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Sonntag, 26. Juli 2020

Mann ersticht Frau

Die Schlagzeilen über schwere Straftaten wiederholen sich und die Nationalität des Täters wird selten genannt. Schon die bloße Verwendung der Worte "Messer" oder "Großfamilie" im Zusammenhang mit einer Straftat löst mittlerweile einen Einordnungsreflex zu Lasten von Menschen mit Migrationshintergrund aus. Die Nichtnennung der Zugehörigkeit eines Verdächtigen oder des Täters zu einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit hängt mit der Vorschrift der Richtlinie 12.1 des Pressekodex zusammen, da nach dieser Norm eine solche Zugehörigkeit in der Regel nicht erwähnt werden soll, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.

Die Zugehörigkeit des Täters, der 2019 im Frankfurter Hauptbahnhof eine Mutter und ihren Sohn vor einen einfahrenden Zug gestoßen hatte, durfte nach Ansicht des Deutschen Presserats genannt werden, weil es an der Herkunftsnennung ein berechtigtes öffentliches Interesse gegeben habe. Die Mitteilung des Umstands, dass der Mann aus Eritrea stammte, sei keine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Richtlinie 12.1 des Pressekodex, weil die Tat ein besonders schweres und in ihrer Art außerordentliches Verbrechen gewesen sei, urteilte der Deutsche Presserat nach Erhebung einer Beschwerde gegen die BILD-Zeitung.

Nun sind auch Axtmorde, Schwertmorde und Messermorde durchaus schwere Verbrechen und als solche wohl immer noch außerordentlich, so dass die Nennung der Nationalität eines Täters mittlerweile sogar entlastenden Charakter haben könnte, denn der Mangel der Nennung der Nationalität eines Täters bei der Berichterstattung dürfte in der Regel beim Durchschnittsleser dazu führen, dass eine solche Tat automatisch einer Person zugeschrieben wird, die einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit angehört. Gerätselt wird meist nur noch darüber, ob der Täter ein Afghane, Syrer, Iraker oder Marokkaner gewesen ist.

Weil im Jahre 2018 in der Rubrik "Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen" nur 43 Prozent der Tatverdächtigen nichtdeutscher Herkunft waren, würde die konsequente Nennung der Nationalität bei derartigen Verbrechen in über 50 Prozent der Fälle dem oben beschriebenen Generalverdacht gegen ethnische oder religiöse Minderheiten entgegenwirken, der durch die bloße Verwendung des Wortes "Mann" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über schwere Straftaten beim Durchschnittsrezipienten ausgelöst werden könnte. Eine größere Transparenz bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit sollte daher angesichts der geltenden Pressefreiheit nicht nur erträglich sondern sogar wünschenswert sein.