Samstag, 9. Juli 2011
Südsudan - neue Top-Level-Domain ".ss"
Das kleinste Problem zu Beginn der Staatsgründung am heutigen Samstag dürfte für den Südsudan die Einordnung des Landes in die weltweit gültige Struktur der Country-Code Top-Level-Domains (ccTLD), also der Domainendungen, unter denen jedem Land die individuelle Vergabe von Second-Level-Domains möglich ist, sein.
Im Englischen (South Sudan) wie im Deutschen drängt sich ".ss" als Endung für den neuen Domainnamensraum des jüngsten afrikanischen Staates auf. Tatsächlich hat sich der Südsudan auch für die Top-Level-Domain ".ss" beworben.
Das Unbehagen deutscher Behörden im Umgang mit historisch unbelasteten aber angeblich politisch anstößig wirkenden Zeichenfolgen manifestiert sich beim Deutschen Patent- und Markenamt in der Ablehnung von verdächtigen Markeneintragungen. Es würde mich überraschen, wenn sich ein Pendant der deutschen Sensibilität nicht auch international in einem Widerstand gegen die Einführung von Zeichenfolgen wiederspiegelt, die historisch jedenfalls belastet sind.
Dass die Abkürzung "SS" für die von der NSDAP zum persönlichen Schutz von Adolf Hitler gegründete Schutzstaffel stand, ist auch international kein Geheimnis.
Mit wenigen Ausnahmen sind sämtliche Länderendungen im Domainnamensraum identisch mit dem dreiteiligen Standard für die Kodierung von geographischen Einheiten ISO 3166, der von der Internationalen Organisation für Normung ISO (International Organization for Standardization) herausgegeben wird. Der erste Teil dieses Standards codiert seit 1974 als ISO 3166-1 sämtliche zwei- und dreibuchstabige Länderkürzel (ALPHA-2 und ALPHA-3).
Ob dem Südsudan am Ende die beantragte Top-Level-Domain ".ss" zugeteilt wird, dürfte daher massgeblich von der Einordnung des afrikanischen Landes in den ISO-Standard 3166-1 durch die Internationale Organisation für Normung abhängen. Ein gewichtiges Wort haben natürlich auch die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mitzureden, die am Ende für die Vergabe und Strukturierung sämtlicher Top-Level-Domains verantwortlich sind und sich bei entsprechendem politischen Druck auch für eine Abweichung vom ISO-Standard entscheiden könnten.
Aus meiner Sicht eine spannende Frage, ob die Abkürzung einer als verbrecherisch eingeordneten nationalsozialistischen Organisiation knapp 90 Jahre nach ihrer Gründung das Schicksal einer jungen afrikanischen Nation im neuzeitlichen Internet bestimmen darf.
Da das Internet jedoch räumliche und kulturelle Distanzen mühelos überbrückt und die Bedeutung des Kürzels "SS" kaum verblasst ist, spricht viel dafür, dass eine Registrierungsspielwiese für Ewiggestrige unter der Flagge des Südsudan gar nicht erst eröffnet wird.
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Ewiggestrig sind wohl eher die, die bei solchen Sachen immer gleich an die Nazis denken. Meine Uni nutzt SS ganz offiziell als Abkürzung für Sommersemester. Skandal...
AntwortenLöschenDeshalb finde ich die zu erwartende Diskussion auch sehr interessant. Der Südsudan liegt in Afrika, ist gerade erst gegründet und hat einen deutlichen Abstand zu allem, was mit dem III. Reich zu tun hat. Trotzdem stellen sich die Behörden des Landes darauf ein, dass ihnen die Top-Level-Domain ".ss" nicht zugewiesen wird. Die Position, wonach derartige Zeichenfolgen nicht für alle Zeiten verbannt werden sollten oder können, finde ich absolut nachvollziehbar. Anderseits ist vollkommen klar, in welchem Kontext Second-Level-Domains unter der Top-Level-Domain ".ss" binnen kuzer Zeit genutzt würden. Ich persönlich denke auch, dass eine offene und transparente Gesellschaft sich derartigen Auseinandersetzungen nicht mit Verboten oder Ausweichmanövern entziehen sollte. Aber es gibt auch andere Stimmen, wie ich vor nicht allzu langer Zeit vernehmen konnte: http://fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com/2010/05/ss-schriftsatz-oder-schutzstaffel.html
AntwortenLöschenEtwaige Verbote haben die ewig Gestrigen eigentlich noch nie in ihrer "Kreativität" behindert und so nutzen sie halt weniger offensichtliche Zeichenfolgen.
AntwortenLöschenZumal sind Staaten mit weniger brauner Vergangenheit auch nicht bereit diesbezüglich die Meinungsfreiheit einzuschränken (sie z.B. Schweden), so dass dort straffrei derartige Zeichenfolgen/Bezeichnungen verwandt und sogar geführt werden dürfen.
Es hätte aber auch einen gewissen Grad an Ironie, wenn nun Horden von deutschen Ver(w)irrten in einem Land ihre Domain registrieren, die nach ihrem Herrenrasse-Weltbild wohl nicht zum Germanischen Urstamm gehören, um dann über diese Domain ihren braunen Schmutz über diese Leute zu verbreiten.
Btw: meine Heimatstadt hat HH als KFZ-Kennzeichen. Das müsste mal jemand der Blödzeitung mitteilen ("DER NAZI KENNZEICHEN SKANDAL") ;)
Hamburg? Das passt: http://fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com/2010/07/deutsches-patent-und-markenamt-8-und-8.html
AntwortenLöschenBtw2: ich habe nachgeguckt und meine Uni geht etwas sensibler mit dem Sommersemster um und kürzt es SoSe ab. :)
AntwortenLöschenUnd was machen wir mit der TLD für Kasachstan?
AntwortenLöschenSaudi-Arabien hat ja schon .sa, und dieses Land dürfte auch politisch viel eher geneigt sein, seine TLD irgendwelchen Nazi-Wirrköpfen zur Verfügung zu stellen…
AntwortenLöschenNicht nur Kasachstan, Saudi-Arabien ist da nicht besser ;)
AntwortenLöschenLustigerweise konnte man problemlos in Deutschland SS punkt DE registrieren.
Hingegen ein KFZ Kennzeichen mit meinen Initialen (XY-SS 999) wird mir nach wie vor verweigert. :(
@ Sascha: Na dann einfach mal den Rechtsweg wegen des Kennzeichens beschreiten und berühmt werden. Was Boris Becker darf, soll Sascha Schmidt nicht verwehrt bleiben.
AntwortenLöschenGibt es denn schon neue Informationen zu der neuen Domainendung? Seit Jahren scheint sich hier nichts mehr zu tun.
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