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Montag, 21. August 2023

Trotz lebenslanger Altersrente weiter arbeiten

Rente
"Schon früh war für Ulrich Sprakel klar, dass er der Familientradition folgen und Anwalt werden wird. „Das Berufsbild des Anwalts hat mich immer sehr interessiert“, sagt der 66 Jahre alte Jurist. Seit gut einem halben Jahr ist er offiziell Rentner und finanziell gut aufgestellt. Ans Aufhören denkt er jedoch noch lange nicht." So fängt der Artikel unter dem Titel "ABSICHERUNG FÜRS ALTER Wie ein Anwalt für die Rente vorgesorgt hat" in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18.08.2023 an, den der Volontär Ole Kaiser geschrieben hat. Immer wieder lese ich in der Presse über Kollegen, denen die Robe zur zweiten Haut geworden zu sein scheint.

Vor über sieben Jahren hatte ich mich schon einmal über einen hannoverschen Kollegen ausgelassen, der seine Zulassung als Rechtsanwalt wohl auch mit ins Grab nehmen wird. Auf den aktuellen FAZ-Artikel habe ich eine ähnliche Antwort: "Schon früh war für Ralf Möbius klar, dass er keiner Familientradition folgen und Anwalt werden wird. „Das Berufsbild des Anwalts hat mich immer sehr interessiert“, sagt der 61 Jahre alte Jurist. Seit gut einem viertel Jahr ist er offiziell Rentner und finanziell gut aufgestellt. Ans Aufhören denkt er jedoch schon seit über 10 Jahren." 

Sich im Gegensatz zu meiner Einstellung an seinen Beruf als Rechtsanwalt auch im Rentenalter festzuklammern könnte damit zusammenhängen, dass das eigene Selbstbild vor allen Dingen von der gesellschaftlichen Stellung als Anwalt abhängt und über die Jahre andere Perspektiven abseits eines juristischen Blickwinkels schlicht verkümmert sind. Vielfach wird sich der erarbeitete Lebensstandard nur mit der Altersrente nicht auf einem gleichbleibenden Niveau erhalten lassen, so dass viele Kollegen lieber weiter arbeiten, als deutlich kürzer zu treten.

Schließlich werden die Brötchen als Rechtsanwalt zum Ende des Berufslebens auch immer leichter verdient, weil sich Arbeitsabläufe durch die große Berufserfahrung deutlich verkürzen lassen und ein gewachsener Mandantenstamm stetig neue Mandate erzeugt. Es ist deshalb meistens leichter, als verrenteter Anwalt einfach weiter zu arbeiten, als den geordneten Rückzug in den Ruhestand anzutreten. Wer Kaviar dem Dosenfisch vorzieht, darf die Robe deshalb auch gerne etwas länger tragen.

Montag, 11. Juli 2022

Fachanwalt für IT-Recht wird beliebter, Anwälte werden weniger

Wenn man der aktuellen Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer folgen mag, sind die Zahlen für neuzugelassene Rechtsanwälte zum 01.01.2022 insgesamt leicht rückläufig gewesen. Dagegen nahm die Anzahl der Anwälte mit dem zusätzlichen Titel "Fachanwalt für IT-Recht" um 6,73% zu. In der folgenden Grafik (zur Vergrößerung zunächst draufklicken, dann in neuem TAB öffnen und dann vergrößern) ist die Aufschlüsselung von Fachanwälten für IT-Recht geordnet nach den einzelnen Kammerbezirken zu sehen. In Sachsen-Anhalt gab es zum 01.01.2022 keinen einzigen Fachanwalt für Informationstechnologierecht und in Mecklenburg-Vorpommern nur einen einzigen Kollegen mit der fachanwaltlichen Spezialisierung auf das IT-Recht. Die Rechtsanwaltskammer Celle listet immerhin 20 Fachanwälte für IT-Recht auf.
Dieser Trend dürfte in Zukunft bestehen bleiben. Das IT-Recht bekommt durch die voranschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen immer mehr Bedeutung und der Bedarf an Fachanwälten für IT-Recht nimmt ständig zu. Darauf reagieren insbesondere jüngere Kollegen, die mit dem Umgang digitaler Technik gut vertraut sind. Dagegen ziehen sich die geburtenstarken Jahrgänge immer weiter aus dem Berufsleben zurück und damit natürlich auch zahlreiche Kollegen, welche die Altersgrenze der Rechtsanwaltsversorgungswerke erreichen.

Freitag, 22. April 2022

Umgehungsverbot

Der anwaltlich vertretene Gegner wendet sich persönlich an mich. Ich hatte ihn über seinen Anwalt zur Zahlung der ausgeurteilten Kosten aufgefordert und mit der Zwangsvollstreckung gedroht. Die Kosten für diese Drohung - sogenannte Kosten für die Vollstreckungsandrohung - hatte ich mit angefordert:
"Sehr geehrter Herr Möbius, Ihr Schreiben habe ich über meinen RA erhalten. Leider liegt mir weder dieses Urteil vor noch ein entsprechender Kostenfestsetzungsbeschluss. Auch kann ich nicht einsehen, wieso für dieses Schreiben schon wieder zusätzliche Kosten angefallen wären. Bitte stellen Sie mir das Urteil zur Verfügung, da mit ich das einsehen kann. Sobald ein Kostenfestsetzungsbeschluss dazu vorliegt, werde ich diesen auch bezahlen. M f G"

Es geht um knapp 5.000,- Euro die ich natürlich ganz gern hätte und mit einem Knopfdruck könnte ich dem Gegner die gewünschten Unterlagen per E-Mail zuschicken. Allerdings verbietet § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) die Umgehung des Gegenanwalts wie folgt: "Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln." Diese Vorschrift gilt nicht nur, wenn die Initiative von dem Rechtsanwalt selbst ausgeht, sondern auch dann, wenn sich die gegnerische Partei ihrerseits direkt an den Rechtsanwalt wendet.

Der arme Mann ist seinem Rechtsanwalt ausgeliefert, der ihn anscheinend nicht über den Ausgang des - ohnehin überflüssigen - Rechtsstreits informiert hatte. Allerdings kann der Gegner die zusätzlichen Kosten, die ihm durch den Mangel der rechtzeitigen Unterrichtung entstehen, von seinem Anwalt als Schadensersatz fordern. Wahrscheinlich wird er das nie erkennen und lieber mich für die Vollstreckung hassen.

Ich werde ohne zu antworten den Gerichtsvollzieher beauftragen, das Geld direkt beim Gegner einzutreiben. Das darf ich.

Freitag, 15. April 2022

Rechtsanwaltskammer Celle: Wutrichter darf Wutrichter genannt werden

Wenn es ein juristischer Leisetreter am Ende seines Berufslebens doch noch schafft, sich in der Judikatur Beachtung zu verschaffen, ist das entweder das Ergebnis einer für ihn ungewöhnlichen Kraftanstrengung oder aber das Resultat eines besonders bemerkenswerten Versagens. Im vorliegenden Fall lässt sich mit absoluter Sicherheit sagen, dass es dem als "Wutrichter" bekannt gewordenen Amtsrichter aus Hagen durch seinen unbändigen Drang zur Willkür und dem damit einhergehenden Bedürfnis, eine Partei nach dessen persönlichen Vorlieben abseits von Wahrheit und Gerechtigkeit zu beurteilen, nun endgültig gelungen ist, sich mit einem letzten Aufbäumen als tragikomische Erscheinung in der deutschen Rechtsprechung zu verewigen.

