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Montag, 1. Juli 2019

Wenn der Bundespräsident das Recht vom Tisch wischt

Mittlerweile bin ich mir sicher, dass das geltende Recht die öffentliche Hand immer weniger interessiert. Vergleichsweise harmlos gestalten sich die vorsätzlichen Verirrungen, die ich an Gerichten immer wieder erlebe, denn diese sind in ihrer Wirkung recht beschränkt. Schwerwiegender sind dagegen die unüberhörbaren Signale gegen geltendes Recht in der deutschen Politik, deren Echo die Selbstherrlichkeit von Entscheidungsträgern auf unteren Ebenen sicherlich befeuern wird.

Angesichts des aktuellen Falls der Kapitänin des Rettungsschiffs "Sea-Watch 3", Carola Rackete, die mit 40 vor Libyen geretteten Migranten an Bord unerlaubt in den Hafen von Lampedusa eingefahren ist und damit widerrechtlich italienische Hoheitsgewässer befahren hat, schrieb der Bundesminister des Auswärtigen, Heiko Maas, auf Twitter: "Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden". Grundsätzlich ein nachvollziehbares Statement, das allerdings am zitierten Fall vorbeigeht, denn die Seenotrettung vor Libyen selbst durch die "Sea-Watch 3" stand gar nicht zur Debatte.

Mit der typischen Arroganz deutscher Politiker gegenüber europäischen Partnern schwang sich dagegen der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier, zum obersten Dienstherrn der italienischen Justiz auf, als er in einem ZDF-Interview darüber sinnierte, dass es natürlich Rechtsvorschriften gebe, unter welchen Voraussetzungen ein Schiff einen italienischen Hafen anlaufen dürfe und dass Verstöße gegen diese Vorschriften entweder als Ordnungswidrigkeiten oder auch als Straftaten zu ahnden seien.

Im vollen Bewusstsein der Existenz des von ihm selbst zitierten italienischen Seerechts forderte das deutsche Staatsoberhaupt mit einer unaufgeregten Selbstverständlichkeit in einer verstörenden Erwartungshaltung den offenen Rechtsbruch von einem souveränen Land, dessen demokratisch legitimiertes Parlament zu beachtende Gesetze erlassen hat: "Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründerstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht." Anders als auf der Grundlage italienischer Gesetze?

Wer angesichts solcher Signale auch in Zukunft darauf vertraut, dass vor Gerichten oder Behörden geltendes Recht als Ausfluss eines demokratischen Gemeinwesens mit entsprechendem Respekt behandelt wird, sollte sich nicht allzu überrascht zeigen, wenn mit dem eigenen Fall von der öffentlichen Hand anders umgegangen wird, als es der Gesetzgeber bei Erlass entsprechender Gesetze ursprünglich geplant hat. Denn von einem Beamten oder Richter, der wie unser Präsident gern seine eigenen Ideen von Gerechtigkeit verfolgt, muss man dann wohl auch erwarten, dass er mit dem ein oder anderen Fall etwas anders umgeht, als es das geltende Recht eigentlich vorsieht.