Dienstag, 12. April 2016

"provinzieller Staatsanwalt"

Eine selbstbewusste Rechtsreferendarin hatte es gewagt, ihrem Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft per E-Mail die Meinung - nicht nur - über ihr Stationszeugnis mitzuteilen, nachdem dieser zu einer Abänderung des Zeugnisses nicht bereit war:

"[…] Alles andere hätte mich sehr gewundert, denn Menschen, die miteinander Kaffee trinken und gemeinsam zu Mittag essen, pissen sich nicht gegenseitig ans Bein, nicht wahr? […]

Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo.

Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out. Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht.

Nun, ich beglückwünsche Sie zu diesem strahlenden Sieg, genießen Sie ihn aufrichtig, kosten Sie ihn bloß richtig aus – denn während es für mich nur ein unerhebliches Ärgernis ist (welches mich, zugegeben ziemlich in meinem Rechtsempfinden berührt), ist es für SIE der Höhepunkt Ihres Lebens. Etwas Schöneres wird Ihnen während Ihrer armseligen Existenz nie erfahren.[…]"

Für diese Mitteilung wurde die ehemalige Referendarin zunächst rechtskräftig wegen Beleidigung zu 60 Tagessätzen a 30,00 EUR Geldstrafe verurteilt und darauf aufbauend hielt es nicht nur die zuständige Rechtsanwaltskammer für angemessen, der meinungsfrohen Volljuristin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu verweigern, sondern auch der 1. Senat des nordrheinwestfälischen Anwaltsgerichtshofs, der seine Entscheidung mit Urteil vom 30.10.2015 zum Aktenzeichen 1 AGH 25/15 fixierte.

Gemäß § 7 Nr. 5 BRAO sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das ihn unwürdig erscheinen lasse, den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben. Gemessen an diesen Maßstäben stehe die von der Klägerin begangene Straftat der Beleidigung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Würdigung aller Umstände entgegen. Auch die Einlassung und die in der mündlichen Verhandlung gerade nicht geäußerte Entschuldigung zeige, dass es ihr nach wie vor an Einsicht und Reue hinsichtlich ihrer Verurteilung und der zugrunde liegenden Straftat fehle. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme der Frage besondere Bedeutung zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen sei. Zeige er Einsicht und Reue, schlüge dies positiv zu Buche; gegenläufiges Verhalten wie im vorliegenden Fall sei dagegen negativ zu bewerten.

Es ist also offensichtlich nicht gelungen, der Fastkollegin während der Ausbildung und des Strafverfahrens bis hin zum anwaltlichen Zulassungsverfahren die Eigenschaften abzuerziehen, die im anwaltlichen Berufsleben für viele Mandanten von entscheidender Bedeutung sind: Standhaftigkeit verbunden mit dem Willen, sich der Autorität des Staates nicht gegen die eigene Überzeugung zu beugen und bereit zu sein, sich daraus ergebende persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Glücklicherweise ist es nur eine Frage der Zeit, wann die abgelehnte Bewerberin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erhält, denn ein lebenslanges Berufsverbot kommt selbst für aufmüpfige Volljuristen nicht in Betracht.

UPDATE: Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer vom Januar 2017

17 Kommentare:

  1. Entgegen einer auch unter Rechtsanwälten durchaus verbreiteten Auffassung kommt die Bereitschaft, eine sachliche Meinungsverschiedenheit auf die Ebene persönlicher Beleidigungen zu verschieben, dem sachlichen Anliegen des Mandanten nur in den seltensten Fällen zugute. Im Interesse potentieller zukünftiger Mandanten wäre es deshalb zu wünschen, dass die Dame sich in der ihr gewährten Bedenkzeit einen anderen Beruf als den der Anwältin sucht.

    AntwortenLöschen
  2. Andere Leute, die in etwa die ähnliche Persönlichkeitsstruktur haben dürften wie diese Referendarin, bezeichnen Sie hier im blog nicht etwa als besonders geeignet für den Anwaltsberuf, sondern als Turboquerulantin...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Sich stets mit hoher Energie gegen subjektiv empfundenes Unrecht zu wenden, ist sicherlich eine Eigenschaft, die gleichzeitig im Anwaltsberuf nützlich und im normalen Alltag hinderlich sein kann. Es hängt ganz davon ab, mit welchen intellektuellen Fähigkeiten diese Eigenschaft verknüpft ist.

      Löschen
    2. Spätestens in dem Strafverfahren hätte sie zu einer objektiven Reflexion fähig sein müssen, das "subjektiv empfundene Unrecht" sollte spätestens da abgefrühstückt sein. Dass die Dame sich laut Pressebericht auch noch gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin grenzwertig bis beleidigend äußerte und sich zu keinem Zeitpunkt entschuldigte, dürfte nicht zuletzt auch für die Entscheidung Anwaltskammer Ausschlag gebend sein.

      Löschen
    3. Hätte eine "objektive Reflexion" im Strafverfahren nicht auch dazu führen können, die Äußerungen für nicht strafbar zu erachten oder jedenfalls 60 Tagessätze als eine im Verhältnis zu hohe Strafe anzusehen?

