Montag, 31. Januar 2011

Räumung des letzen besetzten Hauses in Berlin in der Liebigstrasse 14 rechtswidrig, 2100 Polizisten auf dem Holzweg?

"Die Räumungsvollstreckung darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter, der weder im Vollstreckungstitel noch in der diesem Titel beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist, im Besitz der Mietsache ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur eingeräumt worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln." so der Bundesgerichtshof in Zivilsachen mit Beschluss vom 14.08.2008 zum Az.: I ZB 39/08.

Damit ist es zweifelsohne recht einfach, eine durch den Gerichtsvollzieher angekündigte Räumung zu verhindern. Der eine oder andere Kollege hatte seinen Unmut auch schon geäußert, aber als Organ der Rechtspflege weiss man natürlich die Vorzüge der Gewaltenteilung und einen funktionierenden Rechtsstaat zu schätzen.

Am Mittwoch den 2. Februar 2011 soll nun ein Gerichtsvollzieher im größten Polizeieinsatz seit dem 1. Mai 2010 mit Hilfe von 2100 Polizbeamten die Räumung des letzten in Berlin bestzten Hauses durchführen. 13 Einsatzhundertschaften aus anderen Bundesländern wurden angefordert, um Recht und Ordnung durchzusetzen.

Recht und Ordnung sehen allerding auch die Bewohner der Liebigstrasse 14 auf Ihrer Seite, denn der zuständige Gerichtsvollzieher wurde bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass keine Räumungstitel gegen die Bewohner des besetzten Hauses existieren. Wie im Blog "Liebig14" zu lesen ist, sollen die in den Räumungstiteln genannten Personen schon seit vielen Jahren nicht mehr im besetzen Haus leben und Inhaber der Mietsache sei der Verein „Liebig14 e.V.“.

Ich schliesse mich daher der Meinung des Berliner Fraktionschefs der CDU, Frank Henkel, an, der sich gegen die gezielte Einschüchterung durch Gewalt in Berlin ausspricht und bekennt: „Recht und Ordnung müssen in unserer Stadt durchgesetzt werden.“

Mittwoch, 26. Januar 2011

LG Braunschweig: Wenn der Fehler, im Markenrecht das falsche Gericht anzurufen, mit zwei Anträgen auf Terminsverlegung im Verfügungsverfahren ...


.. kombiniert wird, kann man als Rechtsanwalt dem Schadensersatzanspruch des eigenen Mandanten vielleicht dadurch entgehen, dass man sich seine Fehler nicht in Urteilsform giessen läßt, sondern den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in der mündlichen Verhandlung zurücknimmt, "weil das Gericht zu erkennen gegeben hat, dass es den Antrag zurückweisen würde".

Weshalb die Sache erfolglos gewesen wäre, steht bei Antragsrücknahme natürlich nirgends und das ist ja auch ganz schön für den Kollegen. Das Landgericht Braunschweig hatte bereits vorab einen Hinweis zur Widerlegung der Dringlichkeit bei einem zweiten Verlegungsantrag im Eilverfahren gegeben, aber die Terminsgebühr wollte sich der Kollege wohl nicht entgehen lassen. Danke.

Er wird nun aber wissen, dass nach § 5 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) vom 18. Dezember 2009 in Niedersachsen das Landgericht Braunschweig für die Bezirke aller Landgerichte für die Patent-, die Gebrauchsmuster-, die Topographieschutz-, die Geschmacksmuster-, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster-, die Kennzeichen-, Gemeinschaftsmarken- und die Sortenschutzstreitsachen, die Streitsachen über den gemeinschaftlichen Sortenschutz sowie die Streitsachen über den Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen zuständig ist - und nicht das Landgericht Hannover.

