Mittwoch, 28. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 3/4

Im Umgang mit der Buchstabenfolge ACAB kann man nach den Einschätzungen des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte ohne weiteres festhalten, dass ACAB im Bereich der Bundesrepublik Deutschland als englische Parole "all cops are bastards" verstanden werden muss. ACAB wird selbst dann vom Amtsgericht Erfurt und unbeanstandet vom Bundesverfassungsgericht in diesem Sinne verstanden, wenn der Verwender nach außen deutlich zu erkennen gibt, dass diese Abkürzung aus seiner Pespektive anders zu deuten ist.

Das Amtsgericht Erfurt meinte nämlich in dem Aufdruck „A.C.A.B.“ zusammen mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und dem Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ lediglich den Deckmantel der sinnfreien Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ zu erkennen, der nur dazu diente, gegenüber einer eingegrenzten Gruppe von Polizeibeamten die Kundgabe einer Missachtung zu entfalten. Mit andern Worten: Der Angeklagte meinte nach Ansicht des Amtsgerichts trotz der Parole "all cats are beautiful" tatsächlich "all cops are bastards".

Wie das Amtsgericht Erfurt zu dieser Erkenntnis kam, ergibt sich aus dem entsprechenden Urteil nur unzureichend. Denn der subjektive Tatbestand der Beleidigung setzt Vorsatz voraus; Fahrlässigkeit genügt dafür nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt der Nachweis des Vorsatzes erst dann als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich der Beschuldigte der herabsetzenden Wirkung seiner Äußerung bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so muss angenommen werden, dass er auch mit Willen handelte, d.h. eine Beleidigung der umstehenden Polizisten beabsichtigt (direkter Vorsatz) oder zumindest in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz). Der aufmerksame Leser wird sich - genau wie der Amtsrichter - denken: "Verarschen kann ich mich alleine, natürlich hatte der Typ mit Katzen nichts am Hut, sondern wollte die Bullen mindestens provozieren." Strafrechtlich genügt diese durchaus nachvollziehbare Menschenkenntnis allerdings nicht, um den Nachweis eines Beleidigungsvorsatzes zu führen.

Insbesondere der Umstand, dass der Verurteilte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten war und erst dann ein Verhalten an den Tag legte, dass zu seiner Verurteilung führen konnte, nachdem er vom Einsatzleiter aufgefordert wurde, seine bis dahin zulässige Meinungsäußerung - das Tragen des Stoffbeutels mit den streitgegenständlichen Aufdrucken - zu unterlassen, weckt Zweifel am Vorsatz der Beleidigung. Denn das jemand, der aufgefordert wird, ein rechtlich zulässiges Verhalten zu unterlassen, trotzig reagiert und daraufhin versucht, sein zulässiges Tun gegenüber der auffordernden Polizei durch eine Intensivierung seines Verhaltens sichtbar zu verteidigen, scheint verständlich und hätte einer genauen Untersuchung bedurft. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Kürzel ACAB bei Strafgerichten trotz der durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen eine überaus toxische Wirkung hat, bei der auch geschulte Juristen bisweilen nicht in der Lage sind, eine distanzierte juristische Betrachtung zu gewährleisten.

Unter den geschilderten Umständen scheint selbst die Abstandnahme von der Verwendung der Zeichefolge ACAB hin zur Abkürzung ADAB riskant. Wenn ein Gerichte damit begonnen hat, den Slogan "all cats are beautiful" ohne weiteres als Deckmantel und damit als Synonym für den Slogan "all cops are bastards" zu identifizieren, dürfte es den Gerichten auch nicht sonderlich schwer fallen, einen Schritt weiter zu gehen und in der Abkürzung "ADAB" mit dem Satz "all dogs are beautiful" einen Deckmantel für den Deckmantel "all cats are beautiful" zu erkennen, um damit die Gleichung ADAB = ACAB aufzustellen.

Aus der Sicht eines unbefangenen und verständigen Dritten könnte nämlich auch jede andere Deutung des Schriftzuges „A.D.A.B.“ ausgeschlossen werden, denn es könnte fernliegend sein, daß man in einer Gruppe von Demonstranten durch das Tragen eines Jutebeutels allein darlegen will, daß man „Hunde schön und süß“ findet. Harte Zeiten für Grenzgänger der Meinungsfreiheit, welche ihre allgemeine Ablehnung der Polizei möglichst ohne das Risiko, wegen der Beleidigung von Polizisten verurteilt zu werden, ausdrücken möchten. Darüber, ob nicht ein noch größerer Abstand von der Zeichenfolge ACAB als das Kürzel ADAB hilfreich sein könnte, werde ich im letzten Teil dieser Reihe spekulieren.

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