Donnerstag, 16. Mai 2019

Turboquerulantin - Ordnungsgeld Nummer 9

Nicht, dass Sie die Überschrift falsch verstehen, liebe Leser. Es geht natürlich nicht um das neunte Ordnungsgeld der Turboquerulantin überhaupt, es geht um das neunte Ordnungsgeld der Turboquerulantin vor dem Amtsgericht Nienburg im Verfahren 6 C 409/16. Nur gegen dieses Urteil vom 04.01.2017 hat unser rechtsbrechender Wirbelwind bereits neunmal verstoßen. Die Ordnungsgelder in anderen Sachen habe ich noch nicht gezählt. Kaum hatte das Landgericht Verden die Beschwerde der TQ gegen das achte Ordnungsgeld mit Beschluss vom 10.04.2019 zum Aktenzeichen 6 T 22/19 zurückgewiesen, gab es Ordnungsgeld-Nachschlag vom Amtsgericht Nienburg mit Beschluss vom 17.04.2019.

Wer das muntere Treiben des Türbchens aufmerksam verfolgt und wenigstens im "Königsverfahren" einigermaßen auf dem Laufenden ist, wird die oben angezeigte Grafik (alle Grafiken anklicken zum Vergrößern) verstehen und sich dann fragen, wie es kommt, dass das neunte Ordnungsgeld vom 17.04.2019 mit EUR 300,- noch niedriger ausfällt, als das über EUR 500,- lautende erste Ordnungsgeld vom 17.03.2017. Die Frage ist insbesondere deshalb berechtigt, weil die ausgeworfenen Ordnungsgelder für die fortwährenden Verstöße bis hin zu einer Summe von EUR 1.500,- stetig anstiegen, dann aber drastisch auf EUR 500,- abfielen und nun bei EUR 300,- gar unter dem Einstandskurs liegen. Geändert hatte sich nichts, auf beiden Seiten.

Nun, die Lösung des Rätsels ist erschreckend simpel. Der böse Antragsteller benutzt fortwährend einen Namen, der schlimmer ist, als jede Missachtung eines rechtskräftigen Titels und seit dem siebten Ordnungsgeld behauptet das Amtsgericht Nienburg einfach, dass unsere Rekordhalterin ihre rechtsfeindliche Gesinnung offenkundig aufgegeben und den streitgegenständlichen Eintrag gelöscht oder weitgehend verborgen habe. Wer den Beschluss des Amtsgerichts Nienburg vom 05.11.2018 nicht ganz lesen möchte, mag sich mit folgendem Auszug begnügen:



Wer nun glaubt, dass sich das Amtsgericht Nienburg durch die Begründung des achten Ordnungsmittelantrags vom Gegenteil überzeugen ließ, der irrt. Auch das niedrige achte Ordnungsgeld wegen des identischen Eintrags wurde im Beschluss vom 14.01.2019 gleichlautend damit begründet, dass die Turboquerulantin ihre rechtsfeindliche Gesinnung offenkundig aufgegeben und den streitgegenständlichen Eintrag gelöscht habe. Was mir persönlich an der absurden Erklärung gefällt, ist der Umstand, dass das Gericht sich nicht hinter juristischen Verklausulierungen versteckt, sondern ganz offen den identischen Wortlaut der bereits vorher schon unzutreffenden Begründung wiederholt um den prominenten Richterschreck weiter zum Rechtsbruch zu streicheln. Die richterliche Unabhängigkeit von der Wahrheit liest sich wie folgt:



Wenn es nicht das Amtsgericht in Nienburg höchstselbst wäre, würde man es für grotesk halten, derartig falsche Begründungen in Serie abzuliefern. Da aber genau dort über den neunten Ordnungsmittelantrag wegen des erneut identischen Eintrags der TQ entschieden wurde, habe ich nun anhand der Begründung des Beschlusses vom 17.04.2019 die Ehre, auch den letzten Leser davon überzeugen zu können, dass am Amtsgericht Nienburg irgendetwas faul ist. Denn das neunte Ordnungsgeld ist mit EUR 300,- noch niedriger ausgefallen und zwar wieder einmal deshalb, weil die Turboquerulantin ihre rechtsfeindliche Gesinnung offenkundig aufgegeben und den streitgegenständlichen Eintrag gelöscht habe. Das ist einfach großartig. Drei schnuckelige Ordnungsgelder hintereinander mit der jeweils gleich falschen Begründung, der Eintrag sei gelöscht oder weitgehend unsichtbar. Hier der Beweis:



Aber es kommt noch besser. Ganz im Sinne des Tucholsky-Zitats "Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.", wurde dem Antragsteller für den neunten Ordnungsgeldantrag per Beschluss sogar noch die Beiordnung eines Rechtsanwalts verwehrt. Die Begründung erscheint wie gewohnt souverän. Es sei ja schon der neunte Ordnungsgeldantrag bei gleichbleibendem Verstoß, da könne der Antragsteller die Anträge ja wohl endlich mal selbst schreiben. Geniale Taktik. Ordnungsgelder gegen "0" abschmieren lassen, anwaltliche Hilfe verweigern und die ganze Sache so weit es geht abwürgen, weil sich das Türbchen einfach nicht unterkriegen lässt. Tatsächlich eine beschämende Bankrotterklärung der Justiz.

Vorläufiges Ergebnis dieser Methode: Unsere Beschwerde gegen die versagte Beiordnung läuft, die Turboquerulantin legt Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss Nummer 9 ein, stellt noch vor der Abhilfeentscheidung einen Befangenheitsantrag gegen den erkennenden Richter und wir deshalb einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag, da der Befangenheitsantrag als neuer tatsächlicher Umstand bei der negativen Beiordnungsentscheidung für das neunte Ordnungsgeld noch nicht berücksichtigt werden konnte. Und Ordnungsmittelantrag Nummer 10 ist natürlich auch schon beim Gericht.

Dienstag, 7. Mai 2019

"seine Läden liefen damals alle auf seine Schwester"

Hört sich nicht so schlimm an? Wer im Geschäftsverkehr auf einen tadellosen Ruf angewiesen ist, könnte das anders sehen. Denn die Behauptung einer sogenannten Strohmann-Lösung in der Vergangenheit wirft zumindest für die Vergangenheit das Licht mangelnder Seriösität auf den Geschäftsmann und ist durchaus auch geeignet, Zweifel an seiner heutigen Kompetenz zu wecken.

Da die in der Überschrift zitierte Behauptung über Facebook verbreitet wurde und dem Geschäftsmann missfiel, weil sie nachweislich falsch war, untersagte das Amtsgericht Hamburg durch Beschluss vom 14.09.2018 zum Az.: 36a C 207/18 deren Verbreitung über das Internet. Denn grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit bei unwahren Tatsachenbehauptungen hinter das Persönlichkeitsrecht zurück.

Der Ausgleich zwischen den Anforderungen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz wird dadurch erreicht, dass demjenigen, der nachteilige Tatsachenbehauptungen über andere aufstellt, Sorgfaltspflichten auferlegt werden, deren Umfang sich nach dem Einzelfall richtet. Da die Ermittlung der Wahrheit von Tatsachenbehauptungen oft schwierig ist, trifft denjenigen, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, im Rechtsstreit eine erweiterte Darlegungslast, der er nur genügt, wenn er Belegtatsachen für seine Behauptung vorweisen kann, vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2007, Az. VI ZR 144/07. Da niemals auch nur irgendein Geschäft auf die Schwester des Antragstellers lief, erließ das Amtsgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die mittlerweile durch Abgabe der Abschlusserklärung auch rechtskräftig geworden ist.