Denn die zwischenzeitliche Ruhe am Amtsgericht Hagen endete spätestens mit der Rückkehr des Wutrichters im Sommer 2021, als er erneut nach bestem Wissen und Gewissen über die Geschicke unseres hochwohlgeborenen Mandanten zu entscheiden hatte und sich selbstredend erneut gegen Recht und Gesetz auf die Seite der dunklen Macht schlug, wo er schließlich den Kräften des Lichts unterlag. Die dunkle Macht nimmt Niederlagen natürlich nicht ohne Rückzugsgefecht hin. Während der Wutrichter im Jahre 2018 noch höchstpersönlich und höchst erfolglos die Staatsanwaltschaft damit betraute, den Verfasser wegen der Verwendung der Bezeichnung "Wutrichter" zu sanktionieren, verfolgte sein Dienstvorgesetzter im Jahre 2021 das gleiche Ziel mittels Einschaltung der Rechtsanwaltskammer Celle.

Aber auch der zweite Versuch der Knebelung war nicht von Erfolg beschieden, denn die Rechtsanwaltskammer Celle stellte durch ihre Entscheidung im Dezember 2021 zum Az.: 6-340/2021 das berufsrechtliche Aufsichtsverfahren gegen mich ein, weil ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO durch die schriftsätzliche Verwendung der Bezeichnung „Wutrichter“ in dem vom selbigen geführten Verfahren nicht vorlag. Auch wenn das Verhalten des Rechtsanwalts als ungehörig oder als Verstoß gegen den guten Ton oder das Taktgefühl und damit als unsachlich empfunden werde, sei die Schwelle des § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO erst dann überschritten, wenn die herabsetzende Äußerung den Charakter einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik annehme, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe.

Die Wahrnehmung seiner Aufgaben erlaube es dem Rechtsanwalt nicht immer, so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, dass diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Nicht entscheidend sei es, dass der Anwalt seine Kritik auch anders hätte formulieren können. Denn grundsätzlich unterliege auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 2 GG geschützten Selbstbestimmung. Ein unsachliches Verhalten könne dem Rechtsanwalt in der Regel nur dann vorgeworfen werden, wenn es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten, strafbarer Beleidigungen oder herabsetzender Äußerungen handele, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben habe. Dies war, wie der geneigte Leser der kleinen Wutrichter-Reihe längst weiß, bei mir niemals der Fall.

Montag, 7. Februar 2022

Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 4

Anwalt ohne Zulassung
Mit welcher Hemmungslosigkeit ein ehemaliger Rechtsanwalt trotz fehlender Zulassung einfach weiter prozessiert hat, wird durch einen aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27.01.2022 zum Az.: 16 W 81/21 deutlich, auch wenn dort nur auf die diesem Gericht bereits bekannten Straftaten verwiesen wird. Den ehemaligen Kollegen hatten weder die Interessen der eigenen Mandanten noch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft oder gar die Integrität der Rechtspflege interessiert.

Ich hatte ja bereits in den Artikeln "Falscher Anwalt vor Gericht", "Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 2" und "Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 3" ausführlich über das kriminelle Treiben dieses Hochstaplers berichtet, der in seiner Zeit als zugelassener Anwalt keinen Schriftsatz ohne das Heben seines moralischen Zeigefingers abliefern konnte und nebenbei trotz des Verbots der Umgehung des Gegenanwalts nach § 12 BORA Hunderte von E-Mails an meine Mandanten schrieb. Daher will ich das interessierte Publikum heute nur darauf hinweisen, dass ein Ende der Enthüllungen noch nicht abzusehen ist und die Anklage wegen des Missbrauchs der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt nach § 132a StGB noch etwas auf sich warten lässt.

Sicherlich werden auch noch ehemalige Mandanten, deren Prozesse vor verschiedenen Gerichten mangels Vorliegens einer Anwaltszulassung verloren gegangen sind, die Justiz um Hilfe bitten, so dass der enorme wirtschaftliche Schaden, der entstanden ist, derzeit noch gar nicht in ein zu bestimmendes Strafmaß für die zahlreichen Delikte einfließen kann, die der Fake-Anwalt in seinem Größenwahn produziert hat. Immerhin offenbarte die im Streit um seine Anwaltszulassung getroffene Entscheidung des BGH vom 17. November 2020 zum Az.: AnwZ (Brfg) 20/20, dass es vor kurzer Zeit noch Immobilienvermögen in Form eines Miteigentumsanteils an einer Immobilie gegeben haben muss, das zum Ausgleich für die gebeutelten Ex-Mandanten herhalten könnte.

Natürlich war dem Täter klar, dass sein Handeln als Ex-Anwalt nicht nur strafbar war, sondern in Verfahren mit Anwaltszwang auch keinerlei prozessuale Wirkung entfalten konnte. Schließen möchte ich meinen kleinen Beitrag deshalb mit einem Zitat aus der Begründung der aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt, dem eine - wie gewohnt sinnlose - sofortige Beschwerde unseres gefallenen Moralapostels zu Grunde lag. "Die nach Erlöschen der Anwaltszulassung vorgenommenen Prozesshandlungen des früheren Rechtsanwalts im Anwaltsprozess sind unwirksam".

Freitag, 29. Oktober 2021

Die böse Frisöse

Seit es Mobiltelefone mit umfangreichen Computer-Funktionalitäten und Konnektivitäten gibt, sind viele Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht mit dem Computer verdienen, in der Lage, die Höhe- und Tiefpunkte ihres Lebens rund um die Uhr über das Internet zu verbreiten. Viele solcher Menschen verbringen einen gehörigen Teil ihrer Lebenszeit damit, nicht nur Neuigkeiten über die eigene Person mitzuteilen, sondern auch Neuigkeiten über andere Personen zu verbreiten, wobei es ihnen nicht darauf ankommt, dass sie diese Menschen kennen und die geposteten Neuigkeiten auch stimmen. Damit derartige Veröffentlichungen nicht ganz ungehört im Nirvana des weltweiten Netzes verhallen, gibt es Facebook und innerhalb dieser Plattform die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten vermeintlich interessante Nachrichten in Gruppen auszutauschen, die sich über individuelle Interessen definieren.

Eine dieser zahlreichen Gruppen auf Facebook ist die Gruppe "Friseure" mit knapp 15.000 Mitgliedern, welche in irgendeiner Weise beruflich dem Friseurhandwerk verbunden sind. Eine der wichtigsten Mitgliedsbedingungen dieser Gruppe ist die Fähigkeit, lesen zu können und es ist davon auszugehen, dass besonders aktive Mitglieder nicht nur lesen, sondern auch schreiben können, um sich mit Hilfe letztgenannter Fertigkeit deutlich sichtbar in die Gruppe einbringen zu können. Keine unbedingte Voraussetzung für die Gruppenmitgliedschaft in der Facebook-Gruppe "Friseure" ist dagegen das geistige Vermögen, die Gruppenregeln neben dem Lesen auch verstehen zu können. Und genau dieses Unvermögen ist einer bösen Frisöse zum Verhängnis geworden, als sie glaubte, sich mit einer den Betrieb und Kredit eines Mitbewerbers gefährdenden unwahren Tatsachenbehauptung in die Gruppe einbringen zu müssen.

Obwohl eine Gruppenregel bestimmt, dass in der Gruppe "Friseure" keine öffentlichen Menschen diskreditiert werden dürfen, tat die böse Frisöse mit den Worten "Der Herr Wendt ist doch mit seinem Salon pleite gegangen, ich hab ja nicht mal Zeit, den Mist zu gucken" genau dies im Rahmen eines Postings über die PRO7-Sendung taff - SOS - Einsatz der Beauty-Retter. Eine gehässige und vor allen Dingen rufschädigende Unwahrheit muss natürlich niemand über sich ergehen lassen und so wurde die böse Frisöse durch einen Rechtsanwalt mit einer Abmahnung außergerichtlich aufgefordert, derartigen Unfug zu unterlassen und sich bei Meidung einer Vertragsstrafe zu verpflichten, eine derartige Boshaftigkeit auch in Zukunft zu unterlassen. Angesichts des bereits öffentlich zur Schau gestellten Unvermögens, die Gruppenregeln der "Friseure" zu verstehen, überraschte es anschließend nicht, dass auch auf die Abmahnung hin lediglich das rechtswidrige Posting gelöscht aber darüber hinaus kein Vertragsstrafeversprechen abgegeben wurde, welches die Wiederholungsgefahr für ihre schädigende Äußerung hätte ausräumen können.

