Außerdem forderte die HSV AG eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 1.000,- sowie die Zahlung der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.029,35. Weil die Kartenverkäufer keiner der Aufforderungen der HSV AG Folge leisteten, klagte diese gegen die Fußballfreunde vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung, ohne Zustimmung der HSV AG Eintrittskarten für Heimspiele der Bundesligamannschaft der HSV AG über einen Internet-Marktplatz zu veräußern, auf Zahlung der geforderten Vertragsstrafe nebst Abmahnkosten sowie darauf, Auskunft zu erteilen, wann, auf welche Weise und an wen die Eintrittskarten zu welchem Preis weitergegeben wurden.
Das Landgericht Hamburg wies die Klage der HSV AG mit Urteil vom 14.10.2022 zum Az.: 312 O 106/20 ganz überwiegend ab und verurteilte die HSV AG zur Übernahme der gesamten Prozesskosten. Lediglich die Klage auf Auskunft erachtete das Landgericht Hamburg in beschränktem Umfang für begründet. Das Gericht stellte fest, dass die HSV AG keine Rechtsverletzung durch die Beklagten dargelegt hätte und die Kartenverkäufer grundsätzlich berechtigt gewesen seien, die Bundesligakarten an Dritte weiterzugeben. Dass die Verkäufer die Ticktes über viagogo.de zum Verkauf angeboten hätten, habe die HSV AG weder dargelegt noch bewiesen. Die Kartenverkäufer seien auch nicht zur weiteren Sachaufklärung verpflichtet gewesen, da die HSV AG keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen sich eine Pflichtverletzung der Beklagten ergeben hätte.
Ob die Kartenverkäufer die Eintrittskarten zu den Spielen der Fußball-Bundesliga selbst bei viagogo verkauft hatten, diese den Verkauf über viagogo durch Dritte gebilligt hätten oder aber der Verkauf über viagogo gänzlich ohne Zutun und Kenntnis der Ersterwerber abgelaufen ist, sei vollkommen unklar. Ein Unterlassungsanspruch der HSV AG scheide genauso aus wie der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe oder Abmahnkosten. An wen die Ticketkäufer die Eintrittskarten für die Spiele gegen den FC St. Pauli weitergegeben hatten, müssten diese allerdings sagen, weil sich diese Pflicht schon aus den gültigen Geschäftsbedingungen der HSV AG ergebe.
Mit diesem Urteil des Landgerichts Hamburg wurde wieder einmal bestätigt, dass das Bestreben der Lizenznehmer der DFL Deutsche Fußball Liga e.V., nämlich die Vereine und Kapitalgesellschaften, welche sich die Nutzung der Formate "Bundesliga" oder "2. Bundesliga" gesichert haben, bei dem Bestreben, die Fußballfans mit Hilfe von überzogenen Geschäftsbedingungen zu drangsalieren, klare Grenzen haben. Mit der bloßen Spekulation, weil von Fußballfans gekaufte Karten letztlich über viagogo vertrieben wurden, müssten die Erstkäufer dieser Karten auch etwas mit dem viagogo-Verkauf zu tun haben, kommen die Clubs nicht weiter. Schon der Bundesgerichtshof hatte festgestellt, dass vielfach als Verkäufer in Betracht kommende Privatpersonen nicht wirksam einem Weiterverkaufsverbot unterworfen sein würden.
Ein Verkaufsverbot komme nicht in Betracht, wenn Karten privat verschenkt worden seien, der Erwerber am Besuch des Spiels plötzlich gehindert ist oder wenn bei einer Kartenbestellung Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Clubs nicht wirksam einbezogen wurden. Das grundsätzliche Konzept von viagogo hat auch deshalb Bestand, weil für den Durchschnittskunden erkennbar ist, dass auf der Online-Plattform von Viagogo Tickets weiterverkauft würden. Das Unternehmen gibt nämlich nicht an, Erstverkäufer zu sein. Während die DFL Deutsche Fußball Liga e.V. mit dem Verkauf von Fernsehrechten jährlich über eine Milliarde Euro verdient, Fußballtrainer und Fußballspieler Millionen einstecken und viagogo beim Ticketvertrieb in einem Multimillionenmarkt mitmischt, setzen Bundesligavereine Anwälte auf Endverbraucher an, die bestenfalls dann bescheidene Gewinne für Ticketverkäufe einstreichen, wenn die Karten für begehrte Spiele knapp geworden sind.
Wem "sein Verein" derart ans Herz gewachsen ist, dass er menschenunwürdige Qualen erleiden würde, wenn er das Spiel seiner Wahl nur in einer Kneipe ansehen könnte, hat in der Regel die Möglichkeit, sich Vorzugsrechte für Stadionbesuche über den Erwerb von Dauerkarten oder Mitgliedschaften in Vereinen oder Fan-Clubs zu sichern. Die Preise für Eintrittskarten zu Spielen der Fußball-Bundesliga haben längst die Sphäre der Kosten eines Restaurantbesuchs überschritten und die erwirtschafteten Gewinne werden an Kicker ausgeschüttet, die sich durch ihren Halbtagsjob Luxusimmobilien und Edelkarossen leisten können, die mehr Geld kosten, als viele Fußballfans im ganzen Leben verdienen werden.
Das Geschwätz der Fußball-Aktiengesellschaften und Vereine über sozialverträgliche Preise bei Stadionbesuchen zur Begründung der juristischen Verfolgung von Kartenverkäufern ist angesichts der Preise in der Milliardenindustrie Fußball längst ein untaugliches Feigenblatt. Tatsächlich geht es um die Ausübung von Macht. Dem Gelegenheitsbesucher, Ultra oder Dauerkarteninhaber soll unmissverständlich vermittelt werden, dass er sich als einfacher Konsument strikt an Stadionordnungen und Allgemeine Ticket-Geschäftsbedingungen zu halten hat. Der Fußballfan wird auf unterster Ebene mit seitenlangen und kleingedruckten Geschäftsbedingungen vorgekocht, um ihn im Falle eines Weiterverkaufs von Eintrittskarten mit dem Hinweis verspeisen zu können, dass für den mickrigen Gewinn eines schlichten Endverbrauchers kein Platz im Fußballbusiness ist.