Posts mit dem Label Bundesverfassungsgericht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Bundesverfassungsgericht werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 24. August 2020

verbotene Justizkritik

In einem Befangenheitsantrag schrieb der Kläger wörtlich über die von ihm abgelehnte Amtsrichterin: 

"Die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen, erinnert stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten."

und

"Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin erinnerte eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren."

Wegen dieser Äußerungen stellte der Präsident des Amtsgerichts Bremen Strafantrag gegen den Kläger und tatsächlich wurde der von der Justiz enttäuschte Kläger wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB verurteilt, da seine Äußerungen "ohne Zweifel" einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre der Richterin darstellten und nicht nach § 193 StGB in Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt seien. Selbst das Landgericht Bremen verwarf die Berufung des Klägers und das Oberlandesgericht Bremen schließlich die Revision, weil oben angeführte Äußerungen strafbare Schmähkritik seien.

Dass die in Deutschlands Medienlandschaft fest verwurzelte Kollektivhysterie in Sachen NS-Zeit auch einen juristisch geschulten Amtsgerichtspräsidenten erfasst, ist ärgerlich aber nicht verwunderlich, denn das notwendige Qualifikationsmerkmal überbordenden Anstands und der regelmäßige Repräsentationszwang an der Spitze eines Amtsgerichts führen mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, Rechte der Bürger, die über das einfache Zivilrecht hinaus in verfassungsrechtlich bedeutsamen Zusammenhängen zu betrachten sind, vollends aus den Augen zu verlieren. Dass aber am Ende ein Landgericht und schließlich gar ein Oberlandesgericht die Bedeutung der Meinungsfreiheit frech unter den Teppich kehren, um die gerechtfertigte Kritik einer Prozesspartei an ihresgleichen verfassungsfremd zu sühnen, ist ein echter Skandal.

Glücklicherweise nahm sich das Bundesverfassungsgericht dieses Falls zum Az.: 1 BvR 2433/17 an und schrieb den am Verfahren beteiligten Richtern einige Merksätze auf, von denen man selbst als Laie erwarten würde, dass deren Gehalt einem an materieller Gerechtigkeit interessierten Richter nicht nur in Fleisch und Blut übergegangen ist, sondern von ihm auch abseits jeglicher durch Antipathie ausgelöster Schnappatmung konsequent berücksichtigt wird: "Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Beschwerdeführer auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen." 

Auf den Fall bezogen kam das Bundesverfassungsgericht zu folgendem Schluss: "Die inkriminierten Äußerungen stellen keine Schmähkritik dar. Mit seinen Vergleichen richtete sich der Beschwerdeführer gegen die Verhandlungsführung der Richterin in dem von ihm betriebenen Zivilverfahren. Dieses bildete den Anlass der Äußerungen, die im Kontext der umfangreichen Begründung eines Befangenheitsgesuchs getätigt wurden. Die Äußerungen entbehren daher insofern nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen." Über die Dunkelziffer von verfassungswidrig verurteilten Kritikern, die es - aus welchen Gründen auch immer - nicht bis zum Bundesverfassungsgericht schaffen, mag ich an dieser Stelle nicht einmal spekulieren.

Sonntag, 19. April 2020

Corona-Widerstand wird nicht geduldet

Die Solidaritätskundgebung auf dem Vorplatz des Polizeigebäudes in der Römerstraße in Heidelberg, bei der etwa 150 unerschrockene Streiter am Mittwoch, den 15. April 2020, ihre Solidarität mit der prominenten Fachanwältin für Medizinrecht Beate Bahner, die nach einer Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht den Corona-Shutdown mit sofortiger Wirkung für beendet erklärt und im Anschluß daran die Corona-Auferstehungs-Verordnung vom 11. April 2020 erlassen hatte, bleibt nicht ungesühnt.

Das Polizeipräsidium Mannheim richtete unmittelbar nach der offenbar rechtswidrigen Zusammenrottung eine 12-köpfige Ermittlungsgruppe ein mit dem Ziel, die bislang ungeklärten Vorgänge um den Corona-Widerstand mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu analysieren und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu identifizierten, die mit dem Willen, sich ohne Rücksicht auf geltendes Recht zu versammeln, vorsätzlich gegen die verbindliche Corona-Verordnung verstoßen haben.

Durch die Einbindung hochgerüsteter Spezialkräfte aus dem Bereich der forensischen Videoauswertung und die Hinzuziehung intensiv geschulter Kriminaltechniker kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Personen zur Verantwortung gezogen werden können, die sich an der Bildung der unkontrollierbaren Meute direkt unter den Augen der Polizei beteiligt haben. Während der Kundgebung des uneinsichtigen Pöbels hatten sich die Polizeikräfte auch nicht von Wir-sind-das-Volk-Rufen provozieren lassen und äußerst besonnen mit einer Deeskalationsstrategie reagiert.

Der Gerechtigkeit kann vor allem deshalb genüge getan werden, weil von der verbotenen Solidaritätsbekundung zahlreiche Videoaufzeichnungen in den sozialen Netzwerken wie Youtube und Facebook öffentlich zugänglich gemacht wurden. Diese Videosequenzen wurden zum Teil bereits ausgewertet und mehrere Versammlungsteilnehmer konnten bereits identifiziert werden. Konkrete Ermittlungen zur Bestrafung der Rechtsbrecher wurden unverzüglich aufgenommen und es kann davon ausgegangen werden, dass auch in Heidelberg das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht.

Samstag, 11. April 2020

Rückgabe der Anwaltszulasssung

In einer Zeit, wo sich Rechtsanwälte ob der anschwellenden Zahl der Corona-Mandate mit den rechtlichen Folgen dieser Krise befassen, hat die nunmehr ehemalige Rechtsanwältin Beate Bahner* ihre Anwaltszulassung zurückgegeben, weil es ihr nicht gelungen sei, "den Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland, insbesondere unsere verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte und die unverbrüchlichen Menschenrechte vor dem schlimmsten weltweiten Angriff und der blitzschnellen  Etablierung der menschenverachtendsten Tyrannei zu retten, die die Welt jemals gesehen hat." Frau Bahner hatte am 08. April 2020 einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht wegen des Angriffs auf den Bestand der Bundesrepublik Deutschland eingereicht und diesen anschließend noch ergänzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Antrag gestern abgelehnt und im Wesentlichen auf formale Aspekte gestützt. 

Tatsächlich ist es nicht ganz so einfach, die Hürden der Verfassungshüter zu überspringen. Denn das Bundesverfassungsgericht verlangt zunächst, dass der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar von einem Akt der öffentlichen Gewalt betroffen ist. Der Beschwerdeführer ist selbst betroffen, wenn er Adressat des Aktes der öffentlichen Gewalt ist. Er ist gegenwärtig betroffen, wenn die von ihm behauptete Grundrechtsverletzung schon eingetreten ist und noch anhält und nur dann unmittelbar betroffen, wenn es keiner weiteren Zwischenakte mehr für eine Verletzung seines von der Verfassung geschützten Rechts bedarf.

