Montag, 28. September 2020

Drogentests für hannoversche Ratsmitglieder

Mit einem bemerkenswerten Dringlichkeitsantrag hat der parteilose Ratsherr Tobias Braune den Rat der Stadt Hannover in Bedrängnis gebracht. Er hatte als Antrag Nr. 2198/2020 die Ratssitzung aufgefordert, ab Oktober 2020 einen monatlichen Drogentest für alle Ratsherren und Ratsdamen anzubieten und ab 2021 einen Pflichttest pro Quartal für hannoversche Politiker einzuführen. Zur Begründung führte er aus, dass der Rat der Landeshauptstadt Hannover allein 2020 ein Budget von ca. 2.200.000.000,- Euro und einem Nachtragskredit von ca. 800.000.000,- Euro zur Verfügung habe und damit eine hohe Verantwortung trage.

Um sicherzustellen, dass die Bürgervertreter stets bei klarem Verstand Entscheidungen für eine zukunftsfähige Stadt träfen, sei ein obligatorischer Test auf die besinnungseinschränkenden Drogen Alkohol, THC, Opiate und Cristal Meth hilfreich. Auch ein Busfahrer müsse alle 2 Jahre zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung und Leistungssportler würden mehrfach im Jahr auf illegale Substanzen geprüft, ohne auch nur annähernd eine ähnlich hohe Verantwortung zu tragen, wie die hannoverschen Ratspolitiker.

Wer sich daran erinnert, dass schon im Jahre 2000 von SAT.1-Reportern in 22 Toiletten des Reichstags und des Berliner Abgeordnetenhauses Spuren von Kokain gefunden worden waren, die anschließend in Nürnberg vom Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung verlässlich untersucht worden sind, wird sicherlich auch in Erinnerung haben, dass diese Entdeckung keinerlei Konsequenzen hatte. Auch der Fund von Crystal Meth beim ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck im Jahre 2016 führte lediglich zu einer Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 7.000,- Euro.

Selbstverständlich hat auch der Dringlichkeitsantrag von Tobias Braune keinerlei Aussicht auf Erfolg, denn insbesondere in der Politik verhält sich die Neigung zur Selbstkontrolle reziprok zu den Missbrauchsmöglichkeiten, welche die Privilegierung als politscher Abgeordneter mit sich bringt. Immerhin erfreulich, von einem Mandatsträger zu hören, der sich entsprechend seiner Verpflichtung, als Ratsherr seine Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen unparteiisch zu erfüllen, noch traut, bei seinen Mitparlamentariern unbeliebte Forderungen zu erheben.

6 Kommentare:

  1. Vielleicht auch nur eine Aktion, um mal wieder halbwegs positiv (und reichlich populistisch) in die Öffentlichkeit zu kommen?

    So ein Ratsmitglied, das mit einer Partei in den Rat eingezogen und dann die Fraktion verlassen hat, hat ja ansonsten wenig Möglichkeiten ...

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  2. Er nutzt seine Stellung als Ratsherr jedenfalls erfolgreich dafür, sich auch zu internationaler Politik Gehör zu verschaffen:
    https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/2127-2020

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  3. Ich beginne, das mit den Drogentests unter einem gänzlich anderen Blickwinkel zu betrachten ...

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    1. Ich glaube eher, dass er noch kein abgeschliffenes Produkt jahrelang eingeübter Politkultur ist, sondern sich einfach noch traut, rauszuhauen, was ihn bewegt. Mir gefällt das. https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/0515-2019

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    2. Vielleicht hat er einfach einen Sinn für fatalistischen Humor?

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    3. Auf alle Fälle. Und er dürfte auch jemand sein, der sich selbst nicht zu ernst und zu wichtig nimmt. In der Politik eine seltene Gabe.

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