Das Gericht schreibt:
"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
In der Strafsache
gegen xxxxxxxxxxxxx
wird angefragt, ob sich dort evtl. noch Kopien aus dem Verfahren befinden.
Die Akte ist hier in Verlust geraten und es muss eine Ersatzakte angelegt werden."
Eine rechtskräftige Verurteilung gibt es noch nicht und der Mandant hätte es sicherlich gerne, wenn die Akte für alle Zeiten "in Verlust geraten" bleibt. Tatsächlich liegt die Strafakte hier als Kopie vollständig vor. Gegen den Willen des Mandanten darf die Akte nicht herausgegeben werden, so dass ein klares "Nein" als eindeutige Lüge sicherlich der einfachste Weg wäre. Aber eine Lüge scheidet - selbstverständlich - aus. Denn § 43a Absatz 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimmt: "Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben."
Dennoch muss man sich natürlich darüber Gedanken machen, ob die Mitteilung der Wahrheit nicht die Interessen des Mandanten gefährden könnte. Denkbar wäre nämlich eine Beschlagnahme der Akten in unserer Kanzlei. Dass dies zur Herstellung einer Ersatzakte zulässig ist, begegnet gewichtigen Bedenken. Denn richtet sich eine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme gegen einen Berufsgeheimnisträger in der räumlichen Sphäre seiner Berufsausübung, so bringt dies darüber hinaus regelmäßig die Gefahr mit sich, dass unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG stehende Daten von Nichtbeschuldigten, etwa den Mandanten eines Rechtsanwalts, zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers gerade sicher wähnen durften.
Dadurch werden nicht nur die Grundrechte der Mandanten berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Zwangsmaßnahme. Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und die Rekonstruierung der Akten wegen eines Fehlers der Strafverfolgungsbehörden würde eine Beschlagnahme damit sicherlich als unangemessen erscheinen lassen.
Dem Gericht die Wahrheit mitzuteilen dürfte dem Mandanten daher nicht zum Nachteil gereichen. Eine besonders sichere Verwahrung dieser Akte sollte vorsichtshalber dennoch in Betracht gezogen werden.
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Montag, 19. November 2018
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