Ein Urteil hätte daher vielleicht folgendes beinhaltet:

Trotz der durch Anrufung des falschen Gerichts hervorgerufenen Verzögerung beantragte der Verfügungskläger eine Verlegung des Verhandlungstermins, welche vom Gericht durch Umlegung auf den 18.01.2011 auch gewährt wurde. Während dem Verfügungsbeklagten nach der Abmahnung nur 5 Tage Zeit zur Abgabe einer srafbewehrten Unterlassungserklärung gelassen wurden, schien nun eine weitere Verzögerung von 6 Tagen hinnehmbar.

Schließlich beantragte der Antragsteller trotz der durch Anrufung des falschen Gerichts hervorgerufenen Verspätung und der durch die erste Terminsverlegung entstandenen Verzögerung eine weitere Verlegung des anberaumten Verhandlungstermins, welche vom Gericht durch Umlegung auf den 26.01.2011 abermals gewährt wurde. Weitere 8 Tage Zeit verstrichen ohne den angeblich wichtigen Eilrechtsschutz.

Damit hat der Verfügungskläger durch sein eigenes prozessuales Verhalten zu erkennen gegeben, dass ihm die Sache jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eilbedürftig ist, so dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG als widerlegt anzusehen ist.


Ähnlich hatte sich bereits das OLG Hamm mit Urteil vom 30.06.2009 zum Aktenzeichen: 4 U 74/09 bei nur einem Verlegungsantrag ohne anderweitige Verzögerungen geäußert. Zwei Verlegungsanträge nach Anrufung des falschen Gerichts in einem Verfügungsverfahren zu stellen sind allerdings auch ein schimmerndes Juwel anwaltlicher Handwerkskunst, über die wohl auch in Zukunft kein Richter in Deutschland sein schriftliches Votum abgeben muss.

Dienstag, 25. Januar 2011

BILD-Zitat: „Wir lassen jetzt den Kachelmann raus, bring deine Patientin in Sicherheit, es könnte sein, dass der die umbringt.“


Da halte ich nun doch den Atem an, als ich lese, dass nach BILD-Informationen der Therapeut des mutmasslichen Opfers, Dr. Günter Seidler, von einem Anruf des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe am Tag der Freilassung Kachelmanns berichtet haben soll, wonach er vom Präsidenten die in der Titelzeile enthaltene Warnung erhalten habe. Dieser Artikel verspricht Ärger.

Freitag, 21. Januar 2011

Das Wunder im deutschen Prozessrecht - der Gewinn aussichtsloser Prozesse mit Hilfe einer sachverständigen Expertenkommission der katholischen Kirche


Anlässlich des Seligsprechungsprozesses von Papst Johannes Paul II. bin ich über die formalen Voraussetzungen für die Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens gestolpert. Ich war begeistert, dass selbst dem Glauben an Gott formaljuristische Tentakel gewachsen sind und jemand, bevor er heilig werden kann, erst selig werden muss. Dass erinnert mich entfernt an das erste und zweite juristische Staatsexamen - das Zweite gibt´s nicht ohne das Erste. Erfolgreich selig werden kann man auch nur, wenn man unter den Gläubigen den „Ruf der Heiligkeit“ (fama sanctitatis) und den „Ruf der Wundertätigkeit“ (fama signorum) geniesst.

Der Ruf der Heiligkeit scheint mir zu konturlos, aber die zweite Voraussetzung liess mich aufhorchen. Tatsächlich setzt die Seligkeit nämlich auch die Herbeiführung ein Wunders voraus, also eines Ereignisses, welches menschlicher Vernunft und Erfahrung und den Gesetzlichkeiten von Natur und Geschichte widerspricht. Dieser Ansatz ist für einen Rechtsanwalt, der sich im Rahmen von Prozessen mit Beweisen herumschlägt und im vorläufigen Rechtsschutz bei einstweiligen Verfügungen gar nur Glaubhaftmachungen beibringt, eine spannende Sache. Wie wäre es denn, abseits überwiegenden oder mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeiten einmal das Wunder im deutschen Prozessrecht zu bemühen und deren Beweis Kirchenjuristen und sachverständigen Kommissionen der katholischen Kirche zu überlassen?

