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Mittwoch, 28. Oktober 2020

Das fachärztlich psychiatrische Gutachten im Zivilprozess

Wenn ein Gericht ein fachärztlich psychiatrisches Gutachten anordnet, obwohl der Inhalt der Prozessakten dafür spricht, dass die zu begutachtende Partei im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, kann diese Anordnung einen rechtswidrigen Grundrechtseingriff darstellen. Über den Umstand, dass allein die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung grundsätzlich einen Eingriff in die Grundrechte der Partei darstellt, besteht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.11.2005, Az.: 1 BvR 1542/05, kein Zweifel mehr, denn das Bundesverfassungsgericht hatte ausgeführt, dass schon eine solche Anordnung den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzen kann.

Ein universitäres Projekt der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld war im Rahmen einer Anmerkung zu einem einschlägigen Gerichtsbeschluss der nachvollziehbaren Ansicht, dass eine psychiatrische Begutachtung trotz des Umstands, dass ein Gericht zwar nicht auf die in §§ 355 ff. ZPO vorgesehenen Beweismittel beschränkt ist, sondern sich aller verfügbaren Erkenntnisquellen bedienen kann, nur dann angeordnet werden darf, wenn ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit der in Rede stehenden Partei bestehen. Wegen des zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatzes dürfe ein Gericht aber nie von sich aus Beweis durch eine sachverständige Begutachtung erheben und dafür schon gar nicht einen bestimmten Gutachter benennen.

Die Begründung des Forschungsprojekts "Watch the Court" für diese Auffassung leuchtet ein: "Wenn ein Gericht die psychiatrische Begutachtung einer Person anordnet, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist, ist allein schon diese Anordnung für jene Person in hohem Maße belastend: Allein schon die Äußerung des Verdachts einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit bedeutet für die betroffene Person eine schwere Demütigung." Im Falle einer willkürlichen Anordnung der Untersuchung der Prozessfähigkeit einer Partei sieht das Projekt um Professor Dr. Martin Schwab daher auch die Möglichkeit eines Antrags auf Befangenheit gegen die Richter, weil bei vernünftiger Betrachtung das Vorgehen des Gerichts die Befürchtung beim Betroffenen erwecken dürfte, die Richter stünden der betroffenen Partei nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.