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Dienstag, 3. Oktober 2023

Brandmauerland

Brandmauer AfD
Die alte Mauer ist weg, die neue Mauer ist da und Deutschland feiert trotzdem. Am Tag der Deutschen Einheit im Jahre 2023 gibt keine deutsche Einheit mehr, denn quer durch Deutschland zieht sich eine Brandmauer. In der Architektur gibt es Brandmauern, die das Übergreifen von Feuer verhindern sollen. Die Brandmauer, die Deutschland aktuell teilt, ist eine politische Brandmauer. Sie soll den parteipolitischen Einfluß der AfD auf ein Minimum reduzieren und die AfD innerhalb des deutschen Parteienspektrums isolieren. Diese Brandmauer soll undurchlässig sein und jede Form der Kooperation mit der AfD auf europäischer, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ausschließen.

Wie bei einer physischen Brandmauer scheint die Angst vor einer Bedrohung Antrieb für die Mauer eines totalen Kooperationsverbots zu sein. Es ist die Angst vor der AfD, die man regelmäßig schon den Schlagzeilen der Presselandschaft entnehmen kann, wenn von neuen "katastrophalen" Wahlprognosen zu Gunsten der AfD die Rede ist. Wovor haben die anderen Parteien so große Angst, wenn es ihrer Ansicht nach der totalen Ausgrenzung der AfD bedarf? Ist es die Angst davor, dass die Kooperation mit der AfD Deutschland in eine rechtsextreme und europafeindliche Diktatur führen würde oder fürchten Parlamentarier die Bedrohung ihrer eigenen politischen und damit auch wirtschaftlichen Zukunft?

Da eine Partei, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, vom Bundesverfassungsgericht gem. Art. 21 Abs. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten werden kann, sollte der erneute Weg in eine Diktatur schon deshalb verrsperrt sein und jedenfalls im gesetzgebenden Parlament keine Angst auslösen.

Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass der Versuch der umfassenden Ausgrenzung der AfD und deren pauschalen Verunglimpfung als Nazi-Partei vorrangig das Ziel hat, die jahrzehntelang bestehende Hackordnung der Parteien und deren Finanzierung möglichst aufrecht zu erhalten und eine starke Konkurrenz mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verdrängen. AfD-Politiker vom Format des Fraktionsvorsitzenden der AfD Thüringen machen es anderen Parteien verhältnismäßig leicht, die Klaviatur des NS-Vergleichs zu bedienen, wenn selbst die Justiz der Ansicht ist, Björn Höcke durfte als Nazi und Faschist bezeichnet werden. Das Kalkül der AfD-Gegner: "Wer mit Faschisten sympathisiert, ist nun mal selber einer. Ganz einfach."

Dennoch war die Flucht in die Brandmauertaktik von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil eine Kooperation aller anderen Parlamentarier mit den demokratisch gewählten Vertetern der AfD schon in dem Moment begann, als man zusammen in einem Parlament saß, die Sitzordnung im Plenarsaal akzeptierte und in Parlamentssitzungen gemeinsam abstimmte. Nur ein Beispiel: Am 07. April 2022 stimmten im Bundestag 176 Abgeordnete der CDU/CSU, 79 Abgeordnete der FDP, 76 Abgeordnete der AfD, 29 Abgeordnete der Linken, 9 Abgeordnete der SPD und 6 Abgeordnete der Bündnis90/Grüne gegen die Corona-Impfpflicht für Menschen ab 60 Jahren.

Insgesamt stimmten 296 Abgeordnete mit "Ja" und 378 Abgeordnete mit "Nein", so dass der Gesetzesentwurf scheiterte und von einer Brandmauer war keine Rede. Ersichtlich gab es stets nur den von Konkurrenzdenken geprägten Wunschtraum einer funktionierenden Brandmauer zwischen den Parteien, die parteipolitische Realität sah immer anders aus. Das werbewirksam inszenierte Brandmauerspielchen diente nur der Stigmatisierung der AfD und verschaffte den anderen Parteien eine willkommene Möglichkeit, sich nicht mit den politischen Argumenten der AfD auseinandersetzen zu müssen.

Damit hat die Angst der lange etablierten Parteien und deren ständig propagierter Wunsch einer umfassenden AfD-Ausgrenzung eine Brandmauer in der Bevölkerung Deutschlands geschaffen, die sich nun auch am Jahrestag der Wiedervereinigung nicht mehr wegfeiern läßt. Auf der einen Seite stehen die "Demokraten", auf der anderen Seite die "Nazis". In einer Demokratie sollten sich allerdings die besseren Argumente durchsetzen und keine Boykottpflicht. Wer unabhängig von politischen Inhalten das Verbot einer parlamentarischen Zusammenarbeit mit der AfD propagiert, grenzt bundesweit zwischen 10 und 30 Prozent des Wahlvolks aus und gibt diesen Wählern zu verstehen, dass man ihre Ansichten pauschal und ohne jede Anhörung ablehne und alles erdenklich mögliche unternehmen werde, dass ihr durch die Wahl erklärter Wille keinesfalls ernst genommen werde.

Deshalb haben sich alle Parteien, die eine Brandmauer gegen die AfD befürworten, als Demokratiefeinde entlarvt, denn das Wesen einer Demokratie ist mit dem Prinzip der Volkssouveränität verknüpft, in welcher die Staatsgewalt vom Volk ausgeht und dessen Stimme nach den Wahlen durch die von ihm gewählten Vertreter immer zu hören und soweit mehrheitsfähig auch zu berücksichtigen ist. Ganz einfach.

