Dienstag, 30. März 2010

Eine Werbe-Mail von TERMlNSVERTRETUNG.DE

Wie man mit nur einer an eine Vielzahl von Empfängern gerichteten Werbe-E-Mail ein kleines Kapitel im IT-Recht schreiben kann, läßt sich eindrucksvoll am Beispiel der Nachricht erläutern, mit welcher das "Exklusivportal zur Terminsvertretung von Anwälten" TERMlNSVERTRETUNG.DE, das sich als "maßgeschneidertes Serviceportal für jede/n Rechtsanwältin / Rechtsanwalt, die als Prozessbevollmächtigte Terminsvertreter suchen oder als Terminsvertreterin / Terminsvertreter tätig werden möchten" versteht, am 22.11.2008 bei zahlreichen Rechtsanwälten um Beitritt warb.

Seit der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 06.05.2004 zum Az.: I ZR 2/03 entschieden hatte, daß Rechtsanwälte für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in eigener Sache grundsätzlich keine Kostenerstattung verlangen dürfen, ist es im Hinblick auf die Kosten ein relativ risikoloses Geschäft für die kommerzielle Anwaltsperepherie wie Verlage und Verzeichnisse, ihre potentiellen Kunden anzuspammen. Wenn man dann nach einer Abmahnung bereit ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und seine Adressverwaltung im Griff hat, ist Spam an Anwälte eine effektive Werbemethode mit sehr geringem Kostenaufwand.

Zur Abgabe einer ausreichenden Unterlassungserklärung war der federführende Kollege von "TERMlNSVERTRETUNG.DE" jedoch mindestens zweimal nicht bereit. Weil es sich nicht nur um einen einfachen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelte, durfte auch die Unterlassungserklärung umfassender verlangt werden. Da auch auf den Hinweis, daß eine Erklärung, nur an den Empfänger keine weiteren E-Mails mehr zu senden, nicht weit genug sei, keine Reaktion erfolgte, kam es wie es kommen mußte: Mehrere Prozesse wegen der Werbe-E-Mail vom 22.11.2008 liefen an.

In dessen Rahmen war dann zu erfahren, daß ein unglückseliger Kollege aus Köln doch tatsächlich das Pech hatte, in seinem Prozeß gegen die TERMlNSVERTRETUNG.DE-GbR auf einen Richter am Landgericht Bielefeld zu treffen, der ihm das Vorgehen aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Urteil vom 30.01.2009 zum Az.: 3 O 451/08 verweigerte.

Begründung: "Für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 UWG fehlt dem Kläger die Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 UWG. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG setzt voraus, dass sich die Geschäftsbereiche der Parteien überschneiden und der Verfügungsbeklagte auch nur potenziell oder mittelbar in der Lage wäre, die Absatzchancen des Verfügungsklägers zu beeinträchtigen. Als ein bloßer Marktteilnehmer, der nur im Vertikalverhältnis und nicht als Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) durch die Zusendung der Werbe-E-Mails betroffen sein konnte, ist ihm das Vorgehen aus dem Wettbewerbsrecht verwehrt."

Das Landgericht Hannover sah das schon im Verfügungsverfahren mit Beschluss vom 02.12.2008 zum Az.: 18 O 270/08 anders, da der Antragsgegner gegenüber einem Rechtsanwalt als Wettbewerber verpflichtet sei, allgemein und auch gegenüber Dritten derartige gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzulässige Werbemaßnahmen zu unterlassen.

Im sich anschließenden Hauptsacheverfahren begründete das Landgericht Hannover seine Auffassung mit Urteil vom 12.05.2009 zum Az.: 18 O 039/09 noch etwas ausführlicher: "Die Parteien sind Mitbewerber und stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Der Kläger nimmt als ortsansässiger Rechtsanwalt u. a. auch Mandate zur Vertretung auswärtiger Kollegen an hannoverschen Gerichten an. Durch die oben genannte E-Mail werden Terminsvertreter auch im Raum Hannover gesucht, die über die Plattform „terminsvertretung.de" für auswärtige Anwälte tätig werden sollen. Insofern konkurrieren hier beide auf dem gleichen Markt (Vertretung auswärtiger Anwälte vor hannoverschen Gerichten). Dabei spielt es keine Rolle, dass terminsvertretung.de nur eine Vermittlungsplattform darstellt. Wettbewerbsrechtlich ist es unerheblich, ob die Beteiligten auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen stehen. Maßgeblich ist, dass sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (vgl. Hefermehl-Köhler-Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 2 Rz. 67, 68)."

Endgültig zum Schulfall mutierte die Werbe-E-Mail vom 22.11. dann in einem weiteren Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 17.06.2009 zum Az.: 439 C 16130/08. Dort hatte ein Kollege nur auf Unterlassung der Zusendung von Werbe-Mails an ihn selbst geklagt und auf ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen verzichtet. Im Prozeß wurde trotz des ausdrücklichen Verlangens des Klägers nach einer schriftlichen Unterlassungserklärung eine ihm im Termin nur in Kopie überreichte Unterlassungserklärung als ausreichend angesehen, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, denn "Bei einer im Prozess schriftsätzlich überreichten Unterlassungserklärung bleibt, anders als bei außerprozessualer, elektronischer Übermittlung für Zweifel an ihrer Echtheit und Ernsthaftigkeit kein Raum. Eine schriftsätzliche, in der mündlichen Verhandlung erklärte Unterlassungserklärung bietet dem Gläubiger schon wegen der Wahrheitsobliegenheit des § 138 ZPO hinlänglich Gewähr an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung des Schuldners und dem Willen, an die Erklärung gebunden zu sein."

Eine E-Mail, viele Empfänger und mindestens vier lehrreiche Verfahren an drei unterschiedlichen Gerichten. Das Internet macht´s möglich.

Übrigens: Sollte auch nur eine weitere Werbe-E-Mail ohne Zustimmung des Empfängers oder dessen mutmaßlichem Einverständnis nach Zustellung des Beschlusses des Landgerichts Hannover am 29.12.2008 durch den federführenden Kollegen von TERMlNSVERTRETUNG.DE versandt worden sein, wird ein Ordnungsgeld fällig. Als unzulässig sieht das Landgericht Hannover laut Hinweis nämlich auch solche Werbe-E-Mails an, die von anwaltlichen Mitgliedern des Portals von terminsvertretung.de über die dort vorgehaltene Funktion "Kollegen empfehlen" ungefragt an andere Rechtsanwälte versandt werden.

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