Die sogenannte Rechtswegerschöpfung setzt ferner voraus, dass der Beschwerdeführer alle anderen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel vor den Fachgerichten ausgeschöpft hat, bevor er sich an das Bundesverfassungsgericht wendet. Nach § 90 II 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht allerdings über eine vor Rechtswegerschöpfung eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gilt zudem bei formellen Gesetzen nicht, weil diese nicht vor Fachgerichten angegriffen werden können. Schließlich verlangt der Subsidiaritätsgrundsatz vom Beschwerdeführer über die Rechtswegerschöpfung hinaus den Versuch, sein Begehren durch fachgerichtlichen Rechtsschutz durchzusetzen.

Ob es der vormaligen Kollegin gelungen ist, diese Voraussetzungen in ihrem Antrag an das Bundesverfassungsgericht ausreichend darzulegen, kann durch die Lektüre ihres Antrags und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ermittelt werden.

* Einen Tag nach ihrer Verlautbarung, die Zulassung zurückgegeben zu haben, wurde diese Mitteilung von Frau Bahner korrigiert. Sie hatte sich entschlossen, ihre Zulassung zu behalten

Freitag, 30. März 2018

"Das Leben des Brian" am Karfreitag verboten


Als ich das erste Mal las, dass die Aufführung des Films "Das Leben des Brian" am Karfreitag in Nordrhein-Westfalen verboten ist und wegen einer diesem Verbot zuwiderlaufenden Aufführung ein Mitglied der Initiative "Religionsfrei im Revier" bestraft wurde, war ich doch überrascht. Nach einer kurzen Suche stieß ich auf den lesenswerten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.2017 zum Az.: 1 BvR 1498/16. Grundlage für das Verbot war demnach das Gesetz über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW) in dessen § 6, Stille Feiertage, tatsächlich steht:

(3) Am Karfreitag sind zusätzlich verboten:
1. alle in Absatz 1 genannten Veranstaltungen bis zum nächsten Tag 6 Uhr, mit Ausnahme der Großmärkte, die bis zum nächsten Tag 3 Uhr verboten sind,
2. alle nicht öffentlichen unterhaltenden Veranstaltungen außerhalb von Wohnungen bis zum nächsten Tag 6 Uhr,
3. die Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind, bis zum nächsten Tag 6 Uhr,
4. Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes.

Weil nun der Film "Das Leben des Brian" als "nicht feiertagsfrei" eingestuft wurde und damit am Karfreitag nicht vorgeführt werden durfte, wurde der Verantwortliche bestraft. Nicht durch Kreuzigung oder Steinigung, aber immerhin durch ein Bußgeld. Die darauf folgende Verfassungsbeschwerde scheiterte, weil der Bestrafte nicht die Erschöpfung des Rechtswegs nachweisen konnte, wozu auch gehört hätte, rechtzeitig eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Dies hatte der gute Mann versäumt und insoweit nicht alle rechtlichen Mittel ergriffen, die er vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts hätte ergreifen müssen.

Heute wird der Film „Das Leben des Brian" von der Initiative "Religionsfrei im Revier" aufgeführt, denn nach dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts wurde für dieses Jahr eine Ausnahmegenehmigung mit Erfolg beantragt, weil von der "durch die Art und Weise der Filmvorführung in einem geschlossenen Raum mit einer geringen Teilnehmerzahl sind keine Auswirkungen zu befürchten, die den äußeren Ruherahmen des mit einem besonderen Stilleschutz ausgestatteten Tages beeinträchtigen könne“.

Donnerstag, 29. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 4/4

Am Ende meiner kleinen Reihe über die Möglichkeiten, seine allgemeine Ablehnungshaltung gegenüber Polizei und staatlicher Ordnung öffentlich auszuleben ohne gleich die Polizei zu beleidigen, kann festgehalten werden, dass die Verwendung der Zeichenfolge ACAB jedenfalls riskant ist, weil das Bundesverfassungsgericht diese Abkürzung als gleichbedeutend mit der Parole "all cops are bastards" abgestempelt hat, indem es ein Urteil des Amtsgerichts Erfurt durchgewunken hat, das die ausdrücklich anders geäußerte Interpretation des Angeklagten als Schutzbehauptung abgetan hat und nicht berücksichtigt hatte, dass der Angeklagte zuvor von der Polizei aufgefordert wurde, seine bis dahin noch zulässige Meinungsäußerung zu unterlassen.

Anders als das Bayerische Oberste Landesgericht, dass in seinem Beschluss vom 14.04.2004 bei der Beurteilung einer möglichen Beleidigung der Polizei ausdrücklich auf die vorangegangene Provokation durch die Polizei hingewiesen hatte und aus diesem Grund der Ansicht war, dass es dem Angeklagten nicht verwehrt gewesen sei, sogar starke Worte zu gebrauchen, die dem Polizeibeamten "unangenehm ins Ohr klingen können", hat das Amtsgericht Erfurt ein denkbares Recht auf Gegenschlag im Hinblick auf die "demokratische Komponente" des Art. 5 GG nicht einmal erwähnt.

Mit dieser höchsrichterlich abgesegneten Zementierung des Slogans "all cats are beautiful" als gleichbedeutend mit "all cops are bastards" wird auch jede andere deutlich geäußerte Interpretation von ACAB chancenlos vor deutschen Amtsgerichten sein. Zu verlockend ist es, sich aus den Begründungsfragmenten der Entscheidungen des Amtsgerichts Erfurt und des Bundesverfassungsgerichts flugs ein ähnliches Urteil zu basteln, anstatt sich mühsam mit den Einzelheiten des jeweiligen Falles bis hin zu Fragen des Vorsatzes zu beschäftigen.

Ohne einen Beleg aus der Rechtsprechung zitieren zu können, wage ich zu behaupten, dass nicht nur zur Abkürzung ACAB passende Parolen sondern auch Slogans wie "all dogs are beautiful" mit Leichtigkeit in einen Topf mit "all cops are bastards" geworfen werden, selbst wenn die Abkürzung wie bei diesem Beispiel ADAB lautet. Denn nach der höchstrichterlich abgesegneten Logik des Amtsgerichts Erfurt wäre es ebenso fernliegend, in einer Gruppe von Demonstranten bildlich darlegen zu wollen, daß man „Hunde schön und süß“ findet, ACDC hört oder sein Herz an den ADAC verloren hat.