Auch die mit der Erwiderung auf die folgende Unterlassungsklage betrauten Kollegen hatten keine Möglichkeit zu glänzen und warfen mit Ausflüchten um sich, die kaum einer Entgegnung wert waren. Am besten gefiel mir noch "Weiterhin sollte es seitens der Beklagten eher eine Frage sein und keine Behauptung. Die Beklagte hat fälschlich ein Komma und kein Fragezeichen gesetzt" und es bestehe keine Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte die angegriffene Behauptung seit 2017 nicht wiederholt habe. Erst das Landgericht Hamburg konnte die böse Frisöse mit einem wohlgemeinten Hinweis davon überzeugen, dass sie die haltlose Herabwürdigung meines Mandanten besser nie veröffentlicht hätte und am Ende wenigstens auf die Abmahnung durch den Anwalt hätte reagieren sollen. So bleib dem gehässigen Schmierfink am Ende keine andere Möglichkeit, als die Klage für begründet zu erklären, durch ein Anerkenntnisurteil verurteilt zu werden und tief in die Tasche zu greifen, um bei einem Streitwert von EUR 10.000,- zwei Anwälte und auch das Landgericht Hamburg bezahlen zu können.

Montag, 25. Oktober 2021

Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 3

Sie erinnern sich noch an den dreisten Hochstapler, der im Mai dieses Jahres ohne Zulassung vor dem Landgericht Frankfurt als Anwalt aufgetreten sein soll?  Nun hat das Oberlandesgericht Frankfurt dem gescheiterten Juristen per Beschluss vom 7. Oktober 2021 zum Az.: 16 U 246/20 sein kriminelles Verhalten schriftlich bescheinigt. Denn am 4. Januar 2021 hatte der Ganove vor dem OLG Frankfurt einen Berufungsbegründungsschriftsatz eingereicht, obwohl er keine Anwaltszulassung mehr hatte. Mit vollem Vorsatz wurde der Mandant von seinem ehemaligen Anwalt ins Verderben geschickt, denn die Berufung wurde wegen der fehlenden Anwaltszulassung verworfen und als Unterlegener muss der Mandant nun die Gerichts- und Anwaltskosten für beide Instanzen bezahlen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt erschüttert allerdings auch das Vertrauen in eine funktionierende Rechtspflege, denn natürlich kann nicht in jeder Phase eines Prozesses überprüft werden, ob der Prozessbevollmächtigte tatsächlich (noch) Rechtsanwalt ist.

Um das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsanwaltschaft grundsätzlich zu schützen und den Bürger davor zu bewahren, sich einer nur angemaßten Autorität gegenüberzusehen und hierdurch Schaden zu erleiden, ist das unbefugte Führen der Bezeichnung "Rechtsanwalt" durch § 132a Strafgesetzbuch (StGB) als Missbrauch von Berufsbezeichnungen sanktioniert und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Auf diese Art und Weise versucht der Gesetzgeber, Betrüger davon abzuhalten, unter besonders geschützten Berufsbezeichnungen aufzutreten und verbrecherische Machenschaften durch professionell auftretende Kriminelle zu verhindern. Im vorliegenden Fall liegt in dem Umstand, dass sich der falsche Anwalt als Volljurist genauestens über sein verbotenes Verhalten im Klaren war, ein besonders erschreckendes Element und der anschließende Versuch, das strafbare Verhalten im Laufe des Prozesses noch zu kaschieren, zeugt von erheblicher krimineller Energie und mangelnder Reue.

Allerdings setzte das Oberlandesgericht den faulen Ausreden des Hochstaplers mit deutlichen Worten die geltende Rechtslage entgegen: "Soweit der Bevollmächtigte noch ausgeführt hat, die Anwaltszulassung sei von ihm nur „zum Ruhen gebracht“ und könne vor der mündlichen Verhandlung wieder aufgenommen werden, steht dies im Widerspruch zum anwaltlichen Berufsrecht, das ein Ruhen der Zulassung nicht kennt." Wenn das OLG Frankfurt ferner davon spricht, der falsche Anwalt habe angegeben, seine Zulassung wegen persönlicher Überlastung und Überforderung mit familiären Angelegenheiten verloren zu haben, lässt sich diese Behauptung durch einen Blick in die rechtskräftige Entscheidung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs zum Az.: BayAGH I - 5 – 7/19 vom 09.03.2020 genauer aufklären. Dort ist nämlich ganz konkret von einem Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls die Rede, wobei der "Überlastete" wegen des Fernbleibens zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft im zentralen Schuldnerverzeichnis eingetragen war:

"DR II 6..., 12.10.2018, Nichtabgabe der Vermögensauskunft vom 12.10.18 aufgrund VU des LG München I vom 05.04.18 über 164.576,65 €, Az.: ... (E. R.); DR II 2..., 03.05.2017, Nichtabgabe der Vermögensauskunft vom 03.05.17, Vollstreckungsbescheid des AG W. vom 15.12.16 über restliche 2,65 €, Az.: ... (C. T. LLP). Zudem wurde Bezug genommen auf die bei der Obergerichtsvollzieherin Hö. und dem Gerichtsvollzieher Ha. vorliegenden Zwangsvollstreckungsaufträge, wobei die Forderung aus dem Urteil des AG München vom 24.11.2017, Az. ... nur einmal berücksichtigt wurde." Zusammen mit den im Urteil angeführten Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ergibt sich der Eindruck eines Anwalts, dessen Nachlässigkeit im Umgang mit den eigenen Finanzen und den daraus entstandenen hohen Schulden ein ständiges Damoklesschwert für seine Mandanten war, das nicht einmal durch den Widerruf der Zulassung entschärft werden konnte.

Es bleibt zu hoffen, dass das gesamte Ausmaß des kriminellen Treibens des gewieften Gauners zum Schutze der Allgemeinheit und des Ansehens der Rechtsanwaltschaft in der Öffentlichkeit von der zuständigen Staatsanwaltschaft vollständig aufgeklärt wird und der ehemalige Kollege anschließend für viele Jahre aus dem Verkehr gezogen wird. Wer sich die Entscheidung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs und den sich daran anschließenden Ablehnungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2020 zum AnwZ (Brfg) 20/20 in Ruhe durchliest, wird sich an Hand des dort skizzierten Bildes eines rücksichtslosen Taktikers der Erkenntnis nicht verschließen können, dass hier ein gewissenloser Jurist aus purer Selbstsucht grundlegende Prinzipien der Rechtspflege bei Seite geschoben hat, um trotz klarer und ihm hinreichend bekannter Verbotsnormen zu seinen Gunsten einfach weiterzumachen, als ob es den rechtskräftigen Widerruf seiner Anwaltszulassung nie gegeben hätte.

Sonntag, 13. Juni 2021

Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 2

Wenn ich an den ehemaligen Rechtsanwalt denke, der ohne Zulassung ein knappes halbes Jahr weiter prozessierte, bis sein kriminelles Treiben vom Landgericht Frankfurt gestoppt wurde, kommen mir immer seine alten Tricks aus glücklicheren Tagen in den Sinn, die er in den Verfahren abgezogen hatte, in denen wir uns gegenüber standen. Er glänzte in allem, was nicht mit den Rechtsfragen des Prozesses zu tun hatte.

