Dienstag, 17. Juli 2012

Scheißurteil

Ich habe kurz überlegt, mich aber nach anfänglichem Zögern bei der Überschrift doch für die Wiedergabe meines ersten Gedankens nach dem Lesen eines Urteils des Landgerichts Mannheim in einem Domainrechtsstreit entschieden. Es gibt immer wieder Urteile, die ich für falsch halte. Dabei kommt es durchaus vor, dass ein Amtsgericht meint, nur Kaufleute könnten Verträge mit einer bestimmten Firma schliessen und deshalb die Zahlungsanspflicht eines Verbrauchers verneint, während ein anderes Amtsgericht der Auffassung ist, trotz des Mangels der Kaufmannseigenschaft müßte ein Verbraucher an eben diese Firma zahlen.

Mit ähnlicher Leichtigkeit kann ein und derselbe Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt die Domain flugplatz-korbach.de für unterscheidungskräftig halten und die Domain flugplatz-speyer.de als lediglich allgemein beschreibend definieren - mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen für die jeweiligen Flugplatzbetreiber. Dass viele Gerichte nichts hören, wenig sehen und häufig mit anderen Dingen beschäftigt sind, ist leider kein Einzelfall (Bild oben).

Dennoch nimmt das jüngste Urteil aus Mannheim einen besonderen Platz in meiner Kuriositätensammlung ein. Dazu muss man wissen, dass dem Landgericht Mannheim nach der Verordnung des Justizministeriums von Baden- Württemberg über Zuständigkeiten in der Justiz (§ 140 Abs. 2 MarkenG iVm § 13 Abs. 1 ZuVOJu) vom 20. November 1998 die Kennzeichen-, Gemeinschaftsmarken- und Geschmacksmuster- und Gemeinschaftsgeschmacksmusterstreitsachen für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe zugewiesen wurden und man ruhig erwarten darf, in derartigen Streitsachen bei der zuständigen Kammer auch auf einen überdurchschnittlichen Sachverstand zu treffen. Schliesslich betonte das Landgericht Mannheim schon im geschichtsträchtigen Urteil vom 8. März 1996 zum Aktenzeichen 7 O 60/96 in der bekannten Entscheidung zur Domain heidelberg.de (NJW 1996, 2736), dass die Unterscheidung einer bestimmten Person von anderen Personen die klassische Funktion des Namens ist.

Der dem hier in allen Belangen ungenügenden Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt ist schnell erklärt: Der Geschäftsführer des Internetproviders C. XXXX GmbH registriert die Domain eines mittelständischen Autohauses nach dem Muster "autohaus-meinname.de" auf sich selbst als Inhaber und weigert sich gegen Ende des Vertragsverhältnisses mit der C. XXXX GmbH auch nach mehrfacher Aufforderung, die Domain auf das Autohaus als Kunden zu übertragen oder zu löschen.

Ein schlichter Klassiker der Kundenerpressung bei drohendem Vertragsende, der in dieser Konstellation schon als ausgestorben gilt, weil auch die schimmeligste Internetbude mitbekommen hat, dass das Namensrecht eines Kunden bei der Registrierung einer Domain zu beachten ist und die Domain deshalb stets auf den Kunden zu registrieren ist. Im Grunde für jeden Rechtsanwalt unter dem Gesichtspunkt eines nicht gar zu niedrigen Streitwertes ganz erfreulich, noch einmal ein einfaches Fällchen aus der Rumpelkiste "Domaingrabbing" vor die Flinte zu bekommen und gar vor Gericht abdrücken zu können. Aus gebührentechnischer Sicht eigentlich noch erfreulicher, wenn dann in Mannheim eine Kammer zusammenhockt, die auch gegen eherne Zitate der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollständig immun ist:

"Grundsätzlich liegt bereits in der durch einen Nichtberechtigten vorgenommenen Registrierung eines Zeichens als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts desjenigen, der ein identisches Zeichen als Unternehmenskennzeichen benutzt, (BGH; Urteil vom 09.09.2004 - 1 ZR 65/02 -).

Eine Beeinträchtigung berechtigter geschäftlicher Interessen ist im Allgemeinen dann gegeben, wenn ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" benutzt und sich damit unbefugt ein Recht an diesem Namen anmaßt. Ein solcher unbefugter Namensgebrauch liegt grundsätzlich schon in der Registrierung, weil bereits damit die den berechtigten Namensträger ausschließende Wirkung einsetzt (BGHZ 149, 191, 199 - shell.de). Daher kann derjenige, dem an dieser Bezeichnung ein eigenes Namensrecht zusteht, im allgemeinen bereits gegen die Registrierung eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten vorgehen (BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de).

Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden, die - weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr - nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (BGH; Urteil vom 09.09.2004 - 1 ZR 65/02 - www.mho.de)."

Das Landgericht Mannheim hat diese Rechtsprechung an sich abperlen lassen und unter dem Az.: 7 O 522/11 mit Urteil vom 11.05.2012 allen Ernstes behauptet, dass das Autohaus gegen den Geschäftsführer des Providers  - der persönlich keinen Vertrag mit dem Autohaus hat - keinen Anspruch darauf habe, dass dieser gegenüber der DENIC die Löschung der Domain „autohaus-meinname.de" erklärt. Denn unter kennzeichenrechtlichen Aspekten schieden Ansprüche schon deshalb aus, weil der Kläger die Homepage durch die C. XXXX GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte ist, erstellen ließ und auf der Homepage ausschließlich die wirtschaftliche Tätigkeit des Klägers dargestellt werde. Dadurch würde auch nicht in das Namensrecht des Klägers eingegriffen.