Freitag, 3. Mai 2019

Prozessbetrug, strafbare Beihilfe oder nur berufstypisches Verhalten

Die kompromisslose Unterstützung der Mandanten ist für den Rechtsanwalt einerseits berufliche Pflicht, denn ein Anwalt hat die Ansprüche seines Mandanten in jeder Phase des Mandats zu sichern. Andererseits dürfen prozessuale Pflichten der Partei eines Rechtsstreits, wonach deren Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben sind, nicht dadurch umgangen werden, dass der Anwalt  - und nicht der Mandant - dem Gericht falsche Tatsachen mitteilt. Entscheidend für eine Strafbarkeit des Prozessbevollmächtigten ist daher, ob der Rechtsanwalt über die Wahrheit informiert ist oder nicht. Fraglich ist möglicherweise auch, ob der Anwalt die Wahrheit erkennen musste, wenn sie ihm nicht positiv mitgeteilt wurde. Ein Rechtsanwalt kann sich daher, wenn er die subjektiven Voraussetzungen seines Mandanten nicht erfüllt, immer noch der strafbaren Beihilfe schuldig machen. Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Gehilfenvorsatz wird angenommen, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat muss er nicht zu kennen. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Rechtsanwalt dies weiß.

Die Mitwirkungshandlung eines Rechtsanwalts in einem Zivilprozess, etwa durch Einreichung von Schriftsätzen oder Unterlagen, könnte daher schnell zu einer Beihilfestrafbarkeit führen, wenn die eingereichten Dokumente im weitesten Sinne falsch sind und der Rechtsanwalt dies wusste oder aber erkennen musste. Allerdings korrigiert die Rechtsprechung eine ausufernde Beihilfestrafbarkeit von Anwälten durch die Frage nach der objektiven Zurechnung von Hilfeleistungen zur Tatbestandsverwirklichung des Haupttäters. Teilweise wird vertreten, dass eine Beihilfestrafbarkeit dann ausscheide, wenn es sich bei den Handlungen des Rechtsanwalts um "neutrales" oder "berufstypisches" Verhalten handele oder sich der Handelnde noch im Rahmen seiner "professionellen Adäquanz" bewege. Danach soll der Anwalt bereits objektiv keinen Straftatbestand erfüllen, der sich an die für seine Tätigkeit geltenden Normen und Regeln halte. Der strafrechtlich relevante Bereich werde erst dann erreicht, wenn die für Anwälte geltenden Regeln verletzt würden, um rechtswidrige Ziele zu erreichen. Solange sich für das Handeln des Rechtsanwalts nicht nur deliktische, sondern neutrale Gründe finden ließen, liege ein strafloses berufsübliches Verhalten des Rechtsanwalts vor.

Eine andere Ansicht lehnt zwar das Abstellen auf "professionelle Adäquanz" ab, weil es zu einer Privilegierung der Rechtsanwälte oder Steuerberater führe, nimmt aber dennoch bei "berufstypischen" Handlungen nur dann eine Strafbarkeit an, wenn der Anwalt seine Berufsausübung den deliktischen Plänen des Mandanten anpasse. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn er seine beruflichen Handlungen im Hinblick auf die Straftat eines Mandanten modifiziere, z. B. durch Bereitstellung einer Infrastruktur, die ohne deliktischen Sinnbezug nicht mehr erklärt werden könne. Ein sozialtypisches Verhalten solle dann nicht mehr vorliegen, wenn der deliktische Wille des Mandanten offensichtlich sei. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Ansicht, die eine Strafbarkeit von Rechtsanwälten nur bei Vorliegen einer "besonderen Sachlage" annimmt. Davon abweichend geht eine weitere Ansicht davon aus, dass die Handlung eines Rechtsanwalts nur dann tatbestandsmässig eine strafrechtlich relevante Beihilfehandlung sein könne, wenn sie unmittelbar den tatbestandlichen Erfolg herbeiführe, weil der Anwalt keine Garantenstellung für die Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen des Mandanten habe.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen schließlich die folgenden Grundsätze maßgeblich: Ist das Handeln eines Mandanten ausschließlich darauf ausgerichtet, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Rechtsanwalt, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Handeln stets den beruflichen Alltagscharakter, ist als „Solidarisierung“ mit dem Mandanten zu werten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat einzuordnen. Weiß der Anwalt dagegen nicht, wie sich von ihm eingereichte Schriftsätze oder Urkunden im Zivilprozess auswirken werden und zu welchem verborgenen Zweck sie der Mandant eingereicht sehen möchte und hält er es lediglich für denkbar, dass sein Beitrag als Rechtsdienstleister zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist das anwaltliche Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. Mit diesen Kriterien scheint der Bundesgerichtshof das strafrechtliche Risiko von Anwälten im Berufsalltag ausreichend minimiert zu haben und es ist zu hoffen, dass auch die Staatsanwaltschaften die Kriterien des Bundesgerichtshofs verinnerlichen.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Hannovers Oberbürgermeister vor Gericht II