Wer also meint, er könne auf einer Demonstration mit einem ADAC-Schild straflos vor einer kleinen Gruppe vor Polizisten herumspringen, läuft Gefahr, sich vor Gericht darüber belehren lassen zu müssen, dass ADAC-Schilder nicht auf Demonstrationen gehören und für das Tragen eines solchen Schildes in Anwesenheit der Polizei daher nur eine abwertende Bedeutung in Betracht kommt. Der höchst unbestimmte Tatbestand der Beleidigung macht es möglich, das aufmüpfige Verhalten widerspenstiger Bürger an den individuellen Moralvorstellungen eines jeden Richters zu messen und je nach Tagesform zu einem Freispruch oder einer Verurteilung zu gelangen.

Selbst das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Korrektiv, dass eine herabsetzende Äußerung entweder bestimmte Personen benennen oder sich erkennbar auf bestimmte Personen beziehen muss, kann wertlos werden, wenn zunächst nicht individuell angesprochene Polizisten die Initiative ergreifen und damit den konkreten Bezug selbst herstellen. Eine wirklich schwierige Situation, bei der ich nur dazu raten kann, jedenfalls in der Nähe von Polizisten selbst auf ACAB-ähnliche Buchstabenfolgen zu verzichten, um nicht zum Protagonisten eines weiteren Falles im Sammelsurium der ACAB-Fälle zu werden.

Mittwoch, 28. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 3/4

Im Umgang mit der Buchstabenfolge ACAB kann man nach den Einschätzungen des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte ohne weiteres festhalten, dass ACAB im Bereich der Bundesrepublik Deutschland als englische Parole "all cops are bastards" verstanden werden muss. ACAB wird selbst dann vom Amtsgericht Erfurt und unbeanstandet vom Bundesverfassungsgericht in diesem Sinne verstanden, wenn der Verwender nach außen deutlich zu erkennen gibt, dass diese Abkürzung aus seiner Pespektive anders zu deuten ist.

Das Amtsgericht Erfurt meinte nämlich in dem Aufdruck „A.C.A.B.“ zusammen mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und dem Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ lediglich den Deckmantel der sinnfreien Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ zu erkennen, der nur dazu diente, gegenüber einer eingegrenzten Gruppe von Polizeibeamten die Kundgabe einer Missachtung zu entfalten. Mit andern Worten: Der Angeklagte meinte nach Ansicht des Amtsgerichts trotz der Parole "all cats are beautiful" tatsächlich "all cops are bastards".

Wie das Amtsgericht Erfurt zu dieser Erkenntnis kam, ergibt sich aus dem entsprechenden Urteil nur unzureichend. Denn der subjektive Tatbestand der Beleidigung setzt Vorsatz voraus; Fahrlässigkeit genügt dafür nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt der Nachweis des Vorsatzes erst dann als erbracht, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sich der Beschuldigte der herabsetzenden Wirkung seiner Äußerung bewusst war. Ist dieses Wissen erwiesen, so muss angenommen werden, dass er auch mit Willen handelte, d.h. eine Beleidigung der umstehenden Polizisten beabsichtigt (direkter Vorsatz) oder zumindest in Kauf genommen hat (Eventualvorsatz). Der aufmerksame Leser wird sich - genau wie der Amtsrichter - denken: "Verarschen kann ich mich alleine, natürlich hatte der Typ mit Katzen nichts am Hut, sondern wollte die Bullen mindestens provozieren." Strafrechtlich genügt diese durchaus nachvollziehbare Menschenkenntnis allerdings nicht, um den Nachweis eines Beleidigungsvorsatzes zu führen.

Insbesondere der Umstand, dass der Verurteilte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten war und erst dann ein Verhalten an den Tag legte, dass zu seiner Verurteilung führen konnte, nachdem er vom Einsatzleiter aufgefordert wurde, seine bis dahin zulässige Meinungsäußerung - das Tragen des Stoffbeutels mit den streitgegenständlichen Aufdrucken - zu unterlassen, weckt Zweifel am Vorsatz der Beleidigung. Denn das jemand, der aufgefordert wird, ein rechtlich zulässiges Verhalten zu unterlassen, trotzig reagiert und daraufhin versucht, sein zulässiges Tun gegenüber der auffordernden Polizei durch eine Intensivierung seines Verhaltens sichtbar zu verteidigen, scheint verständlich und hätte einer genauen Untersuchung bedurft. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Kürzel ACAB bei Strafgerichten trotz der durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen eine überaus toxische Wirkung hat, bei der auch geschulte Juristen bisweilen nicht in der Lage sind, eine distanzierte juristische Betrachtung zu gewährleisten.

Unter den geschilderten Umständen scheint selbst die Abstandnahme von der Verwendung der Zeichefolge ACAB hin zur Abkürzung ADAB riskant. Wenn ein Gerichte damit begonnen hat, den Slogan "all cats are beautiful" ohne weiteres als Deckmantel und damit als Synonym für den Slogan "all cops are bastards" zu identifizieren, dürfte es den Gerichten auch nicht sonderlich schwer fallen, einen Schritt weiter zu gehen und in der Abkürzung "ADAB" mit dem Satz "all dogs are beautiful" einen Deckmantel für den Deckmantel "all cats are beautiful" zu erkennen, um damit die Gleichung ADAB = ACAB aufzustellen.

Aus der Sicht eines unbefangenen und verständigen Dritten könnte nämlich auch jede andere Deutung des Schriftzuges „A.D.A.B.“ ausgeschlossen werden, denn es könnte fernliegend sein, daß man in einer Gruppe von Demonstranten durch das Tragen eines Jutebeutels allein darlegen will, daß man „Hunde schön und süß“ findet. Harte Zeiten für Grenzgänger der Meinungsfreiheit, welche ihre allgemeine Ablehnung der Polizei möglichst ohne das Risiko, wegen der Beleidigung von Polizisten verurteilt zu werden, ausdrücken möchten. Darüber, ob nicht ein noch größerer Abstand von der Zeichenfolge ACAB als das Kürzel ADAB hilfreich sein könnte, werde ich im letzten Teil dieser Reihe spekulieren.

Dienstag, 27. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 2/4

Dass in Deutschland die isoliert betrachtete Buchstabenfolge ACAB als Abkürzung für den englischsprachigen Slogan „all cops are bastards“ verstanden wird, will auch das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage stellen. Denkbar sind natürlich auch andere Bedeutungen wie "acht Cola acht Bier", "all christians are brothers", "all crmininals are black" oder auch "all cats are beautiful". Für die Interpretation der Zeichenfolge ACAB wird man daher stets den individuellen Kontext der Äußerung und deren konkrete Verwendung betrachten müssen. Denn sicherlich gibt es im Raum Aachen zahlreiche Autofahrer, die arglos mit den Buchstaben AC AB auf ihrem Nummernschild herumfahren, ohne damit ihre allgemeine Ablehnung unserer Ordnungshüter ausdrücken zu wollen.