Donnerstag, 6. Februar 2020

Macht, Demokratie und Recht

Bei der Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten stimmten 44 Abgeordnete des thüringischen Landtags für den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linkspartei und 45 Abgeordnete für den FDP-Politiker Thomas Kemmerich. Weil im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit reichte, wurde der FDP-Mann mit den Stimmen der Abgeordneten von CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. 24 Stunden nach dieser Wahl erklärte der frisch gewählte Ministerpräsident seinen Rücktritt. "Der Rücktritt war unumgänglich", "Gezwungen hat uns niemand", erklärte der Kurzzeitpräsident. Er wolle Neuwahlen erreichen. Noch heute Vormittag hatte der Ministerpräsident an ihn herangetragene Rücktrittsforderungen und Neuwahlen zurückgewiesen. Alle Demokraten sollten die bevorstehende Aufgabe annehmen und Neuwahlen seien unter Demokraten keine Option.

Nun steht die Familie des frisch zurückgetretenen Ministerpräsidenten unter Polizeischutz, die Landesvorsitzende der Linken warf ihrem Präsidenten schon kurz nach der Vereidigung im Landtag einen Blumenstrauß vor die Füße und Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Wahl als einem unverzeihlichen Vorgang, der rückgängig gemacht werden müsse. Auf die Frage, was in den letzten 24 Stunden in Thüringen passiert sei, gab der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel unumwunden zu: "Ganz offensichtlich hat Macht vor Anstand gesiegt."

Und tatsächlich, die wichtigste Erkenntnis, die sich in diesem Fall unübersehbar aus den Vorgängen in Thüringen gewinnen lässt, ist die Gewissheit, dass Macht auch in einer Demokratie der alles überragende Faktor ist. Wenn eine ordnungsgemäße Wahl demokratisch legitimierter Abgeordneter zu einem unerwünschten Ergebnis führt, lässt sich das Ergebnis dieser Wahl innerhalb kürzester Zeit annulieren. Einem Konsens unter Mächtigen ist auch ein frisch gewählter Ministerpräsident nicht gewachsen.

Der in den Vordergrund geschobene Faktor "AfD" ist bestenfalls zweitrangig. Wichtig ist in erster Linie, dass jedem Bürger in diesem Land für einen kurzen Moment vor Augen geführt wurde, welche Machtverhältnisse in Deutschland herrschen. Dass alle Staatsgewalt gerade nicht vom Volke ausgeht, wie es Art. 20 GG eigentlich vorsieht, sondern von den Hinterzimmern unserer Republik, wurde in der Thüringer Episode erschreckend deutlich. Auch das angeblich richtige Ergebnis der Intervention  aller aufrechten Demokraten vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass eine Demokratie am Konsens der Mächtigen nicht vorbeikommt. Macht steht über Demokratie und Recht.

Es ist kein Zufall, dass sich auch die demokratische Illusion, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden seien, in Art. 20 GG wiederfindet. Was macht eine Richterin auf Probe, wenn der Amtsgerichtsdirektor am Mittagstisch freundlich darauf hinweist, wie die Dinge an seinem Amtsgericht gehandhabt werden? Welche Meinung Vertritt der neue Berichterstatter in einem Senat des Oberlandesgerichts, wenn der Vorsitzende wohlwollend zu erkennen gibt, welcher juristischen Auslegung er den Vorzug gibt? Wie intensiv beschäftigt sich die Kammer eines Landgerichts mit einer Berufung im Hochsommer, wenn diese durch einstimmigen Beschluss kurzfristig ad acta gelegt werden kann?

Ich weiß es und seit heute wissen es noch ein paar Leute mehr.

Dienstag, 12. November 2019

Lieber Protestwähler,

wenn Du Dein Kreuz bei einer Partei auf einem Wahlzettel in Deutschland gemacht hast, hast Du Dich in jedem Fall für eine Partei entschieden, die ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist und die mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine ihr nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Da eine Partei selbst dann nicht verfassungswidrig ist, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt, weil der Schutz von Parteien durch das Grundgesetz erst dort endet, wo diese den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährden können, musst Du Dir über Belehrungen sogenannter Demokraten im Hinblick auf die von Dir getroffene Wahl keine Gedanken machen, wenn diese Dir das Recht zur Wahl einer auf dem Wahlzettel aufgeführten Partei absprechen wollen. Denn sie haben offensichtlich nicht erkannt, dass Deine Wahl ein wichtiger Teil unserer Demokratie ist und die Abgabe auch Deiner Stimme für die von Dir gewählte Partei ein durch unsere freiheitlich demokratische Grundordnung besonders geschütztes Rechtsgut ist.

Montag, 13. Februar 2017

Parteisoldaten

Die Bundesrepublik Deutschland hat nichts anders an ihrer Spitze verdient, als einen funktionierenden Volljuristen mit Parteikarriere. Alles andere wäre eine ebensolche Augenwischerei, wie die Alibiveranstaltung von gestern, die sogenannte Wahl des Bundespräsidenten, die natürlich auch gesetzlich geregelt ist:

Grundgesetz Art. 54
(1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.
(2) - (6)
(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung § 9 
(1) - (2) ...
(3) Gewählt wird mit verdeckten amtlichen Stimmzetteln. Stimmzettel, die auf andere als in den zugelassenen Wahlvorschlägen benannte Personen lauten, sind ungültig.
(4) - (5)

Was soll´s. Man muss einfach nur für sich selbst die notwendigen Konsequenzen ziehen.