Wer sich in irgendeiner Form mit der Corona-Pandemie und den daraufhin ergriffenen Maßnahmen durch die öffentliche Hand beschäftigt, sollte das Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 zum Aktenzeichen 6 OWi - 523 Js 202518/20 lesen. Sicherlich ist das etwa 20-seitige Urteil nicht für jeden juristischen Laien in allen Einzelheiten verständlich, aber das Gericht äußert sich in vielen Passagen überraschend klar und deutlich zu der derzeitig aktuellen Politik des Lockdowns.
Zunächst sollte man wissen, dass sich das Amtsgericht mit der aktuellen Corona-Politik beschäftigen musste, weil auf Grund eines Verstoßes gegen die §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 der Dritten Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ein Busseld verhängt wurde, gegen das sich der Kläger im Verfahren vor dem Amtsgericht Weimar wehrte. In diesem Verfahren musste daher auch geklärt werden, ob die Thüringer Verordnung überhaupt verfassungsgemäß ist und deshalb ein Bußgeld verhängt werden durfte.
Das Amtsgericht Weimar hat den vom Bußgeld Betroffenen freigesprochen, weil § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO verfassungswidrig und damit nichtig seien. Das Urteil liest sich wie eine Abrechnung mit der Politik des Lockdowns und wird insbesondere auf den letzten Seiten der Entscheidung überaus deutlich. Unter Beachtung verfassungsgemäßer Anforderungen sei die Frage, ob der Verordnungsgeber die Verlängerung des Lockdowns als erforderlich zur Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems erachten durfte, eindeutig mit "Nein" zu beantworten.
Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Corona-Verordnung sei der Nutzen der Maßnahmen und die Kosten, die sich aus den Freiheitseinschränkungen und ihren Kollateralschäden und Folgekosten zusammensetzen, gegeneinander abzuwägen. Hinsichtlich der Kosten des Lockdowns sei festzuhalten, dass es sich bei den mit dem Lockdown verbundenen Freiheitseinschränkungen um die umfassendsten und weitreichendsten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik handele. Schon daraus ergebe sich, dass die Freiheitseinschränkungen ein so großes Gewicht haben, dass sie allenfalls dann gerechtfertigt sein können, wenn die Gefahr, deren Bekämpfung sie dienten, ganz außergewöhnlich groß war und durch die Maßnahmen des Lockdowns zugleich ein großer positiver Effekt erwartet werden konnte, was aber nach der Darstellung des Gerichts nicht der Fall sei.
Bei der unmittelbaren Wirkung der Freiheitseinschränkungen seien unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Professor Dr. Dietrich Murswiek von der Universität Freiburg folgende Schäden zu berücksichtigen:
aa) Ökonomisch bewertbare Schäden
(1) Gewinneinbußen/Verluste von Unternehmen/Handwerkern/Freiberuflern, die unmittelbare Folgen der an sie adressierten Freiheitseinschränkungen sind
(2) Gewinneinbußen/Verluste von Unternehmen/Handwerkern/Freiberuflern, die mittelbare Folgen der Lockdown-Maßnahmen sind (z.B. Gewinneinbußen von Zulieferern von unmittelbar betroffenen Unternehmen; Gewinneinbußen, die aus der Unterbrechung von Lieferketten resultieren und z.B. zu Produktionsausfällen führten; Gewinneinbußen, die aus Reisebeschränkungen resultierten)
(3) Lohn- und Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit
(4) Konkurse/Existenzvernichtungen
(5) Folgekosten von Konkursen/Existenzvernichtungen
bb) Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland
(1) die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Kinder und Frauen
(2) Zunahme von Depressionen infolge sozialer Isolation
(3) Angst-Psychosen/Angst-Störungen infolge Corona-Angst
(4) andere psychische Störungen/nervliche Überlastung wegen familiärer/persönlicher/beruflicher Probleme infolge des Lockdown
(5) Zunahme von Suiziden, beispielsweise infolge von Arbeitslosigkeit oder Insolvenz(6) gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge von Bewegungsmangel
(7) Unterlassung von Operationen und stationären Behandlungen, weil Krankenhausbetten für Coronapatienten reserviert wurden
(8) Unterlassung von Operationen, stationären Behandlungen, Arztbesuchen, weil Patienten Infizierung mit Covid-19 befürchten
cc) Ideelle Schäden
(1) Bildungseinbußen und Beeinträchtigung der psychosozialen Entwicklung von Kindern durch Ausfall oder Einschränkungen des Schulunterrichts bzw. der Schließung anderer Bildungseinrichtungen
(2) Verlust an kulturellen Anregungen/Erlebnissen durch Schließung von Theatern, Konzert- oder Opernhäusern und vielen anderen kulturellen Einrichtungen
(3) Verlust musischer Entfaltungsmöglichkeiten durch Verbote, die gemeinsames Musizieren in Orchestern oder Chören unterbinden
(4) Verlust von Gemeinschaftserlebnissen/persönlichem sozialem Miteinander durch Verbot von Zusammenkünften in Vereinen, Verbot von Veranstaltungen, Verbot von Ansammlungen, Schließung von Kneipen usw.