In der juristischen Methodenlehre ist nämlich unumstritten, dass der übliche Sinn eines Wortes, eines Gesetzes oder auch einer Abkürzung nur ein Hinweis für deren Auslegung ist und nur der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung darstellt, welche auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf. Damit wird man die reine Zeichenfolge ACAB in der Regel auf die Bedeutung "all cops are bastards" reduzieren dürfen, wenn der Kontext und die konkrete Verwendung keinen Hinweis auf eine andere Deutungsmöglichkeit, wie etwa bei Nummernschildern, enthält.

Interessant ist daher der Fall eines Katzenliebhabers, der es wagte, mit einem rosafarbenen, ca. 40 x 40 cm großen Stoffbeutel, im oberen Bereich mit dem Aufdruck „A.C.A.B.“, im mittleren Bereich mit dem Abbild eines kleinen Kätzchens und im unteren Bereich mit dem Aufdruck „All CATS are BEAUTIFUL“ versehen, demonstrieren zu gehen. Bemerkenswert ist noch, dass das im oberen Bereich aufgedruckte Kürzel „A.C.A.B.“ und der untere Slogan „All CATS are BEAUTIFUL“ weitgehend in der gleichen Schriftgröße ausgeführt wurden, während das Katzenbild deutlich größer war. Man könnte nun auf die Idee kommen, dass sich der Träger des Beutels mit der Abkürzung ACAB auf die für ihn massgebliche Bedeutung "all cats are beautiful" festgelegt hatte und sich damit ausdrücklich von der herkömmlichen Bedeutung einer abfälligen Äußerung gegenüber der Polizei distanzierte.

Allerdings forderte der Einsatzleiter der Polizei den Tierliebhaber nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 13.06.2017 zum Az.: 1 BvR 2832/15 trotz des deutlich sichtbaren Katzen-Slogans auf, seinen Beutel nicht weiter offen zu tragen. Dieser Aufforderung kam der Beutelträger aber nicht nach, sondern präsentierte den Beutel „nunmehr ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den die Demonstration abschirmenden Einsatzkräften der Polizei. Eine verständliche Reaktion des Tierfreunds, seine Liebe zu Katzen nun erst recht zu zeigen, weil er in aller Deutlichkeit darauf hinweisen wollte, sich sein Recht als Tierliebhaber darzustellen nicht von der Polizei verbieten lassen zu müssen? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt zu dieser Frage nicht viel her, sondern stellt lediglich fest, dass sich das Amtsgericht hinreichend mit weiteren Deutungsmöglichkeiten der Abkürzung ACAB auseinandergesetzt habe.

Es lohnt daher ein Blick auf das Urteil des Amtsgerichts Erfurt vom 26. März 2015 zum Az.: 830 Js 34947/14 51 Cs, das trotz der sichtbar abweichenden Interpretation meinte, jede andere Deutung des Schriftzuges „A.C.A.B.“ ausschließen und den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilen zu können: "Es ist fernliegend, daß der Angeklagte in einer Gruppe von Gegendemonstranten gegen den NPD-Landtagswahlkampf durch das Tragen des Jutebeutels allein darlegen wollte, daß er „Katzen schön und süß“ findet. Denn Farbwahl, Schriftgröße und die näheren Umstände des Tragens des Beutels sprechen dafür, daß der Angeklagte beabsichtigte, dass die Polizeibeamten auf ihn aufmerksam wurden. Unter dem Deckmantel einer (sinnfreien) Meinungsäußerung „Alle Katzen sind schön“ kam es dem Angeklagten darauf an, sich gegenüber den Polizeibeamten der Abkürzung „A.C.A.B.“ zu entäußern und die Polizeibeamten durch diese Kundgabe seiner Missachtung zu beleidigen. Der Streitfall gibt dem Gericht keine Veranlassung, weitergehenden Deutungsmöglichkeiten nachzugehen. In der Literatur wird in Ansehung der länder- und kulturübergreifenden Verwendung der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ jede weitere theoretische Deutung als „Acht Cola acht Bier“, „Alles Christen außer Berti“, „all colours are beautiful“, „Alice Cooper and band“ regelmäßig als Schutzbehauptung angesprochen (vgl. Zöller, ZJS 2013, 102)."

Ob trotz vieler theoretisch denkbarer Deutungen der Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ auch dann von einer Schutzbehauptung gesprochen werden kann, wenn der Äußernde eine denkbare Deutung ausdrücklich für sich beansprucht, indem er diese zusammen mit der streitbefangenen Abkürzung und einer entsprechenden bildlichen Darstellung sichtbar präsentiert, kann man durchaus diskutieren. Denn in der Literatur werden die theoretischen Deutungen nur im Zusammenhang mit der isolierten Zeichenfolge ACAB ohne sichtbar beigefügte Eigeninterpretation betrachtet. Wer allerdings um die Neigung von Amtsrichtern weiß, die Kenntnis ihrer Pappenheimer dem Ergebnis einer rechtswissenschaftlichen Subsumption gegenüber höher zu bewerten, sollte sich besser nicht darauf verlassen, eine sichtbar von der üblichen Bedeutung abweichende Interpretation des Slogans ACAB straffrei und unübersehbar paradierend präsentieren zu können. Ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, seine Tierliebe straffrei vor einer hinreichend überschaubaren Polizistengruppe zu demonstrieren, wird daher im folgenden Teil 3/4 zu klären sein.

Sonntag, 25. März 2018

Wie man die Polizei nicht beleidigt - Teil 1/4

Acar und Atac gehören genauso zu Deutschland wie ACAB. Doch während Acar und Atac uns aus dem türkischen Sprachraum heraus beglücken und lediglich Namen sind, wird ACAB vielfach als eine Abkürzung für die englische Parole "all cops are bastards" verstanden und sorgt daher regelmäßig für unglückliche Gesichter, insbesondere in den Reihen der Polizei.

Dass die Buchstabenfolge ACAB als aus dem Englischen stammende Abkürzung zu Deutschland gehört, hat das Bundesverfassungsgericht einmal mehr per Beschluss vom 17.05.2016 zum Aktenzeichen 1 BvR 2150/14 deutlich gemacht, als es davon ausging, dass der Slogan ACAB sowohl der Polizei als auch dem Beschwerdeführer bekannt ist und eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck bringt, die als Meinungsäußerung grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist.

Das besondere an der Zeichenfolge ACAB, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, ist, dass sie auch als Beleidigung verstanden werden kann. Dies gilt es natürlich zu verhindern und dazu muss man wissen, wann das Kürzel ACAB als Angriff auf die persönliche Ehre eines oder mehrerer Mitglieder des Kollektivs "cops" gelten kann.

Denn je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer ist die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive regelmäßig nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion insgesamt geht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist es daher zu vermeiden, dass sich die Kundgabe der Zeichenfolge ACAB als Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, die Teil des Kollektiv "cops" ist.