Bis heute ist er der erfolgreichste Terminsverleger, den ich je erlebt habe und ich muss gestehen, dafür bewundere ich ihn immer noch. Einsame Spitze sind unangefochten auch seine Verstöße gegen das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts nach § 12 BORA. Weil die Verletzung des Umgehungsverbots einen wesentlichen Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht darstellt, gehen Streitereien um einzelne anwaltliche Schreiben sogar bis zum Bundesgerichtshof. Derartige Peanuts dürften dem Rechtsbrecher in Robe allenfalls ein müdes Lächeln entlockt haben.

Denn mit über 100 E-Mails an meine Mandantin und über 150 E-Mails an einen anderen Mandanten während zweier laufender Verfahren dürfte der ertappte Titelschwindler noch zu Anwaltszeiten beachtliche Rekorde aufgestellt haben. Über die konkreten Sanktionen in den deswegen von mir initiierten Berufsrechtsbeschwerden habe ich von der zuständigen Rechtsanwaltskammer leider nichts mehr erfahren.

Vor dem Landgericht Rostock hatte ich mich noch erfolgreich gegen Hinweise an meine Mandantin wie "Übrigens kann man Mandate auch kündigen." und "Wenn Sie die Klage nicht ins Netz gestellt haben, dann kann das nur Ihr Anwalt gewesen sein, der sich damit nach § 203 StGB schwer strafbar gemacht hat. Und so einem Anwalt vertrauen Sie?" gewehrt, bevor wir uns dann ein wenig aus den Augen verloren haben.

Mit welchem Selbstverständnis der Ex-Anwalt später eine Straftat nach der anderen beging, dürfte sich aus einer der vielen E-Mails ergeben, die er damals unter Verletzung seiner Berufspflicht an meinen Mandanten schrieb: "Nicht auch als Anwalt, sondern gerade als Anwalt sollte man ein Gewissen haben! Das unterscheidet mich von gewissen anderen Anwälten." Sich selbst noch im Moment des Begehens des Rechtsbruchs einen Heiligenschein anzudichten, ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Montag, 31. Mai 2021

Falscher Anwalt vor Gericht

Es ist noch nicht lange her, als ein ehemaliger Anwalt zuerst wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, weil er am 20. Juni 2017 als angeblicher Rechtsanwalt einen Schriftsatz ans Amtsgericht Dippoldiswalde geschickt hatte, obwohl er schon am 09. Juni 2017 seine Zulassung freiwillig zurückgegeben hatte. Kurz darauf wurde der ehemalige Kollege dann noch zu einer weiteren Strafe verurteilt, weil er auch am 12. Juni 2017 eine Frist in einer Familiensache als Anwalt wahren wollte und sich außerdem wegen Steuerhinterziehung und unterschlagenen Mandantengeldern verantworten musste.

Ein vergleichsweise harmloser Fall, wenn man diese zwei Schreiben vor dem Amtsgericht mit dem Auftreten eines Ex-Rechtsanwalts vergleicht, der vergangene Woche ohne Anwaltszulassung sein Unwesen vor dem Landgericht Frankfurt getrieben haben soll und nach Angaben des gegnerischen Mandanten von der Vorsitzenden Richterin der Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main, Frau Dr. Frost, durch unnachgiebige Fragen auf frischer Tat ertappt wurde.

In den Prozessen um zwei ähnlich lautende Äußerungen vor dem Landgericht Frankfurt zu den Aktenzeichen 2-03 O 24/20 und 2-03 O 48/20, in welchen sich der Kläger als Gegner der Mandanten des ins Schleudern geratenen Ex-Anwalts gegen den öffentlich geäußerten Vorwurf wendet, auf Facebook Profilsperrungen veranlasst zu haben, war der wehrhafte Bezichtigte wegen "durch Beschimpfungen, Verschwörungsparanoia, exzessive Unterstreichungen, Fettungen und schwerer Verständlichkeit geprägter Schriftsätze" misstrauisch geworden und hatte sich daraufhin das Rechtsanwaltsverzeichnis der Münchner Anwaltskammer angesehen.

Auch die telefonische Nachfrage beim Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer brachte das gleiche Ergebnis, welches die Rechtsanwaltskammer München schließlich sogar schriftlich bestätigte: Ein Hochstapler und kein Rechtsanwalt war für die "hingeschmierten dutzendseitigen Pamphlete, durchsetzt mit verfahrensfremden Aspekten und immer wieder neuen Nebenkriegsschauplätzen, die juristische Fachkenntnisse vollständig vermissen ließen," verantwortlich. Wie die Vorsitzende Richterin am Landgericht Frankfurt den strampelnden Möchtegernanwalt in der Verhandlung am 27. Mai 2021 vor Gericht entlarvte, schildert der mit juristischem Spürsinn ausgestattete Kläger wie folgt:

"Am Tag vor der Verhandlung, dem 26. Mai, fand eine Probesitzung mit der Vorsitzenden statt. Denn § 128a ZPO ist für Richter wie für Anwälte Neuland. Zu diesem Termin wurde natürlich auch der Scheinanwalt, der zwei verschiedene „Mandanten“ gegen mich „vertrat“, eingeladen. Pünktlich um 10 Uhr loggte er sich in den Konferenzraum ein. Die Vorsitzende war bereits umfassend unterrichtet, ließ aber nichts durchblicken. Sie fragte ihn lediglich, was denn mit den Vollmachten sei. Wir hatten nämlich aufgrund eines vagen Verdachts bereits zu Jahresbeginn die Rüge nach § 88 ZPO erhoben. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt Originalvollmachten seiner angeblichen Mandanten vorlegen muss. Dies tat er seit fast einem halben Jahr nicht und er hatte es offenbar auch weiterhin nicht vor.

„Das muss sein, das gibt die ZPO vor!“, ermahnte die Vorsitzende. „Na gut!“, erwiderte der Hochstapler und sicherte ihr vor Zeugen zu, die beiden Vollmachten vorab noch am selben Tag ans Gericht zu faxen. Am Morgen des Verhandlungstags folgte dann jedoch ein Ablehnungsgesuch des Hochstaplers gegen einen beisitzenden Richter. Das Ablehnungsgesuch zielte darauf ab, eine Verlegung der Verhandlung zu erzwingen, weil die auf Kanzleipapier mit der Unterschrift „Rechtsanwalt“ versehenen Verlegungsgesuche eine Woche zuvor zurückgewiesen worden waren. Wir hatten nämlich die Kammer bereits Monate zuvor vorgewarnt und darauf hingewiesen, dass er regelmäßig kurz vor einem Verhandlungstermin Verlegung beantragt: Mal hat er kein Auto um hinzukommen, mal geht es um Krankheiten auch von Familienmitgliedern, die natürlich immer dann akut werden, wenn ein seit langem anberaumter Termin ansteht.

Als mein Anwalt und ich uns am 27. Mai, um 11:30 Uhr, einloggten, lief noch die vorangegangene Verhandlung. Und da im Rahmen von § 128a ZPO nur Parteien der jeweiligen Sache nebst Anwälten per Video zuschauen dürfen, wurden wir gebeten, uns kurz auszuloggen und dann wiederzukommen. In diesem Zusammenhang lamentierte der Hochstapler bereits, was denn nun mit seinem Befangenheitsantrag sei. Er habe im Übrigen gar keine Zeit und müsse jetzt sofort weg. Ganz ganz dringend.

