"Gelobt sei Angela Merkel, die Warmherzige, die Vorausschauende. Sie hat alles dafür getan, dass der Terror in Europa Fuß fassen kann und seine Söhne hier die eigene Zukunft von einen gestörten Welt verwirklichen können. Lasst uns Angela Merkel feiern, sie hat es geschafft!"
Dieses Zitat wurde von mehreren Tageszeitungen Vera Lengsfeld als Reaktion auf das gestrige Attentat in Brüssel zugeschrieben, jedenfalls wurden diese Sätze über Facebook verbreitet und "alle", auch die angebliche Autorin Lengsfeld, sind sich darüber einig, dass solch ein Posting besser nie geschrieben worden wäre, mindestens aber gelöscht gehört.
BILD drückt das so aus: "Auch CDU-Politikerin vergreift sich im Ton", die CDU-Bundesgeschäftsstelle meint "Diese Äußerung ist pietätlos und völlig daneben" und die Stuttgarter Zeitung fragt: "Ist der der Post auf Facebook tatsächlich von Vera Lengsfeld? Zweifel waren angebracht, zu monströs ist die Aussage."
Im großen Strom der billig und gerecht Denkenden erfährt das eingangs zitierte Facebook-Posting weniger inhaltlichen Widerspruch, als vielmehr das einhellige Dafürhalten, eine solche Meinung bedürfe keiner inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern sei - im juristischen Sinne - von vornherein unzulässig. Sozusagen eine Unmeinung.
Die Auseinandersetzung über das umstrittene Zitat erfolgt daher auch nicht in den heiligen Hallen der obersten Meinungsmacher, sondern auf dem Bolzplatz des kommentierenden Publikums und am Fuße der Meinungspyramide gibt es tatsächlich Menschen, welche Verständnis für die als ungehörig zertifizierte Merkel-Schelte zeigen:
"Wer unkontrolliert Hundertausende von Menschen aus fremden Kulturkreisen binnen kürzester Zeit einreisen lässt, muss leider auch damit rechnen, dass sich unter diesen Personen mit fragwürdigen Absichten und Motiven befinden. Es ist bereits mehrfach bekannt geworden, dass sich unter den sicherlich berechtigt vor Krieg und Gewalt Flüchtenden auch unberechtigte Wirtschaftsflüchtlinge und eben auch Straftäter (auch der Flucht vor dem Gesetz in ihren Ländern) und eben radikale Fanatiker befinden, die den Schutz der Masse vor Entdeckung gezielt suchen. ... Wenn diese dann hier Straftaten begehen oder Attentate - ist dann der Verursacher (oder zumindest Begünstiger) dieses Umstands nicht zumindest moralisch auch irgendwie mitschuldig?"
Die Antwort erfolgt prompt: "Und dazu gibt es irgendwelche Belege? Kennen Sie irgendwelche Fakten, die das belegen? Oder ist es mehr so ein bisschen gefühlt? Das Merkel den Terror geholt hat? Haben Sie das irgendwie schon ein bisschen im Urin? Wir zählen aktuell 34 ermordete Menschen. Aber ein bisschen Polemik und boshafteste Unterstellungen müssen doch schon noch erlaubt sein, oder?"
Auf diese Fragen liefert das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine unmissverständliche Antwort: "Dieses Grundrecht gewährleistet, ohne ausdrücklich zwischen "Werturteil" und "Tatsachenbehauptung" zu unterscheiden, jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern: Jeder soll frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann; zugleich ist es der Sinn von Meinungsäußerungen, geistige Wirkung auf die Umwelt ausgehen zu lassen, meinungsbildend und überzeugend zu wirken. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die eigene Stellungnahme des Redenden. Unerheblich ist, ob seine Äußerung "wertvoll" oder "wertlos", "richtig" oder "falsch", emotional oder rational begründet ist. Handelt es sich im Einzelfall um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen, namentlich im öffentlichen Meinungskampf, grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1."
Die aktuell vorherrschende Tendenz, sich mit bestimmten Meinungen nicht inhaltlich auseinandersetzen zu müssen, sondern diese von vornherein als unmoralisch abqualifizieren zu können um dem Äußernden damit das Recht abzusprechen, diese Meinung aussprechen zu dürfen, richtet sich daher gegen die Meinungsvielfalt und damit gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit selbst. Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt müssen in einer Demokratie jedoch auch gegen Angriffe der überwältigenden Mehrheit verteidigt werden, selbst wenn es Ansichten betrifft, welche von dieser als anstößig empfunden werden und diese Angriffe selbst von der Meinungsfreiheit geschützt sind.
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Vielen Dank für die zutreffende Charakterisierung der Meinungsfreiheit. Vielleicht regt Ihr Beitrag all diejenigen, welchen Voltaires (oder ihm zumindest zugeschriebenes) berühmtes Zitat ignorieren, einmal zum Nachdenken an.
AntwortenLöschenNoch besser wird es, wenn man mal hinschaut und sieht, dass nicht Vera Lengsfeld den Artikel schrieb, sondern Bettina Röhl - wenn auch in dem Blog von Vera Lengsfeld.
AntwortenLöschenhttp://vera-lengsfeld.de/
Etwas weiter herunterscrollen und man sieht den Stein des Anstoßes, eindeutig gekennzeichnet als Artikel der Autorin Bettina Röhl.
Das hätte den Journalisten eigentlich auffallen müssen.
https://netzpolitik.org/2016/mausrede-des-tages-vera-lengsfeld/
LöschenInkl. Screenshot des FB Posts
https://imgs.xkcd.com/comics/free_speech.png
AntwortenLöschenAus Gründen
Wie kann man in Zeiten des Terrorismus nur für die freie Meinungsäusserung einstehen?
