Dienstag, 30. Juli 2013

Das Killermandat

Ein Konglomerat aus Gosse, Gutmenschen und unternehmerisch denkenden Kollegen scheint der Verteidigerin von Beate Zschäpe das Berufsleben derartig schwer gemacht zu haben, dass diese Ende Juli 2013 nicht nur ihre bisherige Kanzlei in Berlin verlässt, sondern auch ihren Wohnort nach Köln verlegt. In ihrer Kanzlei in Berlin sei die Sorge um den Ruf bei Mandanten mit türkischen Wurzeln gewachsen und der Druck auf die Partner, sich beruflich und privat für eine im wirtschaftlichen Sinne als "Killermandat" einzuordnende Verteidigung im NSU-Prozess rechtfertigen zu müssen, die man persönlich nicht führe und selbst niemals angenommen hätte, zu gross gewesen. Andere Berliner Kanzleien hielten eine Zusammenarbeit mit Frau Sturm wegen der Verteidigung von Beate Zschäpe ebenfalls für ausgeschlossen.

Eine Randnotiz des NSU-Prozesses, welche die Rolle von Rechtsanwälten vor allem in ihrer Stellung als Strafverteidiger anschaulich beleuchtet. § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung bezeichnet Rechtsanwälte als "unabhängige Organe der Rechtspflege". Dass diese Redewendung in fast allen Bereichen der beruflichen Tätigkeit eines Anwalts nicht viel mehr als eine leere Phrase ist, dürfte selbst Laien klar sein. Das Strampeln von Berufsanfängern um die Beiordnung als Pflichtverteidiger durch Weihnachtsgeschenke an Richter oder stromlinienförmige Kooperation in der Hauptverhandlung, die Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte für bedürftige Kolleginnen und Kollegen oder die Sorge um den eigenen Ruf bei Mandanten sind wirtschaftlichen Umständen geschuldet, welche eine Unabhängigkeit im rechtlichen Sinne wie ein blosse Worthülse erscheinen lassen.

Wie heisst es so schön auf der Website der DATEV unter der Überschrift "Der Anwalt als Unternehmer": "Der zunehmende Konkurrenzdruck im anwaltlichen Geschäft verlangt von Kanzleiinhabern, neben der fachlichen Tätigkeit auch den unternehmerischen Aspekten der Kanzleiführung Priorität einzuräumen. Der beste Weg zu einer stärkeren wirtschaftlichen Ausrichtung der Kanzlei ist eine gezielte Steuerung unter Kosten- und Nutzenaspekten. Stärken und Schwächen lassen sich damit relativ einfach aufspüren - wie auch die wirklich Gewinn bringenden Mandate."

Diese nicht aus der Luft gegriffene Werbung läßt die ehernen Rufe nach Rechtsstaatlichkeit in einer anderen Frequenz wahrnehmen. Für Rechtsstaatlichkeit scheint man sich als Anwalt nicht viel kaufen zu können und das Recht auf ein faires Verfahren für den Angeklagten bedeutet nur in einem kleinen Umfang die Deckung der monatlichen Tilgungsrate des Kredits für ein Reihenendhaus - oder einen Bentley. Andererseits wird sich die Entscheidung, Beate Zschäpe zu verteidigen, langfristig auch über das NSU-Verfahren hinaus wirtschaftlich auszahlen. Wer als Anwalt wegen eines unpopulären Mandats seine Kanzlei verläßt und den Wohnort wechselt, zeigt als Verteidiger und Fachanwalt für Strafrecht auch dann ein herausragendes Profil, wenn er den Druck des wirtschaftlichen Umfelds bei Übernahme des Mandats unterschätzt hat und sich nicht ganz freiwillig auf die Reise macht.

Einen Vorgeschmack auf Gegenwind aus den eigenen Reihen hatte Anja Sturm schon bei der Vorstandswahl der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V im Januar dieses Jahres bekommen, als sie nicht in den Vorstand gewählt worden war. Ein Vereinsmitglied hatte die Wahl gegenüber der taz wie folgt kommentiert: „Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich sie nicht an der Spitze der altehrwürdigen Strafverteidigervereinigung haben“.

4 Kommentare:

  1. Wenn Ihnen Beweise für das "Strampeln von Berufsanfängern um die Beiordnung als Pflichtverteidiger durch Weihnachtsgeschenke an Richter" vorliegen, sollten Sie die Betreffenden wegen Bestechungsdelikten anzeigen. Wenn nicht - wie zu vermuten ist - , sollten Sie dieses verantwortungslose Gerede unterlassen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Eine Begründetheitsprüfung vor Veröffentlichung eines Blogbeitrags wird derzeit weder von Google noch von mir gefordert. Auf Beweisantritte werden die Leser meines Blogs daher auch in Zukunft verzichten müssen.

      Löschen
  2. Pascal Rosenberg30. Juli 2013 um 14:26

    Es gibt aber einen kleinen und feinen Unterschied. Frau Sturm selbst hat sich dieses Mandat ausgesucht und der öffentliche Druck hätte ihr klar sein müssen. Das kann man sicher aushalten. Dass man aber in einer Kanzlei, in der türkisch-stämmige Mandanten tätig sind kein Mandat annimmt, das sich mit einer Dame rechter Gesinnung befasst, die nach Lage der derzeitigen Fakten verdächtig ist (ich will nicht schuldig schreiben, sonst sagen sie wieder die Schuld ist ja nicht erwiesen) eben solche getötet zu haben, versteht sich von selbst.

    Frau Sturm selbst wird für ihren Heldenmut in der rechten Szene auch genug Szenenapplaus bekommen. Und die Anwälte dieser Klientel leben ja auch nicht schlecht. Man weiß sich zu helfen. Also alles halb so wild. ;)

    AntwortenLöschen
  3. Tja, niemand hat gesagt, dass es einfach ist, moralisch richtig zu handeln. Täglich treffen tausende, womöglich hunderttausende Menschen in Deutschland die richtige oder falsche Entscheidung. Winke ich als Polizist den geblitzten Kollegen einfach durch? Greife ich als Bauamtsmitarbeiter den Schwarzbau des Nachbarn oder Chefs auf? Lehne ich das Angebot des Mechanikers die Repartur "schwarz" zu machen ab? Zeige ich Zivilcourage wenn in der U-Bahn jemand belästigt wird?

    Jede dieser Entscheidungen - richtig oder falsch - hat ihren Preis. Und täglich zahlen ihn Menschen ... da sind auch Anwälte keine Ausnahme.

    Nicht mal Richter sind letztlich total unabhängig ... und wenn sie das hundertmal nicht wahrhaben wollen, die Götter in Schwarz ...

    AntwortenLöschen