Donnerstag, 30. August 2018

Haftbefehl Chemnitz

Deutschland befindet sich aktuell in einem angeregten Meinungsaustausch über Ereignisse, die ein Tötungsdelikt am 26.08.2018 in Chemnitz nach sich zog. Ein deutscher Staatsbürger verstarb in Folge mehrerer Messerstiche, für die ein irakischer und ein syrischer Staatsbürger verantwortlich sein sollen. So jedenfalls lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Chemnitz.

Details über diese Vorwürfe kann man dem ungeschwärzten Haftbefehl entnehmen, der mit Hilfe einschlägiger Suchbegriffe leicht über Google gefunden werden kann. Die Veröffentlichung des Haftbefehls ist derzeit jedenfalls strafbar und so bemühen sich die Strafverfolgungsbehörden aktuell darum, herauszufinden, wer für diese Veröffentlichung verantwortlich ist. Weil durch die Segnungen des Internets und die damit eröffneten Möglichkeiten der Teilhabe der einfachen Bürger an der öffentlichen politischen Diskussion die Meinungsfreiheit eine enorm gesteigerte Bedeutung erfahren hat, gilt es für den sich öffentlich Äußernden umso mehr, die Gesetze zu beachten, welche die Meinungsfreiheit entscheidend einschränken.

Während sich die Tatbestände der Beleidigung nach § 185 StGB und der Volksverhetzung gem. § 130 StGB zu omnipotenten Werkzeugen der Staatsanwaltschaften gemausert haben und dadurch längst ins geschärfte Blickfeld des Meinungskampfes gerückt sind, fristet der Tatbestand der verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen nach § 353d StGB derzeit noch das Dasein eines Mauerblümchens. Das dürfte sich nun mit der Veröffentlichung des Chemnitzer Haftbefehls ein wenig geändert haben, denn mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Dokuments öffentlich eine Mitteilung macht,

2. entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Dokument zu seiner Kenntnis gelangt sind, oder

3. die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Eine beachtliche Bürgerpflicht ist es daher zum Beispiel, seiner Empörung über die eigene Verfolgung seitens der Strafverfolgungsbehörden so lange nicht durch die Veröffentlichung einschlägiger Dokumente aus dem eigenen Strafverfahren Ausdruck zu verleihen, bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist.

Montag, 6. August 2018

Wer aufessen will hat keine Angst

Das Gewaltschutzgesetz wird immer beliebter, denn mit wenig Aufwand und geringem Kostenrisiko kann man versuchen, sich Personen vom Leib zu halten, von denen man sich bedrängt fühlt. Dass ein kleiner Gewaltschutztest nach § 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) auch für Hobbyopfer nicht zu teuer wird, garantiert § 49 des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG), wonach der Verfahrenswert regelmäßig 2.000 Euro beträgt und nach § 41 FamGKG sogar nur 1.000 Euro, wenn man versucht, im Eilverfahren eine einstweilige Anordnung zu bekommen.

Die Dringlichkeit ist in Gewaltschutzverfahren eigentlich der Regelfall, denn die Angriffe eines Täters sollen natürlich umgehend unterbunden werden. Grundsätzlich eine gute Idee des Gesetzgebers, die auch unter Facebook-Fans immer wieder empfohlen wird, spricht doch § 1 Absatz 1 GewSchG davon, dass ein Täter zur Unterlassung gezwungen werden kann, Verbindung zur verletzten Person unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufzunehmen und nach § 1 Absatz 2 GewSchG kann sogar die Verfolgung des Opfers unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verboten werden.

Bisweilen nutzen scheinbare Opfer das Gewaltschutzgesetz allerdings dazu, anhand bloßer "Glaubhaftmachung" ohne Beweisaufnahme und Anhörung des angeblichen Täters einen Beschluss zu erwirken, um abseits einer tatsächlichen Gefährdungslage einen aussagekräftigen Beschluss in die Hand zu bekommen, mit dem man seinen Freunden gegenüber belegen kann, wie bösartig der angebliche Täter ist und schließlich hat man auch noch die Möglichkeit, den Antragsgegner mit dem Beschluss zu drangsalieren.

Ein solches Unterfangen gelingt allerdings nur dann, wenn die Räuberpistole nicht allzu durchschaubar ist und das Gericht mangelhaft neuronal vernetzt ist. Ein schönes Beispiel einer solch` gescheiterten Attacke mit Hilfe des Gewaltschutzgesetzes durfte ich kürzlich bis vor das Amtsgericht Gelsenkirchen begleiten. Das Scheinopfer interessierte sich schlicht zu intensiv für den Scheintäter und ließ sich durch seine Anwesenheit nicht einmal den Appetit verderben, wie das Amtsgericht Gelsenkirchen zutreffend in seinem abweisenden Beschluss zum Az.: 102 F 107/18 vom 27.06.2018 erkannte:

"Ferner verwundert, warum sie am 15.05.2018 wieder das Cafe del Sol besucht hat, obwohl sie vermutet hat, der Antragsgegner werde davon ausgehen, dass sie, wie in der Woche davor, wieder dieses Lokal aufsuchen wird. Auch erstaunt, dass sie, nachdem der Antragsgegner sich ihnen genähert hatte, nicht weggegangen ist, sondern sich ins Innere des Lokals begeben hat und dort insgesamt noch fast zwei Stunden geblieben ist, um zu essen, insbesondere auch noch aufessen wollte, obwohl sie der Antragsgegner angeblich eineinhalb Stunden "umkreiste" und sie schon die Polizei gerufen hatte. Dies tut wohl niemand, der Angst hat. Auch wenn das Recht dem Unrecht nicht weichen muss, stellt sich doch die Frage, wie die Antragstellerin mit ihrem eigenen Verhalten gegenüber der Anwesenheit des Antragsgegners begründen will, dass sie nicht mehr das Haus verlassen kann, ohne von der Angst gequält zu sein, dem Antragsgegner ausgesetzt zu sein."