Als die Verhandlung dann schließlich begann, gestand der ertappte Jurist, dass er die Zulassung „vor ein paar Monaten“ zurückgegeben habe. Die Frage "Wann genau?" beantwortete der Hochstapler erst nach dem die Vorsitzende Richterin zum Telefonhörer gegriffen hatte und erklärte, sie rufe nun die Rechtsanwaltskammer in München an. "Seit dem 8. Dezember 2020“. Da ich den Herrn in unterschiedlichen Verfahren, verteilt auf mehrere Gerichte, am Hals hatte, ist es aus meiner Perspektive unumstößlich, dass dieser Mann seit einem halben Jahr vor Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht mit Rechtsanwaltsbriefkopf und Unterschrift als „Rechtsanwalt“ aufgetreten ist. Überdies hat er in dieser Zeit jedenfalls am Land- und Oberlandesgericht etliche Prozesshandlungen vorgenommen, die mit Blick auf § 78 ZPO nur Rechtsanwälten obliegen. Dem OLG Frankfurt ließ er sogar eine Berufungsbegründung zukommen, ohne Rechtsanwalt zu sein."

Die auch in der Tagespresse nachzulesenden Vorwürfe wiegen schwer, von Titelmissbrauch und Prozessbetrug ist die Rede, doch der ins Kreuzfeuer geratene Volljurist verteidigt sich auf Facebook und erhält dort in Kommentaren wohlwollenden Zuspruch: "Ich habe unter meinem Anwaltsbriefkopf um Terminsverlegung ersucht, der so auch von Amts wegen entsprochen werden musste. Selbst das ist nicht erlaubt, ich habe damit aber niemandem geschadet."

Auch die angebliche Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt versucht der in Not geratene Ex-Kollege ins richtige Licht zu rücken: "Was es gab war ein informelles Gespräch - so ausdrücklich die Vorsitzende am Landgericht Frankfurt - via skype und das unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Anwaltszwang. So spektakulär, wie mein Fehlverhalten dargestellt ist, scheint es zumindest keiner meiner Freunde zu sehen, auch wenn es mir persönlich sehr leid tut. Denn ich bin noch niemals straffällig geworden. Folgen für die im Herbst geplante Wiederbeantragung meiner Zulassung könnten allerdings gegeben sein, selbst wenn das im Raum stehende Delikt sehr niedrigschwellig ist. Prozessbetrug ist es sicherlich nicht, wie jeder weiß."

Noch ist der Ausgang des in seinem Ausmaß wohl einmaligen Falles weitgehend offen und eine mögliche Strafverhandlung gegen den sündigen Juristen in weiter Ferne. Mit den Folgen eines anwaltlichen Auftretens vor Gericht mit nur angeblicher Kammerzulassung hat sich der Bundesgerichtshof in Zivilsachen allerdings schon mehrfach befassen müssen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Frage, ob der Titelschwindler vor einem Gericht mit Anwaltszwang aufgetreten ist, oder ob die Anwaltszulassung nur in einem sogenannten Parteiprozess vorgegaukelt wurde, der auch ohne anwaltliche Hilfe hätte geführt werden können.

Im Anwaltsprozess sind nach Verlust der Zulassung vorgenommene Prozesshandlungen des früheren Rechtsanwalts unwirksam, während Prozesshandlungen des Scheinanwalts im Parteiprozess von der vertretenen Partei noch nachträglich genehmigt werden können, denn diese Handlungen hätte auch ein Nichtanwalt vornehmen können. Ein Anwaltshonorar bekommt ein Hochstapler dagegen nie.

Mittwoch, 31. März 2021

Der zahlungsunwillige Mandant

Kostenfestsetzung Mandant
Wenn ein Mandant, der von seinem Rechtsanwalt vor Gericht vertreten wurde, die Kosten des Gerichtsverfahrens nicht an seinen Anwalt zahlen möchte, muss der Rechtsanwalt seine im Prozess angefallenen Gebühren dem Gericht gem. § 11 RVG zur Festsetzung anmelden. Werden die vom Rechtsanwalt beantragten Gebühren durch das Gericht mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt, ist dies ein Titel, aus dem der Anwalt gegen den eigenen Mandanten die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Erst wenn das Gericht die Kostenfestsetzung ablehnt, kann ein Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch im Wege der Klage geltend machen. Für die Erhebung einer Gebührenklage ohne vorherige Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahrens würde dem Anwalt das Rechtsschutzbedürfnis fehlen und er würde trotz Bestehen der Zahlungsansprüche die Klage verlieren. 

§ 11 Absatz 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt insoweit, dass die beantragte Festsetzung des Honorars durch das Gericht abzulehnen ist, wenn der Mandant Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Also solche Einreden und Einwendungen wie "Berufungsfrist versäumt" oder "schlecht gearbeitet". Ein weiterer Grund für die Ablehnung der Kostenfestsetzung gegen den Mandanten könnte auch darin liegen, dass der Mandant sagt, dass er den Rechtsanwalt gar nicht beauftragt habe, für ihn vor Gericht tätig zu werden. Einen solchen Fall hat nun das Landgericht Bonn entschieden und die Kosten am Ende trotzdem gegen den zahlungsunwilligen Mandanten festgesetzt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.03.2021 zum Az.: 2 O 65/17 begründet das Gericht seine Festsetzung wie folgt:

"Die Antragsgegnerin erhebt den Einwand, dass Sie die Antragstellerin nicht beauftragt hätte. Grundsätzlich ist die Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, wenn vom Antragsgegner Einwendungen erhoben werden, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hiervon ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn die Einwendung den Mindestanforderungen nicht genügt. Dies ist der Fall, wenn die sie vollkommen unsubstantiiert oder haltlos ist (Gerold/Schmidt, 24. Auflage, § 11 Rn. 112f., 117).

Der Einwand der Nichtbeauftragung ist ein nichtgebührenrechtlicher Einwand, Die Beauftragung der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin ergibt sich jedoch aus der von der Antragstellerin vorgelegten ProzessvolImacht vom 20.03.2017. Der von der Antragsgegnerin vorgebrachte Einwand ist somit offensichtlich unbegründet, sodass § 11 Abs. 5 RVG hier ausnahmsweise der Festsetzung nicht entgegensteht."

Es empfiehlt sich daher stets für einen Anwalt, vor Beginn eines Prozesses die Unterzeichnung einer Prozessvollmacht vom Mandanten zu verlangen, damit der Rechtsanwalt seine eigenen Honorare im Zweifel schon im einfachen und kostengünstigen Kostenfestsetzungsverfahren titulieren lassen kann. Denn obwohl die Kostenfestsetzung vom Gesetz her auch in einem Fall der angeblich nicht erteilten Vollmacht eigentlich ausscheidet, wird im Falle der Vorlage einer Vollmacht durch den Rechtsanwalt als Antragsteller von den Gerichten eine Ausnahme zu Gunsten des Anwalts gemacht.

Montag, 18. Januar 2021

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) im Jahre 2021

Heute morgen hieß es im Betreff meines E-Mail-Postfachs mal wieder "[beA] Eingang einer Nachricht", denn "In dem beA-Postfach Möbius, LL.M., Ralf (30916 Isernhagen) ist eine Nachricht eingegangen." Das bedeutet, möglichst umgehend die eingegangene Nachricht abzurufen, denn nach § 31a Abs. 6 BRAO ist jeder Rechtsanwalt seit dem 01.01.2018 verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Eine Frist zu versäumen, weil man das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht öffnen möchte, verbietet sich schon aus Haftungsründen.

Der Zeitplan für die Einführung der verpflichtenden Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs wird nicht verschoben. Einem entsprechenden Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die allgemein ab dem 01.01.2022 eintretende aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bis zum Jahr 2025 zurückzustellen, folgte der Bundestag in seiner Sitzung am 27.11.2020 nicht, denn die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte sich gegen eine solche Verschiebung ausgesprochen.

