Donnerstag, 6. Juni 2019

Mastermind

Mittlerweile scheint der Streichelwahn und das Bedürfnis nach Sanktionierung von Menschen mit unterdurchschnittlich ausgeprägtem Harmoniebedürfnis auch unter Rechtsanwälten zuzunehmen, wenngleich doch der Anwaltsberuf an sich schon die Fähigkeit erfordern sollte, Konflikte mit Worten ausfechten zu können und im „Kampf um das Recht“ auch starke, eindringliche Ausdrücke benutzen zu dürfen und ertragen zu können, die die jeweilige Rechtsposition unterstreichen, jedenfalls wenn es sich um Äußerungen handelt, die lediglich gegenüber Verfahrensbeteiligten abgegeben werden, ohne dass sie Außenstehenden zur Kenntnis gelangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kritik auch anders hätte formuliert werden können, denn auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt grundsätzlich der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung. Dieser Auffassung ist zumindest das Bundesverfassungsgericht, auch wenn dessen Ansicht offenbar nicht sämtlichen Organen der Rechtspflege bekannt ist.

Daher richtet die fleißige Kollegin nicht nur mahnende Worte an mich, sondern fordert auch das erkennende Gericht auf, meinen Äußerungsdrang zu bremsen: "Abschließend fordere ich den Prozessbevollmächtigten der Beklagten dringend auf, von Bezeichnungen des Zeugen Dr. med. xxxx-xxxxx xxxxxx als sogenanntes Mastermind Abstand zu nehmen. Derartige Bezeichnungen haben beleidigenden, mindestens jedoch abwertenden Charakter und tragen in keiner Weise zum Fortkommen in der hiesigen Angelegenheit bei. Ich bitte das hiesige Gericht insofern, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten anzuweisen, von derartigen Äußerungen insbesondere gegenüber dem Zeugen Dr. med. xxxx-xxxxx xxxxxx Abstand zu nehmen, um den Verfahrensfortgang nicht noch weiter unnötig zu erschweren."

Nun, die Anweisung des Gerichts blieb bisher aus und ich wüsste abseits einer mangelnden Möglichkeit des Gerichts, meinen Redefluss zu gängeln, auch nicht, weshalb dazu ein Anlass bestehen sollte, denn meine schriftsätzlich dargelegte Umschreibung war ausgesprochen harmlos: "Vorliegend handelt es sich augenscheinlich um einen attraktiven Deal zwischen der Beklagten, gesteuert durch den angeblichen Zeugen Dr. med. xxxx-xxxxx xxxxxx und den Handwerkern über ein für alle Seiten lukratives Joint Venture mit dem Gegenstand der vollständigen Modernisierung des Hauses zu Lasten der Beklagten. Dass Mastermind Dr. med. xxxx-xxxxx xxxxxx irgendetwas vorteilhaftes zu Gunsten der Beklagten äußern wird, wie die am 07.03.2007 von den Beklagten übergebenen und bezahlten Kostenrechnungen der Firma xxxxx xxxxx, xxxxxxxx über Euro 13.000,-, ist natürlich ausgeschlossen und wird das Gericht zu bewerten haben."

Das Wort Mastermind als englische Bezeichnung für ein Genie oder einen Vordenker und als treibende Kraft einer kreativen Personengruppe, auch nur in die Nähe einer Beleidigung zu rücken, dürfte schlicht ein emotionsgesteuerter Irrtum sein. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Kollegin genauso wie ich an jenes wunderschöne Cover des gleichnamigen Denkspiels aus den 70er Jahren erinnert, das die Bezeichnung Mastermind recht treffend illustriert: Der männliche Denker im Chefsessel mit überlegen distanzierter Gestik und an seiner Seite, natürlich stehend und im Hintergrund, ein devotes weibliches Geschöpf mit asiatischen Zügen, immer willens, seinem Mastermind zu folgen. Vielleicht sollte die Kollegin einfach noch einmal Rücksprache mit ihrem Mandanten halten, um zu erfahren, ob er die Bezeichnung tatsächlich nicht doch als Lob empfindet und nicht zuerst an sich selbst denken.

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