      Löschen
  3. Abgesehen davon steht im Urteil des AGH auch noch
    "Darüber hinaus wurde die Klägerin mit Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 16.02.2005 (Az. 51 Ds 141/04) nach eigenen Angaben wegen uneidlicher Falschaussage gemäß § 153 StGB zur Mindeststrafe von 3 Monaten auf Bewährung verurteilt."
    Ob Falschaussagen ebenfalls eine Grundqualifikation für den Anwaltsberuf sind?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage blieb wegen Zeitablaufs bei der Beurteilung der Unwürdigkeit den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben außer Betracht und ist demnach keinesfalls eine Grundqualifikation für den Anwaltsberuf, sondern ein Umstand, der eine Unwürdigkeit begründen kann.

      Löschen
  4. Selbstbewusst? Wohl eher nicht. Die Beleidigungstirade lässt eher auf eine bipolare Störung schließen, die von einer unreflektierten manischen Phase den Weg in die Textform fand.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ein Herr Micha behauptet im Internet was von Störungen... ohne der Welt mitzuteilen, wer er ist. Bravo!!!!!! Wie selbstbewusst ist es mit einem Allerweltsnamen Micha ohne Nachnamen was von bipolar und manisch zu schreiben? Laut lach und LOL

      Löschen
    2. Zumindest sollte man sich, wenn man anonym auftritt, seiner Verantwortung als Diskussionsteilnehmer besonders bewusst sein und niemals schlecht über Leute reden, die man nicht kennt und über die man quasi hinter deren Rücken redet. Das sollte Herr Micha berücksichtigen, wenn er das nächste Mal forensische Diagnosen aufstellt.

      Löschen
  5. Als ehemaliger Referendar einer nach meinem Dafürhalten eher schwachen Zivilrichterin wünschte ich mir diese Deutlichkeit an den Tag gelegt zu habe. Ich bedauere noch heute, dass mein geäußertes Fazit gegenüber meiner Ausbilderin sehr viel diplomatischer ausgefallen ist. Insbesondere nachdem ich zwei Jahre später mein Zeugnis das erste Mal gesehen habe: Eine bodenlose Frechheit.

    Ich bin auch heute als Justiziar nicht zur Anwaltschaft zugelassen. Was schert es mich? Nichts...

    AntwortenLöschen
  6. Sehr geehrter Herr Möbius,
    Ihre Beurteilung der verhinderten Kollegin mit den Worten "Standhaftigkeit" und "eigene Überzeugung" empfinde ich angesichts der Wortwahl der Dame als peinlich.
    Hochachtungsvoll
    Dirk Bredemeier

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Im § 7 BRAO steht unter der Nr. 2 eine Regelung, die den Fall abschließend erfasst.

      Solange der Dame nicht das Recht aberkannt wurde, öffentliche Ämter zu bekleiden, ist sie für Anwaltschaft - als wesensgleiches Minus (Organ der Rechtspflege ohne Gehaltsansprüche!) - allemal gut genug.

      Die Nr. 5, auf die man sich im vorliegenden Fall beruft, ist eine Norm, mit der man ehemalige NS-Juristen ausschließen konnte, die aber faktisch schon lange leerläuft und dann in den 90er für die Stasi kurzzeitig reaktiviert wurde.

      Im Übrigen war bereits die Strafe für die Beleidigung völlig überzogen. Ersttäter bekommen für sowas üblicherweise 15 Tagessätze. Da wollten sich die Kollegen vermutlich beim Opfer profilieren und ein Exempel statuieren.

      Es ist trotzdem immer wieder interessant, dass es Leser gibt, die anscheinend glauben, mit 60 Tagessätzen sei die Tat nicht abgegolten. Ein mindestens 5 jähriges Berufsverbote sei für einmal "Plumpsklo" anscheinend zwingend erforderlich.

      Da muss man sagen, dass der Böhmermann Glück gehabt hat, dass man bei ihm nicht gleich die Sicherheitsverwahrung angeordnet hat.

      Löschen
    2. Wer die Dame mal kennengelernt hat, der weiß, dass sowohl eine Verurteilung zu nur 60 Tagessätzen ein wirklich mildes Urteil ist und der hofft zudem inständig jeden Tag, dass diese Frau NIEMALS auf Mandanten und Gerichte als Anwältin losgelassen wird. Ich hatte das eher dürftige Vergnügen, mit ihr mein Referendariat abzuleisten. Das, was hier an Verhaltensweisen offengelegt worden ist, ist allenfalls die Spitze des Eisberges.

      Löschen
  7. Hallo, Herr Möbius,

    Danke für den tollen Blog-Beitrag über mich :) Ich hatte mich schon 2016 sehr darüber gefreut.

    Ich bin mittlerweile Rechtsanwältin, das Bundesverfassungsgericht hat 2017 eine Grundrechtsverletzung festgestellt, 1 BvR 1822/16.

    Die RAK und ich befinden uns in Verhandlungen bzgl. einer angemessenen Entschädigung.

    Mit vielen Grüßen,

    Julia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Frau Kollegin. Freut mich, dass Sie nun am Ziel sind. Ich selbst habe mit ähnlichen Problemen zu tun und muss mich gegen die angebliche Beleidigung eines Richters durch den Artikel "Wutrichter sieht Bremslichter" zu Wehr setzen. Übrigens hatte ich über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits berichtet, als Teil 2. Viel Erfolg.

      Löschen