Die BRAK ist rechtlich auch verantwortlich für den Betrieb des beA auf Seiten der Anwaltschaft, denn nach § 31a Abs. 1 BRAO richtet die Bundesrechtsanwaltskammer für jedes im bundesweiten amtlichen Rechtsanwaltsverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) empfangsbereit ein. Deswegen darf die BRAK auch auf einen straffen Zeitplan bei der umfassenden Nutzungspflicht für Anwälte drängen. Umgekehrt sind die einzelnen Rechtsanwälte natürlich auch darauf angewiesen, dass das von der BRAK eingerichtete beA reibungslos funktioniert und das tut es bis heute nicht.

Ich habe mich ja schon daran gewöhnt, dass der Abruf einer Nachricht aus dem beA nicht beim ersten Mal klappt. So wie heute morgen. Nachdem ich etwa 12 Mal die beA-Software über meinen Computer neu gestartet hatte, die Zugangskarte immer wieder neu eingesteckt hatte und endlich die Verbindung über das Kartenlesegerät REINERSCT mit der Website der BRAK zustande gekommen war, musste ich nach Eingabe der zweiten PIN (Personal Identification Number) die erste Fehlermeldung "Kartenfehler Es ist ein Fehler bei der Kommunikation mit der Karte aufgetreten." hinnehmen.








Das bringt mich nicht aus der Fassung, denn das hatte ich erwartet. Die Verbindung des Kartenlesegeräts REINERSCT blieb stabil, dessen grünes Lämpchen leuchtete fröhlich und vor allem dauerhaft auf und signalisierte mir damit, dass mir ein weiteres Dutzend Verbindungsversuche wohl erspart bleiben würden.

Nun folgte nach der nächsten Eingabe der zweiten PIN eine andere Fehlermeldung, nämlich "Fehler Falscher Schlüssel ausgewählt. Bitte versuchen Sie es erneut."

Wer auch immer den falschen Schlüssel ausgewählt hatte, ich war es nicht. Es folgte der nächste Versuch und es folgte die nächste Fehlermeldung, abermals nach der Eingabe der zweite PIN: "PIN-Eingabe abgebrochen Die PIN-Eingabe wurde abgebrochen."








Das war nun schlicht falsch. Da nur ich die PIN-Eingabe vornehme und ich diese nicht abgebrochen hatte, wurde mein Verdacht, dass der Fehler nicht bei mir zu suchen ist, erneut gestärkt. Solange das grüne Lämpchen leuchtet, solange lasse ich mich aber nicht aus der Ruhe bringen und habe mich direkt gefreut, dass bei der vierten Eingabe der zweiten PIN nun die Fehlermeldung "PIN-Eingabe Die PIN-Eingabe wurde abgebrochen oder es ist ein Fehler bei der Kommunikation mit der Karte aufgetreten." auftauchte. Vier Eingaben und vier verschiedene Fehlermeldungen nacheinander, das kannte ich noch nicht.








Nun war der bunte Reigen beendet und es tauchten immer wieder die gleichen Fehlermeldungen auf und nach etwa 6 weiteren Versuchen bei der zweiten PIN-Eingabe öffnete sich mein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) mit zwei neuen Mitteilungen, nämlich von der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle. Einmal die Kammerkurzmitteilung Nr. 2 aus 2021 vom 18.01.2021 und der Beitragsbescheid für das Jahr 2021. Um diese Mitteilungen zu empfangen, habe ich meine Nerven aus Stahlseilen benutzt und etwa 40 Minuten meiner kostbaren Zeit. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es ist, am Abend des Tages eines Fristablaufs auf die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs angewiesen zu sein. Ohne ein Faxgerät in der Hinterhand zu haben, würden da selbst meine Nerven versagen.

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Ich wünsche ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr



Aus dem niedersächsischen Bollwerk im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit sende ich insbesondere den Leser meines Blogs und den Freunden auf Facebook weihnachtliche Grüße und die besten Wünsche für das neue Jahr. Hoffen wir, dass sich die Justiz auch im kommenden Jahr an den Grundsatz "Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen" erinnert und jeden Rechtsbruch angemessen sanktioniert. Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Ralf Möbius LL.M..   


Montag, 21. Dezember 2020

OLG Schleswig: zu doof für PKH

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 16.11.2020 zum Az.: 9 W 163/20 einer Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) verweigert, weil diese den amtlichen Prozesskostenhilfevordruck nicht vollständig ausgefüllt hatte. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, beigefügte Anlagen zu durchforsten und auszuwerten, um dann die fehlenden Angaben im amtlichen Vordruck zu ergänzen. Bereits das Landgericht hatte mit zwei richterlichen Verfügungen auf die fehlende Mitwirkung hingewiesen, ohne dass es die Antragstellerin für nötig gehalten hatte, ihre Angaben zu ergänzen.

Der Bundesgerichtshof meinte dagegen in seinem Beschluss zum Az.: IVb ZB 47/85, dass das unvollständige Ausfüllen eines PKH-Vordrucks folgenlos bleiben soll, wenn die Lücken im Vordruck durch beigefügte Anlagen geschlossen werden können und diese übersichtlich und klar seien. Ob die Anlagen im Falle der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts übersichtlich und klar waren, kann ich nicht beurteilen, da diese dem Gegner vom Gericht üblicherweise nicht übersandt werden.

In jedem Fall ist der Antragstellerin durch ihre nachlässige Art die Chance auf ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 10.000,- durch die Lappen gegangen, da ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe kein Rechtsanwalt zur Verfügung stand, um die zunächst vor dem Amtsgericht wirksam erhobene Widerklage vor dem Landgericht weiter zu führen. Von der drohenden Last eines hohen Schmerzensgeldes ist unser Mandant wegen der Schlampigkeit der Antragstellerin daher auf Dauer befreit.

Mittwoch, 23. September 2020

Spitzenjurist

Wer mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" wirbt, sollte auch ein Spitzenjurist sein. Dies erläuterte der dritte Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg in seinem Urteil vom 13.07.2009 zum Az. 3 U 525/09 mit der Auffassung, dass der Referenzverbraucher unter "Prädikatsanwalt" einen Anwalt verstehe, der nicht nur ein Examen mit dem in Bayern gebräuchlichen "kleinen Prädikat" erworben habe, sondern zu einer kleinen Gruppe von auch prüfungsmäßigen Spitzenjuristen zähle. Schon das Landgericht Regensburg hatte im Urteil vom 20.02.2009 zum Az. 2HK O 2062/08 geäußert, dass auch bei einer Quote von 47 % der Examenskandidaten, die in Bayern 2007 das 2. Staatsexamen bestanden haben und damit zumindest das "kleine Prädikat" erworben haben, welches bereits bei 6,5 von 18 möglichen Punkten verliehen werde, solche mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" versehenen Rechtsanwälte nicht notwendig zu einer kleinen Gruppe von Spitzenjuristen zählen, die ihr Examen mit einer sehr guten Note bestanden haben. Zu sehr weiche die Vorstellung "Spitzenjurist" von der bei einer nennenswerten Zahl von "Prädikatsanwälten" tatsächlich vorhandenen Befähigung ab.

Damit stellten die Richter klar, dass die Werbung mit der Bezeichnung "Prädikatsanwalt" für einen Rechtsanwalt wegen der zumindest in Bayern äußerst verwässerten Bedingungen bei der Erreichung eines Prädikatsexamens beim Verbraucher die falsche Vorstellung auslöse, es tatsächlich auch mit einem Spitzenjuristen zu tun zu haben. Nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 16.11.2017 zum Az.  ZR 160/16 setzt eine zulässige Spitzenwerbung voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass ich im vergangenen Sommer den höchsten Berggipfel Deutschlands vom österreichischen Ehrwald aus zu Fuß erreicht habe, darf auch ich mich als Spitzenjurist bezeichnen. Ob die Verwendung dieser Bezeichnung für mein berufliches Wirken außerhalb der Zugspitzbesteigung zulässig wäre, lasse ich an dieser Stelle einfach mal offen.

