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Samstag, 10. November 2018

Richterbeleidigung

Wie schön kann das Leben als Amtsrichter an einem Amtsgericht sein. Es gibt keine Anwesenheitspflicht, lediglich zu den Sitzungstagen muss man die Verhandlungen leiten und da die Zuständigkeit der Amtsgerichte bei einem Streitwert von EUR 5.000,- endet, ist auch die Verantwortung nicht zu groß. Was übergeordnete Gerichte meinen, kann dem Amtsrichter egal sein und selbst Fehlurteile in Serie können am Richterstatus nichts ändern. Erstens kriegt es kaum einer mit und zweitens werden auch Amtsrichter durch das Grundgesetz geschützt. 

Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die richterliche Unabhängigkeit ist mit dem Konzept des Rechtsstaates unlösbar verbunden. Nur so ist die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs, der seinerseits wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaates ist, möglich. Die in Art. 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit ist allerdings kein Grundrecht oder Privileg der Richter (vgl. BVerfGE 27, 211 <217>). Denn das Grundgesetz fordert die Unabhängigkeit der Richter nicht im Interesse des einzelnen Richters, sondern um dem rechtssuchenden Bürger zu gewährleisten, dass sein Rechtsstreit neutral und ohne eine andere Bindung als die an Gesetz und Recht entschieden wird.

Die Unabhängigkeit der Richter soll sicherstellen, dass die Gerichte ihre Entscheidungen allein an Gesetz und Recht ausrichten. Auch soll das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Objektivität und Sachlichkeit der Gerichte gefestigt werden. Die Betroffenen sollen darauf vertrauen können, dass der für sie zuständige Richter allein dem Recht verpflichtet ist, nicht staatlich oder von anderen Kräften gelenkt wird und als unbeteiligter Dritter die Freiheit von Vorurteil und Parteinahme und damit die Sachlichkeit und Objektivität der Entscheidung gewährleistet.

Ein derart sicherer Arbeitsplatz lässt den einen oder anderen Richter zum Halbgott in seinem Kosmos mutieren. Je nach Lust und Laune kann er terminieren, das Erscheinen der Parteien zu Vergleichsnötigungen anordnen um dem lästigen Schreiben von Urteilen zu entgehen oder die Rechtslage in einer höchst individuellen Art und Weise würdigen, so dass die ureigene Vorstellung von Gerechtigkeit siegt. Wer den Verlockungen der richterlichen Unabhängigkeit zur Modellierung des eigenen Weltbildes erliegt, kann sich überdies recht sicher sein, dass das die Auswüchse kaum wahrgenommen werden und selbst die Perlen schrulligsten Treibens bald in Vergessenheit geraten. Unangenehm wird es allenfalls dann, wenn die tranige Heimeligkeit aus den heiligen Hallen des Gerichts an die Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung gehoben wird. Gar ärgerlich ist es jedoch, wenn strenge Kritik an den verkrusteten Strukturen richterlicher Selbstgefälligkeit in einem Grundton rüttelt, der als zutiefst ungehörig, ja sogar rechtswidrig empfunden wird.

Und genauso ist es mindestens zwei Richtern ergangen, welche die vom Verfasser veröffentlichte Jusitzkritik als derart ungehörig empfanden, dass sie die Staatsanwaltschaft Hannover auf den bis dato unbescholtenen Blogbetreiber hetzten. Offensichtlich schien den Herren durch mich eine vom Gesetz gezogene Grenze verletzt:

"Insgesamt ist festzustellen, dass von den hiesigen Richterinnen und Richtern zwar weit über das z.B. bei Polizeibeamten geahndete Maß hinaus persönliche Angriffe von Naturalparteien in aller Regel hingenommen und nicht zur Anzeige gebracht werden, an einen Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege jedoch strengere Maßstäbe anzustellen sein dürften, jedenfalls bei Äußerungen in der Öffentlichkeit außerhalb der genannten Verfahren, weil er sich dann insbesondere auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht berufen kann. Ich erstatte daher Strafanzeige gegen Rechtsanwalt Möbius wegen aller in Betracht kommender Delikte und stelle Strafantrag."

Dieser Einschätzung des Amtsgerichtsdirektors schloss sich der Präsident des übergeordneten Landgerichts mit dem Brustton der Überzeugung an:

"Das angezeigte Verhalten des Rechtsanwalts übertritt nach meiner Einschätzung die Grenzen der noch zulässigen Meinungsäußerung deutlich und setzt die beteiligten Richter gezielt in der Öffentlichkeit herab. Wenn und soweit wegen der in Betracht kommenden Delikte ein Strafantrag erforderlich ist, stelle ich diesen hiermit gemäß §§ 194 Abs. 3, 77 a StGB als Dienstvorgesetzter des Direktors des Amtsgerichts xxxxxxxxx und der anderen betroffenen Richter/innen des Amtsgerichts xxxxxxxx."

Weil das anschließend wegen Beleidigung eingeleitete Strafverfahren im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach Löschung der schmerzhaftesten Berichterstattung eingestellt wurde, blieb eine gerichtliche Bewertung des als negativen Höhepunkts in Ungnade gefallenen Artikels im Kontext des Strafverfahrens aus. Da parallel zum Gerichtsverfahren aber auch eine Beschwerde bei der zuständigen Berufsaufsichtsbehörde gestellt wurde, folgte am Ende dann doch noch eine juristische Stellungnahme über den gesamten Vorgang.     

Die Rechtsanwaltskammer Celle teilte die Ansichten der empörten Richter allerdings nicht und stellte das berufsrechtliche Aufsichtsverfahren mit Bescheid vom 14.06.2018 zum Az.: 6-279/2016 ein. Die Grenze zur Strafbarkeit, etwas zur Beleidigung nach § 185 StGB, sei durch die deutlich formulierte Kritik an den Richtern und dem Amtsgericht nicht überschritten worden, gleiches gelte für berufsrechtliche Regelungen: 

"Grundsätzlich unterliegt die anwaltliche Berufsausübung der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Anwaltes (BVerfGE 63, 266, 282 ff). Die Wahrnehmung seiner Aufgaben als unabhängiges Organ der Rechtspflege erlaubt es dem Rechtsanwalt nicht, immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, dass diese sich nicht in Ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Nach allgemeiner Auffassung darf der Rechtsanwalt „im Kampf um das Recht" auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagwörter benutzen, ferner „ad personam" argumentieren. Nicht entscheidend kann sein, ob ein Rechtsanwalt seine Kritik auch anders hätte formulieren können, denn grundsätzlich unterliegt auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 2 GG geschützten Selbst­bestimmung (Feuerich / Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43 a Rdn. 33 m.w.N.)."