Freitag, 14. Mai 2010

Debauchery - Sittenverfall in deutschen Klassenzimmern?

Debauchery ist der englischen Spache entliehen und bedeutet je nach Kontext etwa Ausschweifung, Sittenverfall oder auch Verkommenheit. Ein passender Name für seine Death Metal Band, dachte sich Thomas Gurrath, bis vor kurzem noch staatlich alimentierter Lehramtsanwärter am Hegel-Gymnasium in Rohr im Schwabenland.

Dem von ihm musikalisch bearbeiteten Stil entsprechend sind natürlich auch Texte, Musikvideos und begleitende Fotos zum künstlerischen Gesamtwerk thematisch einschlägig. Sie handeln von Tod, Gewalt und Sex. Wäre dies anders, hätte der wissenschaftlich vorgebildete Sänger im Hinblick auf die gewünschte Ausdruckskraft sicherlich das Thema verfehlt - ein fachlich vernichtendes Urteil für einen angehenden Lehrer.

Als Musiker das Thema verfehlt zu haben war allerdings nicht der Vorwurf gegenüber Gurrath. Vielmehr führte die Angst vor drohendem lehrerseitig verordneten Sittenverfall an deutschen Schulen seitens der Schulbehörde dazu, dem Leadsänger von Debauchery mit Erfolg das Ende seiner bürgerlichen Karriere als Lehrer nahe zu legen.

Barbara Graf, Schuldirektorin am Hegel-Gymnasium in Rohr: "Die Texte und Videos, die Folterszenen und Pornografisches zeigen, sind ein Aufruf zur Gewalt. Menschenrechte werden mit Füßen getreten."

Eine kühne These, deren Wahrheitsgehalt sich angesichts der massenhaften Missbrauchsfälle an kirchlichen Schulen in Deutschland zu bestätigen scheint. Denn eine Umfrage bei allen 27 deutschen Bistümern hat ergeben, dass schon dort seit 1995 mindestens 94 Kleriker und Laien unter Missbrauchsverdacht geraten sind. Dreissig Lehrende wurden juristisch belangt und verurteilt. Eine hohe Dunkelzifer ist zu vermuten.


Der These der vorausschauenden Direktorin folgend, könnten die in kirchlichen Schulen weitverbreiteten Kreuze - als Symbol für die qualvolle Hinrichtung Jesu Christi und eng mit dem Thema Schuld und Sühne verbunden - von den Lehrenden als Aufruf zur Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen verstanden worden sein. Sexueller Missbrauch als lebenslange Kreuzigung. Das Kreuz als Mordwerkzeug strahlt eben ab.

Angesichts der Tatsache, dass Herr Gurrath jedoch nie kunstblutverschmiert und mit Kettensäge im Unterricht erschienen ist, bleibt allerdings die Frage offen, welche juristische Überlegung der Schulbehörde dazu diente, das künstlerische Privatleben des Death-Metal-Anhängers zur Grundlage seines beruflichen Ausscheidens zu machen.

6 Kommentare:

  1. Ich stimme Ihrer Analyse vollkommen zu, die klerikale Ueberspitzung zeigt deutlich die Absurdheit der Argumentation der Schullbehoerde. Nichtsdestotrotz nehme ich an, dass Herrn Gurrath juristisch die Haende gebunden sind---hat er doch "freiwillig" einem Ausscheiden aus dem Referendariat zugestimmt (d.h., sich einlullen lassen und (aufgrund eines Handels?) seinen Austritt aus dem Schuldienst selbst beantragt). Waere er rausgeworfen wurden, haette er die Entscheidung anfechten koennen, aber so?

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  2. So wird´s wohl nichts - sehe ich genauso. Zu hart für die Schulbehörde, zu weich für´s Leben.

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  3. Ich finde schon, dass der Typ nix im Unterricht zu suchen hat. Den Schülern wird sicher nicht verborgen geblieben sein, was er in seiner Freizeit macht. Und nein, ich würde nicht wollen, dass meine Kinder von ihm unterrichtet werden. Er hat als Lehrer eine Vorbildfunktion. Und GERADE in der heutigen Zeit empfinde ich es als wichtig. Ich bin garantiert nicht spiessig,mir ist es auch egal, ob er sich in seiner Freizeit einen runterholt oder auf Männer steht, oder heimlich am Daumen lutscht. Aber gewaltverherrlichende Videos drehen und Musik machen, die für die Kinder frei zugänglich in Zeiten des www sind, das geht irgendwie nicht. Das wäre für mich so, als wenn der Relilehrer heimlich Satanistenmessen abhält. Ich kann als Polizist in meiner Freizeit ja auch keine Ausländer verkloppen. Oder als Feuerwehrmann meine pyromanische Seite ausleben. Es gibt halt Dinge, die gehen nicht.

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    1. "Die für Kinder frei zugänglich sind"

      Damit haben Sie gerade bestätigt, dass sie keine Ahnung vom Internet haben. Sie sehen das Internet wohl wie den Fernseher: Goof motzt und nervt, Glotze an, endlich Ruhe! Gleich mit dem Internet.

      Wie wäre es, wenn Eltern ihrer Verantwortung als Erzieher wahrnehmen würden und MIT den Kindern im Internet surfen/ihnen über die Schultern schauen während sie im Internet surfen. Aber hey, wir werden das Internet am besten zuregulieren so dass die Eltern die Kinder unbeaufsichtigt rummachen lassen können.

      Und ehrlich gesagt: der Lehrer? 20 Mal besser als jeder verstaubte Durchschnittslehrer.

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  4. Das Problem ist gerade, dass Herr Gurrath eben keine verbotenen Dinge gemacht hat.

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  5. @Anonym:

    Körperverletzung und Brandstiftung auf eine Stufe zu stellen mit einem - für manch einen fragwürdigen - Hobby bedarf eigentlich keiner weiteren Worte.

    Als Polizist, der unsere freiheitliche Grundordnung vertritt, halte ich dies aber eher für einen Kündigungsgrund, als bei diesem jungen Lehrer.
    Glücklicherweise ist dies ja aber nur ihre PRIVATE Meinung, die die Fähigkeit ihren Job zu machen nicht beeinträchtigt.

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