Im Moment ist der sogenannte Migrationspakt in aller Munde, der derzeit als Entwurf des Ergebnisdokuments der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, Marrakesch (Marokko) am 10. und 11. Dezember 2018 existiert. Mit anderen Worten ein Vertragsentwurf, der auf jener Konferenz so oder anders unterzeichnet werden könnte. In deutschen Zeitungen ist zu lesen, dass Deutschland keinerlei Verpflichtung mit der Unterzeichnung des Paktes eingehen würde, denn "Dieser Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar, der auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben."
Nun ist ja ein Pakt ist nichts anderes als ein Vertrag und da komme ich als Rechtsanwalt in die Versuchung, mitreden zu wollen. Wenn mich also ein Mandant fragen würde, ob er diesen "rechtlich nicht bindenden" Pakt unterzeichnen solle, würde ich ihm zunächst antworten, dass ich ihn im Wortlaut lesen müsste. Das ist recht einfach zu machen, denn der Migrationspakt ist nicht zu lang. Nun habe ich ihn im Volltext gelesen und den "rechtlich nicht bindenden" Migrationspakt zunächst einmal im Hinblick auf etwaige Verpflichtungen untersucht. Allein die Textanalyse ergibt für das Wort "Verpflichtung" 28 Treffer und für das Wort "verpflichten" gar 46 Treffer. Als guter Anwalt wird man da schon misstrauisch, denn wer sich in einem Vertrag über 70 Mal explizit verpflichtet etwas zu tun, könnte es schwer haben, sich anschließend auf eine einzige allgemeine Klausel zu berufen, die lediglich von einem Kooperationsrahmen spricht. Man könnte das nämlich so verstehen, dass die kooperierenden Länder untereinander keine rechtlich bindenden Verpflichtungen eingehen, wie und wann die vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Allerdings könnte das schon ganz anders denjenigen gegenüber aussehen, zu dessen Gunsten man sich im Migrationspakt ausdrücklich verpflichtet hat.
Möglicherweise könnte Frankreich Deutschland nicht zu einer nationalen Umsetzung der Verpflichtung zwingen, zu gewährleisten, dass Migranten nicht strafrechtlich dafür verfolgt werden können, dass sie Gegenstand der Schleusung waren. Ein Migrant könnte dagegen möglicherweise mit Erfolg versuchen, eigene Rechte aus dieser Verpflichtung herzuleiten. Ich würde ihm als Anwalt jedenfalls dazu raten.
Angesichts des ungleichmäßigen Bevölkerungswachstums in dieser Welt dürften auch unterschiedliche Interessen für eine Unterzeichnung bestehen. Geht man davon aus, dass bis zum Jahre 2100 allein in Nigeria 750 Millionen Menschen mehr leben werden und in Deutschland 25 Millionen Menschen weniger, würde ich einem Waschmaschinenhersteller raten, den Migrationspakt auf jeden Fall zu unterzeichnen. Was nützt es denn einem Waschmaschinenhersteller, wenn er im Jahre 2100 nur noch 60 Millionen potentielle Kunden in Deutschland hat, von denen sich jeder 10 Waschmaschinen kaufen kann, aber nur eine braucht? In Nigeria gibt es dagegen bis zum Jahre 2100 etwa eine Milliarde potentieller Kunden, von denen sich jeder bestenfalls eine halbe Waschmaschine leisten kann, weil die Entwicklungsstufe seines Landes kein höheres Pro-Kopf-Einkommen ermöglicht. Da ist ein Migrationspakt mit einer moderaten Umverteilung der Ressourcen zwischen allen Ländern doch eine hervorragende Lösung. Der Deutsche kann sich danach nur noch 7 Waschmaschinen kaufen, der eingewanderte Nigerianer zwei Waschmaschinen und der daheimgebliebene und von Deutschland unterstützte Nigerianer immerhin noch eine Waschmaschine. Eine fantastische Lösung für den Waschmaschinenhersteller, der statt lediglich 60 Millionen potentieller Kunden in Deutschland im Jahre 2100 deutlich mehr als eine Milliarde Menschen in beiden Ländern beglücken kann.
