Erst in der dritten Instanz erkannten die Richter des OLG Köln nun, dass die folgende E-Mail eines aufgebrachten Bürgers an den ehemaligen Flüchtlingskoordinator der Stadt Brühl keine Schmähkritik war:
„Wie lange soll eigentlich noch der Eidbruch (...Schaden vom deutschen Volke abwenden,..) von Merkel durch devote Bürgermeister und Landräte unterstützt werden? Kriegt hier vor Feigheit wieder mal keiner sein Maul auf?! Oder beginnt hier die humane Ausrottung des deutschen Volkes durch vollständige Durchrassung? So wurde es jedenfalls von dieser ekelhaften Claudia Roth in einer Talkshow herbeigesehnt!“.
Man musste kein Volljurist sein, um erkennen zu können, dass die Ausführungen des Amtsgerichts Brühl im Urteil vom 24.08.2016 zum Az.: 50 Ds-121 Js 882/15-229/16 falsch waren: „Nicht von seinem Recht auf Bezeichnung und Aufführung von angeblichen Missständen ist hingegen die persönliche Diffamierung eines Politikers, zumal sie ohne jeden Sachzusammenhang zu der von ihm vorgenommenen Kritik steht.“ Auch das Landgericht Köln war in seinem Urteil vom 03.02.2017 zum Az.: 157 Ns 102/16 nicht in der Lage, die angegriffene Kritik fachgerecht einzuordnen: "Die Bezeichnung steht auch nicht in irgendeinem inhaltlichen Zusammenhang zu den sonstigen zulässigen Äußerungen des Angeklagten."
Die überfällige Korrektur der richterlichen Fehleinschätzungen erster und zweiter Instanz leistete erst das OLG Köln in seinem Beschluss vom 02.06.2017 zum Az.: III-1 RVs 110/17 unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juni 2016, 1 BvR 2646/15. Soweit das Tatgericht der Sache nach davon ausging, bei der Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ handele es sich um Schmähkritik, vermochte der Kölner Senat dem nicht zu folgen. Es sei „für den Streitfall nicht zu verkennen, dass der Verwendungskontext (jedenfalls auch) auf die politische Auffassung von Frau Roth zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, nämlich der Flüchtlingsfrage, zielt.“
Bei der durch die zutreffende Einordnung der Äußerung erforderlich werdenden Abwägung zwischen dem Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG und dem Persönlichkeitsrecht von Claudia Roth war für den Senat allerdings bestimmend, „dass die Bezeichnung von Frau Roth als „ekelhaft“ eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht darstellt, wird ihr als Person doch - wie das Tatgericht mit Recht ausführt - eine Eigenschaft als gleichsam invariant zugeschrieben, die gemeinhin mit dem Auslösen von erheblichen negativen, nicht nur psychischen, sondern insbesondere auch körperlichen Sensationen beim Gegenüber in Verbindung gebracht wird. Vom Ekelhaften wendet sich jedermann ab. Der soziale Geltungsanspruch des solchermaßen Angegangenen ist massiv in Frage gestellt.“
Leider spielte bei der erforderlichen Gewichtung der Rechte des Angeklagten der Umstand überhaupt keine Rolle, dass die streitgegenständliche Kritik nicht öffentlich verbreitet wurde, sondern nur Inhalt einer privaten E-Mail war. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie durch eine einzige E-Mail der soziale Geltungsanspruch von Frau Roth als Politikerin derart massiv bedroht werden kann, dass das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG vollständig zurückzutreten hat. Die Strenge eines Strafsenats am OLG Köln scheint dabei diejenige eines Zivilsenats des gleichen Gerichts deutlich zu überschreiten, wie man dem Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Köln vom 07.04.2016 zum Az. 15 W 14/16 entnehmen kann, in dem es um eine öffentlich geäußerte Kritik an Frau Roth ging.
Da der 1. Strafsenat des OLG Köln zudem nicht ein Wort über die ebenfalls in Rede stehende Verurteilung wegen Beleidigung anlässlich einer Auseinandersetzung unter Hausbewohnern verloren hat, obwohl für die dort streitgegenständlichen Äußerungen ein Freispruch des Angeklagten wegen unstreitig erfolgter wechselseitiger Beleidigungen im Sinne des § 199 StGB in Betracht kam, ruhen die Hoffnungen des Angeklagten nun auf der Einsichtsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts.
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Montag, 25. September 2017
Mittwoch, 22. August 2012
Rechtsanwalt "auch zugelassen am OLG Frankfurt" und "gegrillt" vom OLG Köln
Der von einer Kollegin auf Unterlassung vor dem Landgericht Köln verklagte Rechtsanwalt verwendete in seinem Briefpapier oben rechts unter der Angabe seines Namens den deutlich kleiner geschriebenen Zusatz "Rechtsanwalt auch zugel. am OLG Frankfurt". In der Berufungsinstanz war das OLG Köln im Urteil vom 22.06.2012 zum Aktenzeichen 6 U 4/12 - anders als vorab das Landgericht Köln - der Ansicht, dass ein Unterlassungsanspruch bestünde.
