Freitag, 17. August 2012

Muschiaufstand - Rowdytum aus religiösem Hass

Zwei Jahre Straflager für religiös motiviertes Rowdytum lautete das Urteil gegen die drei Künstlerinnen der Moskauer Punk-Band Pussy-Riot. Das klingt zunächst einmal hart, relativiert sich jedoch, wenn es stimmt, dass der Strafrahmen des russischen Gesetzes bis zu sieben Jahre Haft für das Protestgebet gegen Wladimir Putin und den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill in Russlands wichtigstem Gotteshaus hergäbe.

Schnell sind die Kommentare deutscher Politiker zu lesen. Es sei Putins Prozess und Urteil gewesen, das jeder Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hohnspreche. Von einem gefährlichen Präzedenzfall ist die Rede und die Kanzlerin kritisiert ein unverhältnismäßig hartes Urteil, welches nicht im Einklang mit den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie stehe, zu denen sich Russland unter anderem als Mitglied des Europarates bekannt habe.

Zunächst einmal verbieten sich derartige Äußerungen angesichts der verbreiteten Unkenntnis über das russische Recht und dem Mangel des Wissens darüber, ob der Strafrahmen bei vergleichsweise hart sanktionierten Straftaten grundsätzlich ähnlich ausgeschöpft wird. Im übrigen wurden die für den Protest genutzte russisch-orthodoxe Kirche als auch die Worte gegen „die Scheiße Gottes“ wohl bewusst gewählt und dürften den einschlägigen Tatbestand des russischen Strafgesetzbuches erfüllen. Denke ich.

Ich denke aber auch, dass der Kern des weltweit als solches empfundenen Übels nicht in dem Urteil selbst begründet ist, sondern in der Tatsache, allein die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse oder Würdenträger mit Freiheitsstrafe oder überhaupt strafrechtlich zu ahnden. Leider hat man von den Wichtigtuern, die sich gegen das Urteil des russischen Gerichts wenden, vorab keine Kritik an dem zugrundeliegenden Straftatbestand oder dessen Strafrahmen gehört. Sollte dieser Umstand nicht nur Unwissen und Gleichgültigkeit sondern auch dem Respekt gegenüber dem gesetzgebenden russichen Staatsorgan geschuldet sein? Ein Respekt, dem man dem wohl auf Basis des geltenden russischen Rechts urteilenden Gericht nicht zu schulden glaubt?

Ich bin mir sicher, dass die politische Bühne nur zur eigenen Profilierung genutzt wird und kein Politiker auch nur einen Gedanken an die Tatsache verschwendet, dass die öffentliche Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, in Deutschland nach § 166 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden kann. Denn Religion ist nicht nur in Russland ein Instrument der Macht.

6 Kommentare:

  1. Gut möglich, dass Pussy Riot auch hierzulande verurteilt würde. Der Unterschied ist nur (aber doch wesentlich), dass man hier über 153 StPO oder eine Geldstrafe diskutieren würde. Das Strafmaß ist absurd übersetzt, Strafrahmen von 7 Jahren hin oder her.

    Deshalb kann man das Urteil durchaus verurteilen, ohne in eine Kritik der zugrunde liegenden Straftatbestände einzutreten.

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  2. Die Pussyfreunde von heute sind die Vorhautfeinde von morgen!

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  3. miz: Über das Urteil lamentieren, heißt, den größeren Kontext zu vergessen, bewusst oder unbewusst. Ein Mitglied der Frauengruppe hat es gesagt: Sie haben gewonnen, denn es ging um eine mediale Aufmerksamkeit und darum, das Regime von Putin vorzuführen. Es wird sich zeigen, ob es sich dabei um eine Variante der Aktivitäten von Otpor handelt. Diese Organisation wird in der SZ als "Umsturz GmbH" bezeichet. Siehe http://www.sueddeutsche.de/politik/proteste-in-der-arabischen-welt-die-umsturz-gmbh-1.1061251

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  4. Der PR-Gag war genial. Nach frühzeitiger Haftentlassung wird die schnuckelige Nadeshda Tolokonnikowa jedenfalls eine Menge Geld einsammeln können. Wenn sie den richtigen Manager hat. Wenn´s gut läuft, können sich alle dauerhaft aus dem kruden Zarenreich nach LA beamen.

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  5. Ich glaube auch, dass in Russland insgesamt eine andere Kultur des Beatrafens herrscht und das ganze eigentlich gar nichts besonderes ist. Es gibt auch Länder, in denen Steuerhinterziehung nicht strafbar ist und weise Sprüche aus diesen Ländern würden hier auch nicht gehört werden. Aber insgesamt natürlich eine interessante story.

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  6. ...„die Scheiße Gottes“? Der russische Ausdruck, der im Lied gebraucht wurde, ist lediglich eine Lehnübersetzung des englischen "holy shit", die als Interjektion gebraucht wird.

    Im übrigen wird in Deutschland für Sex während einer Silvesterandacht ein Strafbefehl von zehn Tagessätzen verhängt (so geschehen in Rennertshofen). Das reicht wohl aus, um das im § 167 angedrohte Strafmaß ins Verhältnis zu setzen.

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