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Freitag, 22. April 2022

Umgehungsverbot

Der anwaltlich vertretene Gegner wendet sich persönlich an mich. Ich hatte ihn über seinen Anwalt zur Zahlung der ausgeurteilten Kosten aufgefordert und mit der Zwangsvollstreckung gedroht. Die Kosten für diese Drohung - sogenannte Kosten für die Vollstreckungsandrohung - hatte ich mit angefordert:
"Sehr geehrter Herr Möbius, Ihr Schreiben habe ich über meinen RA erhalten. Leider liegt mir weder dieses Urteil vor noch ein entsprechender Kostenfestsetzungsbeschluss. Auch kann ich nicht einsehen, wieso für dieses Schreiben schon wieder zusätzliche Kosten angefallen wären. Bitte stellen Sie mir das Urteil zur Verfügung, da mit ich das einsehen kann. Sobald ein Kostenfestsetzungsbeschluss dazu vorliegt, werde ich diesen auch bezahlen. M f G"

Es geht um knapp 5.000,- Euro die ich natürlich ganz gern hätte und mit einem Knopfdruck könnte ich dem Gegner die gewünschten Unterlagen per E-Mail zuschicken. Allerdings verbietet § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) die Umgehung des Gegenanwalts wie folgt: "Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln." Diese Vorschrift gilt nicht nur, wenn die Initiative von dem Rechtsanwalt selbst ausgeht, sondern auch dann, wenn sich die gegnerische Partei ihrerseits direkt an den Rechtsanwalt wendet.

Der arme Mann ist seinem Rechtsanwalt ausgeliefert, der ihn anscheinend nicht über den Ausgang des - ohnehin überflüssigen - Rechtsstreits informiert hatte. Allerdings kann der Gegner die zusätzlichen Kosten, die ihm durch den Mangel der rechtzeitigen Unterrichtung entstehen, von seinem Anwalt als Schadensersatz fordern. Wahrscheinlich wird er das nie erkennen und lieber mich für die Vollstreckung hassen.

Ich werde ohne zu antworten den Gerichtsvollzieher beauftragen, das Geld direkt beim Gegner einzutreiben. Das darf ich.

Sonntag, 13. Juni 2021

Falscher Anwalt vor Gericht - Teil 2

Wenn ich an den ehemaligen Rechtsanwalt denke, der ohne Zulassung ein knappes halbes Jahr weiter prozessierte, bis sein kriminelles Treiben vom Landgericht Frankfurt gestoppt wurde, kommen mir immer seine alten Tricks aus glücklicheren Tagen in den Sinn, die er in den Verfahren abgezogen hatte, in denen wir uns gegenüber standen. Er glänzte in allem, was nicht mit den Rechtsfragen des Prozesses zu tun hatte.

Bis heute ist er der erfolgreichste Terminsverleger, den ich je erlebt habe und ich muss gestehen, dafür bewundere ich ihn immer noch. Einsame Spitze sind unangefochten auch seine Verstöße gegen das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts nach § 12 BORA. Weil die Verletzung des Umgehungsverbots einen wesentlichen Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht darstellt, gehen Streitereien um einzelne anwaltliche Schreiben sogar bis zum Bundesgerichtshof. Derartige Peanuts dürften dem Rechtsbrecher in Robe allenfalls ein müdes Lächeln entlockt haben.

Denn mit über 100 E-Mails an meine Mandantin und über 150 E-Mails an einen anderen Mandanten während zweier laufender Verfahren dürfte der ertappte Titelschwindler noch zu Anwaltszeiten beachtliche Rekorde aufgestellt haben. Über die konkreten Sanktionen in den deswegen von mir initiierten Berufsrechtsbeschwerden habe ich von der zuständigen Rechtsanwaltskammer leider nichts mehr erfahren.

Vor dem Landgericht Rostock hatte ich mich noch erfolgreich gegen Hinweise an meine Mandantin wie "Übrigens kann man Mandate auch kündigen." und "Wenn Sie die Klage nicht ins Netz gestellt haben, dann kann das nur Ihr Anwalt gewesen sein, der sich damit nach § 203 StGB schwer strafbar gemacht hat. Und so einem Anwalt vertrauen Sie?" gewehrt, bevor wir uns dann ein wenig aus den Augen verloren haben.