(5) Einschränkung sozialer Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder durch Schließung von Kindergärten
(6) Isolierung von Kindern in Wohnungen ohne Kontakte zu anderen Kindern durch Schließung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen
dd) Folgekosten
(1) von Bund und Ländern an die Wirtschaftssubjekte geleistete Corona-Hilfen
(2) Steuerausfälle infolge der Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit durch den Lockdown
(3) Kurzarbeitergeld und Arbeitslosenhilfe, die infolge des Lockdown gezahlt werden mussten
(4) Sozialhilfe für infolge des Lockdown auf Sozialhilfe angewiesene Menschen
ee) gesundheitliche und ökonomische Schäden in Ländern des Globalen Südens
Inzwischen gäbe es mehrere wissenschaftliche Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass die in der Corona-Pandemie in verschiedenen Ländern angeordneten Lockdowns nicht mit einer signifikanten Verringerung von Erkrankungs- und Todeszahlen verbunden waren. Zwischen der Schwere und Dauer der Lockdowns und der Zahl der COVID-19-Todesfälle, zwischen Grenzschließungen und COVID-19-Todesfällen und zwischen durchgeführten Massentests und COVID-19-Todesfällen sei keine Korrelation festgestellt worden. Nach einer umfassenden Abwägung mit zahlreichen auch öffentlich verfügbaren Informationen kommt das Amtsgericht Weimar dann zu einem bemerkenswerten Schlusswort, das sicherlich auch mit der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit in Verbindung gebracht werden darf:
"Nach dem Gesagten kann kein Zweifel daran bestehen, dass allein die Zahl der Todesfälle, die auf die Maßnahmen der Lockdown-Politik zurückzuführen sind, die Zahl der durch den Lockdown verhinderten Todesfälle um ein Vielfaches übersteigt. Schon aus diesem Grund genügen die hier zu beurteilenden Normen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Hinzu kommen die unmittelbaren und mittelbaren Freiheitseinschränkungen, die gigantischen finanziellen Schäden, die immensen gesundheitlichen und die ideellen Schäden. Das Wort "unverhältnismäßig" ist dabei zu farblos, um die Dimensionen des Geschehens auch nur anzudeuten. Bei der von der Landesregierung im Frühjahr (und jetzt erneut) verfolgten Politik des Lockdowns, deren wesentlicher Bestandteil das allgemeine Kontaktverbot war (und ist), handelt es sich um eine katastrophale politische Fehlentscheidung mit dramatischen Konsequenzen für nahezu alle Lebensbereiche der Menschen, für die Gesellschaft, für den Staat und für die Länder des Globalen Südens."
Aus dem beigezogenen Verfahren 3 0 57/19 ergibt sich, dass der Kläger mit Nachnamen ausweislich seines amtlichen Personalausweises lediglich Boecker heißt. Das Rubrum des hiesigen Verfahrens wird daher von Amts wegen entsprechend berichtigt.
AntwortenLöschenBoecker?
LöschenZiemlicher Scheißname.
Schaumburg Lippe?
LöschenZiemlicher Scheißname.
Ein Amtsrichter entscheidet also darüber, ob Verordnungen verfassungsgemäß sind.
AntwortenLöschenMein Eindruck: Das Urteil ist als eine Aufforderung, in die nächste Instanz zu gehen, zu verstehen.
KnolleBlogger und alle haben was zu lachen.
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