Montag, 14. September 2020

Warum Anwälte eine Robe tragen



Immer wieder trifft man im Internet auf die angebliche Kabinettsorder des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. vom 15.12.1726, auf welche die aktuelle Berufstracht von Rechtsanwälten zurückzuführen sei: "Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, daß die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt." Ich habe die Quelle nicht überprüft und es mag sein, dass einem monarchistischen Herrscher die Widerworte der Anwaltszunft derart sauer aufgestoßen sind, das er sie mit einer Art Robe stigmatisieren wollte. Doch die Zeiten absolutistischer Herrscher sind vorbei und man wird als Rechtsanwalt bisweilen gefragt, welchen Sinn das Tragen der Robe für einen Anwalt heute noch hat. Ich selbst hatte vor Gericht hier und da bereits kleine Diskussionen über meine fehlende Robe, ohne dass dieses je Konsequenzen gehabt hätte. Weshalb es heute überhaupt noch der Vorschrift des § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) folgend eine Berufstracht für Anwälte gibt, wurde in meinem Beisein vor Gericht aber noch nie hinterfragt.     

Allerdings erläutert der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 07.11.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) den Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe wie folgt: Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen (BVerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht (BVerfG aaO; Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 16, 41; Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAO Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann (BVerfG aaO).
 
Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Die Anwaltsrobe verkörpert - im Unterschied zu anderen Berufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist (Scharmer in Hartung/Scharmer aaO Rn. 18 f. mwN; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). Eine überaus einleuchtende Erklärung, der ich mich nur anschließen kann. Das Tragen der Robe unterstreicht das distanzierte Auftreten des Anwalts im Rahmen des Sachlichkeitsgebots gem. § 43a Abs. 3 BRAO vor Gericht, wonach sich ein Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten darf. Denn Beleidigungen und andere Persönlichkeitsrechtsverletzungen haben im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung nichts verloren.

Donnerstag, 9. Juli 2020

HSV - erst Abmahnung, dann Klage

Der HSV musste in der vergangenen Zweitliga-Saison im entscheidenden letzten Spiel gegen den SV Sandhausen eine empfindliche 1:5-Niederlage hinnehmen und verpasste damit den Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga. Abseits des Rasens kämpft der HSV, besser die HSV Fußball AG, vor Gericht um einen Sieg im Zusammenhang mit der Ausrichtung von Heimspielen der Fußball-Lizenzmannschaft. Wenigstens vor dem Landgericht Hamburg hofft die HSV AG nämlich, das Saisonziel noch zu erreichen. Denn wer ein Heimspiel der HSV AG sehen möchte, muss dazu einen Vertrag mit der Fußball Aktiengesellschaft schließen und nach den Vorstellungen des Vorstands der Aktiengesellschaft deren Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Besuch von Spielen ausnahmslos akzeptieren.

Nun kommt es immer wieder vor, dass Fans, die eine Karte gekauft haben, persönlich verhindert sind oder sich einfach die Fortsetzung einer Negativserie ihrer Lieblingsmannschaft nicht auch noch für Geld ansehen möchten. Wer dann den Fehler macht, sein Ticket auf ebay.de oder ebay-kleinanzeigen.de anzubieten und vom Kleingedruckten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Besuch von Spielen der Lizenzmannschaft keine Ahnung hat, könnte eine Abmahnung vom Anwalt der HSV Fußball AG bekommen, denn ausweislich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Hinweise auf den Eintrittskarten besteht eine Berechtigung für Besuche von Spielen nur dann, wenn der Besucher einen Veranstaltungsvertrag mit der HSV AG geschlossen hat oder in einen solchen Vertrag mit Zustimmung der HSV AG eingetreten ist.

Klingt kompliziert? Ist es auch. Denn wer eine Karte über als Zweiterwerber kauft, darf nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Spiel nur ansehen, wenn die HSV AG dem Vertragseintritt des Erwerbers zustimmt. Und das passiert nur nach den vom HSV einseitig bestimmten Regeln. Am Stadioneingang gibt es dann bisweilen eine böse Überraschung, wenn der Eintritt verweigert wird, weil der Ticketerwerb über das Internet eben nicht mit Zustimmung der HSV AG erfolgt ist. Das ist der Moment, in dem der online-Kartenkäufer weichgekocht wird und alles tut, um doch noch ins Stadion zu gelangen. Eigene Daten, fremde Daten, die Konfektionsgröße der Freundin und das Konfirmationsgeschenk der Großmutter werden dem HSV bereitwillig auf dem Silbertablett präsentiert, bloß um noch irgendwie das Spiel zu sehen.

Nach der umfassenden Zwangsbeichte des Käufers kann dann auch der Verkäufer von der HSV AG gegrillt werden, der das Kleingedruckte nicht ernst genommen und seine Karten online verscheuert hat. Der erste Schritt erfolgt dann mit einer Abmahnung über den Rechtsanwalt der Hamburger Aktiengesellschaft. Wer dann glaubt, im Recht zu sein, bekommt nicht selten eine Klage zugestellt, in der verlangt wird, es zu unterlassen, ohne Zustimmung der HSV AG selbst oder durch Dritte Eintrittskarten für Heimspiele der Fußballbundesliga-Lizenzmannschaft der HSV AG, welche er angeblich unter Einbeziehung der AGB der HSV AG bezogen hat, über einen Internet-Marktplatz und/oder mit einem Gewinnaufschlag von a) mehr als 10 % und b) einer Pauschale von EUR 2,00 zu veräußern.

Zur Begründung für den Drang, Fußballfans für Kleckerbeträge vor Gericht zu zerren, führt die HSV AG an, sie sei nur bei einem Verkauf der Karten über eigene Vertriebskanäle in der Lage, im Falle von zu erwartenden Sicherheitsproblemen, etwa bei sogenannten „Problemspielen“, kontrollierend und reglementierend einzugreifen. Diese Möglichkeit sei ihr bei Vertriebskanälen, die der Kontrolle der AG entzogen sind, vollständig genommen. Die von der HSV AG erstrebte Kontrolle nach dem Verkauf diene angeblich dem Schutze der körperlichen Integrität der Besucher des Stadions. Wer selbst ab und zu im Stadion ist, ahnt, dass über ebay verkaufte Tickets keine Gefahr für Leib und Leben von Stadionbesuchern sein könnten, weil sich die wenigen zur Gewalt entschlossenen Fußballfans nicht über ebay mit Karten eindecken, sondern längerfristig vorsorgen und für Prügeleien grundsätzlich andere Orte bevorzugen. Denn durch die technische Verbesserung der Überwachung in den Stadien und das hohe Polizeiaufkommen bei Bundesliga-Spielen finden die gewalttätigen Auseinandersetzungen regelmäßig außerhalb des Stadions statt.

Freitag, 19. Juni 2020

Die Notbremse des Hauptbelastungszeugen

Der Hauptbelastungszeuge hatte eine E-Mail an die Staatsanwaltschaft geschickt. Angeblich, um die Wahrheit über die Angeklagte ans Licht zu bringen, weil er mit Lügen in seinem Leben nicht mehr leben könne. Das Motiv schiene edel und der Denunziant gar äußerst anständig, wenn man nicht wüsste, dass sich der Zeuge bereits wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes und der Veruntreuung von Mandantengeldern strafrechtlich verantworten musste, ein Insolvenzverfahren läuft und seine Zulassung als Rechtsanwalt der Vergangenheit angehört.