Das Oberlandesgericht Köln war zum einen der Auffassung, dass die Parteien trotz erheblicher räumlicher Distanz in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden und zum anderen sei die Angabe im Briefkopf objektiv dazu geeignet und darauf gerichtet, den Absatz des Handelnden zum Nachteil des Absatzes des jeweils anderen zu fördern. Beide Parteien böten ihre Dienstleistung als Rechtsanwalt potentiellen Mandanten an und seien trotz räumlcher Distanz um die Erlangung von Mandaten auch zulasten des jeweils anderen bemüht. Die irreführende Aussage "Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt" sei ferner von wettbewerblicher Relevanz, weil ein Verbraucher dem Zusatz im Briefkopf zu Unrecht entnehmen könne, der Beklagte verfüge über eine spezielle Zulassung und sei zumindest für ein Berufungsverfahren besser als andere Kollegen geeignet. Das OLG Köln hielt die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG daher für überschritten.
Die Revision gegen das Urteil wurde ausdrücklich zugelassen, denn das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte im Beschluss vom 30.11.2007 zum Aktenzeichen 1 W 193/07 zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Angabe "zugelassen am OLG u. LG Dresden" anders entschieden:
Das saarländische Gericht hatte bereits Zweifel daran, dass die Angabe "zugelassen am OLG u. LG Dresden" objektiv dazu geeignet sei, die Stellung des Beklagten im Wettbewerb mit anderen Anwaltskanzleien zu fördern, nachdem die Zulassung der Rechtsanwälte bei einem bestimmten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch die am 1. Juni 2007 in Kraft getretene Neuregelung aufgehoben worden war und damit jedem Rechtsanwalt die Möglichkeit eröffnet wurde, bei allen Landgerichten und Oberlandesgerichten Deutschlands aufzutreten. Jedenfalls sei die Fehlerhaftigkeit der Briefkopfangabe eher dazu geeignet, sich nachteilig auf die Einschätzung der Kanzlei des Beklagten auszuwirken, als Werbeeffekte zu ihren Gunsten zu entfalten, womit die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG gerade nicht überschritten werde. Wettbewerblich geschützte Interessen anderer Anwälte würden nur in unerheblichem Maße beeinträchtigt, weshalb ein Unterlassungsanspruch nicht bestehe.
Das Oberlandesgericht Köln war zum einen der Auffassung, dass die Parteien trotz erheblicher räumlicher Distanz in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden und zum anderen sei die Angabe im Briefkopf objektiv dazu geeignet und darauf gerichtet, den Absatz des Handelnden zum Nachteil des Absatzes des jeweils anderen zu fördern. Beide Parteien böten ihre Dienstleistung als Rechtsanwalt potentiellen Mandanten an und seien trotz räumlcher Distanz um die Erlangung von Mandaten auch zulasten des jeweils anderen bemüht. Die irreführende Aussage "Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt" sei ferner von wettbewerblicher Relevanz, weil ein Verbraucher dem Zusatz im Briefkopf zu Unrecht entnehmen könne, der Beklagte verfüge über eine spezielle Zulassung und sei zumindest für ein Berufungsverfahren besser als andere Kollegen geeignet. Das OLG Köln hielt die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG daher für überschritten.
Die Revision gegen das Urteil wurde ausdrücklich zugelassen, denn das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte im Beschluss vom 30.11.2007 zum Aktenzeichen 1 W 193/07 zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Angabe "zugelassen am OLG u. LG Dresden" anders entschieden:
Das saarländische Gericht hatte bereits Zweifel daran, dass die Angabe "zugelassen am OLG u. LG Dresden" objektiv dazu geeignet sei, die Stellung des Beklagten im Wettbewerb mit anderen Anwaltskanzleien zu fördern, nachdem die Zulassung der Rechtsanwälte bei einem bestimmten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch die am 1. Juni 2007 in Kraft getretene Neuregelung aufgehoben worden war und damit jedem Rechtsanwalt die Möglichkeit eröffnet wurde, bei allen Landgerichten und Oberlandesgerichten Deutschlands aufzutreten. Jedenfalls sei die Fehlerhaftigkeit der Briefkopfangabe eher dazu geeignet, sich nachteilig auf die Einschätzung der Kanzlei des Beklagten auszuwirken, als Werbeeffekte zu ihren Gunsten zu entfalten, womit die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG gerade nicht überschritten werde. Wettbewerblich geschützte Interessen anderer Anwälte würden nur in unerheblichem Maße beeinträchtigt, weshalb ein Unterlassungsanspruch nicht bestehe.
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