

Gerade wenn man den Begriff der Kunst im Interesse des Schutzes künstlerischer Selbstbestimmung weit fasst und nicht versucht, mit Hilfe eines engen Kunstbegriffs künstlerische Ausdrucksformen, die in Konflikt mit den Rechten anderer kommen, von vornherein vom Grundrechtsschutz der Kunstfreiheit auszuschließen, muss sichergestellt sein, dass Personen, die durch Künstler in ihren Rechten beeinträchtigt werden, ihre Rechte auch verteidigen können und in diesen Rechten auch unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit einen wirksamen Schutz erfahren. In dieser Situation sind die staatlichen Gerichte den Grundrechten beider Seiten gleichermaßen verpflichtet. Auf strafrechtliche und private Klagen folgende Eingriffe in die Kunstfreiheit sind daher daran zu messen, ob sie den Grundrechten der Künstler und der durch das Kunstwerk Betroffenen gleichermaßen gerecht werden würden.

Weil die Redewendung "in Deinen Arsch gefickt wie Wowereit" durch den Umstand, dass Analverkehr insbesondere unter homosexuellen Männern eine übliche Form des Geschlechtsakts ist, lediglich als allgemeiner und vulgärer Hinweis auf die Homosexualität des Berliner Bürgermeisters Wowereit verstanden werden darf, welche letzterer selbst in der Öffentlichkeit bestätigte, kann dieser Teil des Liedes wohl nicht als Persönlichkeitsrechtsverletzung gewertet werden. Ein auch äußerst vulgärer Hinweis auf die Homosexualität des Berliner Bürgermeisters sollte die Kunstfreiheit des Liedtextes in seiner Gesamtheit insoweit nicht einschränken können.

Die Zeile "Ich verkloppe blonde Opfer so wie Oli Pocher" greift aus keiner Perspektive entscheidend in die Rechte von Herrn Pocher ein, weil selbst die Benennung als "Opfer" keine Bezeichnung wäre, welche in diesem Zusammenhang das Grundrecht der Kunstfreiheit einzuengen vermag. Darüber hinaus bleibt offen, ob insoweit nicht sinnbildlich angedeutet werden soll, dass Herr Pocher selbst bereits Dritte zu Opfern gemacht - sozusagen verkloppt - hat und die Künstler ihm insoweit nur nacheifern möchten, (vgl. Landgericht Hannover, Urteil vom 11.01.2006, Az.: 6 O 73/05).

Der lediglich als überspitzte Formulierung und allgemein durchaus als geschmacklos zu bewertende Wunsch, dass "Serkan Törun jetzt ins Gras beisst", kann auch unter der Prämisse, dass dieser Äußerung über den integrationspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Musikstück zwei Schüsse folgen, nicht als Bedrohung gewertet werden, zumal sich dieser Zeile keinerlei Wertung entnehmen läßt, dass die Künstler über die blosse Äußerung des Wunsches hinaus an dessen Umsetzung denken oder gar mitwirken möchten. Denn unerläßlich für die objektive Tatseite des § 241 StGB ist nämlich, daß die Tathandlung nach Art und Umständen objektiv geeignet ist, bei einem "normal" empfindenden Menschen den Eindruck der Ernstlichkeit der Ankündigung zu erwecken. Wegen dieses objektiven Maßstabs werden all die Ankündigungen aus dem Deliktsbereich ausgeschlossen, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohung mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich davon hat beeindrucken lassen. Dem Tatbestand unterfallen demzufolge nicht Handlungen und Äußerungen, die zwar nach dem äußeren Erscheinungsbild eine "Verbrechensandrohung" zu enthalten scheinen, die aber nach ihrer konkreten Erscheinungsform als provozierender Liedtext zweier um Aufmerksamkeit buhlender Sprechgesangskünstler nicht die Besorgnis zu rechtfertigen vermögen, daß ein "normal" empfindender Mensch durch sie ernstlich beunruhigt werden könnte (vgl. Amtsgericht Rudolstadt, Beschluss vom 09.07.2012, Aktenzeichen 355 Js 15271/12 1 Ds jug).