Anwendungsbereiche wären etwa der überwiesene aber nie angekommene Geldbetrag zur Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung, der ohne Fremdeinwirkung ausfallende Zahn kurz vor Auftreffen der geballten Faust, der in Richtung einer Polizeiformation fliegende unerklärliche Feuerball während der alljährlichen Maikrawalle, das ohne Anlass auslösende Geschwindigkeitsmessgerät und die im IT-Recht häufig verschwindenden E-Mails. Kurz gesagt: Sämtliche Abweichungen adäquat kausaler Handlungsabläufe kommen als Wunder in Betracht und könnten einen Prozess in aussichtsloser Position noch wenden.

Einen Rückschluss auf eine stattliche Anzahl von Wundern erlaubt der Blick in ein Heiligenlexikon; jeder dort zu findende Heilige dürfte für mehr als nur ein Wunder verantwortlich sein. Dass die Wunderpalette im normalen Leben tatsächlich einiges zu bieten hat, läßt sich ohne grosse Mühe herausfinden, denn erhellende Fragmente zu Heiligenanwärtern und auf ihnen beruhende Wunder sind leicht zu finden, wie z. B.

1. zu Clemens August Graf von Galen: "Die vatikanische Kongregation hatte einstimmig entschieden, dass der von der Diözese Münster geltend gemachte Heilungsvorgang an dem jungen indonesischen Schüler Henrikus Nahak im Jahr 1995 medizinisch unerklärlich und unter theologischen Gesichtspunkten als Wunder zu werten ist."

2. zu Eustachius Kugler: "Im Juni gibt die Expertenkommission, die sich mit dem Wunderprozess befasst, ein positives Urteil über das mutmaßliche Wunder ab, das dem Ehrwürdigen Eustachius Kugler zugeschrieben wird. Nach Überzeugung der Experten ist der schwere Verkehrsunfall mit Totalschaden des Kraftfahrzeugs, den der Betroffene ohne nennenswerte subjektive und objektive medizinische Konsequenzen erlitten hat, als ein außergewöhnlicher Vorfall anzusehen, der mit natürlichen Kriterien nicht erklärt werden kann."

3. zu Johannes Paul II.: "Bei dem Wunder geht es um die Heilung der französischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre, die an Parkinson litt. Sie wurde plötzlich von der Krankheit befreit, nachdem Johannes Paul II. in den Monaten nach seinem Tod in Gebeten um Hilfe angefleht worden war. Nachdem sie am Abend zuvor zu Johannes Paul gebetet und ihn um Heilung gebeten habe, sei sie am Morgen des 3. Juni 2005 mit dem Gefühl aufgewacht, neu geboren zu sein, sagte die 49-jährige Marie Simon-Pierre".

Es gibt natürlich noch mehr derartige Beispiele und damit ist es doch wohl auch für bodenständige Gerichte und Rechtsanwälte an der Zeit, sich von der eindimensionalen Sicht überwiegender Wahrscheinlichkeiten abzuwenden und im deutschen Prozessrecht mit etwas Phantasie auch das Wunder in den Kreis der sich bietenden Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten einzubeziehen. Im Zweifel könnte der notwendige Beweis mit Hilfe einer Expertenkommission der vatikanischen Kongregation gelingen.

Freitag, 14. Januar 2011

Abmahnungen erschüttern die "Säulen der Erde" - Rechtsanwälte Waldorf Frommer mahnen für die Universum Film GmbH aus München ab


"Die Säulen der Erde" (Teil 1), (Teil 2) und (Teil 3), (TV-Serie), sind Gegenstand von Abmahnungen der Rechtsanwälte Waldorf Frommer aus München. Nach dem Wortlaut der Abmahnung soll binnen einer Frist von unter 7 Tagen eine Unterlassungserklärung abgegeben werden und der geforderte Zahlungsbetrag von insgesamt EUR 1.878,- (Anwaltskosten EUR 778,- und Schadensersatz EUR 1.100,-) in weniger als 2 Wochen beglichen werden. Schmackhaft gemacht wird das Zahlungsangebot mit der Inaussichtstellung geringer Anwaltskosten, wenn man kooperiert und keinen "nennenswerten weiteren Bearbeitungsaufwand" verursacht. Wenn das man nicht anders noch günstiger geht ...