In Kürze: Der Anspruch auf Löschung einer Domain gegenüber einem Domaininhaber als Nichtnamensträger besteht für den Namensträger dann nicht, wenn Dritte die unter der Domain abrufbaren Inhalte vertragsgemäß erstellt haben und diese zutreffend die wirtschaftliche Tätigkeit des Namensträgers darstellen. Schlicht falsch oder wie eingangs erwähnt: Scheißurteil (nicht rechtskräftig). (s. Oberlandesgericht Karslruhe, Urteil vom 13. März 2013 zum Az.: 6 U 49/12)

6 Kommentare:

  1. Keine der von Ihnen zitierten Entscheidungen behandelt auch nur im Ansatz die vorliegende Konstellation.

    Der Kläger hat doch offenbar zunächst den Fehler gemacht, sich auf eine vertragliche Gestaltung einzulassen, bei der er nicht selbst als Domaininhaber registriert wurde. Des Schutzes vor "Namensanmaßung" (analog zu den Entscheidungen "shell" und "maxem") hat er sich damit selbst begeben. Dass er aus diesem Vertrag jetzt einen Anspruch gegen den Vertragspartner auf Übertragung (oder Löschung) der Domain hätte, verpflichtet den Beklagten nicht. Es ist deshalb der zweite Fehler, nicht seinen Vertragspartner in Anspruch zu nehmen, sondern einen Dritten.

    Das Urteil des LG Mannheim ist deshalb richtig.

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  2. Es gab keine vertragliche Gestaltung, bei der der Kläger nicht selbst als Domaininhaber registriert werden sollte, sondern die C. XXXX GmbH.

    Die Vertragspartnerin und Webseitenerstellerin C. XXXX GmbH auf Übertragung oder Löschung der Domain in Anspruch zun nehmen, kann nur funktionieren, wenn diese auch Domaininhaberin - wie hier nicht - ist.

    Daher war es der einzig richtige Weg, den Geschäftsführer der C. XXXX GmbH, der nicht Vertragspartner des Klägers war oder ist, aber dennoch die Domain regsitriert hält, auf Löschung in Anspruch zu nehmen.

    Jedes der zitierten Urteile behandelt einen Teilaspekt der hier massgeblichen Faktoren.

    Das Urteil des LG Mannheim ist deshalb falsch.

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  3. Nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils - dessen Berichtigung Sie offenbar nicht verlangt haben - ist zwischen den Parteien unstreitig: "Der Kläger ... beauftragte das Unternehmen C. XXXX GmbH ... die Domain „autohaus-meinname.de" zu registrieren" - also gerade nicht: "auf den Namen des Kl. zu registrieren".

    Dem Kl. stehen deshalb lediglich vertragliche Ansprüche gegen die C. XXXX GmbH zu. Wie die C. XXXX GmbH ihren Geschäftsführer dazu bewegt, die Domain freizugeben, ist deren Sache. Ein Direktanspruch des Kl. gegen den Bekl. ergibt sich daraus jedenfalls nicht. Das Urteil des LG Mannheim ist deshalb richtig.

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  4. Nicht erst seit http://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteil/lg-muenchen_1-hko-1417-01-domain-registrieren.html vertragsgerechte Auslegung und gängige Praxis, dass der Auftrag der Registrierung einer Domain für einen Kunden gleichbedeutend ist mit der Registrierung der Domain auf den Kunden.

    Davon unabhängig besteht gegen einen Nichtnamensträger ausserhalb einer vertraglichen Beziehung grundsätzlich ein Löschungsanspruch aus der gleichlautenden Unternehmensbezeichnung oder außerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts mindestens aus Namensrecht.

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  5. Die Gründe sind leider sehr kurz geraten, aber das Argument des LGs scheint zu sein, dass Ansprüche aus 15 MarkenG und 12 BGG nicht bestehen, da der Gebrauch aufgrund des noch laufenden Vertrages nicht unbefugt ist.

    Ganz nachvollziehen kann ich dies aber nicht. Wie bereits gesagt muss der Vertrag dahingehend ausgelegt werden, dass die Domain auf den Namen des Auftraggebers registriert werden sollte. Außerdem stellt das Gericht selbst fest, dass der Geschäftsführer nicht vertraglich verpflichtet ist, folglich kann er auch nicht vertraglich zum Gebrauch berechtigt sein.

    Ich habe zZ einen ähnlichen Fall, meinen Optimismus vermag dieses Urteil nicht zur trüben.

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  6. Ich würde bei dieser Konstellation auch in Zukunft stets zu einer Klage raten, denn weshalb der namensfremde Geschäftsführer ohne vertragliche Regelung die auf ihn registrierte Domain nicht zu Gunsten des Namensinhabers löschen muss, ist unter keinem Blickwinkel ersichtlich.

    Es muss einfach festgehalten werden, dass man selbst bei absolut klaren Konstellationen vor Gericht nie sicher sein kann, Recht zu bekommen.

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