In Richtung Migrationsoptimierung ist mir der Text des "unverbindlichen" Pakts fast schon ein wenig zu ehrlich, denn er liest sich wie eine Gebrauchsanweisung für Migrationsfetischisten: "Wir müssen sicherstellen, dass gegenwärtige und potenzielle Migranten vollständig über ihre Rechte und Pflichten und die Möglichkeiten für eine sichere, geordnete und reguläre Migration informiert sind und sich der mit irregulärer Migration verbundenen Risiken bewusst sind. Wir müssen außerdem allen unseren Bürgerinnen und Bürgern objektive, faktengestützte und klare Informationen über die Vorteile und Herausforderungen der Migration vermitteln, um irreführende Narrative, die zu einer negativen Wahrnehmung von Migranten führen, auszuräumen." Der Bürger könnte sich doch tatsächlich fragen, warum eine Informationsvermittlung über etwaige Nachteile keine Rolle spielen soll.
Man muss den Migrationspakt einfach lesen und wird feststellen, dass die Wege für Migranten geebnet werden sollen, die Bedingungen für sie in den Zielländern optimiert werden müssen und gleichzeitig die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern sind, wie sich folgenden Verpflichtungen unzweifelhaft entnehmen lässt:
"Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen und ihre persönlichen Ambitionen verwirklichen können, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie nicht dazu veranlassen, durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen."
"Wir verpflichten uns, auf die Bedürfnisse von Migranten einzugehen, die sich aufgrund der Bedingungen, unter denen sie unterwegs sind oder mit denen sie im Herkunfts-, Transit- oder Zielland konfrontiert sind, in prekären Situationen befinden können, und sie zu diesem Zweck im Einklang mit unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen und ihre Menschenrechte zu schützen. Wir verpflichten uns ferner, in Situationen, in denen Kinder betroffen sind, jederzeit das Wohl des Kindes als vorrangigen Gesichtspunkt zu wahren und im Umgang mit prekären Situationen einen geschlechtersensiblen Ansatz anzuwenden, einschließlich bei Antwortmaßnahmen auf gemischte Flucht- und Migrationsbewegungen."
"Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können. Wir verpflichten uns ferner zur Stärkung von Leistungserbringungssystemen, die Migranten einschließen, ungeachtet dessen, dass Staatsangehörige und reguläre Migranten möglicherweise Anspruch auf umfassendere Leistungen haben; dabei ist sicherzustellen, dass jede unterschiedliche Behandlung auf dem Gesetz beruht, verhältnismäßig ist und einen rechtmäßigen Zweck verfolgt, im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen."
Bislang sind nur Österreich, Ungarn und die USA nicht bereit, den Migrationspakt zu unterzeichnen.
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Mittwoch, 31. Oktober 2018
Dienstag, 16. November 2010
"sevenload" - Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg Az.: 5 U 9/09 im Volltext. Zur Haftung eines Videoportals für uploads von Nutzern
Das Oberlandesgericht Hamburg hat in einem Verfügungsverfahren mit Urteil zum Az.: 5 U 9/09 am 29.09.2010 zu Gunsten des Videoportals "sevenload" entschieden, wonach das Portal nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer einer Urheberrechtsverletzung seiner Nutzer haftet. In Abgrenzung zur Chefkoch-Entscheidung des BGH mache sich "sevenload" nach Ansicht des Senats die hochgeladenen Videos nicht zu eigen. Mit deutlichen Hinweisen auf den vorläufigen Charakter des Urteils als Teil eines Eilverfahrens scheint sich der Senat eine andere Entscheidung in einem möglichen oder ähnlich gelagerten Hauptsacheverfahren durchaus offen halten zu wollen.
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