Der Hauptbelastungszeuge hatte eine E-Mail an die Staatsanwaltschaft geschickt. Angeblich, um die Wahrheit über die Angeklagte ans Licht zu bringen, weil er mit Lügen in seinem Leben nicht mehr leben könne. Das Motiv schiene edel und der Denunziant gar äußerst anständig, wenn man nicht wüsste, dass sich der Zeuge bereits wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes und der Veruntreuung von Mandantengeldern strafrechtlich verantworten musste, ein Insolvenzverfahren läuft und seine Zulassung als Rechtsanwalt der Vergangenheit angehört.
Weil die Angeklagte die ehemalige Mandantin und Verflossene des Zeugen ist, drängt sich der Verdacht einer Beziehungstat auf. Und tatsächlich beginnt der Hauptbelastungszeuge mit der Schilderung einer problematischen Beziehung, aus welcher er sich mit einer zerstörerischen E-Mail an die Staatsanwaltschaft zu lösen versucht habe. Heute würde er sich für sein Verhalten schämen, ein Verhältnis mit der Angeklagten eingegangen zu sein und auch die Staatsanwaltschaft zur Beendigung dieser Beziehung benutzt zu haben: "Ich wollte wegkommen und die Beziehung beenden, daher habe ich die E-Mail geschrieben."
Charakterstärke sieht anders aus aber immerhin bedauert der Zeuge seine Tat und versichert glaubhaft, dass er so etwas heute nicht mehr wiederholen würde. Weil es ihm wenigstens jetzt auf die Wahrheit ankomme, habe er den elektronischen Hilferuf an die Strafverfolgungsbehörden vor der Verhandlung auch nicht noch einmal gelesen und könne sich deshalb nicht mehr an konkrete Umstände erinnern, aus denen sich eine Belastung der Angeklagten ergeben könnte: "Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne." Die Einsicht des Zeugen kommt spät, aber nicht zu spät und sein Verzicht auf Auslagen für die weite Anreise erscheint überaus verständlich.
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Freitag, 19. Juni 2020
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