Die Mandantin ist erschüttert, denn der jüngst über Facebook gewonnene Liebhaber hatte sich noch vor dem ersten physischen Kontakt als Verräter entpuppt. Das soll nun mit anwaltlicher Hilfe gesühnt werden. Über Wochen hatte die virtuell betrogene Mandantin ein äußerst inniges verbales Verhältnis mit einem graumelierten Mittvierziger von einer Erscheinung, wie ihn die älteren Leser noch aus der Tabakwerbung im Fernsehen in Erinnerung haben. Nur in den ersten ein oder zwei Chat-Sessions unterhielt man sich noch über Beruf, Beziehungen und allerlei Banalitäten des Alltagslebens, bevor man „endlich“ zur Sache kam.
Fortan wurde fast nur noch über intime Vorlieben gesprochen und am Ende einer Session kam es (wohl) häufig zum gemeinsamen aber durch räumliche Distanz gekennzeichneten Orgasmus in dem von Zuckerberg gespendeten Liebesnest. Schließlich gestand die Mandantin während einer fleischlich dominierten Turtelei mehr für ihr virtuelles Gegenüber zu empfinden. Das Wort „Liebe“ soll gefallen sein. Offensichtlich ein Tabubruch, denn unvermittelt sah sich die geständige Chatterin einem Schwall wüster Beleidigungen ausgesetzt, die so gar nicht zu dem pfeiferauchenden Gentleman aus dem ihr mittlerweile auch ans Herz gewachsenen Facebook-Profil passen wollte.
Umgehend und schwer enttäuscht brach sie die Konversation ab und eleminierte auch die so vielversprechend verlaufene Facebook-Freundschaft. Doch bereits am nächsten Tag meldete sich der gerade verflossene Partner mit einer Nachricht und klärte darin die vor den Kopf gestoßene Gespielin auf. Er sei verheiratet und habe zur Auffrischung seiner sexuell nur noch schwach glimmenden ehelichen Beziehung im Einverständnis mit seiner Frau einen Dreierchat auf Facebook initiiert, ohne dabei den außerehelichen Chatpartner einzuweihen. Seine Ehefrau habe sich meistens parallel in sein Konto eingeloggt* und den Chat im Nachbarzimmer über einen eigenen Computer nicht nur verfolgt, sondern sich zwischendurch auch unter seinem Namen an der Konversation beteiligt – und erregt. Dies habe seiner abgekühlten ehelichen Beziehung neue Impulse verliehen und den Geschlechtsverkehr mit seiner Frau wieder zu einer regelmäßigen Institution werden lassen. Das Liebesgeständnis des Vortages habe jedoch eine Überreaktion seiner Frau ausgelöst und zu den derben Beschimpfungen geführt, für die er zwar nichts könne aber sich dennoch entschuldigen möchte.
Die Entschuldigung kam allerdings nicht so an, wie es sich der erfinderische Ehemann erhofft hatte, denn mit der Enthüllung des verheimlichten Dreiers war das Vertrauen endgültig dahin und der Kontakt fortan mit Hilfe einschlägiger Facebook-Einstellungen so weit als möglich blockiert. Der Mandantin ist nun nach Vergeltung im richtigen Leben zu Mute und sie war für den Einwand, dass man auf Facebook noch nicht einmal wisse, mit wem man es tatsächlich zu tun habe, so gar nicht empfänglich.
* Bei Einhaltung der "Erklärung der Rechte und Pflichten" sollte ein solcher Fall eigentlich ausgeschlossen sein: Nr. 4 Registrierung und Sicherheit der Konten, 8. Du wirst dein Passwort (oder deinen geheimen Schlüssel, wenn du ein Entwickler bist) nicht weitergeben, eine andere Person auf dein Konto zugreifen lassen oder anderweitige Handlungen durchführen, die die Sicherheit deines Kontos gefährden können.
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Dienstag, 28. August 2012
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