Dienstag, 21. November 2017

Schiedsmann verarscht Anwalt

In meinem Studium und Referendariat hat das Schiedswesen überhaupt keine Rolle gespielt, Kenntnisse darüber wurden mir jedenfalls nicht vermittelt und auch in meinen juristischen Examina hat diese Unkenntnis keinen Nachteil bedeutet. Als Anwalt sieht das ganz anders aus, denn für bestimmte Streitigkeiten ist ein Schiedsverfahren zwingend vorgeschrieben, bevor sich ein Amtsgericht inhaltlich damit befassen kann. Dazu zählen das Nachbarrecht, Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre und einige Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Erhebt ein Rechtsanwalt Klage ohne ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchgeführt zu haben, wird diese vom Amtsgericht als unzulässig abgewiesen und der Mandant bleibt auf allen Kosten sitzen, auch wenn er noch so grob beleidigt wurde.

In einem gerade vor dem Amtsgericht Burgdorf verhandelten Streit unter Nachbarn um Hunde und veröffentlichte Schreiben mit den Personalien der Klägerinnen über das Internetportal Facebook fanden die Parteien mit Hilfe eines Schiedsmannes in erster Runde eine gemeinsame Lösung. Allerdings veröffentlichte die Beklagte das Protokoll der Sitzung vor dem Schiedsmann und einen Artikel aus der Zeitung über die Arbeit des Schiedsmannes unter Hinweis auf die Klägerinnen auch wieder über Facebook, so dass der Streit in eine neue Runde ging.

Soweit nicht unbedingt spannend, denn der Anwalt der Klägerinnen beantragte umgehend ein neues Schiedsverfahren und machte bis zu diesem Zeitpunkt alles richtig. Wenn nicht der Schiedsmann gewesen wäre, der auf den erneuten Antrag folgendes antwortete, wäre die Sache auch nicht der Rede wert, aber es kam eben anders: „Nach dem Niedersächsischen Schlichtungsgesetz (NSchlG) Leitlinien § 1 VV zum NschlG Obligatorische Streitschlichtung 2.1.2 handelt es sich in diesem Fall nicht um eine obligatorische Streitschlichtung, d.h., dass dieser Fall nicht schiedsamtspflichtig ist und eine Schlichtungsverhandlung vor dem Schiedsamt nicht vorgeschaltet sein muss. Ich bitte Sie sich deshalb in dieser Sache mit Ihren Anwälten in Verbindung zu setzen, damit Sie den weiteren Verfahrensweg abklären können.“

Man ahnt das Drama, was nun folgte. Der wackere Rechtsanwalt der Klägerinnen verließ sich auf die Einschätzung des Schiedsmannes und erhob schnurstracks Klage auf Unterlassung vor dem Amtsgericht Burgdorf mit dem Ziel, die Veröffentlichung des dem ersten Streit vorangegangenen Schlichtungsverfahrens und damit zusammenhängende ehrverletzende Kommentare zu unterbinden.

Da § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Niedersächsischen Schlichtungsgesetzes die außergerichtliche Streitschlichtung nur für Verletzungen der persönlichen Ehre vorschreibt, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, entbrannte ein Streit darüber, ob das soziale Netzwerk Facebook insoweit nicht auch zu Presse und Rundfunk gezählt werden müsste, so dass ein Schlichtungsverfahren entbehrlich gewesen wäre. Das Amtsgericht Burgdorf gab zunächst einen richterlichen Hinweis auf den Beschluss des Landgerichts Oldenburg zum Az.: 5 T 529/12 und entschied sich mit Urteil vom 14.11.2017, Az.: 5 T 529/12, erwartungsgemäß dafür, Facebook nicht mit Presse und Rundfunk gleichzusetzen und wies die erhobene Klage als unzulässig ab. Ein Schlichtungsverfahren hätte trotz anderslautender Behauptung des zunächst angerufenen Schiedsmannes durchgeführt werden müssen. Böser Schiedsmann ;-)

5 Kommentare:

  1. Dann hätte also der Schiedsmann auf Durchführung eines Schiedsverfahrens verklagt werden müssen (Feststellungsklage). Ja, nee, klar doch, oder???

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  2. Post legere materia hätte dann
    § 12
    (3) "Für Amtspflichtverletzungen der Schiedsperson im Rahmen des Schlichtungsverfahrens haftet das Land. Für den Rückgriff gilt86 Abs.2 bis 4 des Niedersächsischen Beamtengesetzes
    entsprechend." eine Chance?

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    1. Nein, selbst bei Richtern gibt der BGH den schwarzen Peter an die Anwaltschaft weiter: "Zwar weist die Zivilprozessordnung die Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung des Streitfalls dem Gericht zu; dieses trägt für sein Urteil die volle Verantwortung. Es widerspräche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Der Möglichkeit, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum Mandanten die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken." BGH (IX ZR 272/14)

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  3. A) Schade.

    B) >>...auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums...<<
    Hat denn die werte Richterschaft schon jemals von soetwas gehört?

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