Mit welchem Selbstverständnis der Ex-Anwalt später eine Straftat nach der anderen beging, dürfte sich aus einer der vielen E-Mails ergeben, die er damals unter Verletzung seiner Berufspflicht an meinen Mandanten schrieb: "Nicht auch als Anwalt, sondern gerade als Anwalt sollte man ein Gewissen haben! Das unterscheidet mich von gewissen anderen Anwälten." Sich selbst noch im Moment des Begehens des Rechtsbruchs einen Heiligenschein anzudichten, ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Mittwoch, 17. Februar 2016

Der geschwätzige Kollege

Mit Versäumnisurteil vom 14.07.2015 hat das Landgericht Rostock zum Az.: 3 O 423/15 einem mitteilsamen Kollegen, der beständig das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts gem. § 12 BORA ignoriert hatte und sein standeswidriges Verhalten schließlich mit dem unzweideutigen Hinweis „Übrigens kann man Mandate auch kündigen.“ gekrönt hatte, im Wege der einstweiligen Verfügung verboten, seine kostbare Arbeitszeit weiterhin mit der Belästigung fremder Mandanten zu verschwenden:

"I.) Dem Beklagten wird untersagt, als Rechtsanwalt Hinweise wie „Übrigens kann man Mandate auch kündigen.“ und „Wenn Sie die Klage nicht ins Netz gestellt haben, dann kann das nur Ihr Anwalt gewesen sein, der sich damit nach § 203 StGB schwer strafbar gemacht hat. Und so einem Anwalt vertrauen Sie?“ wie per E-Mail vom 24.04.2015 an die Mandantin des Antragstellers geschehen, an Mandanten des Antragstellers zu versenden.

II.) Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu Euro 200.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

III.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte

IV.) Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt."

Damit hat sich das Landgericht Rostock im Ergebnis der rechtlichen Wertung des Verfügungsklägers angeschlossen:

"In dem Verhalten des Antragsgegners liegt ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß gemäß § 4 Nr. 7, Nr. 8, Nr. 10 und Nr. 11 UWG. Es liegt eine wettbewerbswidrige Herabsetzung des Antragstellers als Mitbewerber gemäß § 4 Nr. 7 UWG vor. Die Herabsetzung eines Mitbewerbers ist zu bejahen, wenn die Handlung geeignet ist, die Wertschätzung des betroffenen Mitbewerbers in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu verringern.Der Antragsgegner hat damit nicht nur eine unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt, welche geeignet ist, den Antragsteller zu schädigen (§ 4 Nr. 8 UWG), sondern auch gezielt einen Mitbewerber behindert (§ 4 Nr. 10 UWG), indem er durch Herabsetzung des Antragstellers auf eine Kündigung des Mandats hinwirken wollte. Dieses Verhalten ist geeignet, die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Antragstellers zu beeinträchtigen. Diese Behinderung erfolgte auch gezielt, denn bei objektiver Würdigung aller Umstände ist die Maßnahme in erster Linie nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung gerichtet, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers durch Mandatsentzug.

Der Antragsgegner hat außerdem gegen § 4 Nr. 11 UWG verstoßen, indem er entgegen § 12 BORA handelte. Gemäß § 12 BORA – Umgehung des Gegenanwalts – darf ein Rechtsanwalt nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Dies gilt auch dann, wenn die gegnerische Partei Kontakt mit dem (gegnerischen) Rechtsanwalt unter Umgehung seines eigenen Rechtsanwalts aufnimmt; solche Ansprachen hat der Rechtsanwalt abzulehnen oder er muss sich vergewissern, dass kein Mandatsverhältnis mehr besteht (AnwG Karlsruhe BRAK-Mitt. 2004, 181). Gleiches gilt, wenn erst im Laufe eines spontanen (ggfls. privaten) Gespräches der Gesprächsinhalt auf ein laufendes Verfahren umschwenkt (AnwG Karlsruhe BRAK-Mitt. 2006, 39).

§ 12 BORA ist auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, durch die ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt. Der Normzweck des § 12 BORA, der Schutz des gegnerischen Mandanten vor Abgabe benachteiligender Erklärungen, wird von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG erfasst. Das Umgehungsverbot regelt das Marktverhalten der Rechtsanwälte, welches im Interesse der Mandanten als Verbraucher ist. Folglich stellt ein Verstoß gegen § 12 BORA ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 11 UWG dar."

Seit der Entscheidung des Landgerichts Rostock ist - bis auf einen kleinen Ausrutscher - Ruhe auf den Nebenkriegsschauplätzen und der das anwaltliche Berufsrecht des öfteren vernachlässigende Kollege kümmert sich als berufener unabhängiger Berater und Vertreter seines Mandanten wieder intensiv und mit gewohnter fachlicher Kompetenz um dessen Rechtsangelegenheiten.