Zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten wurde gestern ein 25-Jähriger aus Neuss vom Landgericht Mönchengladbach verurteilt, der sich als "Earl of Bristol" ausgegeben und zwischen November 2018 und August 2020 in 64 Fällen unter falschem Namen Luxusautos gebucht und Häuser oder Appartements angemietet hatte. In erster Instanz war der mehrfach vorbestrafte Hauptschulabbrecher vom Amtsgericht Mönchengladbach wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Fahrens ohne Führerschein noch zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Ein Geständnis in der zweiten Instanz hatte dem Scheinadligen immerhin noch einen beachtlichen Strafnachlass eingebracht.
In zahlreichen Fällen hatte sich der kriminelle Hochstapler die in Deutschland weit verbreitete Demutshaltung gegenüber angeblich adligen Personen zu Nutze gemacht und den getäuschten Vertragspartnern mit dem Namen "Earl of Bristol" eine tatsächlich nicht vorhandene gesellschaftliche Stellung vorgegaukelt, durch welche sie auf eine ebenfalls nicht bestehende Zahlungsfähigkeit schlossen. Leider wissen die wenigsten Menschen in Deutschland, dass seit In-Kraft-Treten der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 die republikanische Staatsform eingeführt und durch den bis heute geltenden Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Weimarer Reichsverfassung der Adel durch die Aufhebung seiner öffentlich-rechtlichen Vorrechte rechtswirksam abgeschafft wurde.
Immer wieder fallen schlecht informierte Bürger auf angeblich adelige Betrüger herein, weil auch die deutsche Presse mit der falschen Darstellung eines tatsächlich abgeschafften Standes nahezu einheitlich vorspiegelt, dass der Adel bis heute in Deutschland existiert. Kleine Betrüger wie der "Earl of Bristol" sind dabei nur die Spitze des Eisbergs, denn die weit verbreitete Unkenntnis über die Abschaffung des Adels in Deutschland gereicht landauf, landab öffentlich agierenden Hochstaplern zum Vorteil, indem sie der Allgemeinheit, vertreten durch untertänige Volksvertreter, ruinöse Schrottimmobilien andrehen oder öffentliche Mittel für sanierungsbedürftige Baudenkmäler ergattern und es dabei gleichzeitig schaffen, eine Diskussion über den offensichtlich eigenen Vorteil nahezu auszublenden. Die Unterwürfigkeit der umschmeichelten Politik kostet den Steuerzahler in solchen Fällen Millionen.
So schwirren in ganz Deutschland falsche Fürsten, Grafen, Prinzen und angebliche Erbprinzen weitgehend unbehelligt durch die Promi- und Presselandschaft und sonnen sich dabei in der Idiotie einer Gesellschaft, die sich von dem geschickt agierenden Fake-Adel gebauchpinselt fühlt. Bisweilen bröckelt die Fassade des deutschen Scheinadels, wenn es um Alkohol- oder Drogeneskapaden geht oder der vom Größenwahn besoffene Pseudoadel jegliche Vorsicht im Rechtsverkehr außer acht lässt und sich dann doch vor bürgerlichen Gerichten verantworten muss. Das geht bisweilen soweit, dass sogar die Strafjustiz einschreiten muss, wenn nach gesellschaftlicher Anerkennung süchtige Blender den Hals nicht vollkriegen können und unbefugt gem. § 132a StGB geschützte Berufsbezeichnungen benutzen. Das ist nämlich - im Gegensatz zur rechtlich unbeachtlichen Nutzung eines falschen Adelstitels - tatsächlich verboten.