AntwortenLöschenWirkliche Sicherheit werden wir erst erlangen wenn alle Menschen in einer Zelle eingeschlossen sind.
alle in der gleichen?
LöschenLOL, da dann nur einer übrig bleibt wohl schon, war aber nicht so gemeint.
AntwortenLöschenIch stimme nicht zu. Die in Ihrem Artikel zitierten Kommentartoren beschneiden nicht das Recht zur freien Meinungsäußerung oder verbieten anderen, sich zu äußern. Vielmehr setzen sie sich mit fremden Meinungen auseinander und qualifizieren sie dann - m.E. zutreffend - als unmoralisch und polemisch.
AntwortenLöschenSie verwechseln also zwei Sachverhalte. Nur weil man eine Meinung nicht teilt und vielleicht sogar scharf verurteilt, bedeutet dies noch lange keine Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Der Kommentator aus dem Artikel bleibt also voll auf Voltaires Linie.
Auch ich behalte mir sehr wohl vor, mich mit bestimmten Meinungen, die ich für hirnverbrannt, polemisch, rassistisch oder einfach nur dumm halte, nicht auseinanderzusetzen. Nicht jede Meinung verdient eine inhaltliche Auseinandersetzung.
Ich habe mich in der Tat ein wenig vom Ausgangsproblem, wonach "ein Posting besser nie geschrieben worden wäre, mindestens aber gelöscht gehört" entfernt. Selbst diese Ansicht kollidiert mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung insoweit nicht, als das auch dies eine zulässige Meinungsäußerung ist, die sich insoweit aber wegen des erheblichen Machtgefälles zwischen Presse und Äußerndem letztlich auch gegen die Meinungsvielfalt richtet. Ich sehe darin den Mangel, die publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahrzunehmen.
LöschenAber bedeutet dies, daß die "publizistische Aufgabe" nur dann erfüllt ist, wenn jede (auch jede noch so abwegige) Meinung fair und unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen veröffentlicht wird?
LöschenIst die publizistische Aufgabe nicht erfüllt, wenn man sich kritisch mit einer Meinung auseinandersetzt und diese letztlich dann ablehnt?
Ich sehe - jedenfalls hier - die Meinungsfreiheit nicht in Gefahr.
Mit dem oben angesprochenen Facebook-Posting hat sich wohl kaum jemand inhaltlich auseinandergesetzt und dessen Aussage begründet abgelehnt. Die Etikettierung einer anderen Meinung als "monströs" skizziert das Vorgehen ganz gut und die Erfüllung einer publizistischen Aufgabe kann ich darin nicht erkennen. Wenn flächendeckend abweichende Meinungen als "monströs" abgestempelt und öffentlich verbal sanktioniert werden, wirkt das nicht besonders anregend, absehbar abweichende Meinungen zu äußern. Aus meiner Sicht wird durch ein solches Vorgehen die Meinungsfreiheit bereits spürbar eingeschränkt.
LöschenLernt man als Student nicht recht früh, dass die Meinungsfreiheit sowie die Pressefreiheit gegen staatliche Eingriffe schützt?
LöschenAuch wenn die gesamte Presselandschaft Deutschlands eine Meinung als monströs abstempelt dürfte dies wohl keine Verletzung der Meinungsfreiheit darstellen.
Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Ebenso richtig ist aber auch, dass das Grundgesetz keine wertneutrale Ordnung ist. Dessen Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muss als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten. Damit sind die verfassungsrechtlichen Prinzipien des Rechts auf freie Meinungsäußerung durchaus als Antwort auf die Frage geeignet, ob man "monströse" Kommentare auch nach terroristischen Anschlägen abgeben darf. Ein schlichtes "Ja" war mir zu wenig.
LöschenMeinungsfreiheit gab es nirgends und nie und gibt es ersts recht nicht in Deutschland.
AntwortenLöschenDie Ablehnung einer Diskussion kann z.B. schon Unterdrückung der Meinungsfreiheit bedeuten. Erst recht sind Entscheidungen seitens staatlicher Gerichte Unterdrückung der Meinungsfreiheit, das nicht nur bei den Zensurkammern bei Fragen des Äußerungsrechts.
Sachliche Diskussion setzt Bereitschaft, Übung, Nervenstärke, Gesundheit, Bildung und einiges mehr voraus. Welcher Mensch kann solche Eigenschaften vorweisen? Ich kenne niemanden.
Was die Terroranschläge in Paris und Brüssel betrifft, so habe ich an keiner Stelle eine sachliche Diskussion erlebt. Nur bla. bla.
Die Informationen, welche wir über den Hergang der Taten und die beteiligten Personen erhalten, sind gesiebt, bearbeitet, mit Bewertungen behaftet, gewichtet etc.
Geheimdienste, Wirtschaftsbosse und die Politiker bestimmen die Informationsmenge und –art, welche das Volk erhalten darf. Die Journalisten machen mit. Die Juristen sorgen für den rechtsstaatlichen Umgang mit den Lügen, Teillügen, verschwiegenen Fakten, das Lächerlichmachen etc. Wir bewegen uns in verkrusteten Denkstrukturen, u.a. denen des Mittelalters.
Lassen wird uns einfach überraschen, was passiert. Jeder darf und kann bis jetzt für sich entscheiden, was er macht, welche Vorsorgen man trifft. Diese Freiheit gibt es noch im gewissen Maße.
Gut, Gut.
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