Mittwoch, 12. Januar 2011

Jan Delay: Begehen "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" ein grobes Foul? Abmahnung für die Universal Music GmbH durch die Kanzlei Rasch



Mittels Filesharing soll das oben genannte Album zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sein. Mit der Abmahnung wird ausser der Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunft und Ersatz von Schäden auch ein Vergleichsvorschlag unterbreitet, nach welchem gegen eine fristgerechte Zahlung in Höhe von EUR 1.200,- die Angelegenheit erledigt werden könnte. Neben dem Abschluss des Vergleichs soll auch die beigefügte Unterlassungserklärung unterzeichnet werden.

Es folgt ferner ein Beschluss des Landgerichts Köln gem. § 101 Abs. 9 UrhG, in welchem ausser dem abgemahnten Album die Alben "Sido - Aggro Berlin", "Semino Rossi - Die Liebe bleibt", "Tokio Hotel - Humanoid (Edition Deutsch)", "Tokio Hotel Humanoid (Edition English)", Element of Crime - Immer da wo Du bist", "Christina Stürmer - In dieser Stadt", "Sportfreunde Stiller - MTV unplugged in New York", "Rihanna - Rated R", "Lady Gaga - The Fame", "Lady Gaga - The Fame Monster", und "Verschiedene - Zweiohrküken" genannt sind. Dass die genannten Künstler gemeinsam die Durchführung eines Benefizkonzertes zu Gunsten unschuldiger Abmahnopfer der Musikindustrie planen, ist nicht einmal ein Gerücht.

Sonntag, 9. Januar 2011

kindliche Wortschöpfung im IT-Zeitalter: "Wirklichkeitsverpasser"


Meine Söhne spielen gerne mit dem Computer. Von Diskussionen begleitet ist in diesem Zusammenhang das Dürfen: Wer zuerst, was und wie lange. Ich erkläre stets meinen Standpunkt und es scheint einiges angekommen zu sein, denn die Entscheidung zwischem virtuellem und "richtigem" Spiel fällt bei Tageslicht regelmäßig zu Gunsten des wahren Lebens aus. In erster Linie Fussballspielen, Fahrradfahren und Kämpfen. Vom Computerspielen bekommt man keine Muskeln, das leuchtet jedem ein. Aber auch die Erkenntnis der höheren Wertigkeit von Erlebnissen abseits des Computers ist nun belegt. Bei einem Supermarkteinkauf sitzt ein gleichaltriger Junge gedankenverloren im Einkaufswagen und spielt ein Handyspiel. Er wird kurz gemustert und - für den Jungen unbemerkt - mit dem Titel "Wirklichkeitsverpasser" belegt. Etwas streng angesichts der begrenzten Erlebniswelt im Supermarkt aber das Wort Wirklichkeitsverpasser gefällt mir. Wegen des Zeitaufwands für diesen Blog sollte ich mir das Wort gut merken.

Samstag, 8. Januar 2011

Von der Sonnenseite des Lebens als Fachanwalt für IT-Recht: Die Selbstanzeige straflosen Handelns


Der Forumsteilnehmer meldet sich aus Ärger dreimal mit dem Namen eines ungeliebten Dritten und falschem Kennwort an, um desssen Teilnehmerkonto damit kurzfristig zu blockieren. Erschrocken über die eigene Niederträchtigkeit erfolgt nicht nur umgehend eine Selbstanzeige wegen des Ausspähens von Daten gem. § 202a StGB bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, sondern auch der Auftrag zur Strafverteidigung. Dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens mangels Vorliegens eines objektiven und subjektiven Straftatbestands entspricht die Staatsanwaltschaft bereits drei Tage später und der Mandant begleicht die Rechnung umgehend.