Weil die Angeklagte die ehemalige Mandantin und Verflossene des Zeugen ist, drängt sich der Verdacht einer Beziehungstat auf. Und tatsächlich beginnt der Hauptbelastungszeuge mit der Schilderung einer problematischen Beziehung, aus welcher er sich mit einer zerstörerischen E-Mail an die Staatsanwaltschaft zu lösen versucht habe. Heute würde er sich für sein Verhalten schämen, ein Verhältnis mit der Angeklagten eingegangen zu sein und auch die Staatsanwaltschaft zur Beendigung dieser Beziehung benutzt zu haben: "Ich wollte wegkommen und die Beziehung beenden, daher habe ich die E-Mail geschrieben."

Charakterstärke sieht anders aus aber immerhin bedauert der Zeuge seine Tat und versichert glaubhaft, dass er so etwas heute nicht mehr wiederholen würde. Weil es ihm wenigstens jetzt auf die Wahrheit ankomme, habe er den elektronischen Hilferuf an die Strafverfolgungsbehörden vor der Verhandlung auch nicht noch einmal gelesen und könne sich deshalb nicht mehr an konkrete Umstände erinnern, aus denen sich eine Belastung der Angeklagten ergeben könnte: "Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne." Die Einsicht des Zeugen kommt spät, aber nicht zu spät und sein Verzicht auf Auslagen für die weite Anreise erscheint überaus verständlich.

Dienstag, 14. April 2020

Widerruf der Anwaltszulassung

Nach § 14 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet.

Damit ist klar, dass ein Anwalt seine Zulassung nicht schon deswegen verlieren kann, wenn ihm wegen einer vorübergehenden psychischen Belastung in der aktuellen Corona-Krise derart die Kontrolle entgleitet, dass ein Rechtsanwalt vorübergehend gegen seinen Willen in ein psychiatrisches Fachkrankenhaus, eine psychiatrische Fachabteilung eines Allgemeinkrankenhauses oder einer Hochschulklinik eingewiesen wird, um dort behandelt zu werden.

Die Unterbringung ist im Übrigen auch nur zulässig, wenn und solange durch das krankheitsbedingte Verhalten eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann, als den betroffenen Kollegen in einer Klinik unterzubringen.

Gesundheitliche Gründe, die zum Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führen, können körperlicher oder geistiger Natur sein. Es kommt darauf an, dass der Rechtsanwalt wegen dieser Gründe nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies insbesondere dann der Fall, wenn der Anwalt zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung der Interessen der Rechtsuchenden außerstande ist. Allerdings ist nicht erforderlich, dass die Verrichtung des Anwaltsberufs dauerhaft und unumkehrbar unmöglich ist.

Eine 10-tägige gerichtliche Unterbringung wegen eines akuten psychotischen Zustandes mit ausgeprägter manischer Phase und der Gefahr einer Selbst- und/oder Fremdgefährdung im Zusammenhang mit einem zu zahlreichen Beschwerden der Mandantschaft oder Gerichten führenden Verhalten kann eine anwaltliche Zulassung allerdings schon gefährden.

Eine nur abwegige persönliche Meinung eines Rechtsanwalts und diffamierende Äußerungen über Richter, Staatsanwälte, die Justiz insgesamt oder die politische Gesamtlage in Deutschland dürften allerdings noch keinen Anlass geben, die Erstellung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand eines Rechtsanwalts zu veranlassen um auf dessen Grundlage den Widerruf der Zulassung zu stützen.

Entscheidend ist vielmehr, ob bei einem Rechtsanwalt gesundheitliche Gründe vorliegen, die ihm die sachgemäße und sorgfältige Wahrnehmung der Interessen der Mandanten dauernd unmöglich machen. Dies zu beurteilen obliegt selbstverständlich zuerst der zuständigen Rechtsanwaltskammer und erst dann den entsprechenden berufsrechtlichen Fachgerichten.

Donnerstag, 2. April 2020

Diplom-Virologe (Dipl.-Vir.)

Nach § 132a StGB ist der Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen strafbar. Wer also unbefugt inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt oder die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter oder die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, muss mit einer Geldstrafe oder gar einem Freiheitsentzug rechnen.

Deutsche Adelstitel sind von der Vorschrift des § 132a StGB natürlich nicht erfasst, denn bereits mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 wurden alle Vorrechte des Adels abgeschafft und Adelsprädikate sind seitdem nur noch Teil des Nachnamens. Deshalb ist es strafrechtlich völlig unbedenklich, wenn sich jemand Fürstin von Thurn und Taxis, Fürst zu Schaumburg-Lippe oder Graf von Hoya nennt, denn Fürstinnen, Fürsten und Grafen sowie andere Adelsbezeichnungen gibt es wegen der Abschaffung des Adels in Deutschland schon lange nicht mehr und wer möchte, darf sich natürlich einen adeligen Fantasienamen zulegen, ohne sich strafbar zu machen.   

Ganz anders sieht das für Hochstapler aus, die sich nicht nur ungestraft in der Märchenwelt von Prinzen und Grafen tummeln möchten, sondern die Führung akademischer Titel im Auge haben. Anders als die Spaßbezeichnung "Fürst" kann nämlich die Verwendung der Abkürzung "Dr." oder "Dipl." mit Zusatz vor dem Namen als ein Hinweis auf die Berechtigung zum Tragen eines bestehenden akademischen Grades verstanden werden.

Allerdings erfüllt nicht jede unbefugte Inanspruchnahme eines Titels oder einer Berufsbezeichnung den Tatbestand des § 132a StGB. Der Täter muss vielmehr Titel oder Berufsbezeichnung unter solchen Umständen verwenden, dass das durch § 132a StGB geschützte Rechtsgut gefährdet wird. Geschützt wird nämlich die Allgemeinheit davor, dass einzelne im Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Stellung hat, Handlungen vornehmen könnte, die für sie oder andere schädlich sein können. Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst also nicht schon den rein äußerlichen Missbrauch, durch den sich der Täter einen falschen Schein gibt. Zwar kann durch die Vorspiegelung eines akademischen Grades der Eindruck größerer Sachkunde, höherer Bonität oder allgemein höherer Seriosität erweckt, werden, allerdings muss mindestens der Zweck, dadurch eine erhöhte Stellung des Verwenders vorzutäuschen, gegeben sein.

Wer daher die aktuell im Internet kursierende Urkunde über die bestandene Diplom-Prüfung mit dem verliehenen akademischen Grad Dipl.-Vir. als Diplom-Virologe nutzt, dürfte sich angesichts des Inhalts genau dieser Urkunde nicht strafbar machen, da es den akademischen Grad Dipl.-Vir. in Deutschland nicht gibt und der Inhalt der Urkunde klar ersehen lässt, dass keine besondere Sachkunde vorgetäuscht werden soll, sondern ganz im Gegenteil nur ein ironischer Hinweis auf den durch die Corona-Krise ausgelösten Virologen-Hype erfolgt.

Dienstag, 31. März 2020

Brief in der Coronakrise an Bundeskanzlerin Merkel zur Systemrelevanz der Anwaltschaft

Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, schreibt einen Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und bittet sie um Solidarität mit der Anwaltschaft, damit diese auch nach der Krise für Bürgerinnen und Bürger den Zugang zum Recht weiter gewährleisten kann.

Auch die Anwaltschaft müsse als eines der tragenden Elemente unseres Rechtsstaates unterstützt werden und dürfe in der Coronakrise nicht schlechter stehen, als andere Unternehmer.

Dies sei aber dann der Fall, wenn faktisch Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Soforthilfe geschaffen werden, die ein Anwalt oder eine Anwältin nicht erfüllen könne oder die Anwaltschaft gar von vornherein ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Maßnahmenpakete ausgeschlossen werde.