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Freitag, 28. Dezember 2018

Wutrichter weggebloggt

Die kleine Serie über den schrulligen Amtsrichter aus Hagen, die mit dessen hinterhältigem Auftreten im Jahre 2016 begann und ihre Fortsetzung mit weiteren Ausfällen in den Jahren 2017 und 2018 nahm, wird im Jahre 2019 keine neue Folge mehr haben. Nach einem ersten Befangenheitsantrag, der vor dem Amtsgericht Hagen und in der Beschwerdeinstanz dann vor dem Landgericht Hagen scheiterte, führte ein weiterer Befangenheitsantrag schließlich zu einer Selbstablehnung des Wutrichters, die vom Amtsgericht Hagen am 28.11.2018 per Beschluss für begründet erachtet wurde.

Der zweite Befangenheitsantrag hatte den Hintergrund, dass der Wutrichter eine Strafanzeige gegen den Verfasser wegen seines kritischen Artikels "Wutrichter sieht Bremslichter" gestellt hatte und die der Kläger deshalb im Zusammenhang mit den in den anderen Artikeln beschriebenen Herabsetzungen als ein klares Indiz dafür wertete, dass der Wutrichter dem Kläger voreingenommen gegenüber steht und deshalb auch parteiisch entscheiden würde.
 
Die auf den zweiten Befangenheitsantrag folgende dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters "Um selbst freie Hand zu haben, lehne ich mich selbst als befangen ab" wurde im Kontext der erfolgten Strafanzeige als emotional überbordende Kriegserklärung gegenüber dem Kläger und seinem Bevollmächtigten aufgefasst, was das Amtsgericht Hagen allerdings nicht teilte, obwohl die Redewendung "Um selbst freie Hand zu haben" sich auch im Internet ausschließlich in einem aggressiven und kriegerischen Zusammenhang wiederfinden lässt, wie man bei einer Google-Suche allein auf der ersten Trefferseite leicht feststellen kann. Rückblickend kann man festhalten, dass sich falsch verstandener Kollegenschutz unter Richtern durch die Ablehnung eines Befangenheitsantrags jedenfalls dann nicht auszahlt, wenn der Inschutzgenommene seine Ablehnung gegen eine Partei munter weiter zur Schau stellt.

Denn wenn ein Richter sich veranlasst sieht, seine Abneigung gegenüber einer Partei durch Abänderung des formalen Rubrumsaufbaus zum Ausdruck zu bringen und von der Schreibkraft an Stelle des im Rubrum dort üblichen Wortes "Verfügungskläger" den Passus "nicht existent" eintragen läßt, ist eine Grenze überschritten, welche die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 1 und 2 ZPO ohne weiteres rechtfertigt. Es kommt nämlich nur darauf an, ob vom objektiven Standpunkt eines Ablehnenden aus hinreichende Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber und werde deshalb nicht unparteiisch entscheiden. Dass ein Richter ausdrücklich am Rubrum rumbasteln lässt, habe ich auch anderweitig noch nicht gehört.

Obwohl das Amtsgericht Hagen die Formulierungen des Wutrichterrubrums als "in gewissem Sinne unsachlich", "überflüssig" und "missverständlich" bezeichnete, war der Drang zum vermeintlichen Kollegenschutz größer, mündete in der Ablehnung des ersten Befangenheitsantrags und führte schließlich nach öffentlicher Kritik, der erwähnten Strafanzeige und einem erneuten Befangenheitsantrag in der per Beschluss zugestandenen Selbstablehung des Wutrichters - natürlich "jenseits der Frage, ob seine prozessuale Vorgehensweise in der Vergangenheit immer überzeugend war". Das hätte man dem armen Wutrichter durch eine Bejahung des ersten Befangenheitsantrags mit guten Gründen ersparen können.

So musste sich der verbohrte Amtsrichter die öffentliche Schelte gefallen lassen und den Artikel "Wutrichter sieht Bremslichter" als elektronisches Mahnmal für seine amtsrichterlichen Verirrungen akzeptieren. Mit der Einschätzung des Amtsgerichts Hagen, dass es sich bei den in dem Artikel "Wutrichter sieht Bremslichter" verwendeten Ausdrücken "ersichtlich um ehrenrührige Bezeichnungen" handele und es unüblich sei, "dass ein Verfahrensbeteiligter seine Unzufriedenheit mit der Vorgehensweise eines Richters öffentlich in dieser Form austrägt", kann ich leben. Denn dass ein parteiisch agierender Richter nach öffentlicher Kritik durch meinen Blog letztlich freiwillig aus dem Verfahren ausscheidet, sehe ich als Erfolg des Öffentlichkeitsgrundsatzes im deutschen Prozessrecht an, der seine Wurzeln in der Kontrolle der gerichtlichen Tätigkeit durch die Öffentlichkeit und dem daraus folgenden Schutz vor Willkür hat.