Freitag, 1. April 2011

Liebe ist stärker als der Tod: Wird Sohnemann zu Recht gerüffelt, wenn Mama immer stärker müffelt?


Viel zu knapp berichtete die Saarbrücker Zeitung in der vergangenen Woche über das auf den ersten Blick etwas ungewöhnliche Zusammenleben von Mutter und Sohn. Der 46-jährige Spross hatte offenbar zeitlebens eine äußerst innige Beziehung zu seiner Mama, so dass er sich auch nach deren Tode nicht so recht von ihr trennen mochte. Und so lebte der Mann aus Saarlouis mehrere Jahre mit seiner stets schweigsamen und gutmütigen aber am Ende eben doch fortschreitend skelettierten Mutter in ungetrübter Harmonie, bis ein missgünstiger Nachbar der Symbiose von Leben und Tod durch eine schlichte Denunziation bei der Polizei ein jähes Ende bereitete. Etwa drei Jahre nach dem Tod musste Mama ihren Fernsehsessel für immer verlassen.

Weder die Unverletzlichkeit der Wohnung noch der ebenfalls grundrechtlich geschützte Zusammenhalt der Familie konnten die öffentliche Hand davon abbringen, die über lange Zeit bewährte Familienbande zu zerreißen. Dabei hatte schon Mitte der siebziger Jahre der amerikanische Filmsoziologe Tobe Hooper in einer international beachteten Studie über eine texanische Familie die Vorzüge des Zusammenlebens im Familienverbund auch über den Tod hinaus belegt. Besonders in den Vereinigten Staaten genießt nämlich die intakte Familie das größte Ansehen der Gesellschaft und sorgt für eine hohe soziale Kompetenz ihrer Mitglieder. In der von Hooper beobachteten Familie konnten durch die Integration der verstorbenen Mutter den alleinstehenden männlichen Erwachsenen die Freuden und Vorteile des Familienlebens erhalten bleiben, die sie als Einzelgänger außerhalb des elterlichen Haushalts hätten aufgeben müssen.

Im Gegensatz zu den USA scheint in Deutschland das Zusammenleben mit toten Familienangehörigen ein soziologischer Ansatz zur Vermeidung individueller Isolation zu sein, dem sich die Behörden derzeit noch vollständig verschließen. Dies dürfte insbesondere auf die Bestattungsgesetze der Länder zurückzuführen sein, die im Ergebnis den Umgang mit Leichen einheitlich bestimmen: "Jede Leiche muss bestattet werden." Und selbstredend darf Mutti auch nicht zu Hause einer besonders kreativen Form der Bestattung zugeführt werden, denn nicht nur Erd- und Feuerbestattung sind mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich außerhalb von Friedhöfen nicht zulässig, auch die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung auf kontrollierte Heimverwesung hätte bei der zuständigen Behörde aller Voraussicht nach keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

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