In meiner Studienzeit war der Begriff "Sozpäd" unter Juristen fast so etwas wie ein Schimpfwort. Sozialpädagogen wurden für ihr Studium belächelt. Es war wohl nicht hart genug. Immerhin konnte Stefan Schostok als Sozialpädagoge Oberbürgermeister von Hannover werden, denn er hatte sich bei der Stichwahl um das Amt des hannoverschen Verwaltungsoberhaupts am 6. Oktober 2013 mit 66,3 % der abgegebenen Stimmen gegen den in Hannover durchaus bekannten Anwalt Matthias Waldraff durchgesetzt und damit einen Juristen abgehängt. "Sozpäd" 1 - "Jura" 0.

Nun ist Schostok vom Amt des Oberbürgermeisters zurückgetreten, weil ihm andere Juristen, nämlich die der Staatsanwaltschaft Hannover, Untreue in einem besonders schweren Fall wegen von ihm zu verantwortender überhöhter Mitarbeiterzahlungen vorwerfen. Er selbst glaubt, unschuldig zu sein, aber schon der Vorwurf allein wiegt zu schwer, als dass sich Schostok in Hannover an der Macht halten konnte. "Sozpäd" 1 - "Jura" 1.

Schostok macht auf unwissend. Im Studium hätten ihm die Juristen das sofort abgenommen. Heute nicht mehr, denn sein ehemaliger Personaldezernent ließ im Mai 2017 ein Rechtsgutachten anfertigen, nach welchem es "keine gesetzliche Grundlage" für die überhöhten Zahlungen gegeben hätte. Schostok hatte das zweiseitige Gutachten bei sich zu Hause mit dem Handy abfotografiert und dann per WhatsApp weitergeleitet. Er behauptet trotzdem, den Inhalt nicht gekannt zu haben, weil er ihn nur überflogen habe. Wer fotografiert schon unbekannte Mitteilungen ab, um sie an Mitarbeiter weiterzuschicken? "Sozpäd" 1 - "Jura" 2.

In der jetzt von ihm beantragten Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand hätte Schostok allerdings sofort Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegehalt von knapp EUR 4.000,- pro Monat, weil er länger als fünf Jahre das Amt des Oberbürgermeisters inne gehabt hat. "Sozpäd" 2 - "Jura" 2. Da bleibt für die Juristen noch die Strafverhandlung vor dem Landgericht Hannover und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren, um das Blatt noch zu wenden. Immerhin droht vor Gericht eine Bewährungsstrafe und anschließend die Kürzung oder gar Aberkennung des Ruhegehalts. Mein Tipp: Einsicht und Reue zeigen, Bewährungsstrafe akzeptieren, mit dem verbleibenden Ruhegehalt knapp 10 Jahre vor Erreichen des durchschnittlichen Rentenalters auf Weltreise gehen und die Partie damit doch noch als Sieger beenden.