Erst der Nachweis einer personalisierenden Adressierung der Parole ACAB an einen oder mehrere Polizisten kann zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Beleidigung führen, wie schon das Amtsgericht Berlin-Tiergarten im Jahre 2000 zutreffend erkannte. Wer also als Fußballfan oder politischer Aktivist eine Vorladung zu einer polizeilichen Anhörung bekommt, sollte es sich verkneifen, mit seiner Kutte und einem ACAB-Aufnäher oder einem entsprechenden T-Shirt bei der Vernehmung aufzutauchen, da sich der verbeamtete Interviewpartner beleidigt fühlen könnte.

Ins Stadion oder auf eine Demo geht es natürlich auch in Zukunft mit den Insignien der Ablehnung gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht, denn der bloße Aufenthalt im Stadion oder die Anwesenheit auf einer Demonstration in dem Bewusstsein, dass die Polizei auch anwesend ist, genügt für eine Konkretisierung der Äußerung ACAB gegenüber bestimmten Polizisten nicht. Unbedingt vermieden werden muss nur, sich ganz bewusst in die Nähe der dort befindlichen Einsatzkräfte der Polizei zu begeben, um diese mit der Parole ACAB zu konfrontieren. Wie streng dieses Gebot befolgt werden muss, ist bald dem in Kürze folgenden Teil 2/4 zu entnehmen.

Sonntag, 3. Dezember 2017

"provinzieller Staatsanwalt" Teil 2

"Menschen, die miteinander Kaffee trinken und gemeinsam zu Mittag essen, pissen sich nicht gegenseitig ans Bein", lautete die kühne These einer Rechtsreferendarin, die sie im Jahre 2011 per E-Mail an ihren damaligen Ausbilder, einen Staatsanwalt, übersandte. Weitere mit gleicher E-Mail übersandte Bemerkungen zur Person ihres Ausbilders führten im Jahre 2013 zu einer Verurteilung wegen Beleidigung, die im Februar 2014 rechtskräftig wurde.

Die im August 2014 beantragte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wurde der ehemaligen Rechtsreferendarin von der Rechtsanwaltskammer per Bescheid verwehrt, weil sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf einer Rechtsanwältin auszuüben. Ihre unprofessionellen Äußerungen und der respektlose Umgang mit anderen belege die Unfähigkeit, als Teil der Rechtspflege mit anderen, ggf. übergeordneten Organen, adäquat zu agieren und die Funktion der Rechtspflege sicherzustellen.

Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte den Ablehnungsbescheid durch Urteil vom 30.10.2015 zum Az.: 1 AGH 25/15, liess die Berufung wegen des Mangels besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gar nicht erst zu und auch der Bundesgerichtshof in Anwaltssachen sah in seinem Beschluss vom 27.06.2016 zum Az.: AnwZ (Brfg) 10/16 keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs, der widerspenstigen Volljuristin die Anwaltszulassung zu verwehren. Die sich stets auf ihre Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG berufende Antragstellerin hätte das Urteil nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt, so dass die Nichtzulassung der Berufung und damit der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei.

Um das endgültige Ergebnis der Auseinandersetzung vorwegzunehmen: Die Käffchentrinker bei der Rechtsanwaltskammer, dem Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen und dem Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof lagen falsch und die bis zum Bundesverfassungsgericht kämpfende Volljuristin hatte Recht. Die Versagung ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zwecks Ausübung des Berufs, für den sie die fachlichen Voraussetzungen hat und dessen Ausübung sie als Grundlage ihrer Lebensführung anstrebt, war ein schwerwiegender Eingriff in ihr Grundrecht auf die Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, der durch entgegenstehende Gemeinwohlbelange nicht gerechtfertigt werden konnte und sich damit als rechtswidrig erwies.

Die bei der Rechtsanwaltskammer mit Zulassungsfragen betrauten Fachgremien, der Senat des Anwaltsgerichtshofes in einer Besetzung von drei Rechtsanwälten und zwei Berufsrichtern und der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof, besetzt mit der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, der Richterin Roggenbuck, dem Richter Seiters nebst Rechtsanwalt Dr. Braeuer und Rechtsanwältin Merk, waren zwar in der Lage, den mahnenden Zeigefinger gegenüber der Antragstellerin mit Begriffen wie Berufsunwürdigkeit, Uneinsichtigkeit und mangelnder Reue zu erheben, nicht aber eine den Anforderungen der grundgesetzlich gewährten Berufsfreiheit genügende einzelfallbezogene Abwägung zu Gunsten der Bewerberin zu leisten.

Wenigstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 22.10.2017 zum Az.: 1 BvR 1822/16 belegt, dass die 1. Kammer des Ersten Senats keine Grundstudiumsvorlesung zur Vertiefung der Bedeutung der verfassungsmäßigen Rechte aus den Art. 1 – 19 des Grundgesetzes mehr braucht.

Freitag, 9. Juni 2017

Wutbürger vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Welle der Empörung deutscher Wutbürger über die Altparteien im Parlament ist nun bis ins Bundesverfassungsgericht geschwappt. ln dem Verfahren über den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wegen ihrer staatsfeindlichen und kriminellen Handlungen von der Bundestagswahl 2017 auszuschließen, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 01.06.2017 zum Aktenzeichen  2 BvQ 30/17 entschieden, den Antrag abzulehnen, da eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers von vornherein unzulässig wäre. Das Begehren des Antragstellers sei kein statthafter Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde. 

Zwar kann das Bundesverfassungsgericht nach § 32 BVerfGG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, dies gilt aber nicht, wenn die Verfassungsbeschwerde von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre.

Im vorliegenden Fall dürften die Argumente des Antragstellers im Hinblick auf staatsfeindliche oder kriminelle Handlungen der CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ungehört verhallen, da der Antragsteller - staatsfeindliche und kriminelle Handlungen einmal unterstellt - wohl schon keine daraus resultierenden Grundrechtsverletzungen durch die Altparteien darstellen konnte, durch die er selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen wäre, Art. 93 I Nr. 4 a GG i.V.m. § 90 I BVerfGG. Verteidigt werden können immer nur eigene Rechte, die durch parlamentarisches Gewurstel der Parteien eben nicht unmittelbar betroffen sein können.

Dienstag, 17. Januar 2017

SCHÜLERZEITUNG

Dass die juristische Berichterstattung des SPIEGEL mit Vorsicht zu genießen ist, habe ich schon mehrfach festgestellt. Heute hat die Laienspielschar des SPIEGEL allerdings den Bundesadler abgeschossen, als auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017, Az.: 2 BvB 1/13, die Eilmeldung "Bundesverfassungsgericht verbietet NPD" verbreitet wurde, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag tatsächlich abgelehnt hat, weil es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht fehlt, die eine Durchsetzung der von der NPD verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen.