Die Wendung "Ich schieß´ auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz" scheint jedoch auch im Lichte der Kunstfreiheit eine unzulässige Äußerung zu sein, weil sich die Künstler insofern selbst eines Verbrechens gegen Frau Roth rühmen und damit eine auf die Politikerin bezogene Menschenverachtung einhergeht, die durch eben diese Kundgabe von Missachtung und Nichtachtung als Beleidigung gem. § 185 StGB aufgefaßt werden muß. Zwar wird unter der Massgabe der konkreten Kunstform auch insoweit nicht von einer Bedrohung nach § 241 StGB ausgegangen werden können, aber die mit dem Lied einhergehende Beleidigung von Frau Roth dürfte ihr aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitetes Persönlichkeitsrecht und den damit verbundenen Anspruch auf Achtung ihrer Persönlichkeit verletzen und insofern einen Abwehranspruch gegenüber der ehrverletzenden Äußerung begründen.

Insgesamt ist die Aufregung um die Veröffentlichung des Songs ein gelungener Marketingerfolg, da sich aggressive Rap-Texte in der Hauptzielgruppe jugendlicher Konsumenten besonders gut verkaufen lassen. Die Publicity ist eine schlichte Folge der Tatsache, dass auch die führenden Musiklverlage dazu übergegangen sind, unter jugendlichen und erwachsenen Kriminellen glaubwürdige und damit umsatzträchtige Stars zu suchen, um diese gezielt zur Gewinnmaximierung in Musikproduktionen einzubinden. Damit bekommen auch vermehrt sozial benachteiligte Musiker eine Chance, sich erfolgreich in das Wachstumsstreben der Medienindustrie zu integrieren. Mit der Veröffentlichung des umstrittenen Musikstücks "Stress ohne Grund" hat Bushido jedenfalls gezeigt, dass er seine Lektion als Schulabbrecher im Medienbusiness gelernt hat und ein würdiger Träger des ihm vom Burda-Verlag im Jahre 2011 verliehenen Bambi-Integrationspreises ist.

Freitag, 12. Juli 2013

Hannover - falscher Anwalt ruft Mutter wegen angeblicher Notlage des Sohnes an, Mutter übergibt 10.000,- Euro an Boten

"Vertrauen Sie mir, ich bin Rechtsanwalt" wird der Anrufer der 78 Jahre alten Frau aus Hannover nicht unbedingt gesagt haben, allerdings nutzte er das allgemeine Vertrauen in den anwaltlichen Berufsstand aus, als er sich gegenüber der betrogenen Frau als Anwalt ihres Sohnes ausgab, der dringend Geld benötigen würde, weil er mit dem Auto eine Frau angefahren habe, deren Operation 10.000,- Euro kosten würde. Ohne die umgehende Bereitstellung des Geldes drohe ihrem Sohn Gefängnis, verängstigte der Anrufer die Mutter. Als noch während des Telefonats ein Bote an der Tür klingelte, zögerte die alte Dame nicht und übergab dem etwa 20 Jahre alten Mann die geforderte Summe, um ihrem Sohn zu helfen. Traue nur dem Anwalt, den du kennst?  

Donnerstag, 11. Juli 2013

Mega-Einkaufsquellen.de : Amtsgericht Bremen-Blumenthal weist Zahlungsanspruch von Melango.de gegen Privatperson zurück

Nachdem schon das Amtsgericht Neuss mit Urteil vom 08.01.2013 zum Az.: 101 C 4710/12 entschieden hatte, dass der Melango.de GmbH gegenüber einer Privatperson keine auf eine Mitgliedschaft zu gründende Forderung zusteht, hat nun auch das Amtsgericht Bremen-Blumenthal mit Urteil vom 21.06.2013 zum Az.: 45 C 1233/12 einen Zahlungsanspruch für die angeblich vertragliche Nutzung der Website www.mega-einkaufsquellen.de verneint.

Anfang November 2012 war der Kläger über Facebook auf die Seite www.mega-einkaufsquellen.de gestoßen. Auf dieser Seite fand er mehrere Angebote zu Outdoor-Jacken und musste feststellen, dass man ohne eine Anmeldung keinen Zugriff auf die Angebote hat. Auf der Seite wurde mit damit geworben, dass eine Anmeldung schnell und einfach abgeschlossen sei. Es machte ihm den Anschein kostenlos zu sein, denn es waren nirgends Kosten aufgelistet, nur recht gute Angebote für interessante Waren. Der Anmeldevorgang war einfach: Name, Vorname, Telefon, Adresse, E-Mail. Alle Felder hatte er wahrheitsgemäß ausgefüllt und bei Firma nichts eingetragen, da er privat Angebote suchte. Von daher war er der Auffassung, sich für ein Portal wie Ebay, Facebook oder Googlemail etc. angemeldet zu haben. Nach erfolgreicher Anmeldung erhielt er dennoch eine Zahlungsaufforderung und Vertragsbestätigung. Nachdem er die Zahlungsaufforderung erhalten und gelesen hatte, reagierte er sofort und antwortete, dass er keinen Vertrag wünschen würde und seine Anmeldung widerrufen möchte. Er nutzte das Portal auch nicht. Daraufhin erhielt er eine E-Mail, dass sein Widerruf zur Kenntnis genommen wurde, jedoch nicht berücksichtigt werden könne, weil er kein Widerrufsrecht habe.

Weil Melango.de auf der Zahlung des Mitgliedsbeitrags für die Seite Mega-Einkaufsquellen.de bestand, sah der Betroffene keine andere Möglichkeit, als sich durch eine negative Feststellungsklage zur Wehr zu setzen. Trotz einer durch Melango.de erhobenen Widerklage reichte die Energie des umstrittenen Online-Anbieters, der nun unter JW Handelssysteme GmbH firmiert, nicht zum Erscheinen in der mündlichen Verhandlung aus, so dass das Amtsgericht Bremen-Blumenthal durch Versäumnisurteil dem Begehren des Klägers entsprach, festzustellen, dass die Forderung von Melango.de nicht besteht und zugleich die Widerklage von Melango.de auf Zahlung des Mitgliedsbeitrags abwies.

Sonntag, 7. Juli 2013

Deutschland 2013: Genitalverstümmelung bei Mädchen verboten - bei Jungen weiter erlaubt

Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 05.07.2013 ein vom Bundestag am 28.06.2013 angenommenes Gesetz gebilligt, nach welchem in Zukunft die Beschneidung der Genitalien von Frauen und Mädchen ausdrücklich verboten wird. Der zukünftig geltende § 226a StGB wird wie folgt lauten:

226a StGB

Verstümmelung weiblicher Genitalien

(1) Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.“

Das Gesetz wird nun noch dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt.

Die Beschneidung der Genitalien von Jungen ist dagegen - als Reaktion des Parlaments auf ein Urteil des Landgerichts Köln vom 07. Mai 2012 zum Az.: 151 Ns 169/11, das die Beschneidung eines Jungen als Körperverletzung gewertet hatte - seit dem 28. Dezember 2012 ausdrücklich der Personensorge der Eltern unterstellt und darf bei Säuglingen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt sogar von Nichtmedizinern durchgeführt werden:

§ 1631d BGB

Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Prof. Dr. Bernhard Hardtung vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und strafrechtliche Nebengebiete der Universität Rostock hatte der gesonderten Strafbarkeit der Frauenbeschneidung in seiner Stellungnahme zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags eine Verletzung des in Art. 3 Grundgesetz normierten Gleichheitsgrundsatzes bescheinigt, weil die Strafbarkeit der Frauenbeschneidung einzig an das Geschlecht des Tatopfers anknüpft.

Alle vorgelegten Entwürfe zu Sonderstraftatbeständen der Frauenbeschneidung wären gleichheitswidrig: "Sie wollen Frauenbeschneidungen, die genauso schwer wiegen wie eine Männerbeschneidung oder sogar leichter, schwerer bestrafen; sie wollen schwere Formen der Frauenbeschneidung schwerer bestrafen als vergleichbar schwere (dann: misslungene) Formen der Männerbeschneidung."

Bananenrepublik!

Donnerstag, 4. Juli 2013

Tschechische Republik mahnt ab und klagt

Der Botschafter der Tschechischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Rudolf Jindrák, lässt für sein Land wegen der Registrierung der Domain "czech-republic.de" Abmahnungen aussprechen und die Abmahnkosten einklagen.
Der promovierte Jurist aus Prag, der erst im Jahre 2012 mit dem Kulturpreis Karl IV. für seine Verdienste um die Verständigung zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wegen dessen Engagements für Kultur und Wissenschaft in beiden Ländern ausgezeichnet wurde, unterstreicht mit der von ihm initiierten Klage nicht zuletzt die zum Teil unrühmliche Stellung des deutschen Rechtsinstituts der Abmahnung im europäischen Rechtswesen.

Auch für die jüngste Abmahnung der nur knapp 36 Stunden dauernden Registrierung der Domain "czech-republic.de" hatte der tschechische Botschafter einen findigen Rechtsanwalt aus Berlin beauftragt, der noch am Tag der Registrierung der Domain umgehend tätig wurde. Für das nunmehr als Schadensersatz von der Tschechischen Republik eingeklagte Honorar in Höhe von EUR 2.118,44 nahm sich der Anwalt aus der Bundeshauptstadt natürlich auch an einem Samstag die Zeit, zwei DIN-A4-Seiten seines Briefpapiers leicht zu modifizieren. Ein schönes Geschäft, denn ausser der Anrede des Gegners und der Daten mußte an der Abmahnung nichts geändert werden, weil Botschafter Dr. Jindrák ein gleichlautendes Schreiben genau acht Tage vorher an einen anderen Vorbesitzer der gleichen Domain versenden liess - ebenfalls versehen mit einer Forderung von Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 2.118,44.

Die Besonderheit des tschechischen Abmahn-Modells liegt in dem Umstand begründet, dass Tschechien selbst keinerlei Interesse daran hat, die Domain für sich zu registrieren und nur darauf gewartet wird, dass sich der nächste Registrant ins Fadenkreuz einer gebührenträchtigen Abmahnung begibt. Dabei ist die vollständige Rolle des beauftragten Anwalts in diesem Abmahn-Modell noch ungeklärt, weil der abmahnende Rechtsanwalt von Oktober 2007 bis April 2010 selbst noch Inhaber der für ihn heute so einträglichen Domain "czech-republic.de" war.

Zahlreiche Rechtsnachfolger des geschäftstüchtigen Anwalts erhielten bereits eine kostenpflichtige Abmahnung aus seiner Hand. Denkbaren Registrierungskosten der Domain in Höhe von jährlich ca. EUR 10,- stehen so die mit dem Abmahn-Modell einhergehenden Anwaltskosten von je EUR 2.118,44 pro Abmahnung gegenüber, für die das Land zunächst in Vorlage gehen muss. Geht eine Klage auf Abmahnkosten nur einmal ins Leere, bleibt das Land auf Anwaltsgebühren sitzen, für die es die Domain über 200 Jahre lang hätte registriert halten können. Ein wirtschaftlich gesehen inakzeptables Vorgehen und sicher kein Ruhmesblatt für den persönlichen Repräsentanten des Staatsoberhauptes der Tschechischen Republik.

Die Tschechische Republik selbst hält das Honorar in Höhe von EUR 2.118,44 für die von Botschafter Dr. Rudolf Jindrák beauftragte Abmahnung auch wegen des tschechischen Bruttonationaleinkommens und des Staatshaushalts des Landes für gerechtfertigt. Unklar bleibt dabei, wie die aktuell längste Rezession seit der Gründung der Tschechischen Republik den derzeit angenommenen Streitwert in Höhe von EUR 105.000,- für die Abmahnungen beeinflusst hat.

Es erscheint jedenfalls bemerkenswert, dass Dr. Jindrák als Botschafter Tschechiens, dessen Wirtschaftleistung als eine der schlechtesten in Europa wegen eines Verlusts von zirka 3,2 Milliarden Euro im Jahresvergleich gilt, sein Land ausgerechnet auf einen Nebenkriegsschauplatz schickt, der selbst die bundesdeutsche Regierung mit dem "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" zum Handeln gegen Massenabmahnungen veranlasst hat.  

Montag, 1. Juli 2013

"Haben Sie Lust auf eine Runde Sex?" - letzter Teil

Was am Anfang dieses juristischen Lehrstücks mit dem Drang eines jungen Familienvaters nach sexueller Erfüllung ausserhalb seiner Partnerschaft begann, endete in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Celle am 04. Juni 2013 mit der Unlust des einst unausgelasteten Draufgängers, sich dem Abschluss der Auseinandersetzung persönlich oder durch einen anwaltlichen Vertreter zu stellen.

Sich die Niederlage mit einer höheren Anwaltsrechnung versüßen zu lassen hätte nach dem richterlichen Hinweis vom 11. Juni 2012 zum Az.: 13 U 71/12 allerdings auch masochistische Züge gehabt, so dass der 13. Celler Zivilsenat am Ende nur ein Versäumnisurteil zu verkünden hatte, welches das am 14. März 2012 vom Landgericht Hannover verkündete Urteil der 6. Zivilkammer zum Az.: 6 O 335/11 aufhob, in welchem der vom paarungsfreudigen Disponenten in einem menschenleeren Bürogebäude bedrängten Putzfrau verboten worden war, über diesen zu behaupten, dass er sie gefragt habe „Haben Sie Lust auf eine Runde Sex?".

Die Namhaftmachung des Verletzers des vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Schamgefühls und des Rechts, in Ruhe gelassen zu werden, war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt, weil die Namhaftmachung nach Inhalt, Form und Begleitumständen das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung des rechtlich gebilligten Zweckes der Rechtsverteidigung bildete.

Die juristische Aufarbeitung der Angelegenheit fiel in eine Zeit, in der ein blaugelber Politständer seine welke Fahne am falschen Platz hisste und damit eine Sexismus-Debatte entfachte, in dessen Folge der Fokus des öffentlichen Interesse auch auf Nebengeräusche dieses Falls gelenkt wurde. In einem Emma-Artikel war etwa zu lesen, dass die Vorsitzende in der Verhandlung am Landgericht Hannover die Feststellung traf, dass der Satz "Haben Sie Lust auf eine Runde Sex?" auf Mallorca eine ganz normale Begrüßung sei und der mit der Sache vertraute Rechtsreferendar während der Ausführungen des Gerichts grinste und vielsagende Grimassen zog. Ausserdem, dass erst die Unterstützung der Chefin einer zweiten Stelle als Bürokraft in einer Physiotherapie-Praxis der belästigten Putzfrau (links im Bild neben ihrer Chefin vor dem OLG Celle) die Kraft gab, in die Berufung zu gehen, in welcher der vom Landgericht angeordnete Rollentausch vom Opfer zur Täterin ein Ende hatte.

Nach Abschluss des erfolgreichen Verfahrens bleibt dennoch festzuhalten, dass der Entschluss, sich gegen eine sexuelle Belästigung ohne Zeugen zu wehren ein hohes Risiko birgt, zum Schluss nicht nur erfolglos zu sein, sondern auch als Lügner dazustehen und zusätzlich auf den hohen Kosten der Rechtsverteidigung sitzen zu bleiben.