Wie wenig vertraut die Redakteure Deutschlands größter Schülerzeitung mit juristischen Prozessen sind, lässt sich folgender Erklärung der Redaktion entnehmen:
  
"Als der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle, zu reden begann, zitierte er zunächst den Antrag auf das NPD-Verbot. Der Antrag wurde von uns versehentlich mit dem - tatsächlich anderslautenden - Urteil verwechselt."

Vielleicht gönnt sich der SPIEGEL ja auf diese Blamage hin endlich mal einen schreibenden Volljuristen für die Gerichtsberichterstattung.

Montag, 22. Februar 2016

"Das sind keine Menschen, die so etwas tun."

Nach einem fremdenfeindlichen Zwischenfall im sächsischen Erzgebirge am vergangenen Donnerstag waren solch markige Worte des wichtigsten Mannes im Freistaat Sachsen zu hören. "Das sind Verbrecher. Widerlich und abscheulich ist das" schimpfte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Mitglied der Partei "Christlich Demokratische Union Deutschlands", kurz CDU.

Das ist die Partei, die sich schon in ihrem Namen auf christliche Werte bezieht und deshalb das christliche Menschenbild in ihrem Grundsatzprogramm propagiert: "Für uns ist der Mensch von Gott nach seinem Bilde geschaffen. Aus dem christlichen Bild vom Menschen folgt, dass wir uns zu seiner unantastbaren Würde bekennen. Die Würde aller Menschen ist gleich, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Alter, von religiöser und politischer Überzeugung, von Behinderung, Gesundheit und Leistungskraft, von Erfolg oder Misserfolg und vom Urteil anderer." 

Zu diesem Verständnis will es nicht recht passen, dass der Ministerpräsident aus Sachsen etwa 100 protestierende Bürger, die in der Ortschaft Clausnitz versuchten, sich den ersten Bewohnern einer neuen Asylbewerbereinrichtung entgegenzustellen, die Subjektqualität als Mensch abspricht. Nun hat im Christentum der Begriff der Sünde als der von Menschen verschuldete Zustand des Getrenntseins von Gott und die Überwindung der Sünde eine zentrale Bedeutung. Wir alle wissen, dass das selbstkritische Erkennen des eigenen Betroffenseins von Sünde den meisten Menschen schwer fällt. Deshalb möchte ich dem Ministerpräsident Sachsens mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts helfen, seinen Sündenfall zu erkennen, denn:

"Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewußt ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen." Und weiter: "Das menschliche Leben stellt, wie nicht näher begründet werden muß, innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte."

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass ein christlich orientierter Politiker aus der ersten Reihe derartige Wertigkeiten längst verinnerlicht hat. Insbesondere deshalb, weil es sogar strafbar ist, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass man Menschen wegen deren Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft oder böswillig verächtlich macht. Ich bin mir allerdings sicher, dass Stanislaw Tillich seinen Fehler erkennt und sich wegen seines groben Fehlverhaltens entschuldigen wird, denn im Christentum wird die Sünde nur durch echte Sühne wieder aufgehoben.

Mittwoch, 26. August 2015

FCK CPS - wie man in Bückeburg einen Freispruch vermeidet

Wie kürzlich berichtet, musste das Bundesverfassungsgericht das Amtsgericht Bückeburg per Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 im Zusammenhang mit dem Tragen eines Buttons mit der Aufschrift „FCK CPS“ über die Tragweite der freien Meinungsäußerung belehren und hob dessen Verurteilung wegen Beleidigung, Urteil zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013, insoweit auf.

Das Amtsgericht Bückeburg hatte das Tragen eines Buttons mit der Aufschrift „FCK CPS“ in der Bückeburger Innenstadt noch für eine Beleidigung der etwa 25 Polizeibeamten des Kommissariats in Bückeburg gehalten, weil es der Ansicht war, diese sollten als eine hinreichend abgrenzbare Gruppe mit dem Slogan „FCK CPS“ - synonym für "Fuck Cops" - konkret beleidigt werden. Da im Urteil jedoch keinerlei Feststellungen dazu getroffen wurden, dass sich die Buttonträgerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen, musste das Amtsgericht die Sache neu verhandeln.

Die neue Verhandlung fand nun am 25.08.2015 vor dem Amtsgericht Bückeburg statt. Weil die Angeklagte in derselben Sache bereits rechtskräftig auch wegen Körperverletzung verurteilt worden ist und insoweit bereits eine öffentliche Klage erhoben worden war, stellte die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. II StPO, dem das Gericht – gegen den Willen des Verteidigers, da die Sache freispruchreif war – zustimmte, so dass das Verfahren nach nicht einmal 5 Minuten mit voller Auslagenerstattung für die Angeklagte eingestellt wurde. Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht muss die Buttonträgerin statt mit einem Freispruch nun mit einem Einstellungsbeschluss leben. Das scheint - mit frisch geputztem Button - selbst in Bückeburg gerade noch erträglich.

Montag, 17. August 2015

Amtsgericht München - FCK CPS Urteil

FCK CPS
FCK CPS
Mit Urteil vom 13.04.2015 hat das Amtsgericht München eine 19-jährige Studentin wegen der Beleidigung eines Polizeibeamten zu einer Arbeitsauflage von 32 gemeinnützigen Arbeitsstunden verurteilt. Die Studentin hatte am 05.09.2014 an einer Kundgebung der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ in München teilgenommen. Sie trug eine schwarze Umhängetasche auf der die in großen Lettern die Aufschrift „FCK CPS“ gedruckt war. Die Studentin hielt die Tasche für die Umgebung gut sichtbar in den Händen, so dass auch ein bei der Versammlung eingesetzter Polizeibeamter den Schriftzug sehen konnte. Diese Aufschrift soll nach Angaben des Amtsgerichts München für die Redewendung "„Fuck Cops" stehen“ und das Amtsgericht unterstellte, dass die Studentin mit dem Tragen dieser Tasche ihre Missachtung gegenüber der Polizei ausdrücken wollte.

Ein Polizeibeamter, der zum Schutz der Kundgebung mit seinen Kollegen eingesetzt war, hatte die Angeklagte angesprochen und erklärt, dass der Schriftzug eine Beleidigung darstelle und sie aufgefordert, die Tasche zu verdecken. Er drohte ihr auch eine Anzeige an, wenn der Schriftzug noch einmal offen sichtbar getragen werde. Zunächst hielt sich die junge Frau an die Anweisung, indem sie ihre Jacke über die Tasche hängte. Kurze Zeit später jedoch sei die Jacke wieder entfernt und der Schriftzug auf der Tasche deutlich sichtbar gewesen. Dies geschah in unmittelbarer Nähe von mehreren Polizeibeamten, die gerade mit Versammlungsteilnehmern diskutierten.

Einer dieser Polizeibeamten und dessen Dienstvorgesetzter stellten daraufhin Strafantrag wegen Beleidigung. Die Studentin wurde wegen Beleidigung angeklagt. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht München räumte sie ein, die Tasche getragen zu haben und von einem Polizeibeamten auf dessen Ansicht, sie verhielte sich strafbar, aufmerksam gemacht worden zu sein. Sie habe die Tasche im Internet bestellt und dort aber recherchiert, dass es einen Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg gäbe, wonach das Tragen einer Tasche mit dieser Aufschrift nicht strafbar sei.

Die zuständige Richterin verurteilte die Taschenträgerin nach Jugendstrafrecht zur Ableistung von 32 Stunden gemeinnütziger Arbeit und begründete das Urteil mit der Annahme, dass der Aufdruck auf der Tasche dem Wortsinn nach eine Beleidigung sei. Sie richtete sich auch gegen konkret eingesetzte Personen. Das habe der Studentin spätestens bewusst werden müssen, als sie von dem Polizeibeamten auf dessen Ansicht hingewiesen wurde. Auch sei es ihr gerade darauf angekommen, die in ihrer unmittelbaren Nähe stehenden Beamten zu erreichen. Die Androhung der Strafanzeige durch einen der Polizeibeamten habe ihr deutlich vor Augen geführt, dass ihr Verhalten beleidigend und damit strafbar sei.

Erst vor kurzem hatte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 noch offen gelassen, inwieweit die Verwendung des bewusst kryptischen und damit bewusst unklar oder mehrdeutig gehaltenen Kürzels FCK CPS einer Beurteilung zugänglich ist, als ob der diesen Kürzeln (wohl) unterliegende Sinn "Fuck Cops" ausdrücklich geäußert worden wäre. Wie das Amtsgericht München diese Problematik ausgelegt hat oder ob sich die verurteilte Studentin mit der Mehrdeutigkeit des Kürzels  FCK CPS verteidigt hatte (etwa FC Kaiserserslautern Cup-Sieger), ist leider noch nicht bekannt.

Im Gegensatz zum vom Bundesverfassungsericht aufgehobenen Urteil des Amtsgerichts Bückeburg zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013, in welchem es an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen fehlten, die die Beurteilung tragen konnten, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht, scheint das Münchner Urteil vom 13.04.15 diese Umstände darin gesehen zu haben, dass die der Tragetasche zu entnehmende Äußerung gegenüber genau dem Polizisten wiederholt wurde, der zuvor auf dessen seiner Ansicht nach beleidigenden Inhalt hingewiesen hatte und der Slogan damit einen objektiv auf diesen Polizisten konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hatte.
  
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Donnerstag, 16. Juli 2015

Amtsgericht Bückeburg: Meinungsfeinde durch Bundesverfassungsgericht gestoppt

Bueckeburg Justiz
Wieder einmal lässt die Justiz in Bückeburg mit einer gegen die Freiheit der Meinungsäußerung gerichteten Entscheidung aufhorchen. Erst das Bundesverfassungsgericht konnte das Amtsgericht Bückeburg mit seinem Beschluss zum Az.: 1 BvR 1036/14 vom 26. Februar 2015 in seinem durch vorkonstitutionellen Gehorsam und konservativer Ordnungsliebe geprägten Tatendrang stoppen und hob dessen Urteil zum Az.: 60 Ds 39/13, 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) vom  07.11.2013 im angegriffenen Umfang auf.

Das Amtsgericht Bückeburg - mit dem Grundgesetz nicht verwandt oder verschwägert - hatte das Tragen eines Buttons mit der Aufschrift „FCK CPS“ in der Bückeburger Innenstadt für eine konkrete Kundgabe der Missachtung gegenüber den etwa 25 in Uniform diensttuenden Polizistinnen und Polizisten des Polizeikommissariats Bückeburg gehalten und die Trägerin wegen Beleidigung verurteilt, weil aus dem Sinngehalt der Äußerung deutlich geworden sei, dass eine hinreichend abgrenzbare Gruppe von Polizeibeamten bewusst in deren Ehre im Ergebnis mit dem Slogan „Fuck Cops“ herabgewürdigt werden sollte.

Dieser Ansicht widersprach das Bundesverfassungsgericht, weil das Amtsgericht Bückeburg die verfassungsrechtlichen Maßstäbe jedenfalls dadurch verkannt habe, dass es eine hinreichende Individualisierung eines negativen Werturteils angenommen habe, obwohl keinerlei Feststellungen dazu getroffen wurden, dass sich die Buttonträgerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen.

Es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bilde. Es reiche nicht aus, dass die Kräfte des örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen seien, vielmehr bedürfe es einer personalisierenden Zuordnung, für die es hier keinerlei Anhaltspunkte gäbe. Es könne nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung „FCK CPS“ allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen habe.

Die Sache wurde daher im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Bückeburg zurückverwiesen. Ob das Amtsgericht Bückeburg am 25.08.2015 erneut Klimmzüge zur Verurteilung der widerborstigen Untertanin vornehmen wird oder das Bekanntwerden des verfassungsfeindlichen Treibens zu einem geräuschlosen Freispruch führt, bleibt abzuwarten.

Aus meiner Sicht ist es allerdings übertrieben, sich gleich mit FCK-BBG T-shirts auf die Strassen der ehemaligen Residenzstadt des Fürstentums Schaumburg-Lippe zu begeben, denn sicherlich gibt es selbst in Bückeburg vereinzelt Menschen, die Meinungsfreiheit nicht für ein fürstliches Privileg halten und sich durchaus vorstellen können, dass Justizgrundrechte sogar in Bückeburg auch Andersdenkenden gewährt werden müssen.

Schließlich sollte man auch nicht zu streng sein mit der Bückeburger Justiz als Teil der „besseren Gesellschaft“ einer gemütlichen Kleinstadt, denn wie schon Hermann Löns erkannte, wirkt das Leben in Bückeburg „selbst auf den reichsten Geist und die feurigste Seele bald wie eine Mast- und Liegekur. Sobald ein Mensch ein Jahr in ihr verlebt hat, fühlt er eine wohltätige Abspannung im Gehirne, die ihn mit lächelndem Gleichmute allem gegenüber erfüllt, was irgendwie über die Grenzen des ortsüblichen Auffassungsvermögens hinausgeht“.

Montag, 1. Dezember 2014

Drittklassiger Anwalt

Der von der gegnerischen Partei persönlich geschriebene Brief klingt vorwurfsvoll:

"Ihr Schreiben vom 13.11.2014 in der Zwangsversteigerungssache xxxxxxxxx habe ich heute zur Kenntnis genommen. Auf Grund Ihrer unverschämten Lüge gegenüber dem AG Burgwedel, „die Forderung an die xxxxxxxxx Vermögensverwaltung sei nach Ihrem Kenntnisstand bereits gepfändet", werde ich noch heute gegen Sie Anzeige wegen Ruf- und Kreditschädigung stellen und dies auch der Anwalts- und Notarkammer mitteilen."

Bitte nur an die Rechtsanwaltskammer Celle schreiben und nicht an die Notarkammer Celle und vorher noch ganz in Ruhe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.04.2008, 1 BvR 1793/07, lesen.

"Auf keinen Fall lasse ich mir von einem drittklassigen Anwalt, der sich durch Diffamierungen bei den Gerichten Vorteile verschaffen will, nichts unterstellen und andichten."

Die doppelte Verneinung war schon immer ein Stolperstein und ob die vorgenommene Einordnung in die Klasseneinteilung der Anwälte Lob oder Tadel ist, kann ich nicht abschließend beurteilen.  

"Sollten Sie nicht umgehend Ihren angeblichen Kenntnisstand nachweisen, erfolgt sofort Klage wegen ruinöser Äusserungen."

Ich bin gespannt.

Montag, 29. April 2013

NSU-Verfahren - nach Neuverteilung der Plätze erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt


Der vormalige Inhaber einer Platzkarte im sogenannten NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, der freie Journalist Martin Lejeune, möchte mit seiner Verfassungsbeschwerde vom heutigen Tag nebst Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht seine bereits erlangte Rechtsposition verteidigen. Unter anderem rügt er
  • "daß der Vorsitzende Richter bei seiner Verfügung vom 19.04.2013 übersehen hat, daß den im vorigen Vergabeverfahren erfolgreichen Journalisten der Platz nicht einfach wieder weggenommen werden konnte,
  • daß der Sitzungssaal immer noch zu klein ist und damit dem Informationsrecht der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht gerecht wird und
  • daß die gewichtigen Gattungen der freien und Online-Journalisten jetzt gleichheitswidrig nicht berücksichtigt wurden."
Nachtrag: Mit Beschluss vom 2. Mai 2013 zum Az.: 1 BvR 1236/13 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde mangels Begründetheit nicht zur Entscheidung angenommen, weil Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt seien. Damit erledigte sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Donnerstag, 15. März 2012

Die Wiedereinführung der Monarchie


Ein Hauch von Unterwürfigkeit und Dummheit durchweht die bundesdeutsche Medienwelt, wenn diese im Zusammenhang mit der Schnäppchenjägermentalität des ehemaligen Bundespräsidenten Wulff die Meldung verbreitet, ein Herr Philip Kiril Prinz von Preußen plädiere für die Wiedereinführung der Monarchie.

Es ist weniger die Nachricht als solche und nicht einmal die verfassungsfeindliche Grundhaltung des Herrn Prinz von Preußen, die allenfalls ärgerlich ist, sondern die dauerhafte Ignoranz halbgebildeter Schreiberlinge gegenüber unserer Verfassung angesichts der ihnen von dieser gewährten Pressefreiheit. Man kann sich als Journalist auf verschiedene Arten und Weisen den durch das Grundgesetz gewährten Freiheiten für würdig erweisen, aber mit Sicherheit nicht dadurch, dass man der in der Regel durch einseitige Kreuzung genetisch belasteten Filialgeneration des vor knapp hundert Jahren abgeschafften Adelsstandes das Privileg tatsächlich nicht mehr bestehender Adelsprädikate zuerkennt.

Ein kurzer Vergleich von Redewendungen in den aktuellen Artikeln von SPIEGEL: "Preußen-Prinz fordert Rückkehr zur Monarchie", FOCUS: "... meint Prinz Philip Kiril von Preußen", BILD: "Prinz Philip Kiril von Preußen" und WELT: "Prinz Philip Kiril von Preußen (empfiehlt) die Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland" anläßlich der jüngsten Sympathiebekundung für die Diktatur des Blutes offenbart die synchrone Armseligkeit der Autoren. Nicht einer scheint zu erkennen, dass das ehemalige Adelsprädikat "Prinz" nur noch Teil des bürgerlichen Nachnamens ist. Reihum wird das Adelsprädikat dem Vornamen vorangestellt und die Leitbildfunktion einer freien Presse der Dummheit ihrer Vertreter geopfert.

Kein Journalist kennt den rechtlichen Hintergrund für die Klarstellung der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, geäußert im Beschluss - 1 BvR 2248/01 - vom 22. März 2004:

"Mit In-Kraft-Treten der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl S. 1383) und der Verfassung Preußens vom 30. November 1920 (Preußische Gesetzsammlung, S. 543) wurde jeweils die republikanische Staatsform eingeführt. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 wurde aufgehoben (Art. 178 Abs. 1 WRV). Art. 81 Abs. 1 der preußischen Verfassung hob die Verfassung vom 31. Januar 1850 auf. Damit wurden gleichzeitig die Hausgesetze des ehemals regierenden Kaiser- und Königshauses in staatsrechtlicher Hinsicht gegenstandslos. Seit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes steht der Wiedereinführung der Monarchie Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen."

Unsere österreichischen Nachbarn haben der Bildungsschwäche kommender Generationen im Zusammenhang mit der Abschaffung des Adelsstandes vorgebeugt und die Verwendung sämtlicher Hinweise auf Adelsprivilegien als Bestandteile bürgerlicher Nachnamen untersagt. Nach § 2 seiner Vollzugsanweisung schlägt das österreichische "Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden" deshalb auch voll auf das Namensrecht durch:

Für alle österreichischen Staatsbürger gibt es kein Recht zur Führung des Adelszeichens „von“, kein Recht zur Führung von Prädikaten, zu welchen neben den zugestandenen die Familien unterscheidenden Adelsprädikaten im engeren Sinne auch das Ehrenwort Edler sowie die Prädikate Erlaucht, Durchlaucht und Hoheit gezählt wurden; kein Recht zur Führung hergebrachter Wappennamen und adeliger Beinamen, kein Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen, wie z.B. Ritter, Freiherr, Graf und Fürst, dann des Würdetitels Herzog sowie anderer einschlägiger in- und ausländischer Standesbezeichnungen; kein Recht zur Führung von Familienwappen, insbesondere auch der „fälschlich ‚bürgerlich‘“ genannten Wappen, sowie kein Recht zur Führung gewisser ausländischer Titel, wie Conte, Conta Palatino, Marchese, Marchio Romanus, Comes Romanus oder Baro Romanus.

Zu einer derartigen Säuberung auch des Namensrechts konnte sich der deutsche Gesetzgeber nicht durchringen, so dass auch heute noch der längst abgeschaffte Adel mit der Hilfe unfähiger Journalisten beständig